Die Apologie (Verteidigung, Erläuterung) der Confessio Augustana (AC)

entstand 1531 und wurde unter starkem Einfluss Luthers von Philipp Melanchton verfasst. Nachdem die Confessio Augustana (CA), das Augsburger Bekenntnis auf dem Augsburger Reichstag 1530 dem Kaiser vorgelesen wurde, fertigten einige römisch-katholische Theologen eine Gegendarstellung an, die auch auf dem Reichstage verlesen wurde. Die Apologie der Confessio Augustana ist eine Antwort auf die Gegendarstellung mit der Absicht, sie auch auf dem Reichstag zu verlesen. Das wurde vom Kaiser jedoch nicht erlaubt, so dass sie erst 1531 in der jetzigen Fassung erschien. Inhaltlich orientiert sie sich an den 18 Kapiteln der Confessio Augustana. Man kann sie auch als Kommentar der Confessio Augustana verstehen, sie ist jedoch in ihrer Argumentation deutlich schärfer als die Confessio Augustana. Besonders ausführlich wird die Rechtfertigunslehre behandelt. 1537 wurden auf dem Schmalkaldischen Konvent beide Schriften offiziell zu Bekenntnisschriften der evangelischen Kirche erklärt.

Pastor i. R. Hans-Martin Heins

Inhalt 

Mit einem Klick auf den Artikel kommen Sie zum entsprechenden Absatz.

Melanchthon, Philipp – Apologia der Konfession

Aus dem Latein verdeutscht durch Justus Jonas

Vorrede

Philippus Melanchthon dem Leser.

Als das Bekenntnis unserer gnädigsten und gnädigen Herren, des Kurfürsten zu Sachsen und der Fürsten diese Teils, zu Augsburg öffentlich vor kaiserlicher Majestät und den Ständen des Reichs ist verlesen worden, haben etliche Theologi und Mönche wider dasselbe Bekenntnis und Konfession eine Antwort und Widerlegung gestellt, welche dann kaiserliche Majestät hernach vor Ihrer Majestät, den Kurfürsten, Fürsten und Ständen des Reichs verlesen lassen, und hat begehrt, daß unsere Fürsten aus solche Meinung forthin wollten zu glauben, auch zu lehren und zu halten willigen.

Dieweil aber die unsern angehört, daß in solcher Antwort der Theologen viele Artikel verworfen, welche sie ohne Beschwerung der Gewissen und mit Gott nicht könnten lassen verwerfen, haben sie der Antwort oder der Konfutation Abschrift gebeten, damit sie eigentlich sehen und erwägen möchten, was die Widersacher zu verdammen sich unterstünden, und desto richtiger aus ihre Ursache und vorgebrachten Gründe wieder antworten möchten.

Und in dieser großen, hochwichtigsten Sache, welche nicht Zeitliches, sondern eine gemeine Religion, aller Heil und Wohlfahrt der Gewissen und wiederum auch große Fährlichkeit und Beschwerung derselben belangt, haben es die unsern gewiß dafürgehalten, daß die Widersacher solche Abschrift ohne alle Beschwerung ganz willig und gern überreichen oder auch uns anbieten würden.

Aber die unsern haben solches gar nicht anders erlangen mögen denn mit fast sehr beschwerlichen angehefteten Verpflichtungen und Konditionen, welche sie in keinem Weg haben willigen mögen.

Danach ist eine Unterhandlung und etliche Wege der Güte oder Sühne vorgenommen, da sich denn die unsern aufs höchste erboten, alles gern zu tragen, zu dulden und zu tun, was ohne Beschwerung der Gewissen geschehen könnte.

Aber die Widersacher haben darauf allein hart gestanden, daß wir in etliche öffentliche Mißbräuche und Irrtümer haben willigen sollen, und so wir das nicht tun könnten noch wollten, hat die kaiserliche Majestät wider begehrt, daß unsere Herren und Fürsten willigen sollten, so zu glauben, so zu halten, wie der Theologen Konfutation lautet, welches unsere Fürsten ganz und gar abgeschlagen haben.

Denn wie sollten Ihre Kur= und Fürstlichen Gnaden in so hoher, allerwichtigsten Sache, vieler und ihre eigene Seele und Gewissen belangend, in eine Schrift willigen, die man ihnen nicht übergeben noch zu überlesen vergönnen oder überreichen wollte, sonderlich so sie in der Verlesung angehört, daß solche Artikel verworfen waren, die sie nicht möchten noch könnten nachgeben, sie wollten denn öffentlich wider Gott und Ehrbarkeit handeln?

Derhalben Ihre Kur- und Fürstlichen Gnaden mir und andern befohlen, eine Schutzrede oder Apologie unsers ersten Bekenntnisses zu stellen, in welcher der kaiserlichen Majestät Ursachen angezeigt würden, warum wir die Konfutation nicht annehmen, und warum dieselbe nicht gegründet wäre.

Denn ob man uns wohl Abschrift und Kopie über unser Flehen, Bitten und höchstes Ansuchen versagt, so hatten die unsern doch in Verlesung der Konfutation die Summa der Argumente fast in Eile und als im Fluge gefangen und aufgezeichnet, darauf wir die Apologie dasmal, so uns Kopie endlich versagt, stellen mußten.

Dieselbe Apologie haben die unsern zuletzt, als sie von Augsburg Abschied genommen, der kaiserlichen Majestät überantwortet, damit Ihre Majestät verstehen möchte, daß es ganz große, hochwichtige Ursache hätte, warum wir die Konfutation nicht hätten mögen willigen. Aber die kaiserliche Majestät hat die überantwortete Apologie geweigert anzunehmen.

Danach ist gleichwohl ein Dekret ausgegangen, darin die Widersacher sich mit Ungrund rühmen, daß sie unser Bekenntnis aus der Heiligen Schrift widerlegt haben.

Dagegen aber hat jedermann unsere Apologie und Schutzrede, daraus er wird sehen, wie und was die Widersacher geurteilt haben. Denn wir haben es hier eigentlich erzählt, wie es ergangen, und nicht anders, weiß Gott! So haben wir auch hier klar angezeigt, wie sie etliche Artikel wider die öffentliche, helle Schrift und klare Worte des Heiligen Geistes verdammt haben, und dürfen nimmermehr mit der Wahrheit sagen, daß sie einen Tüttel aus der Heiligen Schrift wider uns verantwortet hätten.

Wiewohl ich nun anfänglich zu Augsburg diese Apologie hatte angefangen mit Rat und Bedenken etlicher anderer, so habe ich doch jetzund, so dieselbe in Druck ausgehen sollte, etwas dazugetan. Darum schreibe ich auch hier meinen Namen dran, damit niemand klagen möge, das Buch sei ohne Namen ausgegangen.

Ich habe mich bisher, soviel mir möglich gewesen, geflissen, von christlicher Lehre nach gewöhnlicher Weise zu reden und zu handeln, damit man mit der Zeit desto leichtlicher zusammenrücken und sich vergleichen könnte, wiewohl ich diese Sache mit Fug weiter von ihrer gewöhnlichen Weise hätte führen mögen.

Die Widersacher handeln aber diese Sache dagegen also unfreundlich, daß sie sich genug merken lassen, daß sie weder Wahrheit noch Einigkeit suchen, sondern allein unser Blut zu saufen.

Nun habe ich auf diesmal auch noch aufs gelindeste geschrieben; wo aber etwas Geschwindes in diesem Buche ist, will ich solches nicht wider kaiserliche Majestät oder die Fürsten, welchen ich gebührliche Ehre gern erzeige, sondern wider die Mönche und Theologen geredet haben. Denn ich habe erst neulich die Konfutation bekommen recht zu lesen und merke, daß viel darin so gefährlich, so giftig und neidisch geschrieben, daß es auch an etlichen Orten fromme Leute betrügen möchte.

Ich habe aber nicht alle zänkischen, mutwilligen Ränke der Widersacher gehandelt; denn da wären unzählige Bücher von zu schreiben. Ihre besten, höchsten Gründe habe ich gefaßt, daß bei hohen und niedern Ständen, bei den jetzigen und unsern Nachkommen, bei allen eingebornen Deutschen, auch sonst aller Welt, allen fremden Nationen ein klar Zeugnis vor Augen sei und ewig stehen bleibe, daß wir rein, göttlich, recht von dem Evangelio Christi gelehrt haben.

Wir haben wahrlich nicht Lust oder Freude an Uneinigkeit; auch sind wir nicht so gar stock= oder steinhart, daß wir unsere Gefahr nicht bedenken. Denn wir sehen und merken, wie die Widersacher in dieser Sache uns so mit großem Gift und Bitterkeit suchen und bis hierher gesucht haben an Leib, Leben und allem, was wir haben. Aber wir wissen die öffentliche göttliche Wahrheit, ohne welche die Kirche Christi nicht kann sein oder bleiben, und das ewige heilige Wort des Evangelii nicht zu verleugnen oder zu verwerfen.

Derhalben, so wir um des Herrn Christi und um dieser allerhöchsten, wichtigsten Sache willen, an welcher der ganze heilige christliche Glaube, die ganze christliche Kirche gelegen ist, noch größeren Widerstand, Fahr oder Verfolgung warten oder ausstehen sollen, wollen wir in so ganz göttlicher, rechter Sache gern leiden und vertrösten uns des gänzlich, sind’s auch gewiß, daß der heiligen, göttlichen Majestät im Himmel und unserm lieben Heiland Jesu Christo dieses wohlgefällt, und nach dieser Zeit werden Leute sein und unsere Nachkommen, die gar viel anders und mit mehr Trauen von diesen Sachen urteilen werden.

Denn es können die Widersacher selbst nicht verneinen noch leugnen, daß viele und die höchsten, nötigsten Artikel der christlichen Lehre, ohne welche die christliche Kirche samt der ganzen christlichen Lehre und Namen würde vergessen und untergehen, durch die unsern wieder an Tag gebracht seien. Denn mit was zänkischen, vergeblichen, unnützen, kindischen Lehren viele nötige Stücke vor wenig Jahren bei Mönchen, Theologen, Kanonisten und Sophisten unterdrückt gewesen, will ich hier diesmal nicht erzählen; es soll noch wohl kommen.

Wir haben, Gott Lob! Zeugnis von vielen hohen, ehrlichen, redlichen, gottesfürchtigen Leuten, welche Gott von Herzen danken für die unaussprechlichen Gaben und Gnaden, daß sie in den allernötigsten Stücken der ganzen Schrift von uns viel klarere, gewissere, eigentlichere, richtigere Lehre und Trost der Gewissen haben, denn in allen Büchern der Widersacher immer gefunden ist.

Darum wollen wir, so die erkannte helle Wahrheit je mit Füssen getreten wird, diese Sache hier Christo und Gott im Himmel befehlen, der der Waisen und Witwen Vater und aller Verlassenen Richter ist; der wird (das wissen wir je fürwahr) diese Sache urteilen und recht richten. Und du, Herr Jesu Christ, dein heiliges Evangelium, deine Sache ist es; wollest ansehen so manch betrübt Herz und Gewissen und deine Kirchen und Häuflein, die vom Teufel Angst und Not leiden, erhalten und stärken deine Wahrheit! Mache zuschanden alle Heuchelei und Lügen und gib also Frieden und Einigkeit, daß deine Ehre vorgehe und dein Reich wider alle Pforten der Hölle kräftig ohne Unterlaß wachse und zunehme!

Artikel I. Von Gott

Den ersten Artikel unsers Bekenntnisses lassen ihnen die Widersacher gefallen, in welchem angezeigt wird, wie wir glauben und lehren, daß da sei ein ewiges, einiges, unzerteiltes göttliches Wesen und doch drei unterschiedene Personen in einem göttlichen Wesen, gleich mächtig, gleich ewig, Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist.

Diesen Artikel haben wir allzeit also rein gelehrt und verfochten, halten auch und sind gewiß, daß derselbe so starken, guten, gewissen Grund in der Heiligen Schrift hat, daß es niemand möglich sei, den zu tadeln oder umzustoßen. Darum schließen wir frei, daß alle diejenigen abgöttisch, Gotteslästerer und außerhalb der Kirche Christi seien, die da anders halten oder lehren.

Artikel II. Von der Erbsünde

Den andern Artikel, von der Erbsünde, lassen ihnen auch die Widersacher gefallen, doch fechten sie an, als haben wir’s nicht recht getroffen, da wir gesagt, was die Erbsünde sei, so wir doch zufällig allein des Orts davon geredet. Da wird alsbald im Eingang die kaiserliche Majestät befinden, daß unsere Widerwärtigen in dieser hochwichtigen Sache oft gar nichts merken noch verstehen, wiederum auch oft unsere Worte böslich und mit Fleiß uns verkehren oder je zu Mißverstand deuten. Denn so wir aufs allereinfältigste und klärste davon geredet, was die Erbsünde sei oder nicht sei, so haben sie aus eitel Gift und Bitterkeit die Worte, so an ihnen selbst recht und schlecht geredet, mit Fleiß übel und unrecht gedeutet, Denn also sagen sie: „Ihr sprecht, die Erbsünde sei dieses, daß uns ein solcher Sinn und Herz angeboren ist, darin keine Furcht Gottes, kein Vertrauen gegen Gott ist, das ist je eine wirkliche Schuld und selbst ein Werk oder actualis culpa; darum ist’s nicht Erbsünde.“

Es ist leichtlich zu merken und abzunehmen, daß solche cavillatio von Theologen, nicht von des Kaisers Rat herkommt. Wiewohl wir nun solche neidische, gefährliche, mutwillige Deutungen wohl wissen zu widerlegen, doch, daß alle redlichen und ehrbaren Leute verstehen mögen, daß wir in dieser Sache nichts Ungeschicktes lehren, so bitten wir, sie wollen unsere vorige deutsche Konfession, so zu Augsburg überantwortet, ansehen; die wird genug anzeigen, daß wir nichts Neues oder Ungehörtes lehren. Denn in derselben ist also geschrieben: „Weiter wird gelehrt, daß nach dem Fall Adams alle Menschen, so natürlich geboten werden, in Sünden empfangen und geboren werden, das ist, daß sie alle von Mutterleibe an voll böser Lüste und Neigung sind, keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott von Natur haben können.“

In diesem erscheint genug, daß wir von allen, so aus Fleisch geboren sind, sagen, daß sie untüchtig sind zu allen Gottessachen, Gott nicht herzlich fürchten, ihm nicht glauben noch vertrauen können. Da reden wir von angeborner böser Art des Herzens, nicht allein von actuali culpa oder von wirklicher Schuld und Sünde. Denn wir sagen, daß in allen Adamskindern eine böse Neigung und Lust sei, und daß niemand ihm selbst ein Herz könne oder vermöge zu machen, das Gott erkenne oder Gott herzlich vertraue, herzlich fürchte. Ich wollte doch gerne hören, was sie da schelten wollen oder möchten. Denn fromme, redliche Leute, denen die Wahrheit lieb, sehen ohne allen Zweifel, daß dieses recht und wahr ist. Denn auf die Meinung sagen wir in unserm lateinischen Bekenntnis, daß in einem natürlichen Menschen nicht potentia, das ist, nicht so viel Könnens, Vermögens sei auch nicht an unschuldigen Kindlein, welche auch aus Adam untüchtig sind, immer herzlich Gott zu fürchten und herzlich Gott zu lieben. In den Alten aber und Erwachsenen sind noch über die angeborne böse Art des Herzens auch noch actus und wirkliche Sünden. Darum wenn wir angeborne böse Lust nennen, meinen wir nicht allein die actus, böse Werke oder Früchte, sondern inwendig die böse Neigung, welche nicht aufhört, solange wir nicht neugeboren werden durch Geist und Glauben.

Aber danach wollen wir mit mehr Worten anzeigen, daß wir von der Erbsünde, nämlich was dieselbe sei oder nicht, auch auf geübte, alte Weise der Scholastiker und nicht so ungewöhnlich geredet haben. Ich muß aber erst anzeigen, aus was Ursachen ich an dem Ort vornehmlich solcher und nicht anderer Worte habe brauchen wollen. Die Widersacher selbst reden also davon in ihren Schulen und bekennen, daß die Materie oder Materiale der Erbsünde, wie sie es nennen, sei böse Lust. Darum, so ich habe wollen sagen, was Erbsünde sei, ist das nicht zu übergehen gewesen, sonderlich dieser Zeit, da etliche von derselben angebornen bösen Lust mehr heidnisch aus der Philosophie denn nach dem göttlichen Wort oder nach der Heiligen Schrift reden.

Denn etliche reden also davon, daß die Erbsünde an der menschlichen Natur nicht sei eine angeborne böse Art, sondern allein ein Gebrechen und aufgelegte Last oder Bürde, die alle Adamskinder um fremder Sünde willen, nämlich Adams Sünde halben, tragen müssen, und darum alle sterblich seien, nicht daß sie selbst alle von Art und aus Mutterleibe Sünde ererbten. Darüber sagen sie dazu, daß kein Mensch ewig verdammt werde allein um der Erbsünde oder Erbjammers willen, sondern gleichwie von einer leibeigenen Magd leibeigene Leute und Erbknechte geboren werden, nicht ihrer eigenen Schuld halben, sondern daß sie der Mutter Unglücks und Elends entgelten und tragen müssen, so sie doch an ihnen selbst, wie andere Menschen, ohne Wandel geboren werden: so sei die Erbsünde auch nicht ein angebornes Übel, sondern allein ein Gebrechen und Last, die wir von Adam tragen, aber für uns selbst darum nicht in Sünden und Erbungnaden stecken.

Damit ich nun anzeigte, daß uns solche unchristliche Meinung nicht gefiele, habe ich dieser Worte gebraucht: „Alle Menschen von Mutterleibe an sind alle voll böser Lüste und Neigung“ und nenne die Erbsünde auch darum eine Seuche, anzuzeigen, daß nicht ein Stück, sondern der ganze Mensch mit seiner ganzen Natur mit einer Erbseuche von Art in Sünden geboren wird.

Darum nennen wir es auch nicht allein eine böse Lust, sondern sagen auch, daß alle Menschen in Sünden ohne Gottesfurcht, ohne Glauben geboren werden. Dasselbe setzen wir nicht ohne Ursache dazu. Die Schulzänker oder Scholastici, die reden von der Erbsünde, als sei es allein ein leichtes, geringes Gebrechen, und verstehen nicht, was die Erbsünde sei, oder wie es die andern heiligen Väter gemeint haben. Wenn die Sophisten schreiben, was Erbsünde sei, was der fomes oder böse Neigung sei, reden sie unter andern davon, als sei es ein Gebrechen am Leibe, wie sie denn wunderkindisch von Sachen zu reden pflegen, und geben Fragen vor: ob dasselbe Gebrechen aus Vergiftung des verbotenen Apfels im Paradies oder aus Anblasen der Schlange Adam erst angekommen sei; item, ob es mit dem Gebrechen die Arznei je länger, je ärger macht.

Mit solchen zänkischen Fragen haben sie diese ganze Hauptsache und die vornehmste Frage, was die Erbsünde doch sei, gar verwirrt und unterdrückt. Darum, wenn sie von der Erbsünde reden, lassen sie das Größte und Nötigste außen, und unsers rechten, größten Jammers gedenken sie gar nicht, nämlich daß wir Menschen alle also von Art geboren werden, daß wir Gott oder Gottes Werk nicht kennen, nicht sehen noch merken, Gott verachten, Gott nicht ernstlich fürchten noch vertrauen, seinem Gericht oder Urteil feind sind; item, daß wir alle von Natur vor Gott als einem Tyrannen fliehen, wider seinen Willen zürnen und murren, item, uns auf Gottes Güte gar nicht verlassen noch wagen, sondern allzeit mehr auf Geld, Gut, Freunde verlassen. Diese geschwinde Erbseuche, durch welche die ganze Natur verderbt, durch welche wir alle solch Herz, Sinn und Gedanken von Adam ererben, welches stracks wider Gott und das erste, höchste Gebot Gottes ist, übergehen die Scholastici und reden davon, als sei die menschliche Natur unverderbt, vermöge, Gott groß zu achten, zu lieben über alles, Gottes Gebote zu halten usw., und sehen nicht, daß sie wider sich selbst sind.

Denn solches aus eigenen Kräften vermögen, nämlich Gott groß zu achten, herzlich zu lieben, seine Gebote zu halten, was wäre das anders, denn eine neue Kreatur im Paradies, gar rein und heilig sein?

So wir nun aus unsern Kräften so Großes vermöchten, Gott über alles zu lieben, seine Gebote zu halten, wie die Scholastici tapfer dürfen heraussagen, was wäre dann die Erbsünde? Und so wir aus eigenen Kräften gerecht würden, so ist die Gnade Christi vergeblich; was dürften wir auch des Heiligen Geistes, so wir aus menschlichen Kräften Gott über alles lieben und seine Gebote halten können?

Hier steht je jedermann, wie ungeschickt die Widersacher von diesem hohen Handel reden. Sie bekennen die kleinen Gebrechen an der sündlichen Natur, und des allergrößten Erbjammers und Elendes gedenken sie nicht, da doch die Apostel alle über klagen, das die ganze Schrift allenthalben meldet, da alle Propheten über schreien, wie der 14. Psalm und etliche andere Psalmen sagen: „Da ist nicht, der gerecht sei, auch nicht einer; da ist nicht, der nach Gott fraget; da ist nicht, der Gutes tut, auch nicht einer.“ „Ihr Schlund ist ein offenes Grab, Otterngift ist unter ihren Lippen. Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen“, Ps. 5, 10. So doch auch die Schrift klar sagt, daß uns solches alles nicht angeflogen, sondern angeboren sei.

Dieweil aber die Scholastici unter die christliche Lehre viel Philosophie gemengt und viel von dem Licht der Vernunft und den actibus elicitis reden, halten sie zu viel vom freien Willen und unsern Werken. Darüber haben sie gelehrt, daß die Menschen durch ein äußerlich ehrbar Leben vor Gott, fromm werden, und haben nicht gesehen die angeborne Unreinigkeit inwendig der Herzen,

welche niemand gewahr wird denn allein durch das Wort Gottes, welches die Scholastici in ihren Büchern sehr spärlich und selten handeln. Wir sagen auch wohl, daß äußerlich ehrbar zu leben etlichermaßen in unserm Vermögen stehe, aber vor Gott fromm und heilig zu werden, ist nicht unsers Vermögens.

Das sind die Ursachen, warum ich des Orts, als ich habe wollen sagen, was die Erbsünde sei, der angebornen bösen Lust gedacht habe und gesagt, daß aus natürlichen Kräften kein Mensch vermag Gott zu fürchten oder ihm zu vertrauen. Denn ich habe wollen anzeigen, daß die Erbsünde auch diesen Jammer in sich begreife, nämlich, daß kein Mensch Gott kennt oder achtet, keiner ihn herzlich fürchten oder lieben oder ihm vertrauen kann. Das sind die größten Stücke der Erbsünde, durch welche wir alle aus Adam stracks wider Gott, wider die erste Tafel Mosis und das größte, höchste göttliche Gebot gesinnt und geartet sind.

Und wir haben da nichts Neues gesagt. Die alten Scholastici, so man sie recht versteht, haben auch gleich dasselbe gesagt; denn sie sagen, die Erbsünde sei ein Mangel der ersten Reinigkeit und Gerechtigkeit im Paradies. Was ist aber justitia orginalis oder die erste Gerechtigkeit im Paradies?

Gerechtigkeit und Heiligkeit in der Schrift heißt je nicht allein, wenn ich die andere Tafel Mosis halte, gute Werke tue und dem Nächsten diene, sondern denjenigen nennt die Schrift fromm, heilig und gerecht, der die erste Tafel, der das erste Gebot hält, das ist, der Gott von Herzen fürchtet, ihn liebt und sich auf Gott verläßt.

Darum ist Adams Reinigkeit und unverrücktes Wesen nicht allein eine feine, vollkommene Gesundheit und allenthalben reines Geblüt, unverderbte Kräfte des Leibes gewesen, wie sie davon reden, sondern das Größte an solcher edlen ersten Kreatur ist gewesen ein helles Licht im Herzen, Gott und sein Werk zu erkennen, eine rechte Gottesfurcht, ein recht herzliches Vertrauen gegen Gott und allenthalben ein rechtschaffener, gewisser Verstand, ein feines, gutes, fröhliches Herz gegen Gott und alle göttlichen Sachen.

Und das bezeugt auch die Heilige Schrift, da sie sagt, daß der Mensch nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen sei. Denn was ist das anders, denn daß göttliche Weisheit und Gerechtigkeit, die aus Gott ist, sich im Menschen bildet, dadurch wir Gott erkennen, durch welche Gottes Klarheit sich in uns spiegelt, das ist, daß dem Menschen erstlich, als er geschaffen, diese Gaben gegeben seien, recht, klare Erkenntnis Gottes, rechte Furcht, rechtes Vertrauen und dergleichen?

Denn also legt auch solches aus vom Bild und Gleichnis Gottes Irenäus; und Ambrosias, so er allerlei auf die Meinung redet, sagt unter anderem: „Die Seele ist nicht nach dem Bilde Gottes geschaffen, in welcher Gott nicht allzeit ist.“

Und Paulus zu den Ephesern und Kolossern zeigt genug an, daß Gottes Bild in der Schrift nichts anderes heiße denn Erkenntnis Gottes und rechtschaffenes Wesen und Gerechtigkeit vor Gott.

Und Longobardus sagt frei heraus, daß „die erstgeschaffene Gerechtigkeit in Adam sei das Bild und Gleichnis Gottes, welches an dem Menschen von Gott gebildet ist“.

Ich erzähle die Meinung und Sprüche der Alten, welche an der Auslegung Augustini, wie derselbe vom Bilde Gottes redet, nichts hindern.

Darum die Alten, da sie sagen, was die Erbsünde sei, und sprechen, es sie ein Mangel der ersten angeschaffenen Gerechtigkeit, da ist ihre Meinung, daß der Mensch nicht allein am Leibe oder geringsten, niedersten Kräften verderbt sei, sondern daß er auch dadurch verloren habe diese Gaben: rechte Erkenntnis Gottes, recht Liebe und Vertrauen gegen Gott und die Kraft, das Licht im Herzen, so ihm zu dem allem Liebe und Lust macht. Denn die Scholastici oder Theologen selbst in Schulen lehren, daß dieselbe angeborne Gerechtigkeit uns nicht möglich wäre gewesen ohne sonderliche Gaben und ohne Hilfe der Gnade. Und dieselben Gaben nennen wir Gottesfurcht, Gotteserkenntnis und Vertrauen gegen Gott, damit man es verstehen möge. Aus diesem allem erscheint genugsam, daß die Alten, da sie sagen, was die Erbsünde sei, gleich mit uns stimmen, und auch ihre Meinung ist, daß wir durch die Erbsünde in den Jammer gekommen, geboren, daß wir kein gutes Herz, welches Gott recht liebt, gegen Gott haben, nicht allein kein reines, gutes Werk zu tun oder vollbringen vermögen.

Gleich dasselbe meint auch Augustinus, da er auch will sagen, was die Erbsünde sei, und pflegt die Erbsünde eine böse Lust zu nennen; denn er will anzeigen, daß nach Adams Fall anstatt der Gerechtigkeit böse Lust uns angeboren wird. Denn von dem Fall an, dieweil wir, als von Art sündlich geboren, Gott nicht fürchten, lieben noch ihm vertrauen, so tun wir nichts anderes, denn daß wir uns auf uns selbst verlassen, verachten Gott oder erschrecken und fliehen von Gott.

Und also ist in Augustinus‘ Worten auch die Meinung gefaßt und begriffen derjenigen, die da sagen, die Erbsünde sei ein Mangel der ersten Gerechtigkeit, das ist, die böse Lust, welche anstatt derselben Gerechtigkeit uns anhängt. Und ist die böse Lust nicht allein eine Verderbung oder Verrückung der ersten reinen Leibesgesundheit Adams im Paradies, sondern auch eine böse Lust und Neigung, da wir nach den allerbesten, höchsten Kräften und Licht der Vernunft dennoch fleischlich wider Gott geneigt und gesinnt sind. Und diejenigen wissen nicht, was sie sagen, die da lehren, der Mensch vermöge aus seinen Kräften Gott über alles zu lieben, und müssen doch zugleich bekennen, es bleibe solange dies Leben währt, noch böse Lust, sofern sie vom Heiligen Geist nicht gänzlich getötet ist.

Derhalben wir so eigentlich beides erwähnt und ausgedrückt, da wir haben lehren wollen, was die Erbsünde sei, beide die böse Lust und auch den Mangel der ersten Gerechtigkeit im Paradies, und sagen, derselbe Mangel sei, daß wir Adamskinder Gott von Herzen nicht vertrauen, ihn nicht fürchten noch lieben. Die böse Lust sei, daß natürlich wider Gottes Wort all unser Sinn, Herz und Mut steht, da wir nicht allein suchen allerlei Wollust des Liebes, sondern auch auf unsere Weisheit und Gerechtigkeit vertrauen und dagegen Gottes vergessen und wenig, ja gar nichts achten.

Und nicht allein die alten Väter, als Augustinus und dergleichen, sondern auch die neulichsten Lehrer und Scholastici, die etwas Verstand gehabt, lehren, daß diese zwei Stücke sämtlich die Erbsünde sind, nämlich der Mangel und die böse Lust. Denn also sagt St. Thomas, daß „Erbsünde ist nicht allein ein Mangel der ersten Gerechtigkeit, sondern auch eine unordentliche Begierde oder Lust in der Seele. Derhalben ist es“, sagt er, „nicht allein ein lauterer Mangel, sondern auch aliquid positivum“.

Und Bonaventura sagt auch klar: „Wenn man fragt, was die Erbsünde sei, ist dies die rechte Antwort, daß es eine ungewehrte böse Lust sei. Auch ist die rechte Antwort, das es ein Mangel sei der Gerechtigkeit, und eins gibt das andere.“

Gleich dasselbe meint auch Hugo, da er sagt: „Die Erbsünde ist Blindheit im Herzen und böse Lust im Fleische.“ Denn er will anzeigen, daß wir Adamskinder alle so geboren werden, daß wir Gott nicht kennen, Gott verachten, ihm nicht vertrauen, ja ihn auch fliehen und hassen. Denn das hat Hugo wollen kurz begreifen, da er gesagt: ignorantia in mente, Blindheit oder Unwissenheit im Herzen.

Und die Sprüche auch der neuesten Lehrer stimmen überein mit der Heiligen Schrift. Denn Paulus nennt die Erbsünde unter Zeiten mit klaren Worten einen Mangel göttlichen Lichtes usw. 1. Kor. 2, 14: „Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geiste Gottes.“ Und an andern Orten nennt er es böse Lust, als zu den Römern am 7, 23, da er sagt: „Ich sehe ein ander Gesetz in meinen Gliedern“ usw., welche Lust allerlei böse Früchte gebiert.

Ich könnte hier wohl viel mehr Sprüche der Schrift vorbringen von beiden diesen Stücken; aber in dieser öffentlichen Wahrheit ist es nicht not. Ein jeder Verständiger wird leichtlich sehen und merken, daß also ohne Gottesfurcht, ohne Vertrauen im Herzen sein, sind nicht allein actus oder wirkliche Sünden, sondern ein angeborner Mangel des göttlichen Lichtes und alles Guten, welcher da bleibt, solange wir nicht durch den Heiligen Geist neugeboren und durch ihn erleuchtet werden.

Wie wir nun bisher von der Erbsünde geschrieben und gelehrt, so lehren wir nichts Neues, nichts anderes denn die Heilige Schrift, die gemeine heilige christliche Kirche; sondern solche nötige, tapfere, klare Sprüche der Heiligen Schrift und der Väter, welche durch ungeschicktes Gezänk der Sophisten unterdrückt gewesen, bringen wir wieder an Tag und wollten gerne die christliche Lehre rein haben.

Denn es ist je am Tage, daß die Sophisten und Schulzänker nicht verstanden haben, was die Väter mit dem Wort „Mangel der ersten Gerechtigkeit“ gemeint. Dies Stück aber eigentlich und richtig zu lehren, und was die Erbsünde sei oder nicht sei, ist gar hoch vonnöten, und kann niemand sich nach Christo, nach dem unaussprechlichen Schatz göttlicher Huld und Gnade, welche das Evangelium vorträgt, herzlich sehnen oder danach Verlangen haben, der nicht seinen Jammer und Seuche erkennt, wie Christus sagt Mat. 9, 12; Mark 2, 17: „Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht.“ Alles heilige ehrbare Leben, alle guten Werke, soviel immer ein Mensch auf Erden tun mag, sind vor Gott eitel Heuchelei und Greuel, wir erkennen denn erst, daß wir von Art elende Sünder sind, welche in Ungnade Gottes sind, Gott weder fürchten noch lieben.

Also sagt der Prophet Jeremias 31, 19: „Dieweil du mir es gezeiget hast, bin ich erschrocken.“ Und der 116. Psalm: „Alle Menschen sind Lügner“, das ist, sie sind nicht recht gesinnt von Gott.

Hier schreien nun die Widersacher heftig wider D. Luther, daß er geschrieben hat, die Erbsünde bleibe auch nach der Taufe, und sagen dazu, derselbe Artikel sei billig verdammt von Papst Leo X. Aber kaiserliche Majestät wird hier öffentlich finden, daß sie uns ganz unrecht tun; denn die Widersacher verstehen sehr wohl, auf was Meinung D. Luther das geredet will haben, da er sagt, die Erbsünde bleibe nach der Taufe. Er hat allzeit klar also geschrieben, daß die heilige Taufe die ganze Schuld und Erbpflicht der Erbsünde wegnimmt und austilgt, wiewohl das Material (wie sie es nennen) der Sünde, nämlich die böse Neigung und Lust, bleibt. Darüber in allen seinen Schriften setzt er noch dazu vom selben Material, daß der Heilige Geist, welcher gegeben wird durch die Taufe, anfängt, inwendig die übrigen bösen Lüste täglich zu töten und zu löschen, und bringt ins Herz ein neues Licht, einen neuen Sinn und Mut.

Auf die Meinung redet auch Augustinus, da er also sagt; „Die Erbsünde wird in der Taufe vergeben, nicht daß sie nicht mehr sei, sondern daß sie nicht zugerechnet werde.“ Da bekennt Augustinus öffentlich, daß die Sünde in uns bleibt, wiewohl sie uns nicht zugerechnet wird. Und dieser Spruch Augustini hat den Lehrern hernach so wohl gefallen, daß er auch im Dekret angezogen wird. Und wider Julianus sagt Augustinus: „Das Gesetz, das in unsern Gliedern ist, ist weggetan durch die geistliche Wiedergeburt und bleibt doch im Fleische, welches ist sterblich. Es ist hinweggetan, denn die Schuld ist ganz los durch das Sakrament, dadurch die Gläubigen neugeboren werden; und bleibt noch da, denn es wirkt böse Lüste, wider welche kämpfen die Gläubigen.“

Daß D. Luther so hält und lehrt, wissen die Widersacher fast wohl, und so sie es nicht können anfechten, sondern selbst bekennen müssen, verkehren sie ihm böslich die Worte und deuten ihm seine Meinung fälschlich, die Wahrheit zu unterdrücken und unschuldig zu verdammen.

Aber weiter disputieren die Widersacher, daß die böse Lust eine Last und aufgelegte Strafe sei und sei nicht eine solche Sünde, die des Todes und Verdammnis schuldig sei. Dawider sagt D. Luther, es sei eine solche verdammliche Sünde. Ich habe hier oben gesagt, daß Augustinus auch solches meldet, die Erbsünde sei die angeborne böse Lust. Soll dieses übel geredet sein, mögen sie es mit Augustino ausfechten.

Darüber sagt Paulus Röm. 7, 7. 23: „Die Sünde erkannte ich nicht ohne durch das Gesetz; denn ich wußte nichts von der Lust, wo das Gesetz nicht gesagt hätte: Laß dich nicht gelüsten.“ Da sagt je Paulus dürre heraus: Ich wußte nicht, daß die Lust Sünde war usw. Item: „Ich sehe ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in meinen Gliedern.“

Dieses sind Pauli helle, gewisse Worte und klare Sprüche; da vermag keine Glosse, kein listiges Fündlein nichts wider; diese Sprüche werden alle Teufel, alle Menschen nicht umstoßen können. Da nennt er klar die böse Lust eine Sünde; doch sagt er, daß solche Sünde denjenigen, so an Christum glauben, nicht wird zugerechnet; doch an ihr selbst ist es gleichwohl wahrlich eine Sünde, des Todes und ewiger Verdammnis schuldig.

Und hat keinen Zweifel, daß auch solches der alten Väter Meinung gewesen. Denn Augustinus disputiert und ficht heftig wider diejenigen, die da hielten, daß die böse Neigung und Lust am Menschen nicht Sünde wäre und weder gut noch böse, wie schwarzen oder weißen Leib haben auch weder gut noch böse ist.

Und wenn die Widersacher werden vorgeben, daß fomes oder die böse Neigung weder gut noch böse sei, da werden nicht allein viele Sprüche der Schrift dawider sein, sondern auch die ganze Kirche und alle Väter. Denn alle erfahrenen, christlichen Herzen wissen, daß diese Stücke leider uns in der Haut stecken, angeboren sind, nämlich daß wir Geld, Gut und alle andern Sachen größer denn Gott achten, sicher dahingehen und leben; item, daß wir immer nach Art fleischlicher Sicherheit also gedenken, Gottes Zorn und Ernst sei nicht so groß über die Sünde, als er doch gewiß ist; item, daß wir den edlen, unaussprechlichen Schatz des Evangelii und Versöhnung Christi nicht herzlich so teuer und edel achten, als er ist; item, daß wir wider Gottes Werk und Willen murren, daß er in Trübsalen nicht bald hilft und macht’s, wie wir wollen.

