Predigt zu Johannes 21, 15-19 am Sonntag Misericordias Domini
Zunächst möchte ich Ihnen eine Geschichte von zwei Freunden erzählen:
Sie waren fast immer zusammen, hielten zusammen, vertrauten sich und hatten sich auch Treue versprochen. Doch dann bekam die Freundschaft einen Riss: An einer Stelle hätte das Festhalten an der Freundschaft schwere Nachteile bedeutet. Der eine hielt dazu, der andere sagte: Den kenne ich nicht. In einer Freundschaft ist das das Schlimmste, was passieren kann. Wie sollten diese beiden Freunde sich wieder begegnen?
Diese Geschichte könnte so ähnlich an jeder Stelle in der Welt geschehen. Hier geht es um die Freundschaft zwischen Petrus und Jesus.
Rufen wir uns kurz in Erinnerung, was passiert war:
Petrus war mit Jesus gegangen und hatte alles aufgegeben, weil er ihm vertraute. In diesem Vertrauen war er sogar über das Wasser gegangen und hatte auch sonst viel mit Jesus erlebt. Doch dann wurde Jesus gefangengenommen. Jesus hatte zu seinen Jüngern gehalten und sie nie aufgegeben. Petrus hatte noch gesagt: „Und wenn ich mit dir sterben müsste, ich halte zu dir.“ (Matthäus 26, 35) Aber dann hatte er ihn verraten.
Nun trafen sie sich nach der Auferstehung wieder. Was würde geschehen? Wie würden sie die Geschichte weiterschreiben? Wir lesen dazu aus dem Johannesevangelium 21, 15-19:
15 Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr, als mich diese lieb haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! 16 Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! 17 Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! 18 Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst. 19 Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!
Ich kann mir vorstellen, dass Petrus Angst gehabt hat:
Einerseits war er voll Freude über die Auferstehung Jesu, andererseits muss ihn die Frage beschäftigt haben, wie Jesus nach seinem Verrat reagieren würde. Jesus hätte genug Grund gehabt Petrus zu verurteilen, böse und verärgert zu sein und ihm deutlich zu machen, dass er als Jünger nun nicht mehr zu gebrauchen sei. Aber Jesus macht ihm keine Vorhaltungen wegen des Verrats. Er bezweifelt auch nicht den Charakter von Petrus oder seine Fähigkeiten. Er geht gar nicht auf das ein, was in der Vergangenheit war, sondern fragt Petrus, wie er denn jetzt und in Zukunft zu ihm steht.
Und dabei stellt Jesus ihm nur diese eine Frage: „Hast du mich lieb?“
Steht unsere Freundschaft, deine und meine Liebe jetzt und für die Zukunft? Denn darauf kommt es Jesus an.
Wie mag es Petrus ergangen sein mit dieser Frage?
Hat er sich geschämt, und war ihm das alles unangenehm? Ihm muss deutlich geworden sein: Jesus will mich nicht, weil ich besonders gut und mutig bin, denn das bin ich nicht, ich habe versagt, aber er will mich, weil er die Gemeinschaft der Liebe mit mir will.
Und nun kommt Jesus auch auf uns zu und stellt diese einfache Frage: Hast du mich lieb?
Er schaut uns dabei an und sieht durch unsere gute Maske hindurch, sieht, dass wir einmal „Ja“ zu ihm gesagt haben, aber auch wie oft wir weggelaufen sind von ihm. Wenn er uns so anschaut, merken wir, dass wir vor ihm eigentlich nicht bestehen können. Und dann kann auch in uns die innere Unruhe entstehen: Wie geht er mit uns um? Straft er und sagt: Du hast selber schuld? Wertet er uns ab und sagt: Du bist nur noch für minderwertige Aufgaben zu gebrauchen?
Aber Jesus fragt nur: Hast du mich lieb?
Und jeder, der das von Jesus hört, muss diese Frage für sich selbst beantworten.
Da geht es nicht um das, was wir vorzeigen können vor anderen Menschen, um unserer Selbstrechtfertigung mit dem Hinweis auf andere, dass die auch nicht besser sind, oder unseren Hinweis darauf, dass wir uns in Zukunft bemühen werden, es besser zu machen. Sondern es geht nur um diese eine Frage: Hast du mich lieb? In unserem Glauben geht es zuallererst und vor allem um diese eine Frage.
Wenn ich zu Jesus gehören will, den Halt und Trost erfahren will, seine Gegenwart spüren will, aus dem Gebet Kraft schöpfen will, in die Ewigkeit will, dann muss ich diese eine Frage, wie Petrus, beantworten.
Petrus antwortet 3 mal: „Ja, Herr,
ich habe dich lieb!“
Und jedes Mal beauftragt ihn Jesus:
Weide meine Lämmer!
Kümmere dich um die, die mich auch lieben und zu mir gehören. Ich vertraue dir und vertraue dir etwas Wichtiges an. Und wenn wir diese eine Frage von Herzen beantworten, dann sagt Jesus das auch zu uns: Ich vertraue dir und vertraue dir etwas Wichtiges an, nämlich meine Menschen.
Besuch die Alten, kümmere dich um die Jugendlichen, sei bei den Kranken und Einsamen, erzähle vom Glauben, gib deinen dir nahestehenden Menschen meine Liebe weiter, bereichere den Gottesdienst durch deine Musik und deine Gesang im Chor oder durch einen Dienst an anderer Stelle. Tu etwas, setz dich dafür ein, dass die Menschen durch dich etwas von mir erfahren und bei mir bleiben.
Das sagt Jesus auch zu Ihnen. Er will Sie gebrauchen!
Wenn Jesus uns gebrauchen will, dann fragt er nicht: Wie lange bist du schon dabei in der Gemeinde, welche Fähigkeiten, Studien kannst du vorweisen, welche Position hast du? Sondern er fragt zuerst: Hast du mich lieb?
Zuerst fragt er die, die in der Gemeinde eine leitende Position haben, die Pastoren, Kirchenvorsteher, Gruppenleiter und dann alle die, mitarbeiten wollen am Reich Gottes, jeden Christen.
Was unsere Kirche zuerst braucht, sind nicht studierte Leute oder Menschen mit besonderen Fähigkeiten, sondern Menschen, die sagen: Ich liebe Jesus von ganzem Herzen und möchte für ihn und in seinem Auftrag mein Bestes geben! Und die bereit sind, dafür auch Nachteile in Kauf zu nehmen. Petrus konnte noch viele Jahre etwas für Jesus tun, aber am Ende kostete es sein Leben.