Item, wir erfahren täglich, daß es uns wehe tut, wie auch David und alle Heiligen geklagt, daß es den Gottlosen in dieser Welt wohl geht. Darüber fühlen alle Menschen, wie leicht ihr Herz entbrennt, jetzund mit Ehrgeiz, dann mit Grimm und Zorn, dann mit Unzucht. So nun die Widersacher selbst bekennen müssen, daß solcher Unglaube, solcher Ungehorsam wider Gott im Herzen ist, wennschon nicht ganze Verwilligung (wie sie davon reden), sondern allein die Neigung und Lust da ist, wer will so kühn sein, daß er diese groben Stücke weder böse noch gut achte? Nun sind die klaren Psalmen und klaren Worte der Propheten da, daß die bekennen, daß sie sich also fühlen. Aber die Sophisten in Schulen haben zu dieser Sache wider die klare, öffentliche Schrift geredet und aus der Philosophie ihre eigenen Träume und Sprüche erdichtet, sagen, daß wir um der bösen Lüste willen weder böse noch gut, noch zu schelten noch zu loben sind; item, daß Lüste und Gedanken inwendig nicht Sünde sind, wenn ich nicht ganz drein verwillige. Dieselben Reden und Worte in der Philosophen Büchern sind zu verstehen von äußerlicher Ehrbarkeit vor der Welt und auch von äußerlicher Strafe vor der Welt. Denn da ist’s wahr, wie die Juristen sagen: L. cogitationis, „Gedanken sind zollfrei und straffrei“. Aber Gott erforscht die Herzen; mit Gottes Gericht und Urteil ist’s anders. Also flicken sie auch an diese Sache andere ungereimte Sprüche, nämlich: Gottes Geschöpf und die Natur könne an ihr selbst nicht böse sein. Das fechte ich nicht an, wenn es irgend geredet wird, da es statthat; aber dazu soll dieser Spruch nicht angezogen werden, die Erbsünde gering zu machen.

Und dieselben Sprüche der Sophisten haben viel unsäglichen Schaden getan, durch welche sie die Philosophie und die Lehre, welche äußerliches Leben vor der Welt belangen, vermischen mit dem Evangelio und haben doch solches nicht allein in der Schule gelehrt, sondern auch öffentlich unverschämt vor dem Volk gepredigt. Und die ungöttlichen, irrigen, gefährlichen, schädlichen Lehren hatten in aller Welt überhandgenommen; da ward nichts gepredigt denn unser Verdienst in aller Welt; dadurch ward die Erkenntnis Christi und das Evangelium ganz unterdrückt.

Derhalben hat D. Luther aus der Schrift lehren und erklären wollen, wie eine große Todesschuld die Erbsünde vor Gott sei, und wie in großem Elend wir geboren werden, und daß die übrige Erbsünde, so nach der Taufe bleibt, an ihr selbst nicht indifferens sei, sondern bedarf des Mittlers Christi, daß sie uns Gott nicht zurechne, und ohne Unterlaß des Lichtes und Wirkung des Heiligen Geistes, durch welchen sie ausgefegt und getötet werde.

Wiewohl nun die Sophisten und Scholastici anders lehren und beide von der Erbsünde und von derselben Strafe der Schrift ungemäß lehren, da sie sagen, der Mensch vermöge aus seinen Kräften Gottes Gebote zu halten, so wird doch die Strafe, so Gott auf Adams Kinder auf die Erbsünde gelegt, im ersten Buch Mosis viel anders beschrieben. Denn da wird die menschliche Natur verurteilt nicht allein zum Tod und zu anderem leiblichen Übel, sondern dem Reich des Teufels unterworfen. Denn da wird dieses schreckliche Urteil gefällt: „Ich will Feindschaft zwischen dir und dem Weibe, zwischen ihrem Samen und deinem Samen setzen“ usw.

Der Mangel erster Gerechtigkeit und die böse Lust sind Sünde und Strafe. Der Tod aber und die andern leiblichen übel, die Tyrannei und Herrschaft des Teufels sind eigentlich die Strafen und poenae der Erbsünde. Denn die menschliche Natur ist durch die Erbsünde unter des Teufels Gewalt dahingegeben und ist also gefangen unter des Teufels Reich, welcher manchen großen, weisen Menschen in der Welt mit schrecklichem Irrtum, Ketzerei und anderer Blindheit betäubt und verführt und sonst die Menschen zu allerlei Lastern dahinreißt.

Wie es aber nicht möglich ist, den listigen und gewaltigen Geist, Satan, zu überwinden ohne die Hilfe Christi, also können wir uns aus eigenen Kräften aus dem Gefängnis auch nicht helfen. Es ist in allen Historien vom Anfang der Welt zu sehen und zu finden, wie eine unsäglich große Gewalt das Reich des Teufels sei. Man sieht, daß die Welt vom Höchsten bis zum Niedrigsten voll Gotteslästerung, voll großer Irrtümer, gottloser Lehre wider Gott und sein Wort ist. In den starken Fesseln und Ketten hält der Teufel jämmerlich gefangen viel weise Leute, viel Heuchler, die von der Welt heilig scheinen. Die andern führt er in andere grobe Laster: Geiz, Hoffart usw.

So uns nun Christus darum gegeben ist, daß er dieselben Sünden und schweren Strafen der Sünden wegnehme, die Sünde, den Tod, des Teufels Reich uns zugut überwinde, kann niemand herzlich sich freuen des großen Schatzes, niemand die überschwenglichen Reichtümer der Gnade erkennen, er fühle denn von erst dieselbe Last, unser angebornes großes Elend und Jammer. Darum haben unsere Prediger von dem nötigen Artikel mit allem höchsten Fleiße gelehrt und haben nichts Neues gelehrt, sondern eitel klare Worte der Heiligen Schrift und gewisse Sprüche der Väter, Augustini und der andern.

Dieses, achten wir, solle die kaiserliche Majestät ihr billig lassen genug sein wider das lose; kindische, ungegründete Vorbringen der Widersacher, durch welches sie der unsern Artikel ohne Ursache ganz unbillig anfechten. Denn sie singen, sagen, wieviel, was und wie lange sie wollen, so wissen wir eigentlich das und sind’s fürwahr gewiß, daß wir christlich und recht lehren und mit der gemeinen christlichen Kirche gleich stimmen und halten. Werden sie darüber weiter mutwilligen Zank einführen, so sollen sie sehen, es sollen hier, will’s Gott, Leute nicht fehlen, die ihnen antworten und die Wahrheit dennoch erhalten. Denn die Widersacher wissen das mehrere Teil nicht, was sie reden. Denn wie oft reden und schreiben sie ihnen selbst Widerwärtiges? Verstehen auch ihre eigene Dialektika nicht vom Formal der Erbsünde, das ist, was eigentlich an ihrem Wesen die Erbsünde sei oder nicht sei, was auch der Mangel der ersten Gerechtigkeit sei. An diesem Ort aber haben wir nicht wollen von ihrer zänkischen Disputation subtiler oder weiter reden, sondern allein die Sprüche und Meinung der heiligen Väter, welchen wir auch gleichförmig lehren, mit klaren, gemeinen verständlichen Worten erzählen wollen.

Artikel III. Von Christo

Den dritten Artikel lassen ihnen die Widersacher gefallen, da wir bekennen, daß in Christo zwei Naturen sind, nämlich, daß Gottes Sohn die menschliche Natur hat angenommen und also Gott und Mensch eine Person, ein Christus ist; und daß derselbe für uns hat gelitten und ist gestorben, uns dem Vater zu versöhnen; und daß er auferstanden ist, daß er ein ewig Reich besitze alle Gläubigen heilige und gerecht mache usw., wie das Credo der Apostel und Symbolum Nicänum lehrt.

Artikel IV. Wie man vor Gott fromm und gerecht wird

Im vierten, fünften und sechsten und hernach im zwanzigsten Artikel verdammen die Widersacher unser Bekenntnis, daß wir lehren, daß die Gläubigen Vergebung der Sünden durch Christum ohne alles Verdienst allein durch den Glauben erlangen, und verwerfen gar trotziglich beides. Erstlich, daß wir nein dazu sagen, daß den Menschen durch ihre Verdienst sollten die Sünden vergeben werden. Zum andern, daß wir halten, lehren und bekennen, daß niemand Gott versöhnt wird, niemand Vergebung der Sünden erlangt denn allein durch den Glauben an Christum.

Dieweil aber solcher Zank ist über dem höchsten, vornehmsten Artikel der ganzen christlichen Lehre, also daß an diesem Artikel ganz viel gelegen ist, welcher auch zu klarem, richtigem Verstande der ganzen Heiligen Schrift vornehmlich dient und zu dem unaussprechlichen Schatze und der rechten Erkenntnis Christi allein den Weg weist, auch in die ganze Bibel allein die Tür auftut, ohne welchen Artikel auch kein arm Gewissen einen rechten, beständigen, gewissen Trost haben oder die Reichtümer der Gnade Christi erkennen mag: so bitten wir, kaiserliche Majestät wolle von dieser großen, tapferen, hochwichtigen Sache nach Notdurft und gnädig uns hören.

Denn dieweil die Widersacher gar nicht verstehen noch wissen, was durch diese Worte in der Schrift zu verstehen, was Vergebung der Sünden sei, was Glaube, was Gnade, was Gerechtigkeit sei, so haben sie diesen edeln, hochnötigen, vornehmsten Artikel, ohne welchen niemand Christum erkennen würde, jämmerlich besudelt und den hohen, teuren Schatz der Erkenntnis Christi, oder was Christus und sein Reich und Gnade sei, gar unterdrückt und den armen Gewissen einen solchen, so edeln, großen Schatz und ewigen Trost, daran es gar gelegen, jämmerlich geraubt.

Daß wir aber unser Bekenntnis bekräftigen und was die Widersacher vorgebracht, widerlegen mögen, so wollen wir zuvor erst anzeigen Grund und Ursache beiderlei Lehre, damit jeder Teil klarer zu vernehmen sei.

Die ganze Schrift beide Alten und Neuen Testaments wird in die zwei Stücke geteilt und lehrt diese zwei Stücke, nämlich Gesetz und göttliche Verheißungen. Denn an etlichen Orten hält sie uns vor das Gesetz, an etlichen bietet sei Gnade an durch die herrlichen Verheißungen von Christo; als, wenn im Alten Testament die Schrift verheißt den zukünftigen Christum und bietet ewigen Segen, Benedeiung, ewiges Heil, Gerechtigkeit und ewiges Leben durch ihn an, oder im Neuen Testament, wenn Christus, seitdem er gekommen ist auf Erden, im Evangelio verheißt Vergebung der Sünden, ewige Gerechtigkeit und ewiges Leben.

Hier aber, an dem Orte, nennen wir das Gesetz die zehn Gebote Gottes, wo dieselben in der Schrift gelesen werden. Von den Zeremonien und den Gesetzen der Gerichtshändel wollen wir hier nicht reden.

Von diesen zwei Stücken nehmen nun die Widersacher das Gesetz vor sich. Denn dieweil das natürliche Gesetz, welches mit dem Gesetz Mosis oder den zehn Geboten übereinstimmt, in aller Menschen Herzen angeboren und geschrieben ist, und also die Vernunft etlichermaßen die zehn Gebote fassen und verstehen kann, will sie wähnen, sie habe genug am Gesetz, und durchs Gesetz könne man Vergebung der Sünden erlangen.

Die zehn Gebote aber erfordern nicht allein ein äußerlich ehrbar Leben oder gute Werke, welche die Vernunft etlichermaßen vermag zu tun, sondern erfordern etwas viel Höheres. welches über alle menschlichen Kräfte, über alles Vermögen der Vernunft ist; nämlich will das Gesetz von uns haben, daß wir Gott sollen mit ganzem Ernst von Herzensgrund fürchten und lieben, ihn in allen Nöten allein anrufen und sonst auf nichts einigen Trost setzen. Item, das Gesetz will haben, daß wir nicht weichen noch wanken sollen, sondern aufs allergewisseste im Herzen schließen, daß Gott bei uns sei, unser Gebet erhört, und daß unser Seufzen und Bitten Ja sei; item, daß wir von Gott noch Leben und allerlei Trost erwarten sollen mitten im Tode, in allen Anfechtungen seinem Willen uns gänzlich anheimgeben, in Tod und Trübsal nicht von ihm fliehen, sondern ihm gehorsam sein, gerne alles tragen und leiden, wie es uns geht.

Hier haben die Scholastici den Philosophis gefolgt, und wenn sie wollen sagen, wie man vor Gott fromm wird, lehren sie allein eine Gerechtigkeit und Frömmigkeit, da ein Mensch äußerlich vor er Welt ein ehrbar Leben führt und gute Werke tut, und erdichten diesen Traum dazu, daß die menschliche Vernunft ohne den Heiligen Geist vermöge Gott über alles zu lieben. Denn wohl ist’s wahr, wenn ein Menschenherz müßig ist und nicht in Anfechtungen, und dieweil es Gottes Zorn und Gericht nicht fühlt, so mag es einen solchen Traum ihm erdichten, als liebe es Gott über alles und tue viel Gutes, viele Werke um Gottes willen; aber es ist eitel Heuchelei. Und auf die Weise haben doch die Widersacher gelehrt, daß die Menschen Vergebung der Sünden verdienen, wenn sie so viel tun, als an ihnen ist, das ist, wenn die Vernunft ihr läßt die Sünde leid sein und erdichtet einen Willen dazu, Gott zu lieben.

Und diese Meinung und irrige Lehre, dieweil die Leute natürlich dazu geneigt sind, daß ihre Verdienste und Werke vor Gott etwas geachtet und verdienen möchten, hat unzählig viel mißbräuchliche Gottesdienste in der Kirche angerichtet und geursacht, als da sind die Klostergelübde, Mißbräuche der Messe, wie denn solches unzählig, immer ein Gottesdienst über den andern, aus diesem Irrtum erdacht ist.

Und daß nur solch Vertrauen auf unsere Verdienste und Werke immer weiter ausgebreitet worden, haben sie unverschämt dürfen sagen und schließen, Gott der Herr müsse von Not Gnade geben denjenigen, die also gute Werke tun, nicht daß er gezwungen wäre, sondern da dies die Ordnung also sei, die Gott nicht übergehe noch ändere.

Und in diesen Stücken, eben in dieser Lehre, sind viel andere große, ganz schädliche Irrtümer und schreckliche Lästerungen Gottes begriffen und verborgen, welche alle bei Namen zu erzählen jetzt zu lang wäre. Allein das wolle doch um Gottes willen ein jeglicher christlicher Leser bedenken: Können wir durch solche Werke vor Gott fromm und Christen werden, so wollte ich gerne hören (und versucht alle euer Bestes, hier zu antworten), was doch für Unterschied sein wollte zwischen der Philosophen und Christi Lehre. So wir Vergebung der Sünden erlangen mögen durch solche unsere Werke oder actus elicitos, was hilft und dann Christus? Können wir heilig und fromm vor Gott werden durch natürliche Vernunft und unsere eigenen guten Werke, was brauchen wir dann des Blutes und Todes Christi, oder daß wir durch ihn neugeboren werden, wie Petrus 1 Pet. 1, 18ff, sagt?

Und aus dem gefährlichen Irrtum (dieweil man solchen öffentlich in Schulen gelehrt und auf den Predigtstühlen getrieben), ist es leider dahin geraten, daß auch große Theologen zu Löwen, Paris usw. von keiner andern christlichen Frömmigkeit oder Gerechtigkeit gewußt haben (obwohl alle Buchstaben und Syllaben im Paulo anders lehren) denn von der Frömmigkeit, welche die Philosophie lehrt. Und so es uns billig fremd sein sollte, und wir billig sie verlachen sollten, verlachen sie uns, ja verspotten Paulum selbst.

Also gar ist der schändliche, greuliche Irrtum eingerissen. Ich habe selbst einen großen Prediger gehört, welcher Christi und des Evangeliums nicht gedacht und Aristotelis „Ethicorum“ predigte; heißt das nicht kindisch, närrisch unter Christen gepredigt? Aber ist der Widersacher Lehre wahr, so ist das „Ethicorum“ ein köstlich Predigtbuch und eine feine neue Bibel.

Denn von äußerlich ehrbarem Leben wird nicht leicht jemand besser schreiben denn Aristoteles. Wir sehen, daß etliche Hochgelehrte haben Bücher geschrieben, darin sie anzeigen, als stimmten die Worte Christi und die Sprüche Sokratis und Zenonis fein zusammen, gleich als sie Christus gekommen, daß er gute Gesetze und Gebote gebe, durch welche wir Vergebung der Sünden verdienen sollten, und nicht vielmehr Gnade und Frieden Gottes zu verkünden und den Heiligen Geist auszuteilen durch sein Verdienst und Blut.

Darum so wir der Widersacher Lehre annehmen, daß wir Vergebung der Sünden verdienen mögen aus Vermögen natürlicher Vernunft und durch unsere Werke, so sind wir schon aristotelisch und nicht christisch, und ist kein Unterschied zwischen ehrbarem, heidnischem, zwischen pharisäischem und christlichem Leben, zwischen der Philosophie und dem Evangelio.

Wiewohl nun die Widersacher, damit sie des Namens Christi nicht gar als die gottlosen, rohen Heiden schweigen, also vom Glauben reden, daß sie sagen, es sei eine Erkenntnis der Historie von Christo, und wiewohl sie von Christo auch dennoch etwas sagen, nämlich daß er uns verdient habe einen habitum oder, wie sie es nennen, primam gratiam, die erste Gnade, welche sei achten für eine Neigung, dadurch wir dennoch Gott leichter denn sonst lieben können: so ist es doch eine schwache, geringe, kleine, schlechte Wirkung, die Christus also hätte, oder die durch solchen habitus geschähe. Denn sie sagen nichtsdestoweniger, daß die Werke unserer Vernunft und Willens, ehe derselbe habitus da ist, und auch danach, wenn derselbe habitus da ist, eiusdem speciei, das ist, vor und nach einerlei und ein Ding sei. Denn sie sagen, daß unsere Vernunft und menschlicher Wille an ihm selbst vermöge, Gott zu lieben, allein der habitus bringe eine Neigung, daß die Vernunft dasselbe, das sie zuvor wohl vermag, desto lieber und leichter tue. Darum lehren sie auch, daß derselbe habitus müsse verdient werden durch unsere vorgehenden Werke, und daß wir durch die Werke des Gesetzes Vermehrung solcher guten Neigung und das ewige Leben verdienen.

Also verbergen uns die Leute Christum und begraben ihn aufs neue, daß wir ihn nicht für einen Mittler erkennen können. Denn sie schweigen gar, daß wir lauter aus Gnaden, ohne Verdienst Vergebung der Sünden durch ihn erlangen, sondern bringen ihre Träume aus, als könnten wir durch gute Werke und des Gesetzes Werke Vergebung der Sünden verdienen, so doch die ganze Schrift sagt, daß wir das Gesetz nicht vermögen zu erfüllen oder zu halten. Und so die Vernunft am Gesetz nichts ausrichtet, denn daß sie allein äußerliche Werke tut, im Herzen aber fürchtet sie Gott nicht, so glaubt sie auch nicht, daß Gott ihrer wahrnehme. Und wiewohl sie von dem habitus also reden, so ist es doch gewiß, daß ohne den Glauben an Christum rechte Gottesliebe in keinem Herzen sein kann; so kann auch niemand verstehen, was Gottes Liebe ist, ohne den Glauben.

Daß sie aber einen Unterschied erdichten unter dem meritum congrui und meritum condigni, unter dem gebührlichen Verdienst und rechtem, ganzem Verdienst, spielen und zanken sie allein mit Worten, damit sie sich nicht öffentlich als Pelagianer merken lassen. Denn so Gott von Not muß Gnade geben um Gebührverdienst, so ist es nicht Gebührverdienst, sondern eine rechte Pflicht und ganz Verdienst, wiewohl sie selbst nicht wissen, was sie sagen. Denn sie erdichten und träumen, daß, wenn der habitus der Liebe Gottes (davon oben gesagt), da ist, so verdiene der Mensch gebührlich oder mit ganzem Verdienst die Gnade Gottes, und sagen doch, es könne niemand so gewiß sein, ob derselbe habitus da sei.

Nun hört, liebe Herren, wie wissen sie denn, oder wann wissen wie es, ob sie gebührlich oder durch ganz Verdienst, für voll oder halb, unserm Herrgott seine Gnade abverdienen? Aber, ach lieber Herr Gott! das sind eitel kalte Gedanken und Träume müßiger, heilloser, unerfahrener Leute, welche die Bibel nicht viel in Praktiken bringen, die gar nicht wissen noch erfahren, wie einem Sünder ums Herz ist, was Anfechtungen des Todes oder des Teufels sind, die gar nicht wissen, wie rein wir alles Verdienstes, aller Werke vergessen, wenn das Herz Gottes Zorn fühlt, oder das Gewissen in Ängsten ist. Die sicheren, unerfahrenen Leute gehen wohl immer dahin in dem Wahn, als verdienten sie mit ihren Werken de congruo Gnade. Denn es ist ohne das uns angeboren natürlich, daß wir von uns selbst und unsern Werken gern etwas viel wollten halten. Wenn aber ein Gewissen recht seine Sünde und Jammer fühlt, so ist aller Scherz, so sind alle Spielgedanken aus, und ist eitel großer, rechter Ernst; da läßt sich kein Herz noch Gewissen stillen noch zufriedenstellen, sucht allerlei Werke und abermals Werke und wollte gern Gewißheit, wollte gern Grund fühlen und gewiß auf etwas fußen und ruhen. Aber dieselben erschrockenen Gewissen fühlen wohl, daß man de condigno noch de congruo nichts verdienen kann, sinken bald dahin in Verzagen und Verzweiflung, wenn ihnen nicht ein anderes Wort denn des Gesetzes Lehre, nämlich das Evangelium von Christo, daß der für uns gegeben ist, gepredigt wird. Daher weiß man etliche Historien, daß die Barfüssermönche, wenn sie etlichen guten Gewissen in der Todesstunde lange haben umsonst ihren Orden und gute Werke gelobt, daß sie zuletzt haben müssen ihres Ordens und St. Franzisken schweigen und dies Wort sagen: Lieber Mensch, Christus ist für dich gestorben! daß hat in Ängsten erquickt und erkühlt, Frieden und Trost allein gegeben.

Also lehren die Widersacher nichts denn eine äußerliche Frömmigkeit äußerlicher guter Werke, welche Paulus des Gesetzes Frömmigkeit nennt, und sehen also, wie die Juden, das verdeckte Angesicht Mosis, tun nichts, denn daß sie in etlichen sicheren Heuchlern die Sicherheit und Härtigkeit stärken, führen die Leute auf einen Sandgrund, aus ihre eigenen Werke, dadurch Christus und das Evangelium verachtet wird, geben manchen elenden Gewissen Ursache zur Verzweiflung; denn sie tun gute Werke auf ungewissen Wahn, erfahren nimmer, wie ein groß, kräftig Ding der Glaube ist, fallen zuletzt ganz in Verzweiflung.

Wir halten und reden von der äußerlichen Frömmigkeit also, daß Gott wohl fordert und haben will ein solch äußerlich ehrbar Leben, und um Gottes Gebotes willen müsse man dieselben guten Werke tun, welche in den zehn Geboten werden geboten. Denn das Gesetz ist unser Zuchtmeister und das Gesetz ist den Ungerechten gegeben. Denn Gott der Herr will, daß den groben Sünden durch eine äußerliche Zucht gewehrt werde, und dasselbe zu erhalten, gibt er Gesetze, ordnet Obrigkeit, gibt gelehrte, weise Leute, die zum Regiment dienen.

Und also äußerlich ehrbaren Wandel und Leben zu führen, vermag etlichermaßen die Vernunft aus ihren Kräften, wiewohl sie oft durch angeborne Schwachheit und durch List des Teufels auch daran gehindert wird.

Wiewohl ich nun einem solchen äußerlichen Leben und den guten Werken gerne so viel Lobes lasse, als ihm gebührt; denn in diesem Leben und im weltlichen Wesen ist je nichts Besseres denn Redlichkeit und Tugend, wie denn Aristoteles sagt, daß weder der Morgenstern noch Abendstern lieblicher und schöner sei denn Ehrbarkeit und Gerechtigkeit, wie denn Gott solche Tugend auch belohnt mit leiblichen Gaben: so soll man doch gute Werke und solchen Wandel nicht also hoch haben, daß es Christo zur Schmach gereiche.

Denn also schließe ich und bin des gewiß: erdichtet ist’s und nicht wahr, daß wir durch unsere Werke sollten Vergebung der Sünden verdienen.

Auch ist’s Lüge und nicht wahr, daß ein Mensch vor Gott könne gerecht und fromm werden durch seine Werke und äußerliche Frömmigkeit.

Auch ist es Ungrund und nicht wahr, daß die menschliche Vernunft aus ihren Kräften vermögen sollte, Gott über alles zu lieben, sein Gebot zu halten, ihn zu fürchten, gewiß darauf zu stehen, daß Gott das Gebet erhöre, Gott zu danken und gehorsam zu sein in Trübsalen und anderem, was Gottes Gesetz gebietet, als, nicht fremdes Gut begehren usw. Denn das alles vermag die Vernunft nicht, wiewohl sie äußerlich ehrbares Leben und gute Werke etlichermaßen vermag.

Auch ist es erdichtet und nicht wahr und eine Lästerung wider Christum, daß diejenigen sollten ohne Sünde sein, die Gottes Gebote allein äußerlich halten ohne Geist und Gnade im Herzen.

Dieses meines Beschlusses habe ich Zeugnis nicht allein aus der Heiligen Schrift, sondern auch aus den alten Vätern. Augustinus redet und handelt solches aufs allerreichlichste wider die Pelagianer, daß die Gnade nicht gegeben wird um unsers Verdienstes willen. Und im Buche De Natura et Gratia, das ist, von der Natur und Gnade, sagt er also: „So das Vermögen der Natur durch den freien Willen genug ist, beide, zu erkennen, wie man leben soll, und also recht zu leben, so ist Christus umsonst gestorben. Warum sollte ich hier auch nicht rufen und schreien mit Paulo?

Ich mag billig schreien: „Ihr habt Christum verloren, die ihr durch des Gesetzes Werke gerecht werden wollt, und seid von der Gnade gefallen.‘ Denn ihr erkennt die Gerechtigkeit nicht, die vor Gott gilt, und trachtet eure eigene Gerechtigkeit aufzurichten, und seid der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht untertan. Denn wie das Ende des Gesetzes Christus ist, also ist auch der Heiland der verderbten Natur Christus.

Item, Joh. 8, 36: „So euch der Sohn freimacht, so seid ihr recht frei.’“ Derhalben können wir durch die Vernunft oder unsere guten Werke nicht frei werden von den Sünden oder Vergebung der Sünden verdienen. Item, Joh. am 3, 5 steht geschrieben: „Es sei denn, daß jemand neugeboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ So nun das dazu gehört, daß wir durch den Heiligen Geist müssen neugeboren werden, so werden uns unsere guten Werke oder eigen Verdienst nicht rechtfertig machen vor Gott, so können wir das Gesetz nicht halten noch erfüllen.

Item, Röm. 3, 23: „Sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie an Gott haben sollten“, das ist, ihnen mangelt die Weisheit und Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, dadurch sie Gott recht erkennen, groß achten und preisen sollten. Item, Röm. 8, 7. 8: „Fleischlich gesinnet sein, ist eine Feindschaft wider Gott, sintemal es dem Gesetz Gottes nicht untertan ist, denn es vermag es auch nicht; die aber fleischlich gesinnet sind, mögen Gott nicht gefallen.“

Das sind so gar klare, helle Sprüche der Schrift, daß sie nicht so scharfes Verstandes bedürfen, sondern allein, daß man’s lese und die klaren Worte wohl ansehe, wie auch Augustinus in der Sache sagt. Ist nun die Vernunft und fleischlich gesinnt sein eine Feindschaft wider Gott, so kann kein Mensch ohne den Heiligen Geist herzlich Gott lieben. Item, ist fleischlich gesinnt sein wider Gott, so sind wahrlich die besten guten Werke unrein und Sünden, die immer ein Adamskind tun mag. Item, kann das Fleisch Gottes Gesetz nicht untertan sein, so sündigt wahrlich auch ein Mensch, wenn er gleich edle, schöne, köstliche gute Werke tut, die die Welt groß achtet.

Die Widersacher sehen allein die Gebote an der andern Tafel Mosis, die da auch von der äußerlichen Ehrbarkeit redet, welche die Vernunft besser vernimmt, und wollen wähnen, mit solchen äußerlichen guten Werken halten sie Gottes Gesetz. Sie sehen aber die erste Tafel nicht an, welche gebietet und von uns haben will, daß wir Gott herzlich sollen lieben, daran gar nicht wanken noch zweifeln sollen, daß Gott um der Sünde willen zürne, daß wir Gott herzlich fürchten sollen, daß wir uns gewiß in unsern Herzen sollen darauf verlassen, Gott sei nicht ferne, er erhöre unser Gebet usw. Nun sind wir, ehe wir durch den Heiligen Geist neugeboren werden, alle der Art aus Adam, daß unser Herz in Sicherheit Gottes Zorn, Urteil und Dräuen verachtet, seinem Urteil und Strafen gehässig und feind ist.

So nun alle Adamskinder in so großen Sünden geboren werden, daß wir alle von Art Gott verachten, sein Wort, seine Verheißung und Dräuen in Zweifel setzen, so müssen wahrlich unsere besten guten Werke, die wir tun, ehe wir durch den Heiligen Geist neugeboren werden, sündliche und verdammte Werke vor Gott sein, wenn sie gleich vor der Welt schön sind; denn sie gehen aus einem bösen, gottlosen, unreinen Herzen, wie Paulus sagt Röm. 14, 23: „Was nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sünde.“ Denn alle solche Werkheilige tun Werke ohne Glauben, verachten Gott im Herzen und glauben als wenig, daß Gott sich ihrer annehme, als Epikurus geglaubt hat. Die Verachtung Gottes inwendig muß je die Werke unflätig und sündlich machen, wenn sie gleich vor den Leuten schön sind; denn Gott forscht die Herzen.

Zuletzt, so ist je das auch aufs närrischste und ungeschickteste von den Widersachern geredet, daß die Menschen, die auch ewiges Zornes schuldig sind, Vergebung der Sünden erlangen durch die Leibe oder actum elicitum dilectionis, so es doch unmöglich ist, Gott zu lieben, wenn das Herz nicht erst durch den Glauben Vergebung der Sünden ergriffen hat. Denn es kann je ein Herz, das in Ängsten ist und Gottes Zorn recht fühlt, Gott nicht lieben, er gebe denn dem Herzen Luft, er tröste und erzeige sich denn wieder gnädig. Denn dieweil er schreckt und also uns angreift, als wolle er uns in ewiger Ungnade in den ewigen Tod von sich stoßen, so muß der armen schwachen Natur das Herz und Mut entfallen und muß je vor so großem Zorn erzittern, der so greulich schreckt und straft, und kann je alsdann, ehe Gott selbst tröstet, kein Fünklein Liebe fühlen.

Müßige und unerfahrene Leute mögen ihnen wohl selbst einen Traum von der Liebe erdichten, darum reden sie auch so kindisch davon, daß einer, der gleich einer Todsünde schuldig ist, könne gleichwohl Gott über alles lieben; denn sie wissen noch nicht recht, was Sünde für eine Last, was für eine große Qual sei, Gottes Zorn fühlen. Aber fromme Herzen, die es im rechten Kampf mit dem Satan und rechten Ängsten des Gewissens erfahren haben, die wissen wohl, daß solche Worte und Gedanken eitel Gedanken, eitel Träume sind. Paulus sagt: „Das Gesetz richtet nur Zorn an“, Röm. 4,15.

Er sagt nicht, daß durch das Gesetz die Leute verdienen Vergebung der Sünden. Denn das Gesetz klagt allzeit das Gewissen an und erschreckt’s. Derhalben macht das Gesetz niemand fromm und gerecht vor Gott; denn ein erschrocken Gewissen fleucht vor Gott und seinem Urteil. Derhalben irren diejenigen, die durch ihre Werke oder durch das Gesetz wollen verdienen Vergebung der Sünden.

Dieses sei genug gesagt von der Gerechtigkeit der Werkheiligen oder der Vernunft, welche die Widersacher lehren. Denn bald hernach, wenn wir werden sagen von der Frömmigkeit und Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, die aus dem Glauben kommt, wird die Sache an ihr selbst mit sich bringen, mehr Sprüche aus der Schrift einzuführen, welche denn alle auch gleich stark dienen werden, die obangezeigten Irrtümer der Widersacher umzustoßen

Dieweil denn kein Mensch aus seinen Kräften Gottes Gesetz zu halten vermag, und sind alle unter der Sünde, schuldig des ewigen Zornes und Todes, so könnten wir durch das Gesetz der Sünde nicht los noch vor Gott fromm werden, sondern es ist verheißen Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit durch Christum, welcher für uns gegeben ist, daß er die Sünden der Welt bezahlte, und ist der einige Mittler und Erlöser.

Und diese Verheißung lautet nicht also: Durch Christum habt ihr Gnade, Heil usw., wo ihr’s verdient, sondern lauter aus Gnade bietet er an Vergebung der Sünden, wie Paulus sagt: „So aus den Werken Vergebung der Sünden ist, so ist’s nicht Gnade.“ Und an einem andern Ort: „Diese Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, ist ohne Gesetz offenbart“, das ist, umsonst wird Vergebung der Sünden angeboten. Und darum liegt’s nicht an unserm Verdienst, daß wir Gott versöhnt werden.

Denn wenn’s an unserm Verdienst läge, Vergebung der Sünden und die Versöhnung Gottes aus dem Gesetz wäre, so wäre es verloren und wären wir wahrlich übel Gott vereinigt und versöhnt. Denn wir halten das Gesetz nicht und vermögen es nicht zu halten; so würde folgen, daß wir auch die zugesagte Gnade und Versöhnung nimmermehr erlangten. Denn also schließt Paulus zu den Römern am 4, 14: „So aus dem Gesetz das Erbe ist, so ist der Glaube nichts, und die Verheißung ist ab.“ So sich nun die Verheißung gründete auf unser Verdienst und auf das Gesetz, so folgte, dieweil wir das Gesetz nicht halten können, daß die Verheißung vergeblich wäre.

So wir aber vor Gott fromm und gerecht werden allein aus lauter Gnade und Barmherzigkeit, die in Christo verheißen ist, erfolgt, daß wir durch unsere Werke nicht fromm werden. Denn was wäre sonst der herrlichen göttlichen Verheißungen vonnöten, und was dürfte Paulus die Gnade so hoch heben und preisen? Derhalben lehrt, rühmt, predigt und preist das Evangelium die Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt an Christum, welche nicht eine Gerechtigkeit des Gesetzes ist.

So lehrt auch das Gesetz davon nichts, und ist gar viel eine höhere Gerechtigkeit, denn des Gesetzes Gerechtigkeit ist. Denn das Gesetz fordert von uns unsere Werke und will haben, daß wir inwendig im Herzen gottesfürchtig und ganz rechtschaffen sind. Aber die göttliche Zusage, die bietet uns an, als denjenigen, die von der Sünde und Tode überwältigt sind, Hilfe, Gnade und Versöhnung um Christus‘ willen, welche Gnade niemand mit Werken fassen kann, sondern allein durch den Glauben an Christum.

Derselbe Glaube bringt noch schenkt Gott dem Herrn kein Werk, kein eigen Verdienst, sondern baut bloß auf lauter Gnade und weiß sich nichts zu trösten noch zu verlassen denn allein auf Barmherzigkeit, die verheißen ist in Christo. Derselbe Glaube nun, da ein jeder für sich glaubt, daß Christus für ihn gegeben ist, der erlangt allein Vergebung der Sünden um Christus‘ willen und macht uns vor Gott fromm und gerecht. Und dieweil derselbe in rechtschaffener Busse ist, unsere Herzen auch im Schrecken der Sünde und des Todes wieder aufrichtet, so werden wir durch denselben neugeboren, und kommt durch den Glauben der Heilige Geist in unser Herz, welcher unsere Herzen erneuert, daß wir Gottes Gesetz halten können, Gott recht lieben, gewißlich fürchten, nicht wanken noch zweifeln, Christus sei uns gegeben, er erhöre unser Rufen und Bitten, und daß wir in Gottes Willen uns fröhlich geben können auch mitten im Tode.

Also derselbe Glaube, der aus Gnaden umsonst empfängt und erlangt Vergebung der Sünde, ist rechtschaffen, der gegen Gottes Zorn nicht sein Verdienst oder Werk setzt, welches ein Federlein gegen einen Sturmwind wäre, sondern der Christum der Mittler darstellt; und derselbe Glaube ist eine rechte Erkenntnis Christi. Wer also glaubt, der erkennt die große Wohltat Christi und wird eine neue Kreatur; und ehe ein solcher Glaube im Herzen ist, kann niemand das Gesetz erfüllen.

Von demselben Glauben und Erkenntnis Christi ist nicht eine Syllabe, nicht ein Tüttel in allen Büchern der Widersacher. Darum schelten wir auch die Widersacher, daß sie allein das Gesetz lehren von unsern Werken und nicht das Evangelium, das da lehrt, daß man gerecht werde, wenn man an Christum glaubt. Was der Glaube sei, der vor Gott fromm und gerecht macht.

Die Widersacher wollen wähnen, der Glaube sei dieses, daß ich wisse oder gehört habe die Historie von Christo; darum lehren sie, ich könne wohl glauben, ob ich gleich in Todsünden sei. Darum, von dem rechten christlichen Glauben, davon Paulus an allen Orten so oft redet, daß wir durch den Glauben vor Gott fromm werden, da wissen oder reden sie gar nichts von. Denn welche vor Gott heilig und gerecht geachtet werden, die sind je nicht in Todsünden. Darum, der Glaube, welcher vor Gott fromm und gerecht macht, ist nicht allein dieses, daß ich wisse die Historie, wie Christus geboren, gelitten usw. (das wissen die Teufel auch), sondern ist die Gewißheit oder das gewisse, starke Vertrauen im Herzen, da ich mit ganzem Herzen die Zusage Gottes für gewiß und wahr halte, durch welche mir angeboten wird ohne mein Verdienst Vergebung der Sünden, Gnade und alles Heil durch den Mittler Christum. Und damit daß niemand wähne, es sei allein ein bloßes Wissen der Historie, so setze ich das dazu: Der Glaube ist, daß sich mein ganzen Herz desselben Schatzes annimmt, und ist nicht mein Tun, nicht mein Schenken noch Geben, nicht mein Werk oder Bereiten; sondern daß ein Herz sich des tröstet und ganz darauf verläßt, daß Gott uns schenkt, uns gibt, und wir ihm nicht, daß er uns mit allem Schatz der Gnade in Christo überschüttet.

Aus diesem ist leicht zu merken Unterschied zwischen dem Glauben und zwischen der Frömmigkeit, die durchs Gesetz kommt. Denn der Glaube ist ein solcher Gottesdienst und latria, da ich mir schenken und geben lasse. Die Gerechtigkeit aber des Gesetzes ist ein solcher Gottesdienst, der da Gott anbietet unserer Werke. So will Gott nun durch den Glauben also geehrt sein, daß wir von ihm empfangen, was er verheißt und anbietet.

Daß aber der Glaube nicht allein sei die Historie wissen, sondern der da festhält die göttlichen Verheißungen, zeigt Paulus genugsam an, der da sagt zu den Römern am 4, 16: „Derhalben muß die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, auf daß die Verheißung fest bleibe.“ Da heftet und verbindet Paulus die zwei also zusammen, daß, wo Verheißung ist, da muß auch Glaube sein usw.; und wiederum correlative, wo Verheißung ist, da fordert Gott auch Glauben.

Wiewohl noch klarer und schlechter zu zeigen ist, was der Glaube, der da gerecht macht, sei, wenn wir unser eigen Credo und Glauben ansehen. Denn im Symbolo steht je dieser Artikel: Vergebung der Sünden. Darum ist’s nicht genug, daß ich wisse oder glaube, daß Christus geboren ist, gelitten hat, auferstanden ist, wenn wir nicht auch diesen Artikel, darum das alles endlich geschehen, glauben, nämlich: Ich glaube, daß mir die Sünden vergeben seien. Auf den Artikel muß das andere alles gezogen werden, nämlich, daß um Christus‘ willen, nicht um meines Verdienstes willen, uns die Sünden vergeben werden.

Denn was wäre not, daß Gott Christum für unsere Sünden gäbe, wenn unser Verdienst für unsere Sünden könnte genugtun?

Derhalben, so oft wir reden von dem Glauben, der gerecht macht, oder fide iustificante, so sind allezeit diese drei Stücke oder obiecta beieinander: erstlich, die göttliche Verheißung, zum andern, daß dieselbe umsonst, ohne Verdienst Gnade anbietet, für das dritte, daß Christi Blut und Verdienst der Schatz ist, durch welchen die Sünde bezahlt ist. Die Verheißung wird durch den Glauben empfangen; daß sie aber ohne Verdienst Gnade anbietet, da geht alle unsere Würdigkeit und Verdienst unter und zu Boden, wird gepriesen die Gnade und große Barmherzigkeit. Das Verdienst Christi aber ist der Schatz; denn es muß je ein Schatz und edles Pfand sein, dadurch die Sünden aller Welt bezahlt sind.

Die ganze Schrift, Alten und Neuen Testaments, wenn sie von Gott und Glauben redet, braucht viel dieses Wortes: Güte, Barmherzigkeit, misericordia. Und die heiligen Väter in allen ihren Büchern sagen alle, daß wir durch Gnade, durch Güte, durch Vergebung selig werden.

Sooft wir nun das Wort Barmherzigkeit in der Schrift oder in den Vätern finden, sollen wir wissen, daß da vom Glauben gelehrt wird, der die Verheißung solcher Barmherzigkeit faßt. Wiederum, sooft die Schrift vom Glaube redet, meint sie den Glauben, der auf lauter Gnade baut; denn der Glaube nicht darum vor Gott fromm und gerecht macht, daß er an ihm selbst unser Werk und unser ist, sondern allein darum, daß er die verheißene, angebotenen Gnade ohne Verdienst aus reichem Schatz geschenkt nimmt.

Und solcher Glaube und Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit wird als der größte, heiligste Gottesdienst gepriesen, sonderlich in Propheten und Psalmen. Denn wiewohl das Gesetz nicht vornehmlich predigt Gnade und Vergebung der Sünden wie das Evangelium, so sind doch die Verheißungen von dem künftigen Christo von einem Patriarchen auf den andern geerbt, und sie haben gewußt, auch geglaubt, daß Gott durch den gebenedeiten Samen, durch Christum, wollte Segen, Gnade, Heil und Trost geben. Darum, so sie verstanden, daß Christus sollte der Schatz sein, dadurch unsere Sünden bezahlt werden, haben sie gewußt, daß unsere Werke eine solche große Schuld nicht bezahlen könnten. Darum haben sie Vergebung der Sünden, Gnade und Heil ohne alles Verdienst empfangen und sind durch den Glauben an die göttliche Verheißung, an das Evangelium von Christo, selig geworden als wohl als wir oder die Heiligen im Neuen Testament.

Daher kommt’s, daß diese Worte: Barmherzigkeit, Güte, Glaube, so oft in Psalmen und Propheten wiederholt werden. Als im 130. Psalm: „So du willst, Her, achthaben auf Missetat, Her, wer wird bestehen?“ Da bekennt David seine Sünde, rühmt nicht viel Verdienst, sagt auch weiter: „Denn bei dir ist Vergebung, daß man sich fürchte.“ Da fühlt er wieder Trost und verläßt sich auf Gnade und Barmherzigkeit, verläßt sich auf die göttliche Zusage und spricht: „Meine Seele harret des Herrn, Und ich warte auf sein Wort.“ Und abermals: „Meine Seele wartet doch auf den Herrn.“ Das ist, dieweil du verheißen hast Vergebung der Sünden, so halte ich mich an die Zusage, so verlasse und wage ich nicht auf die gnädige Verheißung.

Darum werden die heiligen Patriarchen vor Gott fromm und heilig auch nicht durchs Gesetz, sondern durch Gottes Zusage und den Glauben. Und sollte wahrlich jedermann sich hoch verwundern, warum die Widersacher doch so wenig oder gar nichts vom Glauben lehren, so sie doch sehen gar nahe in allen Syllaben der Bibel, daß der Glaube für den allerhöchsten, edelsten, heiligsten, größten, angenehmsten, besten Gottesdienst gelobt und gepriesen wird, Also sagt er in 50. Psalm: „Rufe mich an in der Zeit der Not, und ich will dich erretten.“

Also nun und durch diese Weise will Gott uns bekannt werden. Also will er geehrt sein, daß wir von ihm Gnade, Heil, alles Gute nehmen und empfangen sollen, und nämlich aus Gnaden, nicht um unsers Verdienstes willen. Diese Erkenntnis ist gar eine edle Erkenntnis und ein großmächtiger Trost in allen Anfechtungen, leiblichen und geistlichen, es komme zu sterben oder zu leben, wie fromme Herzen wissen; und denselben edeln, teuern, gewissen Trost rauben und nehmen die Widersacher den armen Gewissen, wenn sie vom Glauben so kalt, so verächtlich reden und lehren und dagegen mit Gott, der hohen Majestät, durch unser elend, bettelisch Werk und Verdienst handeln. Daß der Glaube an Christum gerecht macht.

Für das erste, daß niemand gedenke, wir reden von einem schlechten Wissen oder Erkenntnis der Historie von Christo, so müssen wir erstlich Sagen, wie es zugeht, wie ein Herz anfängt zu glauben, und wie es zum Glauben kommt. Danach wollen wir anzeigen, daß derselbe Glaube vor Gott fromm macht, und wie das zu verstehen sei, und wollen der Widersacher Gründe eigentlich klar und gewiß ablehnen.

Christus befiehlt Lucä am letzten, zu predigen „Busse und Vergebung der Sünden“. Das Evangelium auch straft alle Menschen, daß sie in Sünden geboren seien, und daß sie alle schuldig des ewigen Zorns und Todes seien, und bietet ihnen an Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit durch Christum. Und dieselbe Vergebung, Versöhnung und Gerechtigkeit wird durch den Glauben empfangen. Denn die Predigt von der Busse oder diese Stimme des Evangelii: „Bessert euch, tut Busse“, wenn sie recht in der Herzen geht, erschreckt sie die Gewissen und ist nicht ein Scherz, sondern ein groß Schrecken, da das Gewissen seinen Jammer und Sünde und Gottes Zorn fühlt. In dem Erschrecken sollen die Herzen wieder Trost suchen. Das geschieht, wenn sie glauben an die Verheißung von Christo, daß wir durch ihn Vergebung der Sünden haben. Der Glaube, welcher in solchem Zagen und Schrecken die Herzen wieder aufrichtet und tröstet, empfängt und empfindet Vergebung der Sünden, macht gerecht und bringt Leben; denn derselbe starke Trost ist eine neue Geburt und ein neu Leben.

Dieses ist je einfältig und klar geredet; so wissen fromme Herzen, daß es also ist; so sind die Exempel, daß es mit allen Heiligen so gegangen von Anbeginn, in der Kirche vorhanden, wie an der Bekehrung Pauli und Augustini zu sehen ist. Die Widersacher haben nichts Gewisses, können nirgend recht sagen oder verständlich davon reden, wie der Heilige Geist gegeben wird. Die erdichten ihnen eigene Träume, daß durch schlecht leiblich Empfangen und Brauchen der Sakramente, ex opere operato, die Leute Gnade erlangen und den Heiligen Geist empfangen, wennschon das Herz gar nicht dabei ist; gleich als sei das Licht des Heiligen Geistes so ein schlecht, schwach, nichtig Ding.

So wir aber von einem solchen Glauben reden, welcher nicht ein müßiger Gedanke ist, sondern ein solch neues Licht, Leben und Kraft im Herzen, welche Herz, Sinn und Mut erneuert, einen andern Menschen und neue Kreatur aus uns macht, nämlich ein neues Licht und Werk des Heiligen Geistes: so versteht ja männiglich, daß wir nicht von solchem Glauben reden, dabei Todsünde ist, wie die Widersacher vom Glauben reden. Denn wie will Licht und Finsternis beieinander sein? Denn der Glaube, wo er ist, und dieweil er da ist, gebiert er gute Früchte, wie wir danach sagen wollen.

Dieses ist je mit klaren, deutlichen, einfältigen Worten geredet, wie es zugeht, wenn ein Sünder recht sich bekehrt, was die neue Geburt sei oder nicht sei. Trotz sei nun geboten alle den Sententiariis, ob sie unter den unzähligen Rommenten, Glossen und Skribenten über Sententiarum einen können vorbringen, der ein Wörtlein, einen Tüttel recht davon setzt, wie es zugeht, wenn ein Sünder bekehrt wird.

Wenn sie von der Liebe reden, oder wenn sie von ihrem habitu dilectionis reden, so bringen sie wohl ihre Träume vor, daß denselben habitum die Leute verdienen durch ihre Werke, reden aber gar nichts von Gottes Verheißung oder Wort, wie auch zu dieser Zeit die Wiedertäufer lehren.

Nun kann man mit Gott doch je nicht handeln, so läßt sich Gott nicht erkennen, suchen noch fassen denn allein im Wort und durchs Wort, wie Paulus sagt: „Das Evangelium ist eine Kraft Gottes allen, die daran glauben.“ Item, zu den Römern am 10: „Der Glaube ist aus dem Gehör.“ Und aus dem allein sollte je klar genug sein, daß wir allein durch den Glauben vor Gott fromm werden. Denn so wir allein durchs Wort Gottes zu Gott kommen und gerecht werden, und das Wort kann niemand fassen denn durch den Glauben, so folgt, daß der Glaube gerecht macht.

Doch sind andere Ursachen, die sich zu dieser Sache besser reimen. Dieses habe ich bisher gesagt, daß ich anzeige, wie es zugeht, wie wir neugeboren werden, und daß man verstehen möchte, was der Glaube ist oder nicht ist, davon wir reden.

Nun wollen wir anzeigen, daß derselbe Glaube, und sonst nichts, uns vor Gott gerecht macht. Und erstlich will ich dieses hier den Leser verwarnen, gleichwie dieser Spruch muß und soll stehenbleiben, und kann ihn niemand umstoßen: Christus ist unser einiger Mittler, also kann auch diesen Spruch niemand umstoßen: Durch den Glauben werden wir rechtfertig, ohne Werke. Denn wie will Christus der Mittler sein und bleiben, wenn wir nicht durch den Glauben uns an ihn halten als an den Mittler und also Gott versöhnt werden, wenn wir nicht gewiß im Herzen halten, daß wir um seinetwillen vor Gott gerecht geschätzt werden? Das heißt nun glauben: also vertrauen, also sich getrösten des Verdienstes Christi, daß um seinetwillen Gott gewiß uns wolle gnädig sein.

Item, wie dieses klar in der Schrift ist, daß über das Gesetz zur Seligkeit not ist die Verheißung Christi, also ist auch klar, daß der Glaube gerecht macht; denn das Gesetz predigt nicht Vergebung der Sünden aus Gnaden. Item, das Gesetz können wir nicht erfüllen noch halten, ehe wir den Heiligen Geist empfangen. Darum muß das bestehen, daß zur Seligkeit die Verheißung Christi vonnöten ist. Dieselbe kann nun niemand fassen noch empfangen denn allein durch den Glauben. Darum diejenigen, so lehren, daß wir nicht durch den Glauben vor Gott gerecht und fromm werden, was tun die anders, denn daß sie Christum und das Evangelium unterdrücken und das Gesetz lehren?

Aber etliche, wenn man sagt, der Glaube macht rechtfertig vor Gott, verstehen solches vielleicht vom Anfang, nämlich daß der Glaube sei nur der Anfang oder eine Vorbereitung zu der Rechtfertigung, also daß nicht der Glaube selbst dafürgehalten werden soll, daß wir dadurch Gott gefallen und angenehm sind, sondern daß wir Gott angenehm sind von wegen der Liebe und Werke, so folgen, nicht von wegen des Glaubens. Und solche meinen der Glaube werde allein derhalben gelobt in der Schrift, daß er ein Anfang sei guter Werke, wie denn allezeit viel am Anfang gelegen ist.

Dies aber ist nicht unsere Meinung, sondern wir lehren also vom Glauben, daß wir durch den Glauben selbst vor Gott angenehm sind. Und nachdem das Wort iustificari auf zweierlei Weise gebraucht wird, nämlich, für bekehrt werden oder neugeboren, item, für gerecht geschätzt werden, wollen wir das erst anzeigen, daß wir allein durch den Glauben aus dem gottlosen Wesen bekehrt, neugeboren und gerecht werden.

Etliche fechten groß an das Wort Sola, so doch Paulus klar sagt zu den Römern am 3, 28: „So halten wir nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke“; item, zu den Ephesern am 2, 8. 9: „Gottes Gabe ist es, nicht aus euch noch aus den Werken, auf daß sich nicht jemand rühme“; item, zu den Römern am 3, 24 dergleichen. So nun dieses Wort und diese exclusiva Sola etlichen so hart entgegen ist und so übel gefällt, die mögen an so vielen Orten in den Episteln Pauli auch diese Worte auskratzen: „aus Gnaden“; item: „nicht aus Werken“; item: „Gottes Gabe“ usw.; item: „das sich niemand rühme“ und dergleichen; denn es sind ganz starke exclusivae. Das Wort „aus Gnaden“ schließt Verdienst und alle Werke aus, wie die Namen haben. Und durch das Wort, Sola, so wir sagen: „Allein der Glaube macht fromm“, schließen wir nicht aus das Evangelium und die Sakramente, daß darum das Wort und die Sakramente sollten vergeblich sein. So es der Glaube alles allein tut, wie die Widersacher uns alles gefährlich deuten; sondern unser Verdienst daran schließen wir aus. Denn wir haben oben genug gesagt, daß der Glaube durchs Wort kommt: So preisen wir das Predigtamt und Wort höher und mehr denn die Widersacher; so sagen wir auch, die Liebe und Werke sollen dem Glauben folgen. Darum schließen wir die Werke durchs Wort Sola nicht also aus, daß sie nicht folgen sollten, sondern das Vertrauen auf Verdienst, auf Werke, das schließen wir aus und sagen, sie verdienen nicht Vergebung der Sünden. Und das wollen wir noch richtiger, heller und klarer zeigen.

Daß wir Vergebung der Sünden allein durch den Glauben an Christum erlangen.

Wir halten, die Widersacher müssen bekennen, daß vor allen Dingen zu der Rechtfertigung vonnöten sei Vergebung der Sünden. Denn wir sind alle unter der Sünde geboren. Darum so schließen wir nun also:

Vergebung der Sünden erlangen und haben, dasselbe heißt vor Gott gerecht und fromm werden, wie der 32. Psalm sagt: „Wohl dem, dem die Übertretung vergeben ist.“

Allein aber durch den Glauben an Christum, nicht durch die Liebe, nicht um der Liebe oder Werke willen, erlangen wir Vergebung der Sünden, wiewohl die Liebe folgt, wo der Glaube ist, Derhalben muß folgen, daß wir allein durch den Glauben gerecht werden. Denn gerecht werden heißt ja, aus einem Sünder fromm werden und durch den Heiligen Geist neugeboren werden.

Daß wir aber allein durch den Glauben, wie die minor meldet, nicht durch die Liebe Vergebung der Sünden erlange, wollen wir jetzund klarmachen, Die Widersacher reden kindisch von diesen hohen Dingen; sie fragen, ob es einerlei Veränderung sei, Vergebung der Sünden und Eingießung der Gnade, oder ob es zwei seien. Die müßigen, unerfahrenen Leute können doch gar nicht von diesen Sachen reden. Denn Sünde recht fühlen und Gottes Zorn, ist nicht so ein schlecht, schläfrig Ding. Wiederum, Vergebung der Sünden ergreifen ist nicht so ein schwacher Trost. Denn also sagt Paulus 1 Kor, 15, 56f.: „Der Stachel des Todes ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Lob, der uns gibt Überwindung durch Jesum Christum, unsern Herrn.“ Das ist, die Sünde erschreckt das Gewissen, das geschieht durchs Gesetz, welches uns Gottes Ernst und Zorn zeigt wider die Sünde; aber wir liegen ob durch Christum. Wie geschieht das? Wenn wir glauben, wenn unsere Herzen wieder aufgerichtet werden und sich halten an die Verheißung der Gnade durch Christum.

So beweisen wir nun dieses also, daß wir durch den Glauben an Christum und nicht durch Werke Vergebung der Sünden erlangen. Nämlich Gottes Zorn kann nicht versöhnt noch gestillt werden durch unsere Werke, sondern allein Christus ist der Mittler und Versöhner, und um seinetwillen allein wird uns der Vater gnädig. Nun kann Christum niemand als einen Mittler fassen durch Werke, sondern allein, daß wir dem Wort glauben, welches ihn als einen Mittler predigt. Darum erlangen wir allein durch den Glauben Vergebung der Sünden, wenn unser Herz getröstet und aufgerichtet wird durch die göttliche Zusage, welche uns um Christus‘ willen angeboten wird.

Item, Paulus zu den Römern am 5, 2: „Durch ihn haben wir einen Zugang zum Vater“; und sagt klar dazu: „durch den Glauben“. Also werden wir nun, und nicht anders, dem Vater versöhnt, also erlangen wir Vergebung der Sünden, wenn wir aufgerichtet werden, festzuhalten, an der Zusage, da uns Gnade und Barmherzigkeit verheißen ist durch Christum. Die Widersacher, die verstehen dieses vom Mittler und Versöhner Christo also, daß Christus uns verdiene die Liebe oder den habitum dilectionis, und sagen nicht, daß wir ihn als einen einigen Mittler brauchen müssen, sondern stecken Christum wieder ins Grab, erdichten ein anderes, als hätten wir einen Zutritt durch unsere Werke, item, als verdienten wir durch Werke den habitum und könnten danach durch die Liebe zu Gott kommen. Das heißt je Christum wieder ins Grab stecken und die ganze Lehre von Glauben wegnehmen. Dagegen aber lehrt Paulus klar, daß wir einen Zutritt haben, das ist, Versöhnung Gottes, durch Christum. Und daß er anzeige, wie dasselbe geschehe, so setzt er dazu: „Durch den Glauben haben wir den Zutritt, durch den Glauben empfangen wir Vergebung der Sünden aus dem Verdienst Christi“, und können Gottes Zorn nicht stillen denn durch Christum. So ist leicht zu verstehen, daß wir nicht Vergebung verdienen durch unsere Werke oder Liebe.

Zum andern ist’s gewiß, daß die Sünden vergeben werden um des Versöhners Christi willen, Röm. 3, 25: „Welchen Gott dargestellet hat zu einem Gnadenstuhl“ oder zu einem Versöhner, und setzt klar dazu: „durch den Glauben“. So wird uns der Versöhner nun also nütz, wenn wir durch den Glauben fassen das Wort, dadurch verheißen wird Barmherzigkeit, und dieselbe halten gegen Gottes Zorn und Urteil. Und dergleichen steht geschrieben Hebr. am 4, 14. 16: „Wir haben einen Hohenpriester, Christum usw. Laßt uns zu ihm treten mit Freudigkeit.“ Er heißt uns zu Gott treten, nicht im Vertrauen unserer Werke, sondern im Vertrauen auf den Hohenpriester Christum; derhalben fordert er je klar den Glauben.

Für das dritte, Petrus in Geschichten der Apostel am 10, 43 sagt: „Dem Jesu geben Zeugnis alle Propheten, daß wir Vergebung der Sünden durch seinen Namen erlangen sollen, alle, die in ihn glauben.“ Wie hätte doch Petrus klarer können reden? Er sagt: „Vergebung der Sünden empfangen wir durch seinen Namen“, das ist, durch ihn erlangen wir sie, nicht durch unser Verdienst, nicht durch unsere Reue oder Attrition, nicht durch unsere Liebe, nicht durch eigenen Gottesdienst, nicht durch eigene Menschensatzung oder Werke, und setzt dazu: „wo wir in ihn glauben“. Derhalben will er, daß ein Glaube im Herzen sei, darum sagt er: es zeugen mit einem Munde von dem Christo alle Propheten. Das, meine ich, heißt recht die christliche Kirche oder katholische Kirche allegiert. Denn wenn alle heiligen Propheten zeugen, das ist je ein herrlich, groß trefflich, stark Dekret und Zeugnis. Aber von dem Spruch wollen wir drunten weiter reden.

Zum vierten, Vergebung der Sünden ist verheißen um Christus‘ willen. Darum kann sie niemand erlangen denn allein durch den Glauben. Denn die Verheißung kann man nicht fassen noch derselben teilhaftig werden denn allein durch den Glauben. Röm. 4, 16: „Derhalben muß die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, auf daß sie sei aus Gnaden und die Verheißung fest bleibe.“ Gleich als sollte er sagen: so unser Heil und Gerechtigkeit auf unserm Verdienst stünde, so wäre die Verheißung Gottes immer noch ungewiß und wäre uns unnütz; denn wir können nimmer des gewiß sein, wann wir genug verdient hätten. Und dieses verstehen fromme Herzen und christliche Gewissen sehr wohl, nähmen nicht tausend Welten, daß unser Heil auf uns stünde. Damit stimmt Paulus zu den Galatern: „Gott hat alles unter die Sünde beschlossen, daß die Verheißung aus dem Glauben Jesu Christi den Gläubigen widerfahre.“ Da stößt Paulus all unser Verdienst danieder; denn er sagt, wir sind alle schuldig des Todes und unter der Sünde beschlossen; und gedenkt der göttlichen Zusage, dadurch wir allein Vergebung der Sünden erlangen, und setzt noch weiter dazu, wie wir der Verheißung teilhaftig werden, nämlich durch den Glauben. Und dieser Grund, dieses Argument, da Paulus aus Art und Natur der göttlichen Verheißung schließt, nämlich also: So Gottes Verheißung gewiß sein und feststehen soll, wie sie nicht fehlen kann, so muß Vergebung der Sünden nicht aus unserm Verdienst sein, sonst wäre sie ungewiß, und wir wüßten nicht, wann wir genug verdient hätten: ja, dies Argument, sage ich, und der Grund ist ein rechter Fels und fast das Stärkste im ganzen Paulo und wird gar oft wiederholt und angezogen in allen Episteln. Es wird auch nimmermehr auf Erden ein Mensch etwas trachten und dichten oder erdenken, dadurch der einige Grund allein, wenn sonst nichts wäre, möge umgestoßen werden.

Es werden auch fromme Herzen und christliche Gewissen sich in keinem Weg lassen hiervon abführen, nämlich, daß wir allein durch den Glauben, um Christus‘ Verdienstes willen Vergebung der Sünden haben. Denn da haben sie einen gewissen, starken, ewigen Trost wider die Sünde, Teufel, Tod, Hölle. Das andere alles ist ein Sandgrund und besteht nicht in Anfechtungen.

So wir nun allein durch den Glauben Vergebung der Sünden erlangen und den Heiligen Geist, so macht allein der Glaube vor Gott fromm. Denn diejenigen, so mit Gott versöhnt sind, die sind vor Gott fromm und Gottes Kinder, nicht um ihrer Reinigkeit willen, sondern um Gottes Barmherzigkeit willen, so sie dieselbe fassen und ergreifen durch den Glauben. Darum zeugt die Schrift, daß wir durch den Glauben vor Gott fromm werden. So wollen wir nun Sprüche erzählen, welche klar melden, daß der Glaube fromm und gerecht mache, nicht derhalben, daß unser Glauben ein solch köstlich, rein Werk sei, sondern allein derhalben, daß wir durch den Glauben und sonst mit keinem Dinge die angebotene Barmherzigkeit empfangen.

Paulus in der Epistel zu den Römern handelt vornehmlich dieses Stück, wie ein Mensch vor Gott fromm werde, und beschließt, daß alle die da glauben, daß sie durch Christum einen gnädigen Gott haben, ohne Verdienst durch den Glauben vor Gott fromm werden. Und diesen gewaltigen Beschluß, diese Proposition, in welcher gefaßt ist die Hauptsache der ganzen Episteln, ja der ganzen Schrift, setzt er im dritten Kapitel mit dürren, klaren Worten also: „So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“, Röm. 3, 28. Da wollen die Widersacher sagen, Paulus habe ausgeschlossen allein die jüdischen Zeremonien, nicht andere tugendliche Werke. Aber Paulus redet nicht allein von Zeremonien, sondern eigentlich gewiß redet er auch von allen andern Werken und von dem ganzen Gesetze oder zehn Geboten. Denn im 7. Kapitel hernach zieht er an den Spruch aus den zehn Geboten: „Laß dich nicht gelüsten!“ Und so wir durch andere Werke, welche nicht jüdische Zeremonien wären, konnten Vergebung der Sünden erlangen und dadurch Gerechtigkeit verdienen, was wäre denn Christus und seine Verheißung vonnöten? Da läge schon danieder alles, was Paulus von der Verheißung an so viel Orten redet. So schriebe auch Paulus unrecht zu den Ephesern, da er sagt Eph. 2, 8: „ohne Verdienst, umsonst seid ihr selig worden; denn Gottes Gabe ist’s, nicht aus Werken.“ Item, Paulus zieht an in der Epistel zu den Römern Abraham und David. Dieselben hatten einen Befehl und Gottes Gebot von der Beschneidung. So nun irgendein Werk vor Gott fromm machte, so müßten je die Werke, die dazumal Gottes Befehl hatten, auch gerecht und fromm gemacht haben. Aber Augustinus, der lehrt klar, daß Paulus von dem ganzen Gesetz rede, wie er denn nach der Länge solches disputiert De Spiritu et Litera, „Von dem Geist und Buchstaben“, da er zuletzt sagt: „So wir nun dieses Stück nach dem Vermögen, das Gott verliehen hat, erwogen und gehandelt haben, so schließen wir, daß kein Mensch fromm wird durch Gebote eines guten Lebens, sondern durch den Glauben Jesu Christi.“

Und das niemand denken darf, als sei Paulo dieses Wort („der Mensch wird gerecht allein durch den Glauben“) entfahren, so führt er das nach der Länge aus im 4. Kapitel zu den Römern und er holt solches in allen seinen Episteln.

Denn also sagt er am 4. Kapitel: „Dem, der mit Werken umgehet, wird der Lohn nicht aus Gnaden zugerechnet, sondern aus Pflicht; dem aber, der nicht mit Werken umgehet, glaubet aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.“ So ist’s nun aus den Worten klar, daß der Glaube das Ding und das Wesen ist, welches er Gottes Gerechtigkeit nennt, und setzt dazu, sie werde aus Gnaden zugerechnet, und sagt, sie könnte uns aus Gnaden nicht zugerechnet werden, so Werke oder Verdienst da wären. Darum schließt er gewißlich aus alles Verdienst und alle Werke nicht allein jüdischer Zeremonien, sondern auch alle andern guten Werke. Denn so wir durch dieselben Werke fromm würden vor Gott, so würde uns der Glaube nicht gerechnet zur Gerechtigkeit ohne alle Werke, wie doch Paulus klar sagt.

Und hernach spricht er: „und wir sagen, daß Abraham sein Glaube ist gerechnet zur Gerechtigkeit.“

Item, Kap. 5, 1: „Nun wir denn sind gerecht worden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christ“, das ist, wir haben fröhliche, stille Gewissen vor Gott.

Röm. 10, 10: „So man von Herzen glaubt, so wird man gerecht.“ Da nennt er den Glauben die Gerechtigkeit des Herzens.

Zu den Galatern am 2, 16: „So glauben wir auch an Christum Jesum auf daß wir gerecht werden durch den Glauben an Christum und nicht durch’s Gesetzes Werke.“ Eph. 2, 8: „Denn aus Gnaden seid ihr selig worden durch den Glauben, und dasselbige nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus den Werken, auf daß sich niemand rühme.“

Joh. 1, 12: „Denen gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, die da an seinen Namen glauben, welche nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen des Mannes, sondern von Gott geboren sind.“

Johannes am 3, 14.15: „Wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muß des Menschen Sohn auch erhöhet werden, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden.“

Item V. 17: „Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet.“

Act. 13, 38.39: „So sei es nun euch kund, liebe Brüder, daß euch verkündigt wird Vergebung der Sünden und von dem allem, durch welches ihr nicht konntet im Gesetz Mosis gerecht werden. Wer aber an diesen glaubet, der ist gerecht.“ Wie hätte er doch klarer reden können von dem Reich Christi und von der Rechtfertigung? Er sagt, das Gesetz habe nicht können jemand gerecht machen, und sagt, darum sei Christus gegeben, daß wir glauben, daß wir durch ihn gerecht werden. Mit klaren Worten sagt er: Das Gesetz kann niemand gerecht machen. Darum wird uns durch Christum Gerechtigkeit zugerechnet, wenn wir glauben, daß uns Gott durch ihn gnädig ist.

Act. 4, 11.12: „Das ist der Stein, von euch Bauleuten verworfen, der zum Eckstein worden ist; und ist in keinem andern Heil, und ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden.“ An den Namen aber Christi kann ich nicht andern glauben, denn daß ich höre predigen das Verdienst Christi und solches fasse. Derhalben durch Glauben an den Namen Christi und nicht durch Vertrauen auf unsere Werke werden wir selig. Denn das Wort „Name“ an dem Ort bedeutet Ursache, dadurch und darum das Heil kommt. Darum den Namen Christi rühmen oder bekennen ist als viel, als vertrauen auf den, der Christus allein ist und heißt, daß der causa meines Heils und Schatzes sei, dadurch ich erlöst bin.

Act. 15, 9: „Durch den Glauben reinigte er ihre Herzen.“ Darum ist der Glaube, da die Apostel von reden, nicht eine schlechte Erkenntnis der Historie, sondern ein stark, kräftig Werk des Heiligen Geistes, das die Herzen verändert.

Hab. 2, 4: „Der Gerechte lebt seines Glaubens.“ Da sagt er erstlich, daß der Gerechte durch den Glauben gerecht wird, so er glaubt, daß Gott durch Christum gnädig sei. Zum andern sagt er, daß der Glaube lebendig macht. Denn der Glaube bringt allein den Herzen und Gewissen Frieden und Freude und das ewige Leben, welches hier in diesem Leben anfängt.

Jes. 53, 11: „Seine Erkenntnis wird viele gerecht machen.“ Was ist aber die Erkenntnis, Christi, denn seine Wohltaten kennen und seine Verheißungen, die er in die Welt hat gepredigt und predigen lassen? Und die Wohltaten kennen, das heißt an Christum wahrlich glauben, nämlich glauben das, was Gott durch Christum verheißen hat, daß er das gewiß geben wolle.

Aber die Schrift ist voll solcher Sprüche und Zeugnisse. Denn diese zwei Stücke handelt die Schrift: Gesetz Gottes und Verheißung Gottes. Nun reden die Verheißungen von Vergebung der Sünden und Gottes Versöhnung durch Christum.

Und bei den Vätern findet man auch viel der Sprüche. Denn auch Ambrosius zu Irenäo schreibt: „Die ganze Welt aber wird darum Gott untertan, unterworfen durchs Gesetz; denn durch das Gebot des Gesetzes werden wir alle angeklagt, aber durch die Werke des Gesetzes wird niemand gerecht. Denn durch das Gesetz wird die Sünde erkannt, aber die Schuld wird aufgelöst durch den Glauben; und es scheint wohl, als hätte das Gesetz Schaden getan, denn es alle zu Sündern gemacht hat; aber der Herr Christus ist gekommen und hat uns die Sünde, welche niemand konnte meiden, geschenkt und hat die Handschrift durch Vergießen seines Bluts ausgelöscht. Und das ist, das Paulus sagt zu den Römern am 5, 20: ‚Die Sünde ist mächtig worden durchs Gesetz, aber die Gnade ist noch mächtiger worden durch Jesum.‘ Denn dieweil die ganze Welt ist schuldig worden, so hat er der ganzen Welt Sünde weggenommen, wie Johannes zeugt: ‚Siehe, das ist das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde wegnimmt.‘ Und darum soll niemand seiner Werke sich rühmen; denn durch sein eigen Tun wird niemand gerecht; wer aber gerecht ist, dem ist’s geschenkt in der Taufe in Christo, da er ist gerecht worden. Denn der Glaube ist’s, der uns losmacht durch das Blut Christi, und wohl dem, welchem die Sünde vergeben wird und Gnade widerfährt.“

Diese sind Ambrosii klare Worte, die doch ganz öffentlich mit unsere Lehre auch stimmen. Er sagt, daß die Werke nicht gerecht machen, und sagt, daß der Glaube uns erlöse durch das Blut Christi.

Wenn man alle Sententiarios über einen Haufen zusammenschmelzte, die doch große Titel führen, denn etliche nennen sie engelisch, angelicos, etliche subtiles, etliche irrefragabiles, das ist, Doctores, die nicht irren können, und wenn man sie alle läse, so würden sie alle miteinander nicht so nütze sein, Paulum zu verstehen, als der einige Spruch Ambrosii.

Auf die Meinung hat auch Augustinus viel wider die Pelagianer geschrieben, und De Spiritu et Litera sagt er also: „Darum wird uns das Gesetz und seine Gerechtigkeit vorgehalten, daß, wer sie tut, dadurch lebe, und daß ein jeder, so er seine Schwachheit erkennt, zu Gott, welcher allein gerecht macht, komme, nicht durch seine eigenen Kräfte noch durch den Buchstaben des Gesetzes, welchen wir nicht erfüllen können, sondern durch den Glauben. Ein recht gut Werk kann niemand tun, denn der zuvor selbst gerecht, fromm und gut sei; Gerechtigkeit aber erlangen wir allein durch den Glauben.“ Da sagt er klar, daß Gott, welcher allein selig macht und heiligt, durch den Glauben versöhnt wird, und daß der Glaube uns vor Gott fromm und gerecht macht. Und bald hernach: „Aus dem Gesetz fürchten wir Gott, durch den Glauben hoffen und vertrauen wir in Gott. Die aber die Strafe fürchten, denen wird die Gnade verborgen, unter welcher Furcht, wenn ein Mensch in Angst ist usw., soll er durch den Glauben fliehen zu der Barmherzigkeit Gottes, daß er dasjenige gebe, dazu Gnade verleihe, das er im Gesetz gebietet.“ Da lehrt er, daß durch das Gesetz die Herzen geschreckt werden und durch den Glauben wieder Trost empfangen.

Es ist wahrlich Wunder, daß die Widersacher können so blind sein und so viel klare Sprüche nicht ansehen, die da klar melden, daß wir durch den Glauben gerecht werden und nicht aus den Werken. Wo denken doch die armen Leute hin?

Meinen sie, daß die Schrift ohne Ursache einerlei so oft mit klaren Worten wiederholt? Meinen sie, daß der Heilige Geist sein Wort nicht gewiß und bedächtig setze oder nicht wisse, was er rede?

Darüber haben die gottlosen Leute eine sophistische Glosse erdichtet und sagen, die Sprüche der Schrift, so sie vom Glauben reden, sind von fide formata zu verstehen. Das ist, sie sagen: Der Glaube macht niemand fromm oder gerecht denn um der Liebe oder Werke willen. Und in Summa, nach ihrer Meinung so macht der Glaube niemand gerecht, sondern die Liebe allein. Denn sie sagen, der Glaube könne neben einer Todsünde sein.

Was ist das anders, denn alle Zusage Gottes und Verheißung der Gnade umgestoßen und das Gesetz und Werke gepredigt? So der Glaube Vergebung der Sünden und Gnade erlangt um der Liebe willen, so wird die Vergebung der Sünden allezeit ungewiß sein. Denn wir lieben Gott nimmer so vollkommen, als wir sollten. Ja, wir können Gott nicht lieben, denn das Herz sei erst gewiß, daß ihm die Sünden vergeben seien. Also, so die Widersacher lehren auf die Liebe zu Gott, die wir vermögen, und eigene Werke vertrauen, stoßen sie das Evangelium, welches Vergebung der Sünden predigt, gar zu Boden, so doch die Liebe niemand recht haben noch verstehen kann, er glaube denn, daß wir aus Gnaden, umsonst Vergebung der Sünden erlangen durch Christum.

Wir sagen auch, daß die Liebe dem Glauben folgen soll, wie Paulus sagt: „In Christo Jesu ist weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, welcher durch die Liebe wirkt.“

Man soll aber darum auf die Liebe nicht vertrauen noch bauen, als erlangten wir um der Liebe willen oder durch die Liebe Vergebung der Sünden und Versöhnung Gottes, gleichwie wir nicht Vergebung der Sünden erlangen um anderer Werke willen, die da folgen, sondern allein durch den Glauben, Denn die Verheißung Gottes kann niemand durch Werke fassen, sondern allein mit dem Glauben.

Und der Glaube eigentlich oder fides proprie dicta ist, wenn mir mein Herz und der Heilige Geist im Herzen sagt, die Verheißung Gottes ist wahr und ja; von demselben Glauben redet die Schrift. Und dieweil der Glaube, ehe wir etwas tun oder wirken, nur ihm schenken und geben läßt und empfängt, so wird uns der Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet wie Abraham, ehe wir lieben, ehe wir das Gesetz tun oder einig Werk.

Wiewohl es wahr ist, daß Früchte und Werke nicht außen bleiben, und der Glaube ist nicht eine bloße, schlechte Erkenntnis der Historie, sondern ein neu Licht im Herzen und kräftig Werk des Heiligen Geistes, dadurch wir neugeboren werden, dadurch die erschrockenen Gewissen wieder aufgerichtet werden und Leben erlangen.

Und dieweil der Glaube allein Vergebung der Sünden erlangt und uns Gott angenehm macht, bringt er mit sich den Heiligen Geist und sollte billiger genannt werden gratia gratum faciens, das ist, die Gnade, die da angenehm macht, denn die Liebe, welche folgt.

Bis hierher haben wir reichlich angezeigt aus Sprüchen der Väter und der Schrift, damit doch diese Sache gar klar würde, daß wir allein durch den Glauben Vergebung der Sünden erlangen um Christus‘ willen, und daß wir allein durch den Glauben gerecht werden, das ist, aus Ungerechten fromm, heilig und neugeboren werden.

Fromme Herzen aber sehen hie und merken, wie ganz überaus hochnötig diese Lehre vom Glauben ist; denn durch sie allein lernt man Christum erkennen und seine Wohltaten, und durch diese Lehre finden die Herzen und Gewissen allein rechte, gewisse Ruhe und Trost.

Denn soll eine christliche Kirche sein, soll ein Christenglaube sein, so muß je eine Predigt und Lehre darin sein, dadurch die Gewissen auf keinen Wahn noch Sandgrund gebaut werden, sondern darauf sie sich gewiß verlassen und vertrauen mögen. Darum sind wahrlich die Widersacher untreue Bischöfe, untreue Prediger und Doctores, haben bis hierher den Gewissen übel geraten und raten ihnen noch übel, daß sie solche Lehre führen, da sie die Leute lassen im Zweifel stecken, ungewiß schweben und hangen, ob sie Vergebung der Sünden erlangen oder nicht. Denn wie ist’s möglich, daß diejenigen in Todesnöten und letzten Zügen und Ängsten bestehen sollten, die diese nötige Lehre von Christo nicht gehört haben oder nicht wissen, die da noch wanken und im Zweifel stehen, ob sie Vergebung der Sünden haben oder nicht?

Item, soll eine christliche Kirche sein, so muß je in der Kirche das Evangelium Christi bleiben, nämlich diese göttliche Verheißung, daß uns ohne Verdienst Sünden vergeben werden um Christus‘ willen. Dasselbe heilige Evangelium drücken diejenigen gar unter, die von dem Glauben, davon wir reden, gar nichts lehren.

Nun lehren noch schreiben die Scholastici nicht ein Wort, nicht einen Tüttel vom Glauben, welches schrecklich ist zu hören. Denen folgen unsere Widersacher und verwerfen diese höchste Lehre vom Glauben und sind so verstockt und blind, daß sie nicht sehen, daß sie damit das ganze Evangelium, die göttliche Verheißung von der Vergebung der Sünden und den ganzen Christum unter die Füße treten. Von der Liebe und Erfüllung des Gesetzes.

Hier werfen uns die Widersacher diesen Spruch vor: „Willst du ewig leben, so halte die Gebote Gottes.“ Item zu den Römern am 2, 13: „Nicht die das Gesetz hören, werden gerecht sein, sondern die das Gesetz tun“; und dergleichen viel vom Gesetz und von Werken. Nun, ehe wir darauf antworten, müssen wir sagen von der Liebe, und was wir von der Erfüllung des Gesetzes halten.

Es steht geschrieben im Propheten: „Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben.“ Und Röm. 3, 31 sagt Paulus: „Wir heben das Gesetz nicht auf durch den Glauben, sondern richten das Gesetz auf.“ Item, Christum sagt: „Willst du ewig leben, so halte die Gebote.“ Item, zu den Korinthern sagt Paulus: „So ich nicht die Liebe habe, bin ich nichts.“

Diese und dergleichen Sprüche zeigen an, daß wir das Gesetz halten sollen, wenn wir durch den Glauben gerecht worden sind, und also je länger je mehr im Geist zunehmen. Wir reden aber hier nicht von Zeremonien Mosis, sondern von den zehn Geboten, welche von uns fordern, daß wir von Herzensgrund Gott recht fürchten und lieben sollen.

Dieweil nun der Glaube mit sich bringt den Heiligen Geist und ein neu Licht und Leben im Herzen wirkt, so ist es gewiß und folgt von Not, daß der Glaube das Herz erneuert und ändert. Und was das für eine Neuerung der Herzen sei, zeigt der Prophet an, da er sagt: „Ich will mein Gesetz in ihre Herzen geben.“ Wenn wir nun durch den Glauben neugeboren sind und erkannt haben, daß uns Gott will gnädig sein, will unser Vater und Helfer sein, so heben wir an, Gott zu fürchten, zu lieben, ihm zu danken, ihn zu preisen, von ihm alle Hilfe zu bitten und zu erwarten, ihm auch nach seinem Willen in Trübsalen gehorsam zu sein. Wir heben alsdann auch an, den Nächsten zu lieben; da ist nun inwendig durch den Geist Christi ein neu Herz, Sinn und Mut.

Dieses alles kann nicht geschehen, ehe wir durch den Glauben gerecht werden, ehe wir neugeboren werden durch den Heiligen Geist.

Denn erstlich kann niemand das Gesetz halten ohne Christus‘ Erkenntnis; so kann auch niemand das Gesetz erfüllen ohne den Heiligen Geist. Den Heiligen Geist aber können wir nicht empfangen denn durch den Glauben, wie zu den Galatern am 3, 14 Paulus sagt, daß wir „Die Verheißung des Geistes durch den Glauben empfangen“.

Item, es ist unmöglich, daß ein Menschenherz allein durch das Gesetz oder sein Werk Gott liebe. Denn das Gesetz zeigt allein an Gottes Zorn und Ernst; das Gesetz klagt uns an und zeigt an, wie er so schrecklich die Sünde strafen wolle beide mit zeitlichen und ewigen Strafen. Darum was die Scholastici von der Liebe Gottes reden, ist ein Traum, und ist unmöglich, Gott zu lieben, ehe wir durch den Glauben die Barmherzigkeit erkennen und ergreifen. Denn alsdann erst wird Gott obiectum amabile, ein lieblicher seliger Anblick.

Wiewohl nun ein ehrbar Leben zu führen und äußerliche Werke des Gesetzes zu tun, die Vernunft etlichermaßen ohne Christum, ohne den Heiligen Geist aus angebornem Licht vermag, so ist es doch gewiß, wie oben angezeigt, daß die höchsten Stücke des göttlichen Gesetzes, als, das ganze Herz zu Gott zu kehren, von ganzem Herzen ihn groß zu achten (welches in der ersten Tafel und im ersten, höchsten Gebot gefordert wird), niemand vermag ohne den Heiligen Geist.

Aber unsere Widersacher sind gute, rohe, faule, unerfahrene Theologen. Sie sehen allein die andere Tafel Mosis an und die Werke derselben. Aber die erste Tafel, da die höchste Theologie innen steht, da es alles an gelegen ist, achten sie gar nicht; ja dasselbe höchste, heiligste, größte, vornehmste Gebot, welches allen menschlichen und engelischen Verstand übertrifft, welches den höchsten Gottesdienst, die Gottheit selbst und die Ehre der ewigen Majestät belangt, da Gott gebietet, daß wir herzlich ihn sollen für einen Herrn und Gott halten, fürchten und lieben, halten sie so gering, so klein, als gehörte es zu der Theologie nicht.

Christus ist uns aber dazu dargestellt, daß um seinetwillen uns Sünden vergeben und der Heilige Geist geschenkt wird, der ein neu Licht und ewiges Leben, ewige Gerechtigkeit in uns wirkt, daß er uns Christum im Herzen zeigt, wie Johannis am 16, 15 geschrieben: „Er wird’s von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.“ Item, er wirkt auch andere Gaben: Liebe, Danksagung, Keuschheit, Geduld usw. Darum vermag das Gesetz niemand ohne den Heiligen Geist zu erfüllen; darum sagt Paulus: „Wir richten das Gesetz auf durch den Glauben und tun’s nicht ab“; denn so können wir erst das Gesetz erfüllen und halten, wenn der Heilige Geist uns gegeben wird.

Und Paulus 2 Kor. 3, 15f. sagt, daß die Decke des Angesichts Mosis könne nicht weggetan werden denn allein durch den Glauben an den Herrn Christum, durch welchen gegeben wird der Heilige Geist. Denn also sagt er: „Bis auf diesen Tag, wenn Moses gelesen wird, ist die Decke über ihrem Herzen; wenn sie sich aber zum Herrn bekehren, wird die Decke weggetan. Denn der Herr ist ein Geist; wo aber des Herrn Geist ist, da ist Freiheit.“

Die Decke nennt Paulus den menschlichen Gedanken und Wahn von den zehn Geboten und Zeremonien, nämlich daß die Heuchler wähnen wollen, daß das Gesetz möge erfüllt und gehalten werden durch äußerliche Werke, und als machten die Opfer, item allerlei Gottesdienst, ex opere operato jemand gerecht vor Gott. 1

Dann wird aber die Decke vom Herzen genommen, das ist, der Irrtum und Wahn wird weggenommen, wenn Gott im Herzen uns zeigt unsern Jammer und läßt uns Gottes Zorn und unsere Sünde fühlen. Da merken wir erst, wie gar fern und weit wir vom Gesetz seien. Da erkennen wir erst, wie sicher und verblendet alle Menschen dahingehen, wie sie Gott nicht fürchten, in Summa, nicht glauben, daß Gott Himmel, Erde und alle Kreaturen geschaffen hat, unsern Odem und Leben und die ganze Kreatur alle Stunden erhält und wider den Satan bewahrt. Da erfahren wir erst, daß eitel Unglaube, Sicherheit, Verachtung Gottes in uns so tief verborgen steckt. Da erfahren wir erst, daß wir so schwach oder gar nichts glauben, daß Gott Sünde vergebe, daß er Gebet erhöre usw. Wenn wir nun das Wort und Evangelium hören und durch den Glauben Christum erkennen, empfangen wir den Heiligen Geist, daß wir dann recht von Gott halten, ihn fürchten, ihm glauben usw. In diesem ist nun genugsam angezeigt, daß wir Gottes Gesetz ohne den Glauben, ohne Christum, ohne den Heiligen Geist nicht halten können.

Darum sagen wir auch, daß man muß das Gesetz halten, und ein jeder Gläubiger fängt an, es zu halten, und nimmt je länger, je mehr zu in Liebe und Furcht Gottes, welches ist recht Gottes Gebote erfüllt. Und wenn wir vom Gesetzhalten reden oder von guten Werken, begreifen wir beides, das gute Herz inwendig und die Werke auswendig. Darum tun uns die Widersacher unrecht, da sie uns schuld geben, wir lehrten nicht von guten Werken; so wir nicht allein sagen, man müsse gute Werke tun, sondern sagen auch eigentlich, wie das Herz müsse dabei sein, damit es nicht lose, taube, kalte Heuchlerwerke seien.

Es lehrt die Erfahrung, daß die Heuchler, wiewohl sie sich unterstehen, aus ihren Kräften das Gesetz zu halten, daß sie es nicht vermögen, noch mit der Tat beweisen. Denn wie fein sind sie ohne Haß, Neid, Zank, Grimm, Zorn, ohne Geiz, Ehebruch usw.! Also, daß nirgend die Laster größer sind denn in Klöstern und Stiften.

Es sind alle menschlichen Kräfte viel zu schwach dem Teufel, daß sie seiner List und Stärke aus eigenem Vermögen widerstehen sollten, welcher alle diejenigen gefänglich hält, die nicht durch Christum erlöst werden.

Es muß göttliche Stärke sein und Christus‘ Auferstehung, die den Teufel überwinde. Und so wir wissen, daß wir Christi Stärke, seines Sieges durch den Glauben teilhaftig werden, können wir auf die Verheißung, die wir haben, Gott bitten, daß er uns durch seines Geistes Stärke beschirme und regiere, daß uns der Teufel nicht fälle oder stürze; sonst fielen wir alle Stunden in Irrtum und greuliche Laster. Darum sagt Paulus nicht von uns, sondern von Christo Eph. 4, 8: „Er hat das Gefängnis gefangen geführt.“ Denn Christus hat den Teufel überwunden und durchs Evangelium verheißen den Heiligen Geist, daß wir durch Hilfe desselben auch alles Übel überwinden. Und 1 Joh. 3, 8 ist geschrieben: „Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß er auflöse die Werke des Teufels.“

Darum so lehren wir nicht allein, wie man das Gesetz halte, sondern auch wie es Gott gefalle alles, was wir tun, nämlich, nicht daß wir in diesem Leben das Gesetz so vollkommen und rein halten können, sondern daß wir in Christo sind, wie wir hernach wollen sagen. So ist es nun gewiß, daß die unsern auch von guten Werken recht lehren.

Und wir setzen noch dazu, daß es unmöglich sei, daß rechter Glaube der das Herz tröstet und Vergebung der Sünden empfängt, ohne die Liebe Gottes sei. Denn durch Christum kommt man zum Vater, und wenn wir durch Christum Gott versöhnt sind, so glauben und schließen wir dann erst recht gewiß im Herzen, daß ein wahrer Gott lebe und sei, daß wir einen Vater im Himmel haben, der auf uns allzeit steht, der zu fürchten sei, der um so unsägliche Wohltat zu lieben sei, dem wir sollen allezeit herzlich danken, ihm Lob und Preis sagen, welcher unser Gebet, auch unser Sehnen und Seufzen erhört, wie denn Johannes in seiner ersten Epistel sagt, 1 Joh. 4, 19: „Wir lieben ihn, denn er hat uns zuvor geliebet.“ Uns nämlich; denn er hat seinen Sohn für uns gegeben und uns Sünde vergeben. Da zeigt Johannes genug an, daß der Glaube also vorgehe und die Liebe alsdann folge.

Item, dieser Glaube ist in denen, da rechte Busse ist, das ist, da ein erschrocken Gewissen Gottes Zorn und seine Sünde fühlt, Vergebung der Sünden und Gnade sucht. Und in solchem Schrecken, in solchen Ängsten und Nöten beweist sich erst der Glaube und muß auch also bewährt werden und zunehmen.

Darum kann der Glaube nicht sein in fleischliche, sicheren Leuten, welche nach des Fleisches Lust und Willen dahinleben. Denn also sagt Paulus Röm. 8, 1: „So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind, die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist.“ Item, V. 12.13: „So sind wir nun Schuldner, nicht dem Fleisch, daß wir nach dem Fleisch leben; denn wo ihr nach dem Fleisch lebet, so werdet ihr sterben müssen; wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben.“

Derhalben kann der Glaube, welcher allein in den Herzen und Gewissen ist, denen ihre Sünde herzlich leid sind, nicht zugleich neben einer Todsünde sein, wie die Widersacher lehren. So kann er auch nicht in denjenigen sein, die nach der Welt fleischlich, nach des Satans und des Fleisches Willen leben.

Aus diesen Früchten und Werken des Glaubens klauben die Widersacher nur ein Stück, nämlich die Liebe, und lehren, daß die Liebe vor Gott gerecht mache; also sind sie nichts anderes denn Werkprediger und Gesetzlehrer. Sie lehren nicht erst, daß wir Vergebung der Sünden erlangen durch den Glauben. Sie lehren nichts von dem Mittler Christo, daß wir durch denselben einen gnädigen Gott erlangen, sondern reden von unserer Liebe und unsern Werken und sagen doch nicht, was es für eine Liebe sei, und können es auch nicht sagen.

Sie rühmen, sie könnten das Gesetz erfüllen oder halten, so doch die Ehre niemand gehört denn Christo, und halten also ihr eigen Werk gegen Gottes Urteil, sagen, sie verdienten de condigno Gnade und ewiges Leben. Das ist doch ein ganz vergeblich und gottlos Vertrauen auf eigene Werke. Denn in diesem Leben können auch Christen und die Heiligen selbst Gottes Gesetz nicht vollkommen halten; denn es bleiben immer böse Neigungen und Lüste in uns, wiewohl der Heilige Geist denselben widersteht.

Es möchte aber jemand unter ihnen fragen: So wir selbst bekennen, daß die Liebe eine Frucht des Geistes sei, und so die Liebe dennoch ein heilig Werk und Erfüllung des Gesetzes genannt wird, warum wir denn auch nicht lehren, daß sie vor Gott gerecht mache? Antwort: Erstlich ist das gewiß, daß wir Vergebung der Sünden nicht empfangen weder durch die Liebe noch um der Leibe willen, sondern allein durch den Glauben um Christus‘ willen.

Denn allein der Glaube im Herzen steht auf Gottes Verheißung; und allein der Glaube ist die Gewißheit, da das Herz Gewiß drauf steht, daß Gott gnädig ist, daß Christus nicht umsonst gestorben sei usw. Und derselbe Glaube überwindet allein das Schrecken des Todes und der Sünde.

Denn wer noch wankt oder zweifelt, ob ihm die Sünden vergeben seien, der vertraut Gott nicht und verzagt an Christo; denn er hält seine Sünde für größer und stärker denn den Tod und Blut Christi, so doch Paulus sagt zu den Römern am 5, 20, „die Gnade sei mächtiger denn die Sünde“, das ist, kräftiger, reicher und stärker.

So nun jemand meint, daß er darum Vergebung der Sünden will erlangen, daß er die Liebe hat, der schmäht und schändet Christum und wird am letzten Ende, wenn er vor Gottes Gericht stehen soll, finden, daß solch Vertrauen vergeblich ist. Darum ist es gewiß, daß allein der Glaube gerecht macht.

Und gleichwie wir nicht erlangen Vergebung der Sünden durch andere gute Werke und Tugenden, als, um Geduld willen, um Keuschheit, um Gehorsams willen gegen die Obrigkeit, und folgen doch die Tugenden, wo Glaube ist:

also empfangen wir auch nicht um der Leibe Gottes willen Vergebung der Sünden, wiewohl sie nicht ausbleibt, wo dieser Glaube ist. Das aber Christus Lucä am 7, 47 spricht: „Ihr werden viel Sünden vergeben werden, denn sie hat viel geliebet“, da legt Christus sein Wort selbst aus, da er sagt V. 50: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Und Christus will nicht, daß die Frau durch das Werk der Liebe verdient habe Vergebung der Sünden; darum sagt er klar: „Dein Glaube hat dir geholfen.“

Nun ist das der Glaube, welcher sich verläßt auf Gottes Barmherzigkeit und Wort, nicht auf eigene Werke. Und meint jemand, daß der Glaube sich zugleich auf Gott und eigene Werke verlassen könne, der versteht gewißlich nicht, was Glaube sei. Denn das erschrockene Gewissen wird nicht zufrieden durch eigene Werke, sondern muß nach Barmherzigkeit schreien und läßt sich allein durch Gottes Wort trösten und aufrichten.

Und die Historie selbst zeigt an dem Ort wohl an, was Christus Liebe nennt. Die Frau kommt in der Zuversicht zu Christo, daß sie wolle Vergebung der Sünden bei ihm erlangen; das heißt recht Christum erkennen und ehren; denn größere Ehre kann man Christo nicht tun. Denn das heißt Messiam oder Christum wahrlich erkennen, bei ihm suchen Vergebung der Sünden. Dasselbe von Christo halten, also Christum erkennen und annehmen, das heißt recht an Christum glauben. Christus aber hat dieses Wort, da er sagt: „Sie hat viel geliebet“, nicht gebraucht, als er mit der Frau redete, sondern als er mit dem Pharisäer redete. Denn der Herr Christus hält gegeneinander die ganze Ehre, die ihm der Pharisäer getan hat, mit dem Erbieten und Werken, so die Frau ihm erzeigt hat. Er straft den Pharisäer, daß er ihn nicht hat erkannt für Christum, wiewohl er ihn äußerlich geehrt als einen Gast und frommen, heiligen Mann. Aber den Gottesdienst der Frau, daß sie ihre Sünde erkennt und bei Christo Vergebung der Sünden sucht, diesen Dienst lobt Christus. Und es ist ein großes Exempel, welches Christum billig bewogen hat, daß er den Pharisäer als einen weisen, ehrlichen Mann, der doch nicht an ihn glaubt, straft. Den Unglauben wirft er ihm vor und vermahnt ihn durch das Exempel, als sollte er sagen: Billig solltest du dich schämen, du Pharisäer, daß du so blind bist, mich für Christum und Messiam nicht erkennt’s, so du ein Lehrer des Gesetzes bist, und das Weib, das ein ungelehrt, arm Weib ist, mich erkennt.

Darum lobt er da nicht allein die Liebe, sondern den ganzen cultum oder Gottesdienst, den Glauben mit den Früchten, und nennt doch vor dem Pharisäer die Frucht. Denn man kann den Glauben in Herzen andern nicht weisen und anzeigen denn durch die Früchte, die beweisen vor den Menschen den Glauben im Herzen. Darum will Christus nicht, daß die Liebe und die Werke sollen der Schatz sein, dadurch die Sünden bezahlt werden, welches Christus‘ Blut ist.

Derhalben ist dieser Streit über einer hohen, wichtigen Sache, da den frommen Herzen und Gewissen ihr höchster, gewissester, ewiger Trost an gelegen ist, nämlich von Christo, ob wir sollen vertrauen auf des Verdienst Christi oder auf unsere Werke.

Denn so wir auf unsere Werke vertrauen, so wird Christo seine Ehre genommen, so ist Christus nicht der Versöhner noch Mittler, und werden doch endlich erfahren, daß solch Vertrauen vergeblich sei, und daß die Gewissen dadurch nur in Verzweiflung fallen.

Denn das Gesetz macht niemand gerecht vor Gott, solange es uns anklagt. Nun kann sich ja niemand rühmen, daß er dem Gesetz genuggetan habe. Darum müssen wir sonst Trost suchen, nämlich ab Christo.

Nun wollen wir antworten auf die Fragen, welche wir oben angezeigt: warum die Liebe oder dilectio niemand vor Gott gerecht mache. Die Widersacher denken also, die Liebe sei die Erfüllung des Gesetzes, darum wäre es wohl wahr, daß die Liebe uns gerecht macht, wenn wir das Gesetz hielten. Wer darf aber mit Wahrheit sagen oder rühmen, daß er das Gesetz halte und Gott liebe, wie des Gesetz gebietet? Wir haben oben angezeigt, daß darum Gott die Verheißung der Gnade getan hat, daß wir das Gesetz nicht halten können. Darum sagt auch allenthalben Paulus, daß wir durch das Gesetz nicht können vor Gott gerecht werden. Die Widersacher müssen die wohl weit fehlen und der Hauptfrage irregehen, denn sie sehen die in diesem Handel allein das Gesetz an. Denn alle menschliche Vernunft und Weisheit kann nicht anders urteilen, denn daß man durch Gesetze müsse fromm werden, und wer äußerlich das Gesetz halte, der sei heilig und fromm. Aber das Evangelium rückt uns herum und weist uns von dem Gesetz zu den göttlichen Verheißungen und lehrt, daß wir nicht gerecht werden durchs Gesetz (denn niemand kann es halten), sondern dadurch, daß uns um Christus‘ willen Versöhnung geschenkt ist, und die empfangen wir allein durch den Glauben. Denn ehe wir einen Tüttel am Gesetz erfüllen, muß erst da sein der Glaube an Christum, durch welchen wir Gott versöhnt werden und erst Vergebung der Sünden erlangen. Lieber Herrgott, wie dürfen doch die Leute sich Christen nennen oder sagen, daß sie auch die Bücher des Evangelii einmal je angesehen oder gelesen haben, die noch dieses anfechten, daß wir Vergebung der Sünden durch den Glauben an Christum erlangen? Ist es doch einem Christenmenschen schrecklich allein zu hören.

Zum andern ist’s gewiß, daß auch diejenigen, so durch den Glauben und Heiligen Geist neugeboren sind, doch gleichwohl noch, solange dies Leben währt, nicht gar rein sind, auch das Gesetz nicht vollkommen halten. Denn wiewohl sie die Erstlinge des Geistes empfangen, und wiewohl sich in ihnen das neue, ja das ewige Leben angefangen, so bleibt doch noch etwas da von der Sünde und böser Lust und findet das Gesetz noch viel, das es uns anzuklagen hat. Darum, obschon Liebe Gottes und gute Werke in Christen sollen und müssen sein, sind sie dennoch vor Gott nicht gerecht um solcher ihrer Werke willen, sondern um Christus‘ willen durch den Glauben.

Und Vertrauen auf eigene Erfüllung des Gesetzes ist eitel Abgötterei und Lästerung Christi und fällt doch zuletzt weg und macht, daß die Gewissen verzweifeln. Derhalben soll dieser Grund feststehen bleiben, daß wir um Christus‘ willen Gott angenehm und gerecht sind durch Glauben, nicht von wegen unserer Liebe und Werke. Daß wollen wir also klar und gewiß machen, daß man’s greifen möge. Solange das Herz nicht Frieden vor Gott hat, kann es nicht gerecht sein; denn es flieht vor Gottes Zorn und verzweifelt und wollte, daß Gott nicht richtete. Darum kann das Herz nicht gerecht und Gott angenehm sein, dieweil es nicht Frieden mit Gott hat. Nun macht der Glaube allein, daß das Herz zufrieden wird, und erlangt Ruhe und Leben, Röm. 5, 1, so es sich getrost und frei verläßt auf Gottes Zusage um Christus‘ willen. Aber unsere Werke bringen das Herz nicht zufrieden, denn wir finden allezeit, daß sie nicht rein sind. Darum muß folgen, daß wir allein durch Glauben Gott angenehm und gerecht sind, so wir im Herzen schließen, Gott wolle uns gnädig sein, nicht von wegen unserer Werke und Erfüllung des Gesetzes, sondern aus lauter Gnade um Christus‘ willen. Was können die Widersacher wider diesen Grund aufbringen? Was können sie wider die öffentliche Wahrheit erdichten oder erdenken? Denn dies ist je gewiß, und die Erfahrung lehrt stark genug, daß, wenn wir Gottes Urteil und Zorn recht fühlen oder in Anfechtung kommen, unsere Werke oder Gottesdienste das Gewissen nicht können zur Ruhe bringen. Und das zeigt die Schrift oft genug an, als im Psalm, 143, 2: „Du wollest mit deinem Knechte nicht in das Gericht gehen; denn vor dir wird keiner, der da lebt, gerecht sein.“ Da zeigt er klar an, daß alle Heiligen, alle frommen Kinder Gottes, welche den Heiligen Geist haben, wenn Gott nicht aus Gnaden ihnen will ihre Sünden vergeben, noch übrige Sünde im Fleisch an sich haben. Denn daß David an einem andern Ort, Ps. 7, 9, sagt: „Herr, richte mich nach meiner Gerechtigkeit!“ da redet er von seiner Sache und nicht von eigener Gerechtigkeit, sondern bittet, daß Gott seine Sache und Wort schützen wolle; wie er denn sagt: „Richte meine Sache!“ Wiederum Ps. 130, 3 sagt er klar, daß keiner, auch nicht die höchsten Heiligen, können Gottes Urteil ertragen, wenn er will auf Missetat achtgeben, wie er sagt: „So du willst achthaben auf Missetat, Herr, wer wird bestehen?“ und also sagt Hiob an 9, 28.30.: „Ich entstehe mich vor allen meinen Werken“: item: „Wenn ich gleich schneeweiß gewaschen wäre, und meine Hände gleich glänzeten vor Reinigkeit, noch würdest du Unreines an mir finden.“ Und in den Sprüchen Salomonis, 20, 9: „Wer kann sagen: Mein Herz ist rein?“ Und 1 Joh. 1, 8: „So wir werden sagen, daß wir keine Sünde haben, verführen wir uns selbst und ist die Wahrheit nicht in uns.“ Item, im Vaterunser bitten auch die Heiligen: „Vergib uns unsere Schuld!“ Darum haben auch die Heiligen Schuld und Sünde. Item, im 4. Buch Mosis, 14, 18: „Auch der unschuldige wird nicht unschuldig sein.“ Und Zacharias der Prophet sagt im 2. Kap., V 13: „Alles Fleisch sei stille vor dem Herrn!“ Und Jesaias sagt 40, 6: „Alles Fleisch ist Gras“, das ist, das Fleisch und alle Gerechtigkeit, so wir vermögen, die können Gottes Urteil nicht ertragen. Und Jonas sagt am 2. Kap., V. 9: „Welche sich verlassen auf Eitelkeit vergeblich, die lassen Barmherzigkeit fahren.“ Derhalben erhält uns eitel Barmherzigkeit; unsere eigenen Werke, Verdienst und Vermögen können uns nicht helfen. Diese Sprüche und dergleichen in der Schrift zeigen an, daß unsere Werke unrein sind, und daß wir Gnade und Barmherzigkeit bedürfen. Darum stellen die Werke die Gewissen nicht zufrieden, sondern allein die Barmherzigkeit, welche wir durch den Glauben ergreifen.

Zum dritten, Christus bleibt nichts destoweniger vor als nach der einige Mittler und Versöhner, wenn wir in ihm also neugeboren sind. Darum irren diejenigen, die da erdichten, daß Christus uns allein primam gratiam oder die erste Gnade verdiene, und daß wir hernach durch unsere eigenen Werke und Verdienst müssen das ewige Leben verdienen.

Denn er bleibt der einige Mittler, und wir sollen des gewiß sein, daß wir um seinetwillen allein einen gnädigen Gott haben; ob wir es auch gleich unwürdig sind, wie Paulus sagt Röm. 5, 2: „Durch ihn haben wir einen Zugang zu Gott.“ Denn unsere besten Werke, auch nach empfangener Gnade des Evangelii (wie ich gesagt), sind noch schwach und nicht gar rein; denn es ist je nicht so ein schlecht Ding um die Sünde und Adams Fall, wie die Vernunft meint oder gedenkt, und ist über allen menschlichen Verstand und Gedanken, was durch den Ungehorsam für ein schrecklicher Gotteszorn auf uns geerbt ist.

Und ist gar eine greulich Verderbung an der ganzen menschlichen Natur geschehen, welche kein Menschenwerk, sondern allein Gott selbst kann herwiederbringen. Darum sagt der Psalm: „Wohl denen, welchen ihre Sünden vergeben sind.“ Darum bedürfen wir Gnade und Gottes gnädiger Güte und Vergebung der Sünden, wenn wir gleich viele gute Werke getan haben. Dieselbe Gnade aber läßt sich allein durch den Glauben fassen.

Also bleibt Christus allein der Hohepriester und Mittler, und was wir nun Gutes tun, oder was wir des Gesetzes halten, gefällt Gott nicht für sich selbst, sondern daß wir uns an Christum halten und wissen, daß wir einen gnädigen Gott haben nicht um des Gesetzes willen, sondern um Christus‘ willen.

Zum vierten, so wir hielten, daß wir, wenn wir nun zu dem Evangelium kommen und neugeboren sind, hernach durch unsere Werke verdienen sollen, daß uns Gott gnädig forthin wäre, nicht durch Glauben, so käme das Gewissen nimmer zur Ruhe, sondern müßte verzweifeln; denn das Gesetz klagt uns ohne Unterlaß an, dieweil wir es nicht vollkommen halten können usw. Wie denn die ganze heilige christliche Kirche, alle Heiligen allzeit bekannt haben und noch bekennen.

Denn also sagt Paulus zu den Römern am 7, 19: „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich“ usw. Item: „Mit dem Fleische diene ich dem Gesetz der Sünde“ usw. Denn es ist keiner, der Gott den Herrn so von ganzem Herzen fürchtet und liebt, als er schuldig ist; keiner, der Kreuz und Trübsal in ganzem Gehorsam gegen Gott trägt; keiner, der nicht durch Schwachheit oft zweifelt, ob auch Gott sich unser annehme, ob er uns achte, ob er unser Gebet erhöre. Darüber murren wir oft aus Ungeduld wider Gott, daß es den Gottlosen wohl geht, den Frommen übel. Item, wer ist, der seinem Beruf recht genug tut, der nicht wider Gott zürnt in Anfechtungen, wenn Gott sich verbirgt? Wer liebt seinen Nächsten als sich selbst? Wer ist ohne allerlei böse Lüste? von den Sünder allen sagt der Psalm: „Dafür werden bitten alle Heiligen zu rechter Zeit.“

Da sagt er, daß alle Heiligen müssen um Vergebung der Sünden bitten. Derhalben sind diejenigen gar stockblind, welche die bösen Lüste im Fleisch nicht für Sünde halten, von welchen Paulus sagt: „Das Fleisch strebet wider den Geist, und der Geist strebet wider das Fleisch.“

Denn das Fleisch vertraut Gott nicht, verläßt sich auf diese Welt und zeitliche Güter, sucht in Trübsalen menschlichen Trost und Hilfe, auch wider Gottes Willen, zweifelt an Gottes Gnade und Hilfe murrt wider Gott in Kreuz und Anfechtungen, welches alles wider Gottes Gebot ist.

Wider die Adamssünde streitet und strebt der Heilige Geist in den Herzen der Heiligen, daß er dasselbe Gift des alten Adams, die böse verzweifelte Art, ausfege und töte und in das Herz einen andern Sinn und Mut bringe.

Und Augustinus sagt auch: „Alle Gebote Gottes halten wir dann, wenn uns alles, was wir nicht halten, vergeben wird.“ Darum will Augustinus, daß auch die guten Werke, welche der Heilige Geist wirkt in uns, Gott nicht anders gefallen denn also, daß wir glauben, daß wir Gott angenehm seien um Christus‘ willen, nicht daß sie an ihnen selbst Gott sollten gefallen.

Und Hieronymus sagt wider Pelagius: „Dann sind wir gerecht, wenn wir uns für Sünder erkennen; Und unsere Gerechtigkeit steht nicht in unserm Verdienst, sondern in Gottes Barmherzigkeit.“ Darum, wenn wir gleich ganz reich von rechten guten Werken sind und also angefangen haben, Gottes Gesetz zu halten, wie Paulus, da er treulich gepredigt hat usw., so muß dennoch der Glaube da sein, dadurch wir vertrauen, daß Gott uns gnädig und versöhnt sei um Christus‘ willen und nicht um unserer Werke willen. Denn die Barmherzigkeit läßt sich nicht fassen denn allein durch den Glauben. Darum diejenigen, so lehren, daß wir um Werke willen, nicht um Christus‘ willen Gott angenehm werden, die führen die Gewissen in Verzweiflung.

Aus dem allem ist’s klar genug, daß allein der Glaube uns vor Gott gerecht macht, das ist, er erlangt Vergebung der Sünden und Gnade um Christus‘ willen und bringt uns zu einer neuen Geburt. Item so ist’s klar genug, daß wir allein durch den Glauben den Heiligen Geist empfangen; item, daß unsere Werke, und da wir anfangen, das Gesetz zu halten, an ihm selbst Gott nicht gefallen. So ich nun, wenn ich gleich voll guter Werke bin, wie Paulus war und Petrus, dennoch anderswo muß meine Gerechtigkeit suchen, nämlich in der Verheißung der Gnade Christi, item, so allein der Glaube das Gewissen stillt, so muß je das gewiß sein, daß allein der Glaube vor Gott gerecht macht. Denn wir müssen allezeit dabei bleiben, wollen wir recht lehren, daß wir nicht um des Gesetzes willen, nicht um Werke willen, sondern um Christus‘ willen Gott angenehm sind. Denn die Ehre, so Christo gebührt, soll man nicht dem Gesetze oder unsern elenden Werken geben.

Antwort auf die Argumente der Widersacher.

So wir nun die rechten Gründe dieser Sache haben angezeigt, nämlich den Unterschied unter göttlicher Verheißung und des Gesetzes, so kann man leichtlich widerlegen dasjenige, so die Widersacher dagegen vorbringen. Denn sie führen Sprüche ein vom Gesetz und guten Werken. Die Sprüche aber, so von göttlicher Verheißung reden, lassen sie außen.

Man kann aber kurz antworten auf alle Sprüche, so sie einführen von dem Gesetze, nämlich, daß das Gesetz ohne Christum niemand halten kann, und wenngleich äußerlich gute Werke geschehen ohne Christum, so hat doch Gott darum an der Person nicht Gefallen. Darum wenn man will von guten Werken lehren oder predigen, soll man allezeit dazusetzen, daß zuvörderst Glaube da sein müsse, und daß sie allein um des Glaubens willen an Christum Gott angenehm seien, und daß sie Früchte und Zeugnisse des Glaubens sind. Diese unsere Lehre ist je klar, sie läßt sich auch wohl am Licht sehen und gegen die Heilige Schrift halten, und ist auch hie klar und richtig vorgetragen, wer ihm will sagen lassen und die Wahrheit nicht wissentlich verleugnen. Denn Christi Wohltat und den großen Schatz des Evangelii (welchen Paulus so hoch hebt) recht zu erkennen, müssen wir je auf einem Teil Gottes Verheißung und angebotene Gnade, auf dem andern Teil das Gesetz so weit voneinander scheiden als Himmel und Erde. In baufälligen Sachen bedarf man viele Glossen; aber in guten Sachen ist allezeit eine solutio oder zwei, die durchaus gehen und lösen alles auf, so man dagegen vermeint aufzubringen.

Also hier in dieser Sache: diese einige solutio löst alle Sprüche auf, die wider uns angezogen werden, nämlich daß man das Gesetz ohne Christum nicht recht tun kann, und obschon äußerliche Werke geschehen, daß doch Gott die Person nicht gefällt außer Christo.

Denn wir bekennen, daß die Schrift diese zwei Lehren führt: Gesetz und Verheißung der Gnade. Die Widersacher aber, die treten schlechts das ganze Evangelium mit Füßen und alle Verheißungen der Gnade in Christo; so lehren sie, daß wir um unserer Liebe und Werke willen Vergebung der Sünden erlangen und nicht durch den Glauben.

Denn so Gottes Gnade und Hilfe gegen uns gebaut ist auf unsere Werke, so ist sie gar ungewiß. Denn wir können nimmermehr gewiß sein, wann wir Werke genug tun, oder ob die Werke heilig oder rein genug seien. So wird auch also die Vergebung der Sünden ungewiß, und geht Gottes Zusage unter, wie Paulus sagt Röm. 4, 14: „Die göttliche Zusage ist dann umgestoßen, und ist alles ungewiß.“

Darum lehren wir die Herzen und Gewissen, daß sie sich trösten durch dieselbe Verheißung Gottes, welche fest steht und bietet Gnade an und Vergebung der Sünden um Christus‘ willen, nicht um unserer Werke willen. Danach lehren wir auch von guten Werken und von dem Gesetz, nicht daß wir durch des Gesetz verdienen Vergebung der Sünden, oder daß wir um des Gesetzes willen Gott angenehm seien, sondern daß Gott gute Werke haben will. Denn man muß, wie Paulus sagt, recht schneiden und teilen Gottes Wort, das Gesetz auf einen Ort, die Zusage Gottes auf den andern. Man muß sehen, wie die Schrift von der Verheißung, wie sie von dem Gesetz redet. Denn die Schrift gebietet und lobt also gute Werke, daß sie doch gleichwohl Gottes Verheißung und den rechten Schatz, Christum, noch viel tausendmal höher setzt.

Denn gute Werke soll und muß man tun, denn Gott will sie haben; so sind es Früchte des Glaubens, wie Paulus zu den Ephesern am 2, 10 sagt: „Denn wir sind geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken.“ Darum sollen gute Werke dem Glauben folgen als Danksagungen gegen Gott, item, daß der Glaube dadurch geübt werde, wachse und zunehme, und daß durch unser Bekenntnis und guten Wandel andere auch erinnert werden.

Also sagt Paulus, daß Abraham habe die Beschneidung empfangen, nicht daß er um des Werkes willen wäre gerecht geworden, sondern daß er an seinem Leibe ein Zeichen hätte, dadurch er erinnert würde und immer im Glauben zunähme; item, daß er seinen Glauben bekennete vor andern und durch sein Zeugnis die andern auch zu glauben reizte.

Also hat Abel durch den Glauben Gott ein angenehm Opfer getan. Denn das Opfer hat Gott nicht gefallen ex opere operato sondern Abel hielt’s gewiß dafür, daß er einen gnädigen Gott hätte; das Werk aber tat er, daß er seinen Glauben übte und die andern durch sein Exempel und Bekenntnis zu glauben reizte.

So nun also und nicht anders die guten Werke sollten dem Glauben folgen, so tun die viel anderer Meinung ihre Werke, die nicht glauben, daß ihnen ohne Verdienst die Sünden vergeben werden um Christus‘ willen, Denn wenn dieselben sehen gute Werke an den Heiligen, richten sie menschlicherweise von den Heiligen, wollen wähnen, die Heiligen haben mit ihren Werken Vergebung der Sünden erlangt oder seien durch Werke vor Gott gerecht geworden. Darum tun sie dergleichen ihnen nach und meinen, sie wollen auch also Vergebung der Sünden erlangen und Gottes Zorn versöhnen. Solchen öffentlichen Irrtum und falsche Lehre von den Werken verdammen wir. Erstlich, daß dadurch Christo, dem rechten Mittler, die Ehre genommen wird und wird den elenden Werken gegeben, wenn wir an Christus‘ Statt unsere Werke wollen darstellen für einen Schatz und Versöhnung des göttlichen Zorns und der Sünde. Denn die Ehre gehört allein Christo, nicht unsern elenden Werken. Zum andern, so finden doch die Gewissen auch nicht Frieden in solchen Werken. Denn wenn sie schon der Werke viel tun und zu tun sich befleißigen, so findet sich doch kein Werk, das rein genug sei, das wichtig, köstlich genug sei, einen gnädigen Gott zu machen, das ewige Leben gewiß zu erlangen, in Summa, das Gewissen ruhig und friedlich zu machen. Für das dritte, die auf Werke bauen, die lernen nimmermehr Gott recht kennen noch seinen Willen. Denn ein Gewissen, das an Gottes Gnade zweifelt, das kann nicht glauben, daß es erhört werde. Und dieweil es Gott nicht anrufen kann, wird es auch göttlicher Hilfe nicht inne, kann also Gott nicht kennen lernen. Wenn aber der Glaube da ist, nämlich daß wir durch Christum einen gnädigen Gott haben, der darf fröhlich Gott anrufen, lernt Gott und seinen Willen kennen

Aber der Irrtum von den Werken klebt der Welt gar hart an. Die Heiden haben auch Opfer, welche von den Patriarchen erstlich herkommen; dieselbe Opfer und Werke der Väter haben sie nachgetan. Vom Glauben wußten sie nicht, hielten dafür, daß dieselben Werke ihnen einen gnädigen Gott machten.

Die Israeliten erdichteten ihnen auch Werke und Opfer der Meinung, daß sie dadurch wollten einen gnädigen Gott machen durch ihr opus operatum, daß ist, durch das bloße Werk, welches ohne Glauben geschah. Da sehen wir, wie heftig die Propheten dawider schreien und rufen, als im 50. Psalm: „Deines Opfers halben strafe ich dich nicht“ usw. Item, Jeremias sagt: „Ich habe nicht mit euren Vätern von Brandopfern geredet.“ Da verdammen die Propheten nicht die Opfer an ihnen selbst, denn die hat Gott geboten als äußerliche Übungen in demselben seinem Volk, sondern sie treffen vornehmlich ihr gottlos Herz, da sie die Opfer der Meinung taten, daß sie meinten, dadurch würde Gott ex opere operato versöhnt; dadurch ward der Glaube unterdrückt.

Und so nun kein Werk das Gewissen recht zufriedenstellt, so pflegen die Heuchler auf ein blindes Geratewohl und Wagen dahin gleichwohl ein Werk über das andere, ein Opfer über das andere zu erfinden, und alles ohne Gottes Wort und Befehl mit bösem Gewissen, wie wir im Papsttum gesehen. Und vornehmlich lassen sie sich bewegen durch die Exempel der Heiligen. Denn wenn sie denen also nachfolgen, meinen sie, sie wollen Vergebung der Sünden erlangen, wie die Heiligen erlangt haben usw. Aber die Heiligen glaubten. Das Volk Israel hatte gesehen, daß die Propheten opferten auf den Höhen und Hainen; das Werk taten sie nach, daß sie durch das Werk Gottes Zorn versöhnten. Die Propheten aber hatten da Opfer getan, nicht daß sie durch die Werke Vergebung der Sünden verdienen wollten, sondern daß sie an den Orten predigten und lehrten. Darum taten sie die Opfer zu einem Zeugnis ihres Glaubens.

Item, daß Volk hatte nun gehört, daß Abraham seinen Sohn geopfert hatte; daß sie nun auch Werke täten, die sie schwer und sauer ankämen, so opferten sie ihre Söhne auch. Abraham aber was nicht der Meinung, seinen Sohn zu opfern, daß solches sollte eine Versöhnung sein, dadurch er vor Gott gerecht würde usw.

Also in der Kirche hat Christus Zusage Vergebung der Sünden wird angeboten, daß wir erinnert werden, daß durch das äußerliche Zeichen unser Glaube gestärkt werde, daß wir dadurch auch vor den Leuten unsern Glauben bekennen und die Wohltat Christi preisen und predigen, wie Paulus sagt: „Sooft ihr das tut, sollte ihr den Tod des Herrn verkündigen“ usw. Die Widersacher aber geben vor, die Messe sei ein solch Werk, das ex opere operato vor Gott uns gerecht mache und erlöse diejenigen von Pein und Schuld, für welche es geschieht.

St. Antonius, Bernhardus, Dominikus und andere Heilige haben durch ein eigen Leben von Leuten sich getan, damit sie desto leichter die Heilige Schrift könnten lesen, oder um anderer Übung willen. Nichtsdestoweniger haben sie bei sich gehalten, daß sie durch den Glauben an Christum vor Gott gerecht wären, daß sie allein durch Christum einen gnädigen Gott erlangten. Aber der große Haufe ist hernach zugefahren, haben den Glauben an Christum fahren lassen, haben allein gesehen auf die Exempel ohne Glauben und sich unterstanden, durch dieselben Klosterwerke Vergebung der Sünden zu erlangen. Also setzt allezeit die Vernunft die guten Werke zu hoch und an einen unrechten Ort. Den Irrtum ficht nun an das Evangelium und lehrt, daß wir vor Gott gerecht werden nicht um des Gesetzes oder unserer Werke willen, sondern allein um Christus‘ willen. Christum aber kann man nicht fassen denn allein durch den Glauben. Darum so werden wir auch allein durch den Glauben vor Gott gerecht.

Dagegen ziehen die Widersacher an den Spruch Pauli zu den Korinthern am 13: „Wenn ich hätte allen Glauben usw. Und hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich nichts.“ Da rufen die Widersacher mit einem großen Triumph und rühmen, sie seien durch diesen Spruch gewiß, daß nicht allein der Glaube vor Gott und gerecht mache, sondern auch die Liebe.

Es ist aber ganz leicht zu antworten, nachdem wir oben haben angezeigt, was wir von der Liebe und Werken halten. Paulus will in dem Spruche, daß in den Christen solle Liebe sein gegen den Nächsten; das sagen wir auch. Denn wir haben je hier oben gesagt: Wenn wir neugeboren sind, so, fangen wir an, das Gesetz zu halten und Gottes Gesetz gehorsam zu sein. Darum wenn jemand die christliche Liebe nachläßt, so ist er, wenn er gleich großen, starken Glauben gehabt, kalt geworden und ist nun wieder fleischlich, ohne Geist und Glauben.

Denn da ist nicht der Heilige Geist, wo nicht christliche Leibe ist und andere gute Früchte. Es folgt aber daraus nicht, daß uns die Liebe vor Gott gerecht macht, das ist, daß wir darum durch die Liebe Vergebung der Sünden erlangen, daß die Liebe die Schrecken der Sünde und des Todes überwinde, daß die Liebe an Christus‘

Statt gegen Gottes Zorn und Gericht solle gehalten werden, daß die Liebe das Gesetz erfülle, daß wir durch die Liebe Gott versöhnt und angenehm werden und nicht um Christus‘ willen. Von dem allem sagt Paulus nichts, und die Widersacher erdichten es doch auch ihrem Hirn.

Denn so wir durch unsere Liebe Gottes Zorn überwinden, so wir durch unser Gesetzerfüllen Gott angenehm sind, mögen die Widersacher auch sagen, daß die göttliche Verheißung, das ganze Evangelium nichts sei. Denn dasselbe lehrt, daß wir einen Zugang haben zu Gott allein durch Christum, daß wir nicht durch unser Gesetzwerk, sondern um Christus‘ willen Gott angenehm sind, als durch den einigen Mittler und Versöhner.

Die Widersacher deuten viele Sprüche auf ihre Meinung, die doch nicht also lauten; aber sie machen Zusatz daran, wie hier. Denn dieser Spruch ist klar genug, wenn allein die Widersacher ihre eigenen Träume außerhalb der Schrift nicht daran flickten; so sie doch nicht verstehen, was Glaube sei, was Christus ist, oder wie es zugeht, wenn ein Mensch vor Gott gerecht wird. Die Korinther und etliche auch ihnen hatten das Evangelium gehört und viele treffliche Gaben empfangen, und wie es denn in solchen Sachen zugeht, im Anfang waren sie hitzig und wacker zu allen Sachen, danach erwuchsen Rotten und Sekten unter ihnen, wie Paulus anzeigt, hoben an, die rechten Apostel zu verachten. Darum straft sie Paulus, vermahnt sie wieder zur Einigkeit und zu christlicher Liebe.

Und Paulus redet an dem Ort nicht von Vergebung der Sünden, oder wie man vor Gott fromm und gerecht wird, oder wie es zugeht, wenn ein Sünder zu Christo bekehrt wird, sondern redet von den Früchten des Glaubens, redet auch nicht von der Liebe gegen Gott, sondern von der Liebe gegen den Nächsten. Nun ist es fast närrisch, daß die Liebe gegen den Nächsten, dadurch wir hier auf Erden mit den Leuten handeln, uns vor Gott soll gerecht machen, so doch zu der Gerechtigkeit, welche vor Gott gilt, dieses gehört, daß wir etwas erlange, dadurch Gottes Zorn gestillt und das Gewissen gegen Gott im Himmel zum Frieden komme. Der keines geschieht durch die Liebe, sondern allein durch den Glauben, durch welchen man faßt Christum und Gottes Zusage.

Das ist aber wahr: wer die Liebe verliert, der verliert auch Geist und Glauben. Und also sagt Paulus: „Wenn ich die Liebe nicht habe, so bin ich nichts.“ Er setzt aber nicht die ‚affirmativam‘ dazu, daß die Liebe vor Gott gerecht mache.

Aber hier sagen sie auch, die Liebe werde dem Glauben und der Hoffnung vorgezogen. Denn Paulus sagt 1 Kor. 13, 13: „Die Liebe ist die größte unter den dreien.“ Nun sei es zu achten, daß die Tugend, so Paulus die größte nennt, vor Gott uns gerecht und heilig mache.

Wiewohl nun Paulus da eigentlich redet von der Liebe gegen den Nächsten, und so er spricht: „Die Liebe ist die größte“, sagt er darum denn die Liebe geht weit und trägt viel Früchte auf Erden. Denn Glaube und Hoffnung handeln allein mit Gott. Aber die Liebe geht auf Erden unter den Leuten um und tut viel Gutes mit Trösten, Lehren, Unterrichten, Helfen, Raten, heimlich und öffentlich. Doch lassen wir zu, daß Gott und den Nächsten lieben die höchste Tugend sei. Denn dies ist das höchste Gebot: „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen.“ Daraus folgt nun nicht, daß die Liebe uns gerecht macht.

Ja, sprechen sie, die höchste Tugend soll billig gerecht machen. Antwort: Es wäre wahr, wenn wir um unserer Tugend willen einen gnädigen Gott hätten. Nun ist droben bewiesen, daß wir um Christus‘ willen, nicht um unserer Tugend willen angenehm und gerecht sind; denn unsere Tugenden sind unrein. Ja, wie dieses Gesetz das höchste ist: „Du sollst Gott lieben“, also kann diese Tugend, Gott lieben, am allerwenigsten gerecht machen. Denn so das Gesetz und Tugend höher ist, so wir es weniger tun können, darum sind wir nicht um der Liebe willen gerecht.

Der Glaube aber macht gerecht, nicht um unsers Tuns willen, sondern allein derhalben, daß er Barmherzigkeit sucht und empfängt und will sich auf kein eigen Tun verlassen, das ist, daß wir lehren, Gesetz macht nicht gerecht, sondern das Evangelium, das glauben heißt, daß wir um Christus‘ willen, nicht um unsers Tuns willen einen gnädigen Gott haben.

Die Widersacher lehren aber darum also von der Liebe, daß sie uns Gott versöhne; denn sie wissen nichts vom Evangelio, sondern sehen allein das Gesetz an, wollen damit um eigener Heiligkeit willen einen gnädigen Gott haben, nicht aus Barmherzigkeit um Christus‘ willen. Also sind sie allein Gesetzlehrer und nicht Lehrer des Evangelii.

Auch ziehen die Widersacher wider uns an den Spruch zu den Kolossern: „Die Liebe ist ein Band der Vollkommenheit.“ Daher schließen sie, daß die Liebe vor Gott gerecht mache, denn sie macht uns vollkommen. Wiewohl wir hier allerlei antworten könnten von der Vollkommenheit, doch wollen wir hier den Spruch Pauli einfältig handeln. Es ist gewiß, daß Paulus von der Liebe des Nächsten redet; so darf man auch nicht gedenken, daß Paulus‘ Meinung sei, daß wir sollten vor Gott eher gerecht werden durch die Werke der andern Tafel denn durch die Werke der ersten Tafel. Item, so die Liebe eine Vollkommenheit ist oder vollkömmliche Erfüllung des Gesetzes, so ist des Mittlers Christi nicht vonnöten. Paulus aber, der lehrt an allen Orten, daß wir darum Gott angenehm seien um Christus‘ willen, nicht am unserer Liebe oder unserer Werke oder Gesetzes willen. Denn auch kein Heiliger (wie oben gesagt) erfüllt des Gesetz vollkommen. Darum so er, an allen andern Orten schreibt und lehrt, daß in diesem Leben an unsern Werken keine Vollkommenheit ist, so ist nicht zu gedenken, daß er zu den Kolossern von Vollkommenheit der Person rede, sondern er redet von Einigkeit der Kirche, und das Wort, so sie Vollkommenheit deuten, heißt nichts anderes, denn unzerrissen sein, das ist, einig sein.

Daß er nun sagt: „Die Liebe ist ein Band der Vollkommenheit“, das ist, sie bindet, fügt und hält zusammen die vielen Gliedmaßen der Kirche unter sich selbst (denn gleichwie in einer Stadt oder in einem Hause die Einigkeit dadurch erhalten wird, daß einer dem andern zugute halte, und kann nicht Friede noch Ruhe bleiben, wo nicht einer dem andern viel versieht, wo wir nicht einander tragen), also will Paulus da vermahnen zu der christlichen Liebe, daß einer des andern Fehle, Gebrechen dulden und tragen soll, daß sie einander vergeben sollen, damit Einigkeit erhalten werde in der Kirche, damit der Christenhaufe nicht zerrissen, zertrennt werde und sich in allerlei Rotten und Sekten teile, daraus dann großer Unrat, Haß und Neid, allerlei Bitterkeit und böses Gift, endlich öffentliche Ketzerei erfolgen möchte.

Denn die Einigkeit kann nicht bleiben, wenn die Bischöfe ohne alle Ursache zu schwere Bürden auflegen dem Volk. Auch werden daraus leichtlich Rotten, wenn das Volk aufs heftigste alles will meistern und ausecken an der Bischöfe oder Prediger Wandel und Leben, oder wenn sie alsbald der Prediger müde werden, etwa um eines kleinen Gebrechens willen; da folgt viel großen Unrats. Alsdann bald sucht man aus derselben Verbitterung andere Lehrer und andere Prediger.

Wiederum wird erhalten Vollkommenheit und Einigkeit, das ist, die Kirche bleibt unzertrennt und ganz, wenn die Starken die Schwachen dulden und tragen, wenn das Volk mit seinen Predigern auch Geduld hat, wenn die Bischöfe und Prediger wiederum allerlei Schwachheit, Gebrechen dem Volk nach Gelegenheit wissen zugut zu halten.

Von dem Wege und der Weise, Einigkeit zu halten, ist auch viel allenthalben geschrieben in den Büchern der Philosophen und Weltweisen. Denn wir müssen einander viel vergeben und für gut haben um Einigkeit willen. Und davon redet Paulus mehr denn an einem Ort. Darum schließen die Widersacher nicht recht, daß die Liebe solle vor Gott gerecht machen. Denn Paulus redet da nicht von den Vollkommenheit oder Heiligkeit der Personen, wie sie wähnen, sondern sagt: „Die Liebe macht ein stilles Wesen in der Kirche.“ Und also legt den Spruch auch Ambrosius aus: „Gleichwie wie Gebäu ganz ist, wenn alle Stücke zusammenhangen“ usw.

Es sollten sich aber die Widersacher auch wohl schämen, daß sie so trefflich hoch von der Liebe schreiben und predigen und Liebe, Liebe in allen ihren Büchern schreiben und schreien und gar keine Liebe erzeigen. Denn wie eine schöne Christenliebe ist das, daß sie durch ihre unerhörte Tyrannei zertrennen und zerreißen die Einigkeit der Kirche, so sie nichts denn Blutbriefe und tyrannische Gebote ausgehen zu lassen, dem allerlöblichsten Kaiser gern das Ärgste wollten einbilden. Sie erwürgen die Priester und viele andere fromme, ehrliche Leute keiner andern Ursache halben, denn daß sie allein öffentliche, schändliche Mißbräuche anfechten. Sie wollten gerne, daß alle die tot wären, die wider ihre gottlose Lehre mit einem Wort mucken. Das alles reimt sich gar übel zu dem großen Rühmen von Liebe, von caritas usw. Denn wenn bei den Widersachern ein Tröpflein Liebe wäre, so könnte man wohl Frieden und Einigkeit in der Kirche machen, wenn sie ihre Menschensatzungen, welche doch nichts zu christlicher Lehre oder Leben nütze sind, nicht also aus lauter rachgieriger Bitterkeit und pharisäischem Neid wider die erkannte Wahrheit verföchten, sonderlich so sie ihre Satzungen selbst nicht halten.

Aus dem Apostel Petro ziehen sie auch an den Spruch, da er sagt: „Die Liebe deckt zu die Menge der Sünden.“ Nun ist es gewiß, daß Petrus da auch redet von der Liebe gegen den Nächsten. Denn er redet daselbst von dem Gebot der Liebe, da geboten ist, daß wir uns untereinander lieben sollen. So ist es auch keinem Apostel nie in seine Gedanken kommen, daß die Liebe sollte den Tod überwinden oder die Sünde, daß die Liebe sollte eine Versöhnung sein ohne den Mittler Christum, daß die Liebe sollte unsere Gerechtigkeit sein ohne den Versöhner Christum. Denn die Liebe, wenn wir sie schon gleich haben, so ist es nichts mehr denn eine Gerechtigkeit des Gesetzes; sie ist je nicht Christus, durch welchen wir allein gerecht werden, wenn wir glauben, daß um des Mittlers willen uns der Vater gnädig ist, daß uns sein Verdienst geschenkt wird.

Darum kurz zuvor vermahnt Petrus, daß wir uns sollen zu Christo halten, daß wir auf ihn als den Eckstein erbaut werden. Denn er sagt: „Wer an ihn glaubet, der wird nicht zuschanden werden.“ Mit unsern Werken und Leben werden wir wahrlich vor Gottes Urteil und Angesicht mit Schanden bestehen. Aber der Glaube, durch welchen Christus unser wird, der erlöst uns von solchen Schrecken des Todes. Denn durch die Verheißung sind wir recht gewiß, daß uns durch Christum die Sünde vergeben ist.

Und das Wort 1 Pet. 4: „Die Liebe deckt der Sünden Menge“ usw. ist genommen aus den Sprüchen Salomonis, da er sagt: „Haß richtet Hader an, aber die Liebe deckt der Sünden Menge zu.“

Da gibt der Text klar an ihm selbst genug, daß er von der Liebe redet gegen den Nächsten und nicht von der Liebe gegen Gott. Und er will gleich dasselbe, daß der nächste Spruch Pauli zu den Kolossern sagt, nämlich, daß wir uns sollen fleißigen, brüderlich, freundlich zu leben, also daß einer dem andern viel zugute halte, daß Unlust und Zwiespalt vermieden werden, als sollte er sagen: Zwiespalt vermieden werden, als sollte er sagen: Zwiespalt erwächst aus Haß; wie wir denn sehen, daß aus geringen Fünklein oft großes Feuer angeht. Es waren nicht so große Sachen, darüber erst C. Cäsar und Pompejus uneins geworden, und wo einer dem andern gewichen hätte, so wäre der folgende große Krieg, so viel Blutvergießen, so manch groß Unglück und Unrat nicht daraus gekommen. Aber da ein jeder mit dem Kopf hindurch wollte, ist der große, unsägliche Schade, Zerrüttung des ganzen römischen Regiments der Zeit erfolgt.

Und es sind viele Ketzereien daher erwachsen, daß Prediger aufeinander sind verbittert worden. So ist nun Petri Spruch also zu verstehen: „Die Liebe deckt den Sünden Menge zu“, das ist, die Liebe deckt des Nächsten Sünde. Das ist, ob sich gleichwohl Unwille unter Christen begibt, so trägt doch die Liebe alles, übersieht gern, weicht dem Nächsten, duldet und trägt brüderlich seine Gebrechen und sucht nicht alles aufs schärfste. So will nun Petrus das gar nicht, daß die Liebe vor Gott verdiene Vergebung der Sünden, daß die Liebe uns Gott versöhne ohne den Mittler Christum, daß wir durch die Liebe sollten Gott angenehm sein ohne den Mittler Christum, sondern daß will Petrus, daß, in welchem christliche Liebe ist, der ist nicht eigensinnig, nicht hart und unfreundlich, sondern hält leichtlich dem Nächsten, seine Gebrechen und Fehle zugute, vergibt brüderlich dem Nächsten, stillt, weist sich selbst und weicht um Friedens willen, wie auch lehrt der Spruch: Amici vitia noris, non oderis, das ist, ich soll meines Freundes Weise lernen, aber ihn (ob es nicht alles schnurgleich ist) darum nicht hassen.

Und die Apostel vermahnen nicht ohne Ursache zu solcher Liebe, welches die Philosophi ejpieivkeian genannt haben. Denn sollen Leute in Einigkeit beieinander sein oder bleiben, es sei in der Kirche oder auch weltlichem Regiment, so müssen sie nicht alle Gebrechen gegeneinander auf der Goldwaage abrechnen, sie müssen lassen einander fast viel mit dem Wasser vorübergehen und immer zugute halten, soviel auch immer möglich, brüderlich miteinander Geduld haben.

Auch ziehen sie den Spruch aus dem Apostel Jakobo an und sagen: „Sehet ihr nun, daß wir nicht allein durch den Glauben, sondern durch Werke vor Gott gerecht werden?“ Und sie wollen wähnen, der Spruch sei fest, stark wider unsere Lehre. Aber wenn die Widersacher allein ihre Träume außen lassen und nicht hinanflicken, was sie wollen, so ist die Antwort leicht. Denn des Apostels Jakobi Spruch hat wohl seinen einfältigen Verstand, aber die Widersacher erdichten das dazu, daß wir durch unsere Werke verdienen Vergebung der Sünden; item, daß die guten Werke eine Versöhnung seien, dadurch uns Gott gnädig wird; item, daß wir durch die guten Werke überwinden können die große Macht des Teufels, des Todes und der Sünde; item, daß unsere guten Werke an ihnen selbst vor Gott so angenehm und groß geachtet seien, daß wir des Mittlers Christi nicht bedürfen. Der keines ist dem Apostel Jakobo in sein Herz gekommen, welches doch alles die Widersacher sich zu erhalten unterstehen durch den Spruch Jakobi.

So müssen wir nun erst dieses merken, daß dieser Spruch mehr ist wider die Widersacher denn für sie. Denn die Widersacher lehren, der Mensch werde vor Gott fromm und gerecht durch die Liebe und Werke. Von dem Glauben, dadurch wir uns hatten an den Mittler Christum, reden sie nichts. Und das mehr ist, von dem Glauben wollen sie nichts hören noch sehen, unterstehen sich, diese Lehre vom Glauben mit dem Schwert und Feuer zu tilgen. Jakobus aber tut anders; er läßt den Glauben nicht außen, sondern redet vom Glauben, damit läßt er Christum den Schatz und den Mittler bleiben, dadurch wir vor Gott gerecht werden, wie auch Paulus, das er die Summa setzt christlichen Glaubens, setzt er Glauben und Liebe zusammen, 1 Tim. 1, 5: „Die Summa des Gesetzes ist die Liebe aus ungefärbtem Glauben.“

Zum andern zeigt die Sache an ihr selbst an, daß er von Werken redet, welche dem Glauben folgen; denn er zeigt an, daß des Glaube nicht müsse tot, sondern lebendig, kräftig, geschäftig und tätig im Herzen sein. Darum ist Jakobi Meinung nichtgewesen, daß wir durch Werke Gnade oder Vergebung der Sünden verdienen. Denn er redet von Werken derjenigen, welche schon durch Christum gerecht geworden sind, welche schon Gott versöhnt sind und Vergebung der Sünden durch Christum erlangt haben. Darum irren die Widersacher weit, wenn sie aus dem Spruche schließen wollen, daß wir durch gute Werke Gnade und Vergebung der Sünden verdienen, oder daß Jakobus dies wolle, daß wir durch unsere Werke einen Zugang zu Gott haben ohne den Mittler und Versöhner Christum.

Zum dritten, so hatte St. Jakobus zuvor gesagt von der geistlichen Wiedergeburt, daß sie durch des Evangelium geschieht. Denn also sagt er im 1. Kapitel: „Er hat uns gezeuget nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, auf daß wir wären Erstlinge seiner Kreaturen.“ So er nun sagt, daß wir durch das Evangelium neugeboren seien, so will er, daß wir durch den Glauben gerecht seien vor Gott geworden. Denn die Verheißung von Christo faßt man allein durch den Glauben, wenn wir durch dieselbe getröstet werden wider die Schrecken des Todes, der Sünde usw. Darum ist seine Meinung nicht, daß wir durch unsere Werke sollten neugeboren werden.

Aus diesem allem ist klar genug, daß der Spruch Jakobi nicht wider uns ist. Denn er schilt da etliche faule Christen, welche allzu sicher waren geworden, machten ihnen Gedanken, sie hätten den Glauben, so sie doch ohne Glauben waren. Darum macht er Unterschied zwischen lebendigem und totem Glauben.

Den toten Glauben nennt er, wo nicht allerlei gute Werke und Früchte des Geistes folgen: Gehorsam, Geduld, Keuschheit, Liebe, usw. Lebendigen Glauben nennt er, das gute Früchte folgen. Nun haben wir gar oft gesagt, was wir glauben nennen. Denn wir nennen daß nicht Glauben, daß man die schlechte Historie wisse von Christo, welches auch in Teufeln ist, sondern das neue Licht und die Kraft, welche der Heilige Geist in den Herzen wirkt, durch welche wir die Schrecken des Todes, der Sünde usw. überwinden. Das heißen wir Glauben.

Ein solch recht christlicher Glaube ist nicht so ein leicht, schlecht Ding, als die Widersacher wähnen wollen. Wie sie denn sagen: Glaube, Glaube, wie bald kann ich glauben! usw. Es ist auch nicht ein Menschengedanke, den ich mir selbst machen könne, sondern ist eine göttliche Kraft im Herzen, dadurch wir neugeboren werden, dadurch wir die große Gewalt des Teufels und des Todes überwinden, wie Paulus sagt zu den Kolossern: „In welchem ihr auch seid auferstanden durch den Glauben, den Gott wirkt“ usw. Derselbe Glaube, dieweil es ein neu göttliche Licht und Leben im Herzen ist, dadurch wir andern Sinn und Mut kriegen, ist lebendig, geschäftig und reich an guten Werken. Darum ist das recht geredet, daß der Glaube nicht recht ist, der ohne Werke ist.

Und ob er sagte, daß wir durch den Glauben und Werke gerecht werden, so sagt er doch nicht, daß wir durch die Werke neugeboren werden; so sagt er auch nicht, daß Christus halb der Versöhner sei, halb unsere Werke, sondern er redet von Christen, wie sie sein sollen, nachdem sie nun neugeboren sind durch das Evangelium. Denn er redet von Werken, die nach dem Glauben folgen sollen; da ist’s recht geredet:

Wer Glauben und gute Werke hat, der ist gerecht. Ja, nicht um der Werke willen, sondern um Christus‘ willen, durch den Glauben. Und wie ein guter Baum gute Früchte tragen soll, und doch die Früchte machen den Baum nicht gut, also müssen gute Werke folgen nach der neuen Geburt, wiewohl sie den Menschen nicht vor Gott angenehm machen, sondern wie der Baum zuvor gut sein muß, also müsse der Mensch zuvor Gott angenehm sein durch den Glauben, um Christus‘ willen.

Die Werke sind viel zu gering dazu, daß uns Gott um ihretwillen gnädig sein sollte, wo er uns nicht um Christus‘ willen gnädig wäre. Also ist Jakobus St. Paulo nicht entgegen, sagt auch nicht, daß wir durch die Werke verdienen Vergebung der Sünden; sagt nicht, daß unsere Werke des Teufels Macht, den Tod, die Sünde, der Hölle Schrecken überwinden und dem Tode Christi gleich seien; er sagt nicht, daß wir durch Werke Gott angenehm werden; er sagt nicht daß unsere Werke die Herzen zur Ruhe bringen und Gottes Zorn überwinden, oder daß wir Barmherzigkeit nicht bedürfen, wenn wir Werke haben: der keines sagt Jakobus, welchen Zusatz doch die Widersacher hinzuflicken an die Worte Jakobi.

Auch führen sie noch mehr Sprüche wider uns, als diesen: Danielis am 4. sagt der Text: „Deine Sünden löse mit Gerechtigkeit und deine Übertretungen mit Almosen gegen die Armen.“ Und Jesaias am 58.: „Brich den Hungrigen dein Brot.“ Item, Luk. 6: „Vergebet, so wird euch vergeben werden.“ Und Matthäi am 5.: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden die Barmherzigkeit erlangen.“ Auf diese Sprüche und dergleichen von den Werken antworten wir erstlich dieses, nämlich daß (wie wir oben gesagt) das Gesetz niemand halten kann ohne Glauben, so kann niemand Gott gefallen ohne Glauben an Christum, wie er sagt: „ohne mich könnt ihr nichts tun“; item, wie Paulus sagt: „Durch Christum haben wir einen Zugang zu Gott durch den Glauben.“ Darum, sooft die Schrift der Werke gedenkt, so will sie allenthalben das Evangelium von Christo und den Glauben mit gemeint haben. Zum andern, so sind die Sprüche aus Daniel und andern (so jetzund erzählt) fast alle Predigten von der Buße. Erstlich predigen sie das Gesetz, zeigen die Sünde an und vermahnen zur Besserung und guten Werken. Zum andern ist daneben eine Verheißung, daß Gott wolle gnädig sein. Nun ist es gewiß, daß zu einer rechten Buße nicht genug ist, allein das Gesetz zu predigen, denn es schreckt allein die Gewissen; sondern es muß dazukommen auch das Evangelium, nämlich daß die Sünden ohne Verdienst vergeben werden um Christus‘ willen, daß wir durch den Glauben erlangen Vergebung der Sünden. Das ist so gewiß und also klar, daß, wo die Widersacher das werden anfechten und Christum und den Glauben von der Buße scheiden, sie billig für Lästerer des Evangelii und Christi geachtet werden.

Darum soll man die Worte des großen, hohen Propheten Daniel nicht allein auf des bloße Werk, auf die Almosen, deuten und ziehen, sondern auch den Glauben ansehen. Man muß der Propheten Worte, welche voll Glaubens und Geistes gewesen, nicht so heidnisch ansehen als Aristotelis oder eines andern Heiden. Aristoteles hat auch Alexandrum vermahnt, daß er seine Macht nicht zu eigenem Mutwillen, sondern zur Besserung von Land und Leuten brauchen sollte. Das ist recht und wohl geschrieben; man kann auch vom königlichen Amt nicht Besseres predigen oder schreiben. Aber Daniel sagt seinem König nicht allein von seinem königlichen Amt, sondern von Versöhnung mit Gott und von den hohen, großen, geistlichen Sachen, welche gar hoch und weit über alle menschlichen Gedanken und Werke gehen. Darum sind seine Worte nicht allein von Werken und Almosen zu verstehen, welche auch ein Heuchler tun kann, sondern vornehmlich vom Glauben. Daß man aber muß Glauben hier verstehen, da wir von reden, das ist, glauben, daß Gott Sünde durch Barmherzigkeit, nicht um unsers Verdienstes willen vergebe, das beweist der Text selbst. Erstlich damit, denn es sind zwei Stücke in Daniels Predigt. Das eine ist Gesetzpredigt und Strafe.

Das andere ist die Verheißung oder Absolution. Wo nun Verheißung ist, muß Glaube sein. Denn Verheißung kann nicht anders empfangen werden, denn daß sich das Herz verläßt auf solch Gotteswort und siehet nicht an eigene Würdigkeit oder Unwürdigkeit. Darum fordert Daniel auch Glauben; denn also lautet die Verheißung: „Deine Sünden werden geheilet.“ Dieses Wort ist eine recht prophetische und evangelische Predigt. Denn Daniel weiß, daß durch den künftigen Samen, Christum, nicht allein den Juden, sondern auch den Heiden Vergebung der Sünden, Gnade und ewiges Leben zugesagt war, sonst hätte er den König nicht also können trösten. Denn es ist nicht Menschenwerk, einem erschrockenen Gewissen gewißlich Vergebung der Sünden zusagen und trösten, daß Gott nicht mehr zürnen wolle; da muß man von Gottes Willen Zeugnis aus Gottes Wort haben, wie denn Daniel die hohen Verheißungen vom künftigen Samen gewußt und verstanden hat. Dieweil er nun eine Promission setzt, ist klar und offenbar, daß er Glauben fordert, da wir von reden. Daß er aber spricht: „Deine Sünden löse mit Gerechtigkeit und deine Übertretungen mit Wohltaten gegen die Armen“, ist eine Summa einer ganzen Predigt und ist so viel: Bessere dich! Und ist wahr, so wir uns bessern, werden wir los von Sünden.

Darum sagt er recht: „Löse deine Sünden.“ Daraus folgt aber nicht, daß wir von Sünden los werden um unserer Werke willen, oder daß unsere Werke die Bezahlung sind für die Sünde. Auch setzt Daniel nicht allein die Werke, sondern spricht: „Löse deine Sünden mit Gerechtigkeit.“ Nun weiß männiglich, daß Gerechtigkeit in der Schrift nicht allein äußerliche Werke heißt, sondern faßt den Glauben, wie Paulus spricht: Iustus ex fide vivet, „der Gerechte lebt seines Glaubens“, Hebr. 10, 38. Darum fordert Daniel erstlich Glauben, da er Gerechtigkeit nennt, und spricht: „Löse deine Sünden mit Gerechtigkeit“, das ist, mit Glauben gegen Gott, dadurch du gerecht wirst. Dazu tue auch gute Werke, nämlich warte deines Amtes; sei nicht ein Tyrann, sondern siehe zu, daß dein Regiment Landen und Leuten nützlich sei, halte Frieden und schütze die Armen wider unrechte Gewalt. Das sind fürstliche eleemosynae.

Also ist klar, daß dieser Spruch der Lehre vom Glauben nicht entgegen ist. Aber unsere Widersacher, die groben Esel, flicken ihre Zusätze an alle solche Sprüche, nämlich daß uns die Sünden um unserer Werke willen vergeben werden, und lehren vertrauen auf Werke, so doch die Sprüche nicht also reden, sondern fordern gute Werke, wie denn wahr ist, daß muß ein ander und besser Leben in uns werden. Aber dennoch sollen dieselben Werke Christo seine Ehre nicht nehmen.

Also ist auch auf den Spruch aus dem Evangelio zu antworten: „Vergebet, so wird euch vergeben.“ Denn es ist gleich eine solche Lehre von der Buße. Daß erst Stück an diesem Spruch fordert Besserung und gute Werke, das andere Stück setzt dazu die Verheißung, und man soll daraus nicht schließen, daß unser Vergeben uns ex opere operato Vergebung der Sünden verdiene. Denn das sagt Christus nicht, sondern wie in andern Sakramenten Christus die Verheißung heftet an das äußerliche Zeichen, also heftet er auch hier die Verheißung von Vergebung der Sünden an die äußerlichen guten Werke. Und wie wir im Abendmahl nicht erlangen Vergebung der Sünden ohne den Glauben, ex opere operato, also auch nicht in diesem Werke und unserm Vergeben; denn unser Vergeben ist auch kein gut Werk, es geschehe denn von denjenigen, welchen von Gott in Christo die Sünden schon zuvor vergeben sind. Darum unser Vergeben, soll es Gott gefallen, so muß es nach der Vergebung, da uns Gott vergibt, folgen. Denn Christus pflegt die zwei also zusammenzusetzen, das Gesetz und Evangelium, beide den Glauben und auch die guten Werke, daß er anzeige, daß kein Glaube da sei, wenn nicht gute Werke folgen; item, daß wir äußerliche Zeichen haben, welche uns erinnern des Evangelii und Vergebung der Sünden, dadurch wir getröstet werden, daß also mannigfaltig unser Glaube geübt werde. Also sollen solche Sprüche verstanden werden, denn sonst wäre es stracks wider das ganze Evangelium, und würde unser bettelisch Werk an Christus‘ Statt gesetzt, welcher allein soll die Versöhnung sein, welcher je nicht zu verachten ist. Item, wo sie sollten von Werken verstanden werden, so würde die Vergebung der Sünden ganz ungewiß; denn sie stünde auf einem losen Grunde, auf unsern elenden Werken.

Auch ziehen sie an einen Spruch aus Tobias: „Die Almosen erlösen von der Sünde und von dem Tode.“ Wir wollen nicht sagen, daß da eine Hyperbole sei, wiewohl wir es sagen möchten, damit Christi Ehre erhalten werde; denn dies ist Christus‘ Amt allein, von der Sünde, vom Tode erlösen, usw. Wir wollen aber uns zu unserer alten Regel halten, nämlich daß das Gesetz oder die Werke außer Christo niemand gerecht machen vor Gott.

So gefallen nun die Almosen (welche dem Glauben folgen) dann erst Gott, wenn ich durch Christum versöhnt bin, nicht die vorhergehen. Darum erlösen sie vom Tode nicht ex opere operato, sondern wie ich kurz zuvor von der Buße gesagt habe, daß man den Glauben mit den Früchten zugleich muß zusammenfassen, also ist auch von den Almosen zu sagen, daß sie Gott gefallen, dieweil sie geschehen in den Gläubigen. Denn Tobias redet nicht allein von Almosen, sondern auch vom Glauben. Denn er sagt: „Lobe Gott und bitte ihn, daß er dich wolle auf deinen Wegen leiten“ usw. Da redet er eigentlich von dem Glauben, da wir von reden, der da glaubt, daß er einen gnädigen Gott habe, den er zu loben schuldig ist für eitel große Güte und Gnade, von dem er auch täglich erwarte Hilfe, und bittet ihn, daß er ihn im Leben und Sterben leiten und regieren wolle. Auf die Weise mögen wir nachgeben, daß die Almosen nicht unverdienstlich seien gegen Gott, nicht aber, daß sie können den Tod, die Hölle, den Teufel, die Sünde überwinden, die Gewissen zur Ruhe stellen (denn das muß durch den Glauben an Christum allein geschehen), sondern verdienen, daß uns Gott schützt vor künftigem Übel und Gefahr an Leib und Seele. Das ist der einfältige Verstand, welcher auch mit andern Sprüchen der Schrift übereinstimmt. Denn wo gute Werke gelobt werden in der Schrift, da soll man es allezeit nach der Regel Pauli verstehen, daß man das Gesetz und die Werke nicht über Christum hebe, daß Christus und der Glaube so hoch über alle Werke gehen, als der Himmel über der Erde ist.

Auch ziehen sie an den Spruch Christi: „Gebet Almosen, so wird euch alles rein sein.“ Die Widersacher sind taub und haben dicke Ohren, darum müssen wir ihnen die Regel oft wiederholen, daß das Gesetz ohne Christum niemand vor Gott fromm mache, und daß alle Werke allein um Christus‘ willen angenehm sind. Aber die Widersacher schließen Christum allenthalben aus, tun gleich, als sei Christus nichts, und lehren unverschämt, daß wir Vergebung der Sünden erlangen durch gute Werke usw.

Wenn wir aber den Spruch unzerrissen, ganz ansehen, so werden wir sehen, daß er auch vom Glauben mit redet. Christus schilt die Pharisäer, daß sie wollten wähnen, sie würden vor Gott heilig und rein durch allerlei baptismata carnis, das ist, durch allerlei leibliches Baden, waschen und Reinigung am Leibe, an Gefäßen, an Kleidern, wie auch ein Papst in seine Canones gesetzt hat ein nötig päpstlich Stück vom Weihwasser, daß, wenn es mit geweihtem Salz besprengt wird, so heiligt’s und reinigt’s das Volk von Sünden. Und die Glosse sagt, es reinige von täglichen Sünden. Also hatten die Pharisäer auch Irrtümer unter sich, welche Christus straft und setzt gegen die erdichteten Reinigungen zweierlei Reinigkeit, eine innerlich, die andere äußerlich, und vermahnt, daß sie inwendig sollen rein sein; das geschieht, wie Petrus sagt in Geschichten der Apostel am 15., „durch den Glauben“. Und setzt dazu von äußerlicher Reinigkeit: „Gebet Almosen von dem, das ihr übrig habt, so wird euch alles rein sein.“ 1

Die Widersacher führen nicht recht ein das Wort: „alles“. Denn Christus setzt den Beschluß auf beide Stücke, auf die innerliche und äußerliche Reinigkeit, und sagt: „alles wird euch rein sein.“ Das ist wenn ihr euch nicht allein leiblich badet, sondern Gott glaubt und also inwendig rein seid und auswendig Almosen gebt, so wird euch alles rein sein. Und zeigt an, daß auch die rechte äußerliche Reinigkeit stehe in den Werken, welche Gott geboten habe, und nicht in menschlichen Satzungen, als da waren dieselben traditiones Pharisaeorum usw., und wie bei unserer Zeit ist das Bespritzen und Sprengen den Weihwassers, die schneeweißen Mönchskleider, die Unterschiede der Speisen und dergleichen. Die Widersacher aber ziehen dies signum universale, nämlich das Wort „alles“, sophistisch allein auf einen Teil und sagen: Alles wird euch rein sein, wenn ihr Almosen gebt usw. Als wenn einer sagt: Andreas ist da, darum sind alle Apostel da. Darum im antecedente oder vorangehenden Stück dieses Spruchs soll beiden beieinander bleiben: Glaubt und: Gebt Almosen. Denn darauf geht die ganze Sendung, das ganze Amt Christi, darum ist er da, daß sie glauben sollen. Wenn nun beide Stücke zusammengefaßt werden: glauben und Eleemosynen geben, so folgt recht, daß alles rein sei, das Herz durch Glauben, der äußerliche Wandel durch gute Werke. Also soll man die Predigt ganz fassen und nicht das eine Stück umkehren und deuten, daß das Herz von Sünden rein wird durch unsere Eleemosynen. Es sind auch wohl etliche, die da meinen, daß es wider die Pharisäer von Christo ironice oder spöttisch geredet sei, als sollte er sagen: Ja, liebe Junker, raubt und stehlt und geht danach hin, gebt Almosen, so werdet ihr bald rein sein! Daß also Christus etwas herbe und höhnisch aussteche ihre pharisäische Heuchelei. Denn wiewohl sie voll Unglaubens, voll Geizen und alles Argen waren, so hielten sie doch ihre Reinigung, gaben Almosen und meinten, sie wären gar reine, zarte Heilige. Die Auslegung ist dem Text daselbst nicht entgegen.

Was nun auf andere dergleichen mehr Sprüche zu antworten sei, ist leichtlich abzunehmen aus diesem, so wir erklärt haben. Denn die Regel legt aus alle Sprüche von guten Werken, daß sie außer Christo vor Gott nichts gelten, sondern das Herz muß zuvor Christum haben und glauben, daß es Gott gefalle um Christus‘ willen, nicht von wegen eigener Werke. Die Widersacher führen auch etliche Schulargumente, darauf leichtlich zu antworten ist, wenn man weiß, was Glaube ist. Erfahrene Christen reden viel anders vom Glauben denn die Sophisten, wie wir droben angezeigt, daß glauben heißt vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, daß er gnädig sein wolle um Christus‘ willen, ohne unser Verdienst, und das heißt glauben den Artikel: Vergebung der Sünde. Dieser Glaube ist nicht allein die Historia wissen, die auch die Teufel wissen. Darum ist das Schulargument leichtlich aufzulösen, daß sie sprechen, die Teufel glauben auch, darum mache der Glaube nicht gerecht. Ja, die Teufel wissen die Historia, glauben aber nicht Vergebung der Sünden. Item, daß sie sprechen, gerecht sein heißt Gehorsam; nun ist ja Werke tun ein Gehorsam, darum müssen die Werke gerecht machen. Darauf soll man also antworten: Gerecht sein heißt ein solcher Gehorsam, den Gott dafür annimmt. Nun will Gott unsern Gehorsam in Werken nicht annehmen für Gerechtigkeit; denn es ist nicht ein herzlicher Gehorsam, dieweil niemand das Gesetz recht hält. Darum hat er einen andern Gehorsam geordnet, den er will für Gerechtigkeit annehmen, nämlich daß wir unsern Ungehorsam erkennen und vertrauen, wir gefallen Gott um Christus‘ willen, nicht von wegen unsers Gehorsams. Derhalben heißt nun hier gerecht sein, Gott angenehm sein, nicht von wegen eigenen Gehorsams, sondern aus Barmherzigkeit, um Christus‘ willen. Item. Sünde ist Gott hassen, darum muß Gerechtigkeit sein, Gott lieben. Wahr ist’s Gott lieben ist Gerechtigkeit des Gesetzes; aber dieses Gesetz erfüllt niemand. Darum lehrt das Evangelium eine neue Gerechtigkeit, daß wir um Christus‘ willen Gott gefallen, ob wir schon das Gesetz nicht erfüllen, und sollen doch anheben, das Gesetz zu tun. Item, was ist der Unterschied zwischen Glauben und Hoffen? Antwort: Hoffnung wartet künftiger Güter und Rettung aus der Trübsal; Glaube empfängt gegenwärtige Versöhnung und schließt im Herzen, daß Gott die Sünden vergeben habe, und das er jetzt mir gnädig sei. Und dieses ist ein hoher Gottesdienst, der Gott damit dient daß er ihm die Ihre tut und die Barmherzigkeit und Verheißung so gewiß hält, daß er ohne Verdienst kann allerlei Güter von ihm empfangen und erwarten. Und in diesem Gottesdienst soll das Herz geübt werden und zunehmen; davon wissen die tollen Sophisten nichts.

Aus diesem allem ist leichtlich zu verstehen, was man halten soll vom merito condigni, da die Widersacher erdichten, daß wir vor Gott gerecht sind durch die Liebe und unsere Werke. Da gedenken sie nicht einmal des Glaubens und anstatt des Mittlers Christi setzen sie unsere Werke, unsere Erfüllung des Gesetzes; das ist in keinem Weg zu leiden.

Denn wiewohl wir oben gesagt, so die neue Geburt ist durch Geist und Gnade, da folgt auch gewißlich die Liebe, so soll man doch die Ehre Christi nicht unsern Werken geben; sondern das ist gewiß, daß wir vor und nach, wenn wir zu dem Evangelio kommen, gerecht geschätzt werden um Christus‘ willen, und der Christus bleibt der Mittler und Versöhner vor wie nach, nach als vor, und durch Christum haben wir einen Zugang zu Gott, nicht darum, daß wir das Gesetz gehalten haben und viel Gutes getan, sondern daß wir so fröhlich, getrost auf Gnade bauen und so gewiß uns verlassen, daß wir aus Gnaden um Christus‘ willen gerecht vor Gott geschätzt werden. Und das lehrt, predigt, bekennt die heilige catholica, christliche Kirche, daß wir selig werden durch Barmherzigkeit, wie wir oben haben angezogen aus Hieronymo.

Unsere Gerechtigkeit steht nicht auf eigenem Verdienst, sondern auf Gottes Barmherzigkeit, und dieselbe Barmherzigkeit faßt man durch den Glauben.

Hier wollen aber alle Verständigen sehen, was aus der Widersacher Lehre folgen wollte. Denn so wir halten werden, daß Christus allein uns primam gratiam, das ist, die erst Gnade, verdient hätte (wie sie es nennen), und wir hernach durch unsere Werke erst das ewige Leben müßten verdienen, so werden die Herzen oder Gewissen weder in der Todesstunde noch sonst nimmermehr zufrieden werden, werden nimmermehr bauen können auf gewissen Grund, werden nimmer gewiß, ob uns Gott gnädig wäre. Also führt ihre Lehre die Gewissen ohne Unterlaß auf eitel Herzeleid und endlich auf Verzweiflung. Denn Gottes Gesetz ist nicht ein Scherz; das klagt die Gewissen an außer Christo ohne Unterlaß, wie Paulus sagt Röm. 4, 15: „Das Gesetz richtet Zorn an.“ Also dann, wenn die Gewissen Gottes Urteil fühlen und haben keinen gewissen Trost, fallen sie dahin in Verzweiflung.

Paulus sagt Röm. 14, 23: „Alles, was nicht aus dem Glauben ist, das ist Sünde.“ Diejenigen aber können nichts aus Glauben tun, die dann sollen einen gnädigen Gott erst bekommen, wenn sie mit ihren Werken das Gesetz erfüllt haben. Denn sie werden allezeit wanken und zweifeln, ob sie Werke genug getan haben, ob des Gesetz genug geschehen sei. Ja, sie werden stark fühlen und empfinden, daß sie noch dem Gesetz schuldig seien; darum werden sie nimmermehr bei sich gewiß halten, daß sie einen gnädigen Gott haben, oder daß ihr Gebet erhört werde. Derhalben können sie Gott nimmer recht lieben, auch nichts Gutes sich zu Gott versehen oder Gott recht dienen. Denn was sind doch solche Herzen und Gewissen anders denn die Hölle selbst, so nichts anderes in solchen Herzen ist denn eitel Zweifeln, eitel Verzagen, eitel Murren, Verdrieß und Haß wider Gott. Und in dem Haß rufen sie doch gleichwohl Gott heuchlerisch an, wie der gottlose König Saul tat.

Hier können wir uns berufen auf alle christlichen Gewissen und alle diejenigen, die Anfechtungen versucht haben; die müssen bekennen und sagen, daß solche große Ungewißheit, solche Unruhe, solche Qual und Angst, solch schrecklich Zagen und Verzweiflung aus solcher Lehre der Widersacher folgt, da sie lehren oder wähnen, daß wir durch unsere Werke oder Erfüllung des Gesetzes, so wir tun, vor Gott gerecht werden, und weisen uns den Holzweg, zu vertrauen nicht auf die reichen, seligen Zusagungen der Gnade, welche uns durch den Mittler Christum werden angeboten, sondern auf unsere elenden Werke.

Darum bleibt dieser Beschluß wie eine Mauer, ja wie ein Fels feststehen, daß wir schon angefangen haben, das Gesetz zu tun, dennoch nicht um solcher Werke willen, sondern um Christus‘ willen durch den Glauben Gott angenehm sind und mit Gott Frieden haben, und ist uns Gott für dieselben Werke nicht schuldig das ewige Leben, sondern gleichwie uns Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit um Christus‘ willen, nicht um unserer Werke oder des Gesetzes willen, wird zugerechnet, also wird uns auch nicht um unserer Werke willen noch um des Gesetzes willen, sondern um Christus‘ willen samt der Gerechtigkeit ewiges Leben angeboten, wie denn Christus sagt Joh. 6, 40: „Das ist der Wille des Vaters, der mich gesandt hat, daß ein jeglicher, der den Sohn siehet und glaubet an ihn, habe das ewige Leben“; item V. 47: „Der da glaubet in den Sohn, hat des ewige Leben.“

Nun sind hier wohl die Widersacher zu fragen, was sie doch den armen Gewissen in der Todesstunde für Rat geben; ob sie die Gewissen vertrösten, daß sie sollen wohl fahren, selig werden, einen gnädigen Gott haben um ihres eigenen Verdienstes willen oder aus Gottes Gnade und Barmherzigkeit um Christus‘ willen. Denn St. Peter, St. Paul und dergleichen Heilige können nicht rühmen, daß ihnen Gott für ihre Marter das ewige Leben schuldig sei, haben auch nicht auf ihre Werke vertraut, sondern auf der Barmherzigkeit, in Christo verheißen.

Und es wäre auch nicht möglich, daß ein heiligen, wie groß und hoch er ist, wider des Anklagen göttliches Gesetzes, wider die große Macht des Teufels, wider die Schrecken das Todes und endlich wider die Verzweiflung und Angst der Hölle sollte bleiben oder bestehen können, wenn er nicht die göttliche Zusage, das Evangelium, wie einen Baum oder Zweig ergriffe in der großen Flut, in dem starken, gewaltigen Strome, unter den Wellen und Wogen der Todesangst, wenn er nicht durch den Glauben sich an das Wort, welches Gnade verkündigt, hielte, und also ohne alle Werke, ohne Gesetz, lauter aus Gnaden, das ewige Leben erlangte. Den diese Lehre allein erhält die christlichen Gewissen in Anfechtungen und Todesängsten, von welchen die Widersacher nichts wissen und reden davon wie der Blinde von der Farbe.

Hier werden sie aber sagen: So wir aus lauter Barmherzigkeit sollen selig werden, was ist dann für ein Unterschied unter denen, die da selig werden, und die da nicht selig werden? Gilt kein Verdienst, so ist kein Unterschied unter Bösen und Guten und folgt, daß sie zugleich selig werden. Das Argument hat die Scholastiker bewegt, daß sie haben erfunden das meritum condigni; denn es muß ein Unterschied unter denen sein, die da selig werden und die verdammt werden.

Für das erst aber sagen wir, daß das ewige Leben gehöre denen, die Gott gerecht schätzt, und wenn sie sind gerecht geschätzt, sind sie damit Gottes Kinder und Christi Miterben geworden, wie Paulus zu den Römern am 8, 30 sagt: „Welche er hat gerecht gemacht, die hat er auch herrlich gemacht.“ Darum wird niemand selig denn allein, die da glauben dem Evangelio. Wie aber unsere Versöhnung gegen Gott ungewiß wäre, wenn sie sollte auf unsern Werken stehen und nicht auf Gottes gnädiger Verheißung, welche nicht fehlen kann, also auch wäre alles ungewiß, was wir durch die Hoffnung erwarten, wenn sie sollte gebaut sein auf unser Verdienst und Werke. Denn Gottes Gesetz klagt das Gewissen an ohne Unterlaß, und wir fühlen im Herzen nichts anderes denn diese Stimme aus der Wolke und Feuerflammen, Deut. am 5, 6ff.: „Ich bin der Herr, dein Gott; das sollst du tun, das bist du schuldig, das will ich haben“ usw. Und kein Gewissen kann Ruhe haben einen Augenblick, wenn das Gesetz und Moses im Herzen drängt, ehe es Christum ergreift durch den Glauben. Es kann auch nicht recht hoffen das ewige Leben, es sei denn erst zur Ruhe gekommen. Denn ein Gewissen, das da zweifelt, das flieht vor Gott und verzweifelt und kann nicht hoffen. Nun muß aber die Hoffnung des ewigen Lebens gewiß sein. Damit sie nun nicht wanke, sondern gewiß sei, so müssen wir glauben, daß wir das ewige Leben haben nicht durch unsere Werke oder Verdienst, sondern aus lauter Gnade, durch den Glauben an Christum.

In Welthändeln und in den weltlichen Gerichtsstühlen, das ist zweierlei, Gnade und Recht. Recht ist durch die Gesetze und Urteil gewiß, Gnade ist ungewiß. Hier vor Gott ist’s ein ander Ding; denn die Gnade und Barmherzigkeit ist durch ein gewiß Wort zugesagt, und das Evangelium ist das Wort, das uns gebietet zu glauben, daß uns Gott gnädig sei und selig machen wolle um Christus‘ willen, wie der Text lautet, Joh. 3, 17: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt geschickt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt selig werde durch ihn. Wer in ihn glaubet, der wird nicht gerichtet.“

Sooft als man nun redet von Barmherzigkeit, so ist’s also zu verstehen, daß Glaube gefordert wird, und derselbe Glaube, der macht den Unterschied unter denen, die selig, und unter denen, die verdammt werden, unter Würdigen und Unwürdigen. Denn das ewige Leben ist niemand zugesagt denn den Versöhnten in Christo, Der Glaube aber versöhnt und macht uns gerecht vor Gott, wenn und zu welcher Zeit wir die Zusage durch den Glauben ergreifen. Und das ganze Leben durch sollen wir Gott bitten und uns fleißigen, daß wir den Glauben bekommen und in dem Glauben zunehmen. Denn, wie oben gesagt ist, der Glaube ist, wo Buße ist, und ist nicht in denen, die nach dem Fleisch wandeln. Derselbe Glaube soll auch durch allerlei Anfechtungen das ganze Leben durch wachsen und zunehmen. Und welche den Glauben erlangen, die werden neugeboren, daß sie auch ein neu Leben führen und gute Werke tun.

Wie wir nun sagen, daß die rechte Buße soll das ganze Leben durch währen, also sagen wir auch, daß die guten Werke und Früchte des Glaubens das ganze Leben durch geschehen sollen; wiewohl unsere Werke nimmermehr so teuer werden, daß sie sollten dem Schatze Christi gleich sein oder das ewige Leben verdienen. Wie auch Christus sagt Luk 17, 10: „wenn ihr alles getan habt, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte.“ Und St. Bernhardus sagt recht: „Es ist not, und du mußt erst glauben, daß du Vergebung der Sünden nicht haben könnest denn allein durch Gottes Gnade, und danach, daß du auch sonst hernach kein gut Werk haben und tun könnest, wenn dir dasselbe auch nicht ohne Verdienst gegeben wird.“ Und bald hernach: „Niemand wolle sich selbst verführen; denn wenn du würdest recht die Sache bedenken, so würdest du ohne Zweifel finden, daß du mit zehntausend nicht könnest entgegenkommen dem, der dir mit zwanzigtausend begegnet“ usw. Das sind je starke Sprüche St. Bernhardi; sie möchten doch denselben glauben, ob sie uns nicht glauben wollten.

Darum damit die Herzen einen rechten, gewissen Trost und Hoffnung haben mögen, so weisen wir sie, wie Paulus tut, auf die göttliche Zusage der Gnade in Christo und lehren, daß man müsse glauben, daß Gott nicht um unserer Werke, nicht um Erfüllung des Gesetzes willen, uns das ewige Leben gibt, sondern um Christus‘ willen; wie Johannes der Apostel in seiner Epistel spricht, 1 Joh. 5, 12: „Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn nicht hat, der hat nicht das Leben.“

Hier haben die Widersacher ihre große Kunst trefflich bewiesen und den Spruch Christi verkehrt: „Wenn ihr alles getan habt, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte.“ Ziehen ihn von Werken auf Glauben, sagen vielmehr, wenn wir alles glauben, sind wir unnütze Knechte.

Das sind je schändlich Sophisten, die die tröstliche Lehre vom Glauben so gar verkehren. Sagt, ihr Esel, wenn einer da liegt am Tode und fühlt, daß er kein Werk hat, das vor Gottes Gericht genug sei, und kann auf kein Werk vertrauen, was wollt ihr demselben raten? Wollt ihr ihm auch sagen: Wenn du schon glaubst, so bist du doch ein unnützer Knecht, und hilft dir nichts? Da muß das arme Gewissen in Verzweiflung fallen, wenn es nicht weiß, daß das Evangelium den Glauben eben darum fordert, dieweil wir untüchtige Knechte sind und nicht Verdienst haben. Darum soll man sich hüten vor den Sophisten, so die Worte Christi also lästerlich verkehren.

Denn es folgt nicht: Die Werke helfen nicht, darum hilft der Glaube auch nicht. Wir müssen den groben Eseln ein grob Exempel geben. Es folgt nicht: Der Heller hilft nicht, darum hilft der Gulden auch nicht. Also, wie der Gulden viel höher und stärker ist denn der Heller, soll man verstehen, daß Glaube viel höher und stärker ist denn Werke. Nicht, daß Glaube helfe um seiner Würdigkeit willen, sondern darum, daß er auf Gottes Verheißung und Barmherzigkeit vertraut. Glaube ist stark, nicht um seiner Würdigkeit willen, sondern von wegen der göttlichen Verheißung. Und darum verbietet er nicht Vertrauen auf Gottes Verheißung. Ja, er fordert dasselbe Vertrauen auf Gottes Verheißung eben darum, dieweil wir untüchtige Knechte sind und die Werke nicht helfen können. Derhalben ziehen die Bösewichter die Worte Christi unrecht von Vertrauen eigener Würdigkeit auf Vertrauen göttlicher Zusage. Damit ist ihre Sophisterei klar widerlegt und aufgelöst. Der Herr Christus wolle die Sophisten, so sein heiliges Wort also zerreißen, bald zuschanden machen! Amen.

Die Widersacher aber wollen beweisen, daß wir das ewige Leben mit Werken verdienen de condigno, damit, daß das ewige Leben wird genannt ein Lohn. Wir wollen darauf kurz und richtig antworten. Paulus nennt das ewige Leben ein Geschenk und Gabe; denn wenn wir durch den Glauben gerecht werden, so werden wir Gottes Söhne und Miterben Christi. An einem andern Ort aber steht geschrieben: „Euer Lohn ist reichlich im Himmel.“

Wenn nun die Widersacher dünkt, daß dieses widereinander sei, so mögen sie es ausrichten. Sie tun, wie sie pflegen: sie lassen das Wort donum außen und lassen allenthalben außen das Hauptstück, wie wir vor Gott gerecht werden, item, daß Christus allezeit der Mittler bleibt, und klauben danach heraus das Wort merces oder: „Lohn“ und legen dann dasselbe ihres Gefallens aufs ärgste aus, nicht allein wider die Schrift, sondern auch wider gemeinen Gebrauch zu reden, und schließen dann also: Da steht in der Schrift: „Euer Lohn“ usw.; darum sind unsere Werke so würdig, daß wir dadurch das ewige Leben verdienen.

Das ist gar einen neue Dialektika, da finden wir das einzelne Wort: „Lohn“; darum tun unsere Werke vollkommen genug dem Gesetz, darum sind wir durch unsere Werke Gott angenehm, bedürfen keiner Gnade noch keines Mittlers Christi. Unsere guten Werke sind der Schatz, dadurch das ewige Leben erkauft und erlangt wird. Darum können wir durch unsere guten Werke das erste, höchste Gebot Gottes und das ganze Gesetz halten. Weiter können wir auch tun opera supererogationis, das ist, übrige Werke und mehr, denn das Gesetz fordert.

Darum haben die Mönche, so sie mehr tun, denn sie schuldig sind, übriges, überflüssiges Verdienst, das mögen sie andern schenken oder um Geld mitteilen und mögen des Geschenks, als die neuen Götter, ein neu Sakrament einsetzen, damit sie bezeugen, daß sie ihre Verdienste jenen verkauft und mitgeteilt haben; wie denn die Barfüßermönche und andere Orden unverschämt getan, daß sie den toten Körpern haben Ordenskappen angezogen. Das sind feine, starke Gründe, welche sie alle aus der einigen Syllabe „Lohn“ spinnen können, damit sie Christum und den Glauben verdunkeln.

Wir aber zanken nicht um das Wort: „Lohn“ sondern von diesen großen, hohen, allerwichtigsten Sachen, nämlich wo christliche Herzen rechten, gewissen Trost suchen sollen; item, ob unsere Werk die Gewissen können zu Ruhe oder Frieden bringen; item, ob wir halten sollen, daß unsere Werke des ewigen Lebens würdig sind, oder ob es um Christus‘ willen gegeben werde. Dieses sind die rechten Fragen in diesen Sachen; wenn da die Gewissen nicht recht berichtet sind, so können sie keinen gewissen Trost haben. Wir aber haben klar genug gesagt, daß die guten Werke das Gesetz nicht erfüllen, daß wir Gottes Barmherzigkeit bedürfen, und daß wir durch den Glauben Gott angenehm werden, und daß die guten Werke, sie seien, wie köstlich sie wollen, wenn es auch St. Paulus‘ Werke selbst wären, kein Gewissen können zu Ruhe machen. Aus dem allem folgt, daß wir sollen glauben, daß wir das ewige Leben erlangen durch Christum aus Gnaden, nicht um der Werke oder des Gesetzes willen. Was sagen wir aber von dem Lohn, dessen die Schrift gedenkt? Für das erste, wenn wir sagten, daß das ewige Leben werde ein Lohn genannt darum, daß es den Gläubigen Christi aus der göttlichen Verheißung gehört, so hätten wir recht gesagt. Aber die Schrift nennt daß ewige Leben einen Lohn, nicht daß Gott schuldig sei, um die Werke das ewige Leben zu geben, sondern nachdem das ewige Leben sonst gegeben wird aus andern Ursachen, daß dennoch damit vergolten werden unsere Werke und Trübsale, obschon der Schatz so groß ist, daß ihn Gott uns um die Werke nicht schuldig wäre. Gleichwie das Erbteil oder alle Güter eines Vaters dem Sohn gegeben werden und sind eine reiche Vergleichung und Belohnung seines Gehorsams; aber dennoch empfängt er das Erbe nicht um seines Verdienstes willen, sondern daß es ihm der Vater gönnt als ein Vater usw. Darum ist’s genug, daß das ewige Leben deshalb werde ein Lohn genannt, daß dadurch vergolten werden die Trübsale, so wir leiden, und die Werke der Liebe, die wir tun, ob es wohl damit nicht verdient wird. Denn es ist zweierlei Vergelten, eins, das man schuldig ist, das andere, das man nicht schuldig ist. Als, so der Kaiser einem Diener ein Fürstentum gibt, damit wird vergolten des Dieners Arbeit, und ist doch die Arbeit nicht würdig des Fürstentums, sondern der Diener bekennt, es sei ein Gnadenlehen. Also ist und Gott um die Werke nicht schuldig das ewige Leben; aber dennoch, so er’s gibt um Christus‘ willen den Gläubigen, so wird damit unser Leiden und Werke vergolten. Weiter sagen wir, daß die guten Werke wahrlich verdienstlich und meritoria seien. Nicht daß sie Vergebung des Sünden uns sollten verdienen oder vor Gott gerecht machen. Denn sie gefallen Gott nicht, sie geschehen denn von denjenigen, welchen die Sünden schon vergeben sind. So sind sie auch nicht wert des ewigen Lebens, sondern sie sind verdienstlich zu andern Gaben, welche in diesem und nach diesem Leben gegeben werden. Denn Gott, der verzieht viele Gaben bis in jenes Leben, da nach diesem Leben Gott die Heiligen wird zu Ehren setzen. Denn hier in diesem Leben will er den alten Adam kreuzigen und töten mit allerlei Anfechtungen und Trübsalen. Und dahin gehört der Spruch Pauli: „Ein jeder wird Lohn empfangen nach seiner Arbeit.“ Denn die Seligen werden Belohnung haben, einer höher denn der andere. Solchen Unterschied macht das Verdienst, nachdem es nun Gott gefällt, und ist Verdienst, dieweil diejenigen solche gute Werke tun, die Gott zu Kindern und Erben angenommen hat. So haben sie denn eigenes und sonderliches Verdienst, wie ein Kind vor dem andern.

Die Widersacher ziehen auch andere Sprüche an, zu beweisen, daß die Werke das ewige Leben verdienen. Als diese: Paulus sagt: „Er wird einem jeden geben nach seinen Werken.“ Item Joh. am 5.: „Die Gutes getan haben, werden auferstehen zur Auferstehung des Lebens.“ Item Mat. 25.: „Mich hat gehungert, und ihr habt mich gespeiset.“ Antwort: Diese Sprüche alle, welche die Werke loben, sollen wir verstehen nach der Regel, welche ich oben gesetzt habe, nämlich, daß die Werke außerhalb Christ Gott nicht gefallen, und daß man in keinem Wege ausschließen soll den Mittler Christum. Darum, so der Text sagt, daß das ewige Leben werde gegeben denen, „die Gutes getan haben“, so zeigt er an, daß es werde denjenigen gegeben, die durch den Glauben an Christum zuvor gerecht sind worden. Denn Gott gefallen keine guten Werke, es sei denn der Glaube dabei, dadurch sie glauben, daß sie Gott angenehm seien um Christus‘ willen; Und welche also durch den Glauben sind gerecht worden, die bringen gewißlich gute Werke und gute Früchte; als der Text sagt: „Mich hat gehungert, und ihr habt mich gespeiset“ usw. Da muß man ja bekennen, daß Christus nicht allein das Werk verstehe, sondern das Herz haben wolle, das da recht von Gott hält und glaubt, daß es Gott gefalle durch Barmherzigkeit. Also lehrt Christus, daß das ewige Leben den Gerechten gegeben wird, wie dabei Christus spricht Mat. 25, 46: „Die Gerechten werden ins ewige Leben gehen“, und nennt doch droben die Früchte, daß wir lernen sollen, daß Gerechtigkeit und Glaube nicht eine Heuchelei, sondern ein neu Leben sei, das gute Werke müssen folgen.

Wir suchen hier nicht eine unnötige Subtilität, sondern es hat große Ursache, warum man in diesen Fragen einen gewissen Bericht muß haben. Denn alsbald, wenn man den Widersachern zuläßt, daß die Werke das ewige Leben verdienen, bald spinnen sie diese ungeschickte Lehre daraus, daß wir vermögen Gottes Gesetz zu halten, daß wir keiner Barmherzigkeit bedürfen, daß wir vor Gott gerecht seien, das ist, Gott angenehm, durch unsere Werke, nicht um Christus‘ willen, daß wir auch opera supererogationis und mehr tun können, denn das Gesetz erfordert. Also wird dann die ganze Lehre vom Glauben gar unterdrückt. Soll aber eine christliche Kirche sein und bleiben, so muß je die reine Lehre von Christo, von Gerechtigkeit des Glaubens erhalten werden. Darum müssen wir solche große pharisäische Irrtümer anfechten, damit wir den Namen Christi und die Ehre des Evangelii und Christi erretten und den christliche Herzen einen rechten, beständigen, gewissen Trost erhalten. Denn wie ist es möglich, daß ein Herz oder Gewissen könne zur Ruhe kommen oder die Seligkeit hoffen, wenn in Anfechtungen und Todesängsten vor Gottes Urteil und Augen unsere Werke so gar zu Staub werden, wo es nicht durch Glauben des gewiß wird, daß wir selig werden aus Gnaden, um Christus‘ willen, nicht um unsere Werke, um unsere Erfüllung des Gesetzes? Und freilich St. Lorenz, da er auf dem Rost gelegen und um Christus‘ willen gemartert, ist nicht also gesinnt gewesen, daß dasselbe sein Werk Gottes Gesetz vollkommen und rein erfüllte, daß er ohne Sünde wäre, daß er des Mittlers Christi oder der Gnade nicht bedürfte. Er hat’s freilich bleiben lassen bei dem Worte des Propheten David, Ps. 143, 2: „Du wollest nicht ins Gericht gehen, Herr, mit deinem Knechte“ usw. St. Bernhardus hat auch nicht gerühmt, daß seine Werke würdig wären des ewigen Lebens, da er spricht: „Perdite vixi, ich habe sündlich gelebt“ usw. Doch richtet er sich getrost wieder aus, hält sich an die Verheißung der Gnade und glaubt, daß er um Christus‘ willen Vergebung der Sünden das ewige Leben, wie der Psalm sagt, 32, 1: „Wohl denen, welchen die Sünden vergeben sind“, Und Paulus zu den Römern am 4, 6: „Dies ist des Menschen Seligkeit, wenn ihm die Gerechtigkeit wird zugerechnet ohne Werke.“ So sagt nun Paulus, der sei selig, welchem die Gerechtigkeit wird zugerechnet durch den Glauben an Christum, ob er gleich kein gut Werk getan hat. Das ist der rechte beständige Trost, welcher in Anfechtungen besteht, damit die Herzen und Gewissen können gestärkt und getröstet werden, nämlich, daß um Christus‘ willen durch den Glauben uns Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit und ewiges Leben gegeben wird. Wenn nun die Sprüche, so von Werken reden, dermaßen verstanden werden, daß sie den Glauben mitbegreifen, so sind sie gar nichts wider diese Lehre. Und man muß allezeit den Glauben mitbegreifen, damit wir den Mittler Christum nicht ausschließen. Dem Glauben aber folgt Erfüllung des Gesetzes; denn der Heilige Geist ist da, der macht ein neu Leben. Das sei genug von diesem Artikel.

Art. VII und VIII. Von der Kirche

Den siebten Artikel unsers Bekenntnisses, das wir sagen, daß die christliche Kirche sei die Versammlung der Heiligen, verdammen die Widersacher und führen weitläufig Geschwätz ein, daß die Bösen oder Gottlosen von der Kirche nicht sollen gesondert werden, dieweil Johannes der Täufer die Kirche vergleicht einer Tenne, in welcher Korn und Spreu beieinander liegen; item, Christus die Kirche vergleicht einem Netze, da böse und gute Fische innen sind. Da sehen wir, daß wahr ist, wie man sagt, daß man nicht so deutlich reden kann, böse Zungen können’s verkehren. Wir haben eben darum und aus dieser Ursache den achten Artikel dazugesetzt, daß niemand darf Gedanken fassen, als wollten wir die Bösen und Heuchler von der äußerlichen Gesellschaft der Christen oder Kirche absondern, oder als wäre unsere Meinung, daß die Sakramente, wenn sie durch Gottlose gereicht werden, ohne Kraft oder Wirkung seien. Darum bedarf diese falsche, unrechte Deutung keiner langen Antwort; der achte Artikel entschuldigt uns genugsam. Wir bekennen und sagen auch, daß die Heuchler und Bösen auch mögen Glieder der Kirche sein in äußerlicher Gemeinschaft des Namens und der Ämter, und daß man von Bösen möge die Sakramente recht empfangen, sonderlich wenn sie nicht gebannt sind. Und die Sakramente sind darum nicht ohne Kraft oder Wirkung, daß sie durch Gottlose gereicht werden. Denn auch Paulus zuvor hat prophezeit, daß Antichristus soll sitzen im Tempel Gottes, herrschen und regieren in der Kirche, Regiment und Amt darin haben. Aber die christliche Kirche steht nicht allein in Gesellschaft äußerlicher Zeichen, sondern steht vornehmlich in Gemeinschaft inwendig der ewigen Güter im Herzen, als des Heiligen Geistes, das Glaubens, der Furcht und Liebe Gottes. Und dieselbe Kirche hat doch auch äußerliche Zeichen, dabei man sie kennt, nämlich, wo Gottes Wort rein geht, wo die Sakramente demselben gemäß gereicht werden, da ist gewiß die Kirche, da sind Christen, und dieselbe Kirche wird allein genannt in der Schrift Christus‘ Leib. Denn Christus ist ihr Haupt und heiligt und stärkt sie durch seinen Geist, wie Paulus zu den Ephesern am 1. sagt: „und hat ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde, welche ist sein Leib und die Fülle des, der alles in allem erfüllt.“ Darum in welchen Christus durch seinen Geist nichts wirkt, die sind nicht Gliedmaßen Christi. Und das bekennen auch die Widersacher, daß die Bösen allein tote Gliedmaßen der Kirche sind. Darum dann ich mich nicht genugsam verwundern, warum sie doch unsern Beschluß von der Kirche anfechten, so wir von lebendigen Gliedmaßen der Kirche reden. Und wir haben nichts Neues gesagt. Denn Paulus zu den Ephesern am 5. Kapitel sagt gleich auch also, was die Kirche sei, und setzt auch die äußerlichen Zeichen, nämlich das Evangelium, die Sakramente; denn also sagt er: „Christus hat geliebet die Gemeinde und sich selbst für sie gegeben, auf daß er sie heiligte, und hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, auch daß er sie ihm selbst zurichtete eine Gemeinde, die herrlich sei, die nicht hebe Flecken oder Runzel (oder des etwas), sondern daß sie heilig sei, unsträflich“ usw. Diesen Spruch des Apostels haben wir gar nahe von Wort zu Wort gesetzt in unser Bekenntnis und also bekennen wir auch in unserm heiligen Symbolo und Glauben: „Ich glaube eine heilige christliche Kirche.“ Da sagen wir, daß die Kirche heilig sei; die Gottlosen aber und Bösen können nicht die heilige Kirche sein. In unserm Glauben folgt bald hernach: „Gemeinschaft der Heiligen“, welches noch klarer, deutlicher auslegt, was die Kirche heißt, nämlich der Haufe und die Versammlung, welche ein Evangelium bekennen, gleich eine Erkenntnis Christi haben, einen Geist haben, welcher ihre Herzen erneuert, heiligt und regiert.

Und der Artikel von der katholischen oder gemeinen Kirche, welche von aller Nation unter der Sonne zusammen sich schickt, ist gar tröstlich und hochnötig. Denn des Haufe der Gottlosen ist viel größer, gar nahe unzählig, welche das Wort verachten, bitter hassen und aufs äußerste verfolgen, als da sind Türken, Mahometisten, andere Tyrannen, Ketzer usw. Darüber wird die rechte Lehre und Kirche oft so gar unterdrückt und verloren, wie unter dem Papsttum geschehen, als sei keine Kirche, und läßt sich oft ansehen, als sei sie gar untergegangen. Dagegen, daß wir gewiß sein mögen, nicht zweifeln, sondern fest und gänzlich glauben, daß eigentlich eine christliche Kirche bis an das Ende der Welt auf Erden sein und bleiben werde; daß wir auch gar nicht zweifeln, daß eine christliche Kirche auf Erden lebe und sei, welche Christi Braut sei, obwohl der gottlose Haufe mehr und größer ist; daß auch der Herr Christus hier auf Erden in dem Haufen, welcher Kirche heißt, täglich wirke, Sünden vergebe, täglich das Gebet erhöre, täglich in Anfechtungen mit reichem, starkem Trost die Seinen erquicke und immer wieder aufrichte; so ist der tröstliche Artikel im Glauben gesetzt: „Ich glaube eine katholische christliche Kirche“, damit niemand denken möchte, die Kirche sei, wie eine andere äußerliche Polizei, an dieses oder jenes Land, Königreich oder Stand gebunden, wie der Papst von Rom sagen will, sondern daß es gewiß wahr bleibt, daß der Haufe und die Menschen die rechte Kirche seien, welche hin und wieder in der Welt, vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang, an Christum wahrlich glauben, welche denn ein Evangelium, einen Christum, einerlei Taufe und Sakramente haben, durch einen Heiligen Geist regiert werden, ob sie wohl ungleiche Zeremonien haben. Denn auch im Dekret Gratiani sagt klar die Glosse, daß dies Wort: „Kirche“, groß zu nehmen, begreift Böse und Gute; item, daß die Bösen allein mit dem Namen in der Kirche seien, nicht mit dem Werke; Die Guten aber sind beide mit Namen und Werken darin. Und auf die Meinung liest man viel Sprüche bei den Vätern. Denn Hieronymus sagt: „Welcher ein Sünder ist und in Sünden noch unrein liegt, der kann nicht genannt werden ein Gliedmaß der Kirche, noch in dem Reich Christi sein.“

Wiewohl nun die Bösen und die gottlosen Heuchler mit der rechten Kirche Gesellschaft haben in äußerlichen Zeichen, in Namen und Ämtern, dennoch, wenn man eigentlich reden will, was die Kirche sei, muß man von dieser Kirche sagen, die der Leib Christi heißt und Gemeinschaft hat nicht allein in äußerlichen Zeichen, sondern die Güter im Herzen hat, den Heiligen Geist und Glauben. Denn man muß je recht eigentlich wissen, wodurch wir Gliedmaßen Christi werden, und was uns macht zu lebendigen Gliedmaßen der Kirche. Denn so wir würden sagen, daß die Kirche allein eine äußerliche Polizei wäre, wie andere Regimente, darin Böse und Gute wären usw., so würde niemand daraus lernen noch verstehen, daß Christi Reich geistlich ist, wie es doch ist, darin Christus inwendig die Herzen regiert, stärkt, tröstet, den Heiligen Geist und mancherlei geistliche Gaben austeilt, sondern man wird gedenken, es sei einen äußerliche Weise, gewisse Ordnung etlicher Zeremonien und Gottesdiensts. Item, was wollte für ein Unterschied sein zwischen dem Volk des Gesetzes und der Kirche, so die Kirche allein eine äußerliche Polizei wäre? Nun unterscheidet Paulus also die Kirche von den Juden, daß er sagt, die Kirche sei ein geistlich Volk, das ist, ein solch Volk, welches nicht allein in der Polizei und bürgerlichem Wesen unterschieden sei von den Heiden, sondern ein recht Volk Gottes, welches im Herzen erleuchtet wird und neugeboren durch den Heiligen Geist. Item, in dem jüdischen Volk, da hatten alle diejenigen, so von Natur Juden und aus Abrahams Samen geboren waren, über die Verheißung der geistlichen Güter in Christo auch viele Zusagen von leiblichen Gütern, als vom Königreich usw. Und um der göttlichen Zusagen willen wurden auch die Bösen unter ihnen Gottes Volk genannt. Denn den leiblichen Samen Abrahams und alle geborenen Juden hatte Gott abgesondert von andern Heiden durch dieselben leiblichen Verheißungen; Und dieselben Gottlosen und Bösen waren doch nicht das rechte Gottesvolk, gefielen auch Gott nicht. Aber da Evangelium, welches in der Kirche gepredigt wird, bringt mit sich nicht allein den Schatten der ewigen Güter, sondern ein jeder rechter Christ, der wird hier auf Erden der ewigen Güter selbst, auch des ewigen Trostes, des ewigen Lebens und Heiligen Geistes und der Gerechtigkeit, die aus Gott ist, teilhaftig, bis daß er dort vollkommen selig werde.

Derhalben sind die allein nach dem Evangelio Gottes Volk, welche die geistlichen Güter, den Heiligen Geist empfangen, und dieselbe Kirche ist das Reich Christi, unterschieden von dem Reich des Teufels. Denn es ist gewiß, daß alle Gottlosen in der Gewalt des Teufels sind und Gliedmaßen seines Reichs, wie Paulus zu den Ephesern sagt, daß: „der Teufel kräftig regiere in den Kindern des Unglaubens“. Und Christus sagt zu den Pharisäern (welche die Heiligsten waren und auch den Namen hatten, daß sie Gottes Volk und die Kirche wären, welche auch ihr Opfer täten): „Ihr seid aus eurem Vater, dem Teufel.“ Darum, die rechte Kirche ist das Reich Christi, das ist, die Versammlung aller Heiligen; denn die Gottlosen werden nicht regiert durch den Geist Christi.

Was sind aber viele Worte vonnöten in so klarer, öffentlicher Sache? Allein die Widersacher widersprechen der hellen Wahrheit. So die Kirche, welche je gewiß Christi und Gottes Reich ist, unterschieden ist von den Teufels Reich, so können did Gottlosen, welche in des Teufels Reich sind, je nicht die Kirche sein, wiewohl sie in diesem Leben, dieweil das Reich Christi noch nicht offenbart ist, unter den rechten Christen und in der Kirche sind, darin auch Lehramt und andere Ämter mit haben. Und die Gottlosen sind darum nicht ein Stück des Reichs Christi, weil es noch nicht offenbart ist. Denn das rechte Reich Christi, der rechte Hause Christi, sind und bleiben allezeit diejenigen, welche Gottes Geist erleuchtet hat, stärkt, regiert, ob es wohl vor den Welt noch nicht offenbart, sondern unterm Kreuz verborgen ist, gleichwie es allzeit ein Christus ist und bleibt, der die Zeit gekreuzigt ward und nun in ewiger Herrlichkeit herrscht und regiert im Himmel. Und da reimen sich auch die Gleichnisse Christi hin, da er klar sagt Mat. 13, daß: „der gute Same seien die Kinder des Reichs, das Unkraut seien die Kinder des Teufels, der Acker sei die Welt“, nicht die Kirche. Also ist auch zu verstehen das Wort Johannis, da er sagt Mat. 3: „Er wird seine Tenne fegen und den Weizen in seine Scheuer sammeln; aber die Spreu wird er verbrennen.“ Da redet er von dem ganzen jüdischen Volk und sagt, die rechte Kirche solle von dem Volk abgesondert werden. Derselbe Spruch ist den Widersachern mehr entgegen denn für sie. Denn er zeigt klar an, wie das recht gläubige, geistliche Volk solle von dem leiblichen Israel abgeschieden werden. Und da Christus spricht: „Das Himmelreich ist gleich einem Netze“, item, „den zehn Jungfrauen“, will er nicht, daß die Bösen die Kirche seien, sondern unterrichtet, wie die Kirche scheint in dieser Welt. Darum spricht er, sie sei gleich diesem usw.; das ist, wie im Haufen Fische die guten und bösen durcheinanderliegen, also ist die Kirche hier verborgen unter dem großen Haufen und Menge der Gottlosen, und will, daß sich die Frommen nicht ärgern sollen, item, daß wir wissen wollen, daß das Wort und die Sakramente darum nicht ohne Kraft seien, obgleich Gottlose predigen oder die Sakramente reichen. Und lehrt uns Christus damit also, daß die Gottlosen, ob sie wohl nach äußerlicher Gesellschaft in der Kirche sind, doch nicht Gliedmaßen Christi, nicht die rechte Kirche seien, denn sie sind Gliedmaßen des Teufels. Und wir reden nicht von einer erdichteten Kirche, die nirgend zu finden sei, sondern wir sagen und wissen fürwahr, daß diese Kirche, darin Heilige leben, wahrhaftig auf Erden ist und bleibt, nämlich daß etliche Gotteskinder sind hin und wieder in aller Welt, in allerlei Königreichen, Inseln, Ländern, Städten, vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang, die Christum und das Evangelium recht erkannt haben; Und wir sagen, dieselbe Kirche habe diese äußerlichen Zeichen: das Predigtamt oder Evangelium und die Sakramente. Und dieselbe Kirche ist eigentlich, wie Paulus sagt, „eine Säule der Wahrheit“, denn sie behält das reine Evangelium, den rechten Grund. Und wie Paulus sagt: „Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Christus.“ Auf den Grund sind nun die Christen gebaut. Und wiewohl nun in dem Haufen, welcher auf den rechten Grund, das ist, Christum und den Glauben, gebaut ist, viel Schwache sind, welche auf solchen Grund Stroh und Heu bauen, das ist, etliche menschliche Gedanken und Opinionen, mit welchen sie doch den Grund, Christum, nicht umstoßen noch verwerfen, derhalben sie dennoch Christen sind und werden ihnen solche Fehle vergeben, werden auch etwa erleuchtet und besser unterrichtet: also sehen wir in Vätern, daß sie auch bisweilen Stroh und Heu auf den Grund gebaut haben, doch haben sie damit den Grund nicht umstoßen wollen. Aber viele Artikel bei unsern Widersachern stoßen den rechten Grund nieder, die Erkenntnis Christi und den Glauben. Denn sie verwerfen und verdammen den hohen, größten Artikel, da wir sagen, daß wir allein durch den Glauben ohne alle Werke, Vergebung des Sünden durch Christum erlangen. Dagegen lehren sie vertrauen auf unsere Werke, damit Vergebung der Sünden zu verdienen, und setzen anstatt Christi ihre Werke, Orden, Messe, wie auch die Juden, Heiden und Türken mit eigenen Werken vorhaben selig zu werden. Item, sie lehren, die Sakramente machen fromm ex opere operato, ohne Glauben. Wer nun den Glauben nicht nötig achtet, der hat Christum bereits verloren. Item, sie richten Heiligendienst an, rufen sie an anstatt Christi, als Mittler usw. Wie aber klare Verheißungen Gottes in der Schrift stehen, daß die Kirche allezeit soll den Heiligen Geist haben, also stehen auch ernste Dräuungen in der Schrift, daß neben den rechten Predigern werden einschleichen falsche Lehrer und Wölfe. Diese ist aber eigentlich die christliche Kirche, die den Heiligen Geist hat. Die Wölfe und falsche Lehrer, wiewohl sie in der Kirche wüten und Schaden tun, so sind sie doch nicht die Kirche oder das Reich Christi, wie auch Lyra bezeugt, da er sagt: „Die rechte Kirche steht nicht auf Prälaten ihres Gewalts halben, denn viele hohen Standes, Fürsten und Bischöfe, auch viele niedern Standes sind vom Glauben abgefallen. Darum steht die Kirche auf denjenigen, in welchen ist eine rechte Erkenntnis Christi, eine rechte Konfession und Bekenntnis des Glaubens und der Wahrheit.“ Nun haben wir in unserer Konfession nichts anderes gesagt im Grunde denn eben das, was Lyra also mit klaren Worten sagt, daß er nicht klarer reden könnte.

Aber es wollten gern die Widersacher eine neue römische Definition der Kirche haben, daß wir sollten sage, die Kirche ist die oberste Monarchia, die größte, mächtigste Hoheit in der ganzen Welt, darin der römische Papst als das Haupt der Kirche aller hohen und niedern Sachen und Händel, weltlicher, geistlicher, wie er will und denken darf, durchaus ganz mächtig ist, von dessen Gewalt (er gebrauche oder mißbrauche es wie er wolle) niemand disputieren, reden oder mucken darf; item, in welcher Kirche der Papst Macht hat, Artikel des Glaubens zu machen, allerlei Gottesdienste aufzurichten, die Heilige Schrift nach allem seinem Gefallen abzutun, zu verkehren und zu deuten wider alle göttlichen Gesetze, wider sein eigen Dekretal, wider alle Kaiserrechte, wie oft, wieviel und wann es ihn gelüstet, Freiheit und Dispensation um Geld zu verkaufen, von welchem der römische Kaiser, alle Könige, Fürsten und Potentaten schuldig seien, ihre königliche Krone, ihre Herrlichkeit und Titel zu empfangen, als vom Statthalter Christi. Derhalben der Papst ein irdischer Gott, eine oberste Majestät und allein der großmächtigste Herr in aller Welt ist, über alle Königreiche, über alle Lande und Leute, über alle Güter, geistliche und weltliche, und also in seiner Hand hat alles, beide weltliches und geistliches Schwert. Diese Definition, welche sich auf die rechte Kirche gar nicht, aber auf des römischen Papsts Wesen wohl reimt, findet man nicht allein in der Kanonisten Büchern, sondern Daniel der Prophet malt den Antichristen auf diese Weise.

Wenn wir eine solche Definition setzten und sagten, daß die Kirche wäre eine solche Pracht, wie des Papsts Wesen steht, so möchten wir vielleicht nicht so gar ungnädige Richter haben. Denn es sind der Widersacher Bücher am Tage, darin des Papsts Gewalt allzuhoch gehoben wird; dieselben straft niemand. Allein wir müssen herhalten, derhalben, daß wir Christus‘ Wohltat preisen und hoch heben und die klaren Worte und Lehre der Apostel schreiben und predigen, nämlich daß wir Vergebung der Sünden erlangen durch den Glauben an Jesum Christum und nicht durch Heuchelei oder erdichtete Gottesdienste, welche der Papst unzählig angerichtet. Christus aber und die Propheten und Apostel schreiben und reden gar viel anders davon, was die Kirche Christi sei, und des Papsts Reich will sich zu derselben Kirche gar nicht reimen, sondern steht ihr gar unähnlich. Darum soll man die Sprüche, so von der rechten Kirche reden, nicht auf die Päpste oder Bischöfe deuten, nämlich daß sie Säulen der Wahrheit seien, item, daß sie nicht irren können. Denn wieviel findet man wohl oder wieviel sind bis hierher gefunden unter Bischöfen, Päpsten usw., die sich des Evangelii mit Ernst und herzlich angenommen oder das wert geachtet hätten, ein Blättlein, einen Buchstaben darin recht zu lesen. Man weiß wohl leider viele Exempel, daß ihrer viele in Welschland und sonst sind, welche die ganze Religion, Christum und das Evangelium verlachen und öffentlich für einen Spott halten. Und lassen sie ihnen etwas gefallen, so lassen sie ihnen das gefallen, das menschlicher Vernunft gemäß ist; das andere alles halten sie für Fabeln. Darum sagen und schließen wir nach der Heiligen Schrift, daß die rechte christliche Kirche sei der Haufe hin und wieder in der Welt derjenigen, die da wahrlich glauben dem Evangelio Christi und den Heiligen Geist haben. Und wir bekennen doch auch, daß solange dieses Leben auf Erden währt, viele Heuchler und Böse in der Kirchen seien unter den rechten Christen, welche auch Glieder sind der Kirche, sofern es äußerliche Zeichen betrifft. Denn sie haben Ämter in der Kirche, predigen, reichen Sakramente und tragen den Titel und Namen der Christen. Und die Sakramente, Taufe, usw., sind darum nicht ohne Wirkung oder Kraft, daß sie durch Unwürdige und Gottlose gereicht werden. Denn um des Berufs willen der Kirche sind solche da, nicht für ihre eigene Person, sondern als Christus, wie Christus zeugt: „Wer euch höret, der höret mich.“ Also ist auch Judas zu predigen gesendet. Wenn nun gleich Gottlose predigen und die Sakramente reichen, so reichen sie dieselben an Christus‘ Statt. Und das lehrt uns das Wort Christi, daß wir in solchem Fall die Unwürdigkeit der Diener uns nicht sollen irren lassen.

Aber von dem Stück haben wir klar genug geredet in unserer Konfession, nämlich, daß wir es nicht halten mit den Donatisten und Wiklifiten, die da hielten, daß diejenigen sündigen, die die Sakramente in der Kirche von gottlosen Dienern empfangen. Dieses, achten wir, soll genug sein, zu schützen und zu erhalten die Definition, da wir gesagt, was die Kirche sei. Und da die rechte Kirche in der Schrift genannt wird Christus‘ Leib, so ist je gar nicht möglich, anders davon zu reden, denn wie wir davon geredet haben. Denn es ist je gewiß, daß die Heuchler und Gottlosen nicht Christus‘ Leib sein können, sondern in das Reich des Teufels gehören, welcher sie gefangen hat und treibt, wozu er will. Dieses alles ist ganz öffentlich und so klar, daß es niemand leugnen mag. Werden aber die Widersacher mit ihren Kalumnien fortfahren, soll ihnen ferner Antwort gegeben werden.

Auch verdammen die Widersacher dieses Stück vom siebten Artikel, das wir gesagt haben, daß genug sei zur Einigkeit der Kirche, daß einerlei Evangelium, einerlei Sakramente gereicht werden, und sei nicht not, daß die Menschensatzungen allenthalben gleichförmig seien. Diese Stücke lassen sie also zu, daß nicht not sei zur Einigkeit der Kirche, daß traditiones particulares gleich seien. Aber daß traditiones universales gleich seien, das sei not zu wahrer Einigkeit der Kirche. Das ist eine gute, grobe distinctio. Wir sagen, daß diejenigen eine einträchtige Kirche heißen, die an einen Christum glauben,ein Evangelium, einen Geist, einen Glauben, einerlei Sakramente haben, und reden also von geistlicher Einigkeit, ohne welche der Glaube und ein christlich Wesen nicht sein kann. Zu derselben Einigkeit sagen wir nun, es sei nicht not, daß Menschensatzungen, sie seien universales oder particulares, allenthalben gleich seien. Denn die Gerechtigkeit, welche vor Gott gilt, die durch den Glauben kommt, ist nicht gebunden an äußerliche Zeremonien oder Menschensatzungen. Denn der Glaube ist ein Licht im Herzen, das die Herzen erneuert und lebendig macht; da helfen äußerliche Satzungen oder Zeremonien, sie seien universal oder partikular, wenig zu.

Und es hat nicht geringe Ursachen gehabt, daß wir den Artikel gesetzt haben; denn es ist gar mancher große Irrtum und närrische Opinion von den Satzungen eingerissen in der Kirche. Etliche haben wollen wähnen, daß christliche Heiligkeit und Glaube ohne solche Menschensatzungen nicht gelte vor Gott, könne auch niemand ein Christ sein, er halte denn solche traditiones, so sie doch nichts anders sind denn äußerliche Ordnungen, welche oft zufällig, oft auch aus Ursachen an einem Ort anders sind denn am andern; wie im weltlichen Regiment eine Stadt andere Gebräuche hat denn die andere. Auch liest man in Historien, daß eine Kirche die andern in Bann getan solcher Satzungen halben, als um des Ostertags willen, um der Bilder willen und desgleichen. Darum haben die Unerfahrenen nicht anders gehalten, denn daß man durch solche Zeremonien vor Gott fromm würde, und daß niemand ein Christ sein könnte ohne solche Gottesdienste und Zeremonien. Denn es sind gar viel ungeschickte Bücher der Summisten und anderer davon noch vor Augen.

Aber wie die Einigkeit der Kirche dadurch nicht getrennt wird, ob in einem Lande, an einem Ort die Tage natürlich länger oder kürzer sind denn am andern, also halten wir auch, daß die Einigkeit der Kirche dadurch nicht getrennt wird, ob solche Menschensatzungen an einem Ort diese, am andern jene Ordnung haben. Wiewohl es uns auch wohlgefällt, daß die Universalzeremonien um Einigkeit und guter Ordnung willen gleichförmig gehalten werden, wie wir denn in unsern Kirchen die Messe, des Sonntags Feier und die andern hohen Feiern auch behalten. Und wir lassen uns gefallen alle guten, nützlichen Menschensatzungen, sonderlich die da1 zu einer feinen, äußerlichen Zucht dienen der Jugend und des Volks. Aber hier ist die Frage darüber nicht, ob Menschensatzungen um äußerlicher Zucht willen, um Friedens willen zu halten seien; es ist gar viel eine andere Frage, nämlich ob solche Menschensatzungen halten ein Gottesdienst sei, dadurch man Gott versöhne, und daß ohne solche Satzungen niemand vor Gott gerecht sein möge. Das ist die Hauptfrage. Wenn darauf schließlich und endlich geantwortet ist, so ist danach klar zu urteilen, ob das heiße einig oder einträchtig mit der Kirche sein, wenn wir allenthalben solche Satzungen zugleich halten. Denn so solche Menschensatzungen nicht ein nötiger Gottesdienst sind, so folgt, daß etliche fromm, gerecht, Gotteskinder und Christen sein können, die gleich nicht die Zeremonien haben, so in andern Kirchen im Gebrauch sind. Als ein Gleichnis: Wenn dies steht, daß deutsche und französische Kleidung tragen nicht ein nötiger Gottesdienst sei, so folgt, daß etliche gerecht, heilig und in der Kirche Christi sein können, die auch gleich nicht deutsche oder französische Kleidung tragen.

Also lehrt auch Paulus klar zu den Kolossern am 2: „So lasset nun niemand euch Gewissen machen über Speise, Trank oder bestimmte Feiertage oder Neumonden oder Sabbate, welche sind der Schatten von dem, das zukünftig war, aber der Körper selbst ist in Christo.“ Item: „So ihr denn nun abgestorben seid mit Christo den Satzungen der Welt, was laßt ihr euch denn fangen mit Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt? Die da sagen: Du sollst das nicht angreifen, du sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren, welches sich doch alles unter den Händen verzehrt und ist Menschengebot und =lehre; welche haben einen Schein der Weisheit durch selbsterwählte Geistlichkeit und Demut.“ Denn das ist Pauli Meinung: Der Glaube im Herzen dadurch wir fromm werden, ist ein geistlich Ding und Licht im Herzen, dadurch wir erneuert werden, andern Sinn und Mut gewinnen. Die Menschensatzungen aber sind nicht ein solch lebendig Licht und Kraft des Heiligen Geistes im Herzen, sind nichts Ewiges; darum machen sie nicht ewig Leben, sondern sind äußerliche, leibliche Übungen, die das Herz nicht ändern. Darum ist nicht zu halten, daß sie nötig seien zu der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Und auf die Meinung redet Paulus auch zu den Römern am 14: „Das Reich Gottes ist nicht Speise und Trank, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist.“ Aber es ist nicht not, hier viel Sprüche anzuzeigen, so die ganze Bibel deren voll ist, und wir auch in unserer Konfession, in den letzten Artikeln, deren viele vorgebracht; so wollen wir dieser Sache Hauptfrage hernach auch sonderlich handeln, nämlich ob solche Menschensatzungen ein Gottesdienst seien, welcher not sei zur Seligkeit, da wir denn reichlicher und mehr von dieser Sache reden wollen.

Die Widersacher sagen, man müsse darum solche Satzungen, sonderlich die Universalzeremonien, halten; denn es sei vermutlich, daß sie von den Aposteln auf uns vererbt seien. O wie große, heilige, treffliche, apostolische Leute! Wie fromm und geistlich sind sie doch nun geworden! Die Satzungen und Zeremonien, von den Aposteln, wie sie sagen, aufgerichtet, wollen sie halten, und der Apostel Lehre und klare Worte wollen sie nicht halten. Wir sagen aber und wissen, daß es recht ist: Man soll also und nicht anders von allen Satzungen lehren, urteilen und reden, denn wie die Apostel selbst in ihren Schriften davon gelehrt haben. Die Apostel aber fechten auf das allerstärkste und heftigste allenthalben nicht allein wider diejenigen, so Menschensatzungen wollen hoch heben, sondern auch, die das göttliche Gesetz, die Zeremonien der Beschneidung usw. wollten als nötig achten zur Seligkeit. Die Apostel haben in keinem Weg eine solche Bürde auf die Gewissen legen wollen, daß solche Satzungen von gewissen Tagen, von Fasten, von Speise und dergleichen sollten Sünde sein, so man’s nicht hielte. Und, das mehr ist, Paulus nennt klar solche Lehren Teufelslehren. Darum was die Apostel in dem für gut und recht gehalten, das muß man aus ihren klaren Schriften suchen und nicht allein Exempel anzeigen. Sie haben wohl gehalten etliche gewisse Tage, nicht daß solches nötig wäre, vor Gott fromm und gerecht zu werden, sondern daß das Volk wüßte, wann es sollte zusammenkommen. Auch haben sie wohl etliche Gebräuche und Zeremonien gehalten, als ordentliche Lektion in der Bibel, wenn sie zusammenkamen usw. Auch haben im Anfang der Kirche die Juden, so Christen geworden, viel behalten von ihren jüdischen Festen und Zeremonien, welches die Apostel danach auf die Historien des Evangelii gerichtet haben. Also sind unsere Ostern von der Juden und unsere Pfingsten von der Juden Pfingsten hergekommen. Und haben die Apostel nicht allein mit Lehren, sondern auch durch solche Feste von der Historie die Erkenntnis Christi und den großen Schatz auf die Nachkommen erben wollen. So nun solche und dergleichen Zeremonien nötig sind zur Seligkeit, warum haben hernach die Bischöfe viel darin verändert? Denn sind sie durch Gottes Befehl eingesetzt, so hat kein Mensch Macht gehabt, sie zu verändern. Die Ostern hat man vor dem Concilio zu Nizäa an einem Ort auf eine andere Zeit gehalten denn am andern. Und die Ungleichheit hat dem Glauben oder der christlichen Einigkeit nichts geschadet. Danach hat man mit Fleiß den Ostertage verrückt, daß unser Ostertag mit der Juden Ostertag je nicht sollte übereintreffen. Die Apostel aber haben befohlen, in den Kirchen den Ostertag also auf die Zeit zu halten, wie ihn die Brüder, so aus dem Judentum bekehrt waren, hielten. Darum haben etliche Bistümer und Völker, auch nach dem Concilio zu Nizäa, hart darüber gehalten, daß der Ostertag mit dem jüdischen Ostertag sollte zu gleicher Zeit gehalten werden. Aber die Apostel haben mit ihrem Dekret den Kirchen nicht wollen eine solche Last auflegen, als wäre solches nötig zur Seligkeit, wie die klaren Worte auch desselben ihres Dekrets anzeigen; denn sie drücken es mit klaren Worten aus, „daß niemand sich darum bekümmern solle, ob die Brüder, so Ostertag halten usw., gleich die Zeit nicht eigentlich abrechnen“. Denn Epiphanius zieht an die Worte der Apostel, daraus ein jeder Verständiger klar zu merken hat, daß die Apostel die Leute von dem Irrtum haben wollen abweisen, damit ihm niemand Gewissen mache über Feiertage, gewisse Zeit usw. Denn sie setzen klar dazu, man solle sich nicht groß darum bekümmern, obschon in der Rechnung des Ostertags geirrt sei.

Dergleichen unzählig könnte ich aus den Historien vorbringen und noch klarer anzeigen, daß solche Ungleichheit in äußerlichen Satzungen niemand von der gemeinen Christenkirche absondert oder scheidet. Die Widersacher verstehen gar nicht, was der Glaube, was das Reich Christi sei, die da lehren, daß in den Satzungen, welche von Speise, von Tagen, von Kleidung und dergleichen Dingen reden, die Gott nicht geboten hat, die Einigkeit der christlichen Kirche stehe. Es mag aber hier jedermann sehen und merken, wie andächtige, überaus heilige Leute die Widersacher seien. Denn so Universalordnungen nötig sind und nicht sollen geändert werden, wer hat ihnen befohlen, die Ordnung in Abendmahl Christi zu ändern, welche nicht eine Menschensatzung ist, sondern eine göttliche Ordnung? Aber davon wollen wir hernach sonderlich handeln.

Den VIII. Artikel lassen ihnen die Widersacher ganz gefallen, da wir sagen, daß auch Heuchler und Gottlose in der Kirche gefunden werden, und daß die Sakramente nicht darum ohne Kraft seien, ob sie durch Heuchler gereicht werden; denn sie reichen’s an Christus‘ Statt und nicht für ihre Person, wie der Spruch lautet: „Wer euch höret, der höret mich.“ Doch soll man falsche Lehrer nicht annehmen oder hören; denn dieselben sind nicht mehr an Christus‘ Statt, sondern sind Widerchristi. Und Christus hat von denen klar befohlen: „Hütet euch vor den falschen Propheten“; Und Paulus zu den Galatern: „Wer euch ein ander Evangelium prediget, der sei verflucht.“

Sonst, was der Priester eigen Leben belangt, hat uns Christus vermahnt in den Gleichnissen von der Kirche, daß wir nicht schismata oder Trennungen sollen anrichten, ob die Priester oder das Volk nicht allenthalben rein, christlich leben, wie die Donatisten getan haben. Diejenigen aber, die darum an etlichen Orten haben schismata und Trennungen angerichtet, daß sie vorgeben, die Priester dürften nicht Güter oder Eigenes haben, die achten wir für aufrührerisch. Denn Eigenes haben, Güter haben ist eine weltliche Ordnung. Die Christen aber mögen allerlei weltliche Ordnung so frei brauchen, als sie der Luft, Speise, Tranks, gemeines Lichts brauchen. Denn gleichwie Himmel, Erde, Sonne, Mond und Sterne Gottes Ordnung sind und von Gott erhalten werden, also sind Politien und alles, was zur Polizei gehört, Gottes Ordnung und werden erhalten und beschützt von Gott wider den Teufel.

Artikel IX. Von der Taufe

Den neunten Artikel lassen ihnen die Widersacher auch gefallen, da wir bekennen, daß die Taufe zur Seligkeit vonnöten sei, und daß die Taufe der jungen Kinder nicht vergeblich sei, sondern nötig und seliglich. Und dieweil das Evangelium bei uns rein und mit allem Fleiß gepredigt wird, so haben wir auch, Gott Lob, den großen Nutzen und selige Frucht davon, daß nicht Wiedertäufer in unsere Kirchen eingerissen sind. Denn unser Volk ist, Gott Lob, unterrichtet durch Gottes Wort wider die gottlosen, Rotten derselben mörderischen Bösewichte, und so wir viel andere Irrtümer der Wiedertäufer dämpfen und verdammen, so haben wir den doch sonderlich wider sie erstritten und erhalten, daß die Kindertaufe nicht unnütz sei. Denn es ist ganz gewiß, daß die göttlichen Verheißungen der Gnade des Heiligen Geistes nicht allein die Alten, sondern auch die Kinder belangen. Nun gehen die Verheißungen diejenigen nicht an, so außerhalb der Kirche Christi sind, da weder Evangelium noch Sakrament ist. Denn das Reich Christi ist nirgend, denn wo das Wort Gottes und die Sakramente sind. Darum ist es auch recht christlich und not, die Kinder zu taufen, damit sie des Evangelii, der Verheißung des Heils und der Gnade teilhaftig werden, wie Christus befiehlt: „Gehet hin, taufet alle Heiden.“ Wie ihnen nun wird Gnade, Heil in Christo, also wird ihnen angeboten die Taufe, beide Männern und Weibern, Knaben und jungen Kindern. So folgt gewiß daraus, daß man die jungen Kinder taufen mag und soll, denn in und mit der Taufe wird ihnen die gemeine Gnade und der Schatz des Evangelii angeboten. Zum andern ist’s am Tage, daß Gott der Herr ihm gefallen läßt die Taufe der jungen Kinder. Derhalben lehren die Wiedertäufer unrecht, so dieselbe Taufe verdammen. Daß aber Gott Gefallen hat an der Taufe der jungen Kinder, zeigt er damit an, daß er vielen, so in der Kindheit getauft sind, den Heiligen Geist hat gegeben; denn es sind viel heilige Leute in der Kirche gewesen, die nicht anders getauft sind.

Artikel X. Vom heiligen Abendmahl.

Den zehnten Artikel fechten die Widersacher nicht an, darin wir bekennen, daß unsers Herrn Christi Leib und Blut wahrhaftiglich im Nachtmahl Christi zugegen und mit den sichtbaren Dingen, Brot und Wein, dargereicht und genommen wird; wie man bis hierher in der Kirche gehalten hat, wie auch der Griechen Kanon zeugt. Und Cyrillus spricht, daß uns Christus leiblich gereicht und gegeben wird im Abendmahl., Denn so sagt er: „Wir leugnen nicht, daß wir durch rechten Glauben und reine Liebe Christo geistlich vereinigt werden. Daß wir aber nach dem Fleisch gar keine Vereinigung mit ihm haben sollten, da sagen wir nein zu, und das ist auch wider die Schrift. Denn wer will zweifeln, daß Christus auch also der Weinstock sei, wie die Reben, daß wir Saft und Leben von ihm haben? Höre, wie Paulus sagt: ‚Wir sind alle ein Leib in Christo; wiewohl unser viel sind, so sind wir in ihm doch eins; denn wir genießen alle eines Brots.‘ Meinest du, daß wir die Kraft des göttlichen Segens im Abendmahl nicht wissen? Denn wenn der geschieht, so macht er, daß durch die Genießung des Fleisches und Leibes Christi Christus auch leiblich in uns wohnt.“ Item: „Darum ist das zu merken, daß Christus nicht allein durch geistliche Einigkeit, durch die Liebe, sondern auch durch natürliche Gemeinschaft in uns ist.“ Und wir reden von Gegenwärtigkeit des lebendigen Leibes; denn wir wissen, wie Paulus sagt, „daß der Tod forthin nicht über ihn herrschen wird“.

Artikel XI. Von der Beichte

Den elften Artikel, da wir sagen von der Absolution, lassen ihnen die Widersacher gefallen. Aber was die Beichte belangt, setzen sie dieses dazu, daß mit der Beichte soll gehalten werden nach dem Kapitel ‚Omnis utriusque sexus,‘ daß ein jeder Christ alle Jahr einmal beichte, und ob er alle Sünden so rein nicht kann erzählen, daß er doch Fleiß habe, sich deren aller zu erinnern, und soviel er sich erinnern mag, daß er die in der Beichte sage., Vom ganzen Artikel wollen wir hernach weiter handeln, wenn wir von der christlichen Buße werden reden. Es ist am Tage und es können die Widersacher nicht leugnen, daß die unsern von der Absolution, von den Schlüsseln, also christlich, richtig, rein gepredigt, geschrieben und gelehrt haben, daß viel betrübte, angefochtene Gewissen daraus großen Trost empfangen, nachdem sie dieses nötigen Stücks klar unterrichtet sind, nämlich daß es Gottes Gebot ist, daß es der rechte Brauch des Evangelii ist, daß wir der Absolution glauben und gewiß bei uns dafürhalten, daß ohne unser Verdienst uns Sünden vergeben werden durch Christum, daß wir auch so wahrhaftig, wenn wir dem Wort der Absolution glauben, Gotte werden versöhnt, als hörten wir eine Stimme vom Himmel. Diese Lehre, welche sehr nötig, ist vielen angefochtenen Gewissen fast tröstlich gewesen. Auch haben viel redliche, verständige Leute, viel fromme Herzen im Anfang dieser unserer Lehre halben D. Luther hoch gelobt und des eine sondere Freude gehabt, daß der nötige, gewisse Trost wiederum wäre an den Tag gebracht. Denn zuvor war die ganze nötige Lehre von der Buße und Absolution unterdrückt, nachdem die Sophisten keinen rechten und beständigen Trost des Gewissens lehrten, sondern weiseten die Leute auf ihre eigenen Werke, daraus eitel Verzweiflung in erschrockene Gewissen kommt.

Was aber die gewisse Zeit der Beichte belangt, so ist es wahr und den Widersachern unverborgen, daß in unsern Kirchen viele Leute des Jahrs nicht allein einmal, sondern oft beichten, der Absolution und des heiligen Sakraments brauchen. Und die Prediger, wenn sie von dem Brauch und Nutz der heiligen Sakramente lehren, lehren sie also, daß sie das Volk mit Fleiß vermahnen, des heiligen Sakraments oft zu gebrauchen. Und es sind auch die Bücher und Schriften der unsern am Licht, welche also geschrieben, daß die Widersacher, welche ehrbare, gottesfürchtige Leute sind, solche nicht anfechten, sondern loben müssen. So wird auch von unsern Predigern allezeit daneben gemeldet, daß die sollen verbannt und ausgeschlossen werden, die in öffentlichen Lastern leben, Hurerei, Ehebruch usw.; item, so die heiligen Sakramente verachten. Das halten wir also nach dem Evangelio und nach den alten canonibus. Aber auf gewisse Tage oder Zeit im Jahr wird niemand zum Sakrament gedrungen; denn es ist nicht möglich, daß die Leute alle gleich auf eine gewisse Zeit geschickt seien, und wenn sie alle in einer ganzen Pfarre auf eine Zeit zum Altar laufen, können sie nicht so fleißig verhört und unterrichtet werden, wie sie bei uns unterrichtet werden. Und die alten Canones und Väter setzen keine gewisse Zeit; allein also sagt der Kanon: „So etliche sich zu der Kirche begeben und befunden werden, daß sie das Sakrament nicht brauchen, soll man sie vermahnen.“ Wo etliche nicht kommunizieren, sollen sie zur Buße vermahnt werden; so sie aber wollen für Christen gehalten sein, sollen sie sich nicht allezeit davon halten. Paulus 1 Kor. 11 sagt, daß diejenigen das Sakrament zum Gericht empfangen, die es unwürdig empfangen. Darum zwingen unsere Pfarrer diejenigen nicht, die nicht geschickt sind, das Sakrament zu empfangen.

Von dem Erzählen aber und Erinnerung der Sünden in der Beichte unterrichten unsere Prediger also die Leute, daß sie doch die Gewissen nicht verstricken. Wiewohl es nun gut ist, die Groben, Unerfahrenen dazu zu unterweisen, daß sie etliche Sünden in der Beichte namhaftig machen, was sie drückt, damit man sie leichtlicher unterrichten kann: so disputieren wir doch davon hier nicht, sondern davon, ob Gott geboten habe, daß man die Sünden also alle erzählen müsse, und ob die Sünden unerzählt nicht mögen vergeben werden. Derhalben sollten die Widersacher uns nicht angezogen haben das Kapitel Omnis utruisque sexus, welches wir sehr wohl kennen, sondern aus der Heiligen Schrift, aus Gottes Wort, uns bewiesen haben, daß solch Erzählen der Sünden von Gott geboten wäre. Es ist leider allzu klar am Tage und ruchbar durch alle Kirchen in ganz Europa, wie diese particula des Kapitels Omnis utriusque sexus, da es gebietet, man solle schuldig sein, alle Sünden zu beichten, die Gewissen in Elend, Jammer und Verstrickung gebracht hat. Und der Text an ihm selbst hat nicht so viel Schaden getan als hernach der Summisten Bücher, darin die Umstände, der Sünden zusammengelesen; denn damit haben sie erst die Gewissen recht irregemacht und unsäglich geplagt, und dazu eitel gutherzige Leute, denn die Frechen und Wilden haben danach nicht viel gefragt. Darüber, nachdem der Text also lautet: ein jeder sollte seinem eigenen Priester beichten, was großes Zanks und wie mördlichen Neid und Haß hat zwischen Pfarrern und Mönchen allerlei Ordens diese Frage angerichtet, welches doch der eigene Priester wäre! Denn da war alle Brüderschaft, alle Freundschaft aus, wenn es um die Herrschaft, um den Beichtpfennig zu tun war. Darum halten wir, daß Gott nicht geboten hat, die Sünden namhaftig zu machen und zu erzählen. Und das hält auch Panormitanus und viel andere Gelehrte. Darum wollen wir keine Bürde auf die Gewissen legen durch das Kapitel Omnis utriusque sexus, sondern sagen von demselben wie von andern Menschensatzungen, nämlich daß es nicht ein Gottesdienst sei, der nötig sei zur Seligkeit. Auch so wird in dem Kapitel ein unmöglich Ding geboten, nämlich daß wir alle Sünden beichten sollen. Nun ist’s gewiß, daß wir vieler Sünden nicht können gedenken, auch wohl die größten Sünden nicht sehen, wie der Psalm sagt: „Wer kennet seine Fehle?“

Wo verständige, gottesfürchtige Pfarrherren und Prediger sind, die werden wohl wissen, wiefern not und nütze sein mag, die Jugend und sonst unerfahrene Leute in der Beichte zu fragen. Aber diese Tyrannei über die Gewissen, da die Summisten als die Stockmeister die Gewissen ohne Unterlaß geplagt haben, können noch wollen wir nicht loben; welche dennoch weniger beschwerlich gewesen wären, wenn sie doch mit einem Wort auch des Glaubens an Christum, dadurch die Gewissen recht getröstet werden, gedacht hätten. Nun aber ist von Christo, vom Glauben, von Vergebung der Sünde nicht eine Silbe, nicht ein Tüttel in so viel großen Büchern ihrer Dekretale, ihrer Kommente, ihrer Summisten, ihrer Konfessionale; da wird niemand ein Wort lesen, daraus er Christum, oder was Christus sei, möge lernen. Allein gehen sie mit diesen Registern um, die Sünden zu sammeln, zu häufen, und wäre noch etwas, wenn sie doch die Sünden verstünden, die Gott für Sünden hält. Nun ist der größere Teil ihrer Summen nichts anderes denn von Narrenwerk, von Menschensatzungen. O was hat die heillose, gottlose Lehre viel fromme Herzen und Gewissen, die gern recht getan hätten, zur Verzweiflung gebracht, welche nicht haben ruhen können! Denn sie wußten nicht anders, sie müßten sich also fressen und beißen mit dem Erzählen, Zusammenrechnen der Sünden, und befanden doch immer Unruhe, und daß es ihnen unmöglich war. Aber nicht weniger ungeschicktes Dinges haben die Widersacher von der ganzen Buße gelehrt, welches wir hernach wollen erzählen.

Artikel XII. Von der Buße

In dem zwölften Artikel lassen ihnen die Widersacher den ersten Teil gefallen, da wir sagen, daß alle diejenigen, so nach der Taufe in Sünde fallen, Vergebung der Sünden erlange, zu welcher Zeit und wie oft sie sich bekehren. Den andern Teil verwerfen und verdammen sie, da wir sagen, die Buße habe zwei Stücke, contritionem, und fidem, das ist, zur Buße gehören diese zwei, ein reuig, zerschlagen Herz und der Glaube, daß ich glaube, daß ich Vergebung der Sünden durch Christum erlange. Da höre man nun, wozu die Widersacher nein sagen! Da dürfen sie unverschämt verneinen, daß der Glaube nicht ein Stuck der Buße sei. Was sollen wir nun hier, allergnädigster Herr Kaiser, gegen diese Leute tun? Gewiß ist’s, daß wir durch den Glauben Vergebung der Sünden erlangen. Dieses Wort ist nicht unser Wort, sondern die Stimme und Wort Jesu Christi, unsers Heilandes. Das klare Wort Christi nun verdammen diese Meister der Konfutation, darum können wir in keinem Wege in die Konfutation willigen. Wir wollen, ob Gott will, die klaren Worte des Evangelii, die heilige göttlich Wahrheit und das selige Wort, darin aller Trost und Seligkeit steht, nicht verleugnen. Denn dieses also verneinen, daß wir durch den Glauben Vergebung der Sünden erlangen, was wäre das anders, denn das Blut Christi und seinen Tod lästern und schänden? Darum bitten wir, allergnädigster Herr Kaiser, daß Ew. Kaiserliche Majestät in dieser großen, höchsten, allerwichtigsten Sache, welche unsere eigene Seele und Gewissen, welche auch den ganzen Christen glauben, das ganze Evangelium, die Erkenntnis Christi und das Höchste, Größte nicht allein in diesem vergänglichen, sondern auch künftigem Leben, ja unser aller ewiges Genesen und Verderben vor Gott belangt, gnädiglich und mit Fleiß hören und erkennen. Es sollen alle Gottesfürchtigen, frommen und ehrbaren Leute nicht anders befinden denn daß wir in dieser Sache die göttliche Wahrheit und eitel heilsamen, hochnötigsten, tröstlichsten Unterricht der Gewissen gelehrt haben und lehren lassen, daran allen frommen Herzen der ganzen christlichen Kirche das Merklichste und Größte, ja all ihr Heil und Wohlfahrt gelegen, ohne welchen Unterricht kein Predigtamt, keine christliche Kirche sein noch bleiben kann. Es sollen alle Gottesfürchtigen befinden, daß diese Lehre der unsern von der Buße das Evangelium und reinen Verstand wieder an den Tag gedacht hat, und daß dadurch viel schädliche, häßliche Irrtümer abgetan, wie denn durch der Scholastiker und Kanonisten Bücher diese Lehre, was doch rechte Buße sei oder nicht sei, gar unterdrückt war.

Und ehe wir zur Sache greifen, müssen wir dieses anzeigen: Es werden alle ehrbaren, redlichen, gelehrten Leute hohen und niedern Standes, auch die Theologen selbst bekennen müssen, und ohne Zweifel auch die Feinde werden von ihrem eigenen Herzen überzeugt, daß zuvor und ehe denn Doktor Luther geschrieben hat, eitel dunkle, verworrene Schriften und Bücher von der Buße vorhanden gewesen sind. Wie man steht bei den Sententiarien, da unzählige unnütze Fragen sind, welche noch keine Theologi selbst haben genugsam können erörtern. Viel weniger hat das Volk aus ihren Predigten und verwirrten Büchern von der Buße eine Summa fassen mögen oder merken, was doch zu wahrer Buße vornehmlich gehört, wie oder durch was Weise ein Herz und Gewissen Ruhe und Frieden suchen müßte; Und Trotz! es trete noch einer hervor, der aus ihren Büchern einen einigen Menschen unterrichte, wann gewiß die Sünden vergeben sind. Lieber Herr Gott, wie sieht man da Blindheit! Wie wissen sie so gar nichts davon, wie sind ihre Schriften eitel Nacht, eitel Finsternis! Sie bringen Fragen vor, ob in attritione oder contritione Vergebung der Sünden geschehe, und so die Sünde vergeben wird um der Reue oder Kontrition willen, was dann der Absolution vonnöten sei; Und so die Sünden schon vergeben sind, was dann die Gewalt der Schlüssel vonnöten sei. Und da ängsten sie sich und zerbrechen sich den Kopf darüber und machen die Gewalt der Schlüssel gar zunichte. Etliche unter ihnen erdichten und sagen, durch die Gewalt der Schlüssel werde nicht vergeben die Schuld vor Gott, sondern die ewige Pein werde dadurch verwandelt in zeitliche; und machen also aus der Absolution, aus der Gewalt der Schlüssel, dadurch wir Trost und Leben erwarten sollen, eine solche Gewalt, dadurch uns nur Strafe aufgelegt werde. Die andern wollen klüger sein, die sagen, daß durch die Gewalt der Schlüssel Sünden vergeben werden vor den Leuten oder vor der christlichen Gemeinde, aber nicht vor Gott. Das ist auch fast ein schädlicher Irrtum; denn so die Gewalt der Schlüssel, welche von Gott gegeben ist, uns nicht tröstet vor Gott, wodurch will denn das Gewissen zur Ruhe kommen? Darüber so lehren und schreiben sie noch ungeschickter und verwirrter Ding; sie lehren, man könne durch Reue Gnade verdienen, und wenn sie da gefragt werden, warum denn Saul und Judas und dergleichen nicht Gnade verdient haben, in welchen gar eine schrecklich Kontrition gewesen ist; auf diese Frage sollten sie antworten, daß es Judas und Saul am Evangelio und Glauben gefehlt hätte, daß Judas sich nicht getröstet hat durchs Evangelium und hat nicht geglaubt; denn der Glaube unterscheidet die Reue Petri und Judä. Aber die Widersacher gedenken des Evangelii und Glaubens gar nicht, sondern des Gesetzes; sagen, Judas habe Gott nicht geliebt, sondern habe sich vor der Strafe gefürchtet. Ist aber das nicht ungewiß und ungeschickt von der Buße gelehrt? Denn wann will ein erschrocken Gewissen, sonderlich in den rechten großen Ängsten, welche in Psalmen und Propheten beschrieben werden, wissen, ob es Gott aus Liebe als seinen Gott fürchtet, oder ob er seinen Zorn und ewige Verdammnis flieht und haßt? Es mögen diejenigen von diesen großen Ängsten nicht viel erfahren haben, dieweil sie also mit Worten spielen und nach ihren Träumen Unterschied machen. Aber im Herzen, und wenn es zur Erfahrung kommt, findet sich’s viel anders, und mit den schlechten Syllaben und Worten findet kein Gewissen Ruhe, wie die guten sanften, müßigen Sophisten träumen. Hier berufen wir uns auf die Erfahrung aller Gottesfürchtigen, auf alle redlichen, verständigen Leute, die auch gern die Wahrheit erkennten; die werden bekennen, daß die Widersacher in allen ihren Büchern nichts Rechtschaffenes gelehrt haben von der Buße, sondern eitel verworren, unnütz Geschwätz; Und ist doch dies ein Hauptartikel der christlichen Lehre, von der Buße, von Vergebung der Sünden. Nun ist dieselbe Lehre von den Fragen, die jetzo erzählt, voll großer Irrtümer und Heuchelei, dadurch die rechte Lehre von Christo, von den Schlüsseln, vom Glauben zu unsäglichem Schaden der Gewissen unterdrückt gewesen.

Weiter richten sie noch mehr Irrtümer an, wenn man von der Beichte reden soll; da lehren sie nichts, denn lange Register machen und Sünden erzählen und mehrenteils Sünden wider Menschengebote, und treiben hier die Leute, als sei solch Zählen de iure divino, das ist, von Gott geboten; und dieses wäre noch so hoch beschwerlich nicht, wenn sie nur auch recht von der Absolution und Glauben hätten gelehrt. Aber da fahren sie abermal vorüber und lassen den hohen Trost liegen und dichten, das Werk, beichten und reuen, mache fromm ex opere operato, ohne Christum, ohne Glauben. Das heißen rechte Juden.

Das dritte Stück von diesem Spiel ist die satisfactio oder Genugtuung für die Sünde. Daselbst lehren sie noch ungeschickter, verwirrter, werfen das Hundert ins Tausend, daß daselbst nicht ein Tröpflein guten oder nötigen Trostes ein arm Gewissen finden möchte. Denn da erdichten sie ihnen selbst, daß die ewige Pein werde vor Gott verwandelt in Pein des Fegefeuers, und ein Teil der Pein werde vergeben und erlassen durch die Schlüssel, für einen Teil aber müsse man genugtun mit Werken. Darüber sagen sie weiter und nennen die Genugtuung opera supererogationis, das sind denn bei ihnen die kindischen närrischen Werke, als Wallfahrten, Rosenkränze und dergleichen, da kein Gebot Gottes von ist. Und weiter, wie sie die Pein des Fegefeuers ablaufen und lösen mit ihrem Genugtun, also haben sie noch weiter ein Fündlein erdacht, dieselben Genugtuungen für das Fegefeuer auch abzulösen, welches denn ein recht genießlicher, reicher Kauf und großer Jahrmarkt geworden. Denn sie haben unverschämt ihren Ablaß verkauft und gesagt, wer Ablaß löse, der kaufe sich also ab, da er sonst müßte genugtun; Und die Kretscherei, den Jahrmarkt, habe sie unverschämt getrieben, nicht allein daß sie den Lebendigen Ablaß verkauft, sondern auch für die Toten hat man Ablaß müssen kaufen. Darüber haben sie auch den schrecklichen Mißbrauch der Messe eingeführt, daß sie die Toten haben mit Messehalten erlösen wollen, und unter solchen Teufelslehren ist unterdrückt gewesen die ganze christliche Lehre vom Glauben, von Christo, wie wir dadurch sollen getröstet werden. Darum merken und verstehen hier alle ehrbaren, redlichen, ehrliebenden, verständigen Leute, geschweige denn Christen, daß ganz hoch vonnöten gewesen ist, solche ungöttliche Lehre der Sophisten und Kanonisten von der Buße zu tadeln. Denn dieselbe ihre Lehre ist öffentlich falsch, unrecht, wider die klaren Worte Christi, wider alle Schrift der Apostel, wider die ganze Heilige Schrift und Väter, und sind das ihre Irrtümer:

  1. Daß uns Gott muß die Sünde vergeben, so wir gute Werke tun, auch außerhalb der Gnade.
  2. Daß wir durch die Attrition oder Reue Gnade verdienen.

III. Daß unsere Sünde auszulöschen genug sei, wenn ich die Sünde an mir selbst hasse und schelte.

  1. Daß wir durch unsere Reue, nicht um des Glaubens willen an Christum, Vergebung der Sünden erlangen.
  2. Daß die Gewalt der Schlüssel verleihe Vergebung der Sünden nicht vor Gott, sondern vor der Kirche oder den Leuten.
  3. Daß durch die Gewalt der Schlüssel nicht allein die Sünden vergeben werden, sondern dieselbe Gewalt sei darum eingesetzt, daß sie die ewige Pein verwandle in zeitliche, und daß sie den Gewissen etliche Genugtuungen auflege und Gottesdienste und satisfactiones aufrichte, dazu die Gewissen vor Gott verpflichte und verbinde.

VII. Daß da Erzählen und eigentlich Rechnen aller Sünden von Gott geboten sei.

VIII. Daß satisfactiones, welche doch von Menschen aufgesetzt, not seien, zu bezahlen die Pein oder auch die Schuld; denn wiewohl man in der Schule die satisfactiones allein für die Pein abrechnet, so versteht doch männiglich, daß man dadurch Vergebung der Schuld verdiene.

  1. Daß wir aus Empfangung des Sakraments der Buße, ex opere operato, wenn das Herz gleich nicht dabei ist, ohne den Glauben an Christum, Gnade erlangen.
  2. Daß aus der Gewalt der Schlüssel durch den Ablaß die Seelen aus dem Fegefeuer erlöst werden.
  3. Daß in Reservatfällen nicht die Strafe der canonum, sondern die Schuld der Sünden vor Gott durch den Papst möge reserviert werden in denen, die sich wahrhaft zu Gott bekehren.

Daß wir nun den Gewissen hülfen aus den unzähligen Stricken und verworrenen Netzen der Sophisten, so sagen wir, die Buße oder Bekehrung habe zwei Stücke, contritionem und fidem. So nun jemand will das dritte Stück dazusetzen, nämlich die Früchte der Buße und Bekehrung, welche sind gute Werken, so folgen sollen und müssen, mit dem will ich nicht groß fechten. Wenn wir aber de contritione, das ist, von rechter Reue, reden, schneiden wir ab die unzähligen unnützen Fragen, da sie Fragen vorgeben, wann wir aus der Liebe Gottes, item, wann wir aus Furcht der Strafe Reue haben. Denn es sind allein bloße Worte und vergebliche Geschwätze derjenigen, die nicht erfahren haben, wie einem erschrockenen Gewissen zu Sinne ist. Wir sagen, daß contritio oder rechte Reue das sei, wenn das Gewissen erschreckt wird und seine Sünde und den großen Zorn Gottes über die Sünde anhebt zu fühlen, und ist ihm leid, daß es gesündigt hat. Und dieselbe contritio geht also zu, wenn unsere Sünde durch Gottes Wort gestraft wird. Denn in diesen zwei Stücken steht die Summa des Evangelii. Erstlich sagt es: Bessert euch! Und macht jedermann zu Sündern. Zum andern bietet’s an Vergebung der Sünden, das ewige Leben, Seligkeit, alles Heil und den Heiligen Geist durch Christum, durch welchen wir neugeboren werden. Also faßt auch die Summa des Evangelii Christus, das er Lucä am letzten sagt: „zu predigen in meinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Heiden“. Und von dem Schrecken und Angst des Gewissens redet die Schrift im 38. Psalm: „Denn meine Missetaten sind über mein Haupt gegangen; wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden.“ Und im 6. Psalm: „Herr, sei mir gnädig, denn ich bin schwach! Heile mich, Herr; denn meine Gebeine sind erschrocken, und meine Seele ist sehr erschrocken usw. Ach du Herr, wie lange!“ Und Jes. 38: „Ich sprach: Nun muß ich zur Höllen Pforten fahren, da ich länger zu leben gedachte usw. Ich dachte: Möchte ich bis morgen leben; aber er zerbrach mir alle meine Gebeine wie ein Löwe.“ Item: „Meine Augen wollten mir brechen; Herr, ich leide Not!“ usw. In denselben Ängsten fühlt das Gewissen Gottes Zorn und Ernst wider die Sünde, welches gar eine unbekannte Sache ist solchen müßigen und fleischlichen Leuten wie den Sophisten und ihresgleichen. Denn da merkt erst das Gewissen, was die Sünde für ein großer Ungehorsam gegen Gott ist, da drückt erst recht das Gewissen der schreckliche Zorn Gottes, und es ist unmöglich der menschlichen Natur, denselben zu tragen, wenn sie nicht durch Gottes Wort würde aufgerichtet. Also sagt Paulus: „Durch das Gesetz bin ich dem Gesetz gestorben.“ Denn das Gesetz klagt allein die Gewissen an, gebietet, was man tun solle, und erschreckt sie. Und da reden die Widersacher nicht ein Wort vom Glauben, lehren also kein Wort vom Evangelio noch von Christo, sondern eitel Gesetzlehre und sagen, daß die Leute mit solchem Schmerz, Reue und Leid, mit solchen Ängsten Gnade verdienen, doch wo sie aus Liebe Gottes Reue haben oder Gott lieben. Lieber Herr Gott, was ist doch das für eine Predigt für die Gewissen, denen Trosts vonnöten ist! Wie können wir doch dann Gott lieben, wenn wir in so hohen, großen Ängsten und unsäglichem Kampf stecken, wenn wir so großen, schrecklichen Gottes Ernst und Zorn fühlen, welcher sich da stärker fühlt, denn kein Mensch auf Erden nachsagen oder reden kann? Was lehren doch solche Prediger und Doctores anders denn eitel Verzweiflung, die in so großen Ängsten einem armen Gewissen kein Evangelium, keinen Trost, allein das Gesetz predigen?

Wir aber setzen das andere Stück der Buße dazu, nämlich den Glauben an Christum, und sagen, daß in solchem Schrecken den Gewissen soll vorgehalten werden das Evangelium von Christo, in welchem verheißen ist Vergebung der Sünden aus Gnaden durch Christum. Und solche Gewissen sollen glauben, daß ihnen um Christus‘ willen Sünden vergeben werden. Derselbe Glaube richtet wieder auf, tröstet und macht wieder lebendig und fröhlich solche zerschlagene Herzen; wie Paulus zu den Röm. 5 sagt: „So wir nun gerechtfertigt sind, so haben wir Frieden mit Gott.“ Derselbe Glaube zeigt recht an den Unterschied unter der Reue Judä und Petri, Sauls und Davids. Und darum ist Judä und Sauls Reue nicht nütze gewesen; denn da ist nicht Glaube gewesen, der sich gehalten hätte an die Verheißung Gottes durch Christum. Dagegen sind Davids und St. Peters Reue rechtschaffen gewesen; denn da ist der Glaube gewesen, welcher gefaßt hat die Zusage Gottes, welche anbietet Vergebung der Sünden durch Christum. Denn eigentlich ist in keinem Herzen einige Liebe Gottes, es sei denn, daß wir erst Gott versöhnt werden durch Christum. Denn Gottes Gesetz oder das erste Gebot kann ohne Christum niemand erfüllen noch halten; wie Paulus zu den Ephesern, 2, 18; 3, 12, sagt: „Durch Christum haben wir einen Zutritt zu Gott.“ Und der Glaube kämpft das ganze Leben durch wider die Sünde und wird durch mancherlei Anfechtungen probiert und nimmt zu. Wo nun der Glaube ist, da folgt denn erst die Liebe Gottes, wie wir hier oben gesagt. Und das heißt also recht gelehrt, was timor filialis sei, nämlich ein solches Fürchten und Erschrecken vor Gott, da dennoch der Glaube an Christum uns wiederum tröstet. Servilis timor autem, knechtische Furcht, ist Furcht ohne Glauben, da wird eitel Zorn und Verzweiflung.

Die Gewalt nun der Schüssel, die verkündigt uns durch die Absolution das Evangelium. Denn das Wort der Absolution verkündigt mir Frieden und ist das Evangelium selbst. Darum wenn wir vom Glauben reden, wollen wir die Absolution mitbegriffen haben. Denn der Glaube ist aus dem Gehör, und wenn ich die Absolution höre, das ist, die Zusage göttlicher Gnade oder das Evangelium, so wird mein Herz und Gewissen getröstet. Und dieweil Gott durch das Wort wahrlich neu Leben und Trost ins Herz gibt, so werden auch durch die Gewalt der Schlüssel wahrhaftig hier auf Erden die Sünden losgezählt, also daß sie vor Gott im Himmel los sind, wie der Spruch lautet;: „Wer euch höret, der höret mich.“ Darum sollen wir das Wort der Absolution nicht weniger achten noch glauben, denn wenn wir Gottes klare Stimme vom Himmel hörten, und die Absolution, das selige, tröstliche Wort, sollte billig das Sakrament der Buße heißen, wie denn auch etliche Scholastici, welche gelehrter denn die andern gewesen, davon reden. Und derselbe Glaube an das Wort soll für und für gestärkt werden durch Predigthören, durch Lesen, durch Brauch der Sakramente. Denn das sind die Siegel und Zeichen des Bundes und der Gnade in neuen Testament; das sind Zeichen der Versöhnung und Vergebung der Sünden. Denn sie bieten an Vergebung der Sünden, wie denn klar zeugen die Worte im Abendmahl: „Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird“ usw. „Das ist der Kelch des neuen Testaments“ usw. Also wird auch der Glaube gestärkt durch das Wort der Absolution, durch die Prediger des Evangelii, durch Empfangung des Sakraments, damit er in solchen Schrecken und Ängsten des Gewissens nicht untergehe. Das ist eine klare, gewisse, richtige Lehre von der Buße; dadurch kann man verstehen und wissen, was die Schlüssel sind oder nicht sind, was die Sakramente nütze sind, was Christi Wohltat ist, warum und wie Christus unser Mittler ist.

Dieweil aber die Widersacher verdammen, daß wir die zwei Teile der Buße gesetzt haben, so müssen wir anzeigen, daß nicht wir, sondern die Schrift diese zwei Stücke der Buße oder Bekehrung also ausdrückt. Christus sagt Matthäi 11: „Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken.“ Da sind zwei Stücke: die Last oder die Bürde, da Christus von redet, das ist, der Jammer, das große Erschrecken vor Gottes Zorn im Herzen; zum andern das Kommen zu Christo, denn das Kommen ist nichts anderes, denn glauben, daß um Christus‘ willen uns Sünden vergeben werden, und daß wir durch den Heiligen Geist neugeboren und lebendig werden. Darum müssen diese zwei die vornehmsten Stücke in der Buße sein: die Reue und der Glaube. Und Marci am 1. sagt Christus: „Tut Buße und Glaubet dem Evangelio!“ Für das erste macht er uns zu Sündern und schreckt uns. Zum andern tröstet er uns und verkündigt Vergebung der Sünden. Denn dem Evangelio glauben heißt nicht allein die Historien des Evangelii glauben, welchen Glauben auch die Teufel haben, sondern heißt eigentlich glauben, daß uns durch Christum Sünden vergeben sind; denn denselben Glauben predigt uns das Evangelium. Da seht ihr auch die zwei Stücke: die Reue oder das Schrecken des Gewissens, da er sagt: „Tut Buße!“ und den Glauben, das er sagt: „Glaubet dem Evangelio!“ Ob nun jemand wollte sagen, Christus begreift auch die Früchte des Buße, das ganze neue Leben, das fechten wir nicht groß an. Es ist uns hier genug, daß die Schrift diese zwei Stücke vornehmlich ausdrückt: Reue und Glauben.

Paulus in allen Episteln, sooft er handelt, wie wir bekehrt werden, faßt er diese zwei Stücke zusammen: Sterben des alten Menschen, das ist, Reue, Erschrecken vor Gottes Zorn und Gericht, und dagegen Erneuerung durch den Glauben. Denn durch den Glauben werden wir getröstet und wieder zum Leben gebracht und errettet von Tod und Hölle. Von diesen zwei Stücken redet er klar Röm. 6, 2. 4. 11: „Daß wir der Sünde gestorben sind“, das geschieht durch Reue und Schrecken; „und wiederum sollen wir mit Christo auferstehen“, das geschieht, so wir durch den Glauben wiederum Trost und Leben erlangen. Und dieweil Glaube soll Trost und Frieden im Gewissen bringen laut des Spruchs Röm. 5, 1: „So wir gerecht sind worden durch den Glauben, haben wir Frieden“, folgt, daß zuvor Schrecken und Angst im Gewissen ist. Also gehen Reue und Glaube nebeneinander.

Wiewohl, was ist not, viel Sprüche oder Zeugnisse der Schrift einzuführen, so die ganze Schrift einzuführen, so die ganze Schrift der Sprüche voll ist? Als im 118. Psalm: „Der Herr züchtigt mich wohl, aber er gibt mich dem Tode nicht.“ Und im 119. Psalm: „Meine Seele vergehet vor Grämen; richte mich auf nach deinen Worten!“ Erstlich sagt er von Schrecken oder von der Reue. Im andern Stück des Verses zeigt er klar an, wie ein reuig arm Gewissen wieder getröstet wird, nämlich durch das Wort Gottes, welches Gnade anbietet und wieder erquickt. Item 1 Sam. 2: „Der Herr tötet und macht lebendig; er führt in die Hölle und wieder heraus“ Da werden auch die zwei Stücke berührt: Reue und Glaube. Item Jesaja am 28.: „Der Herr wird zürnen, daß er sein Werk tue, welches doch nicht sein Werk ist.“ Er sagt: Gott werde schrecken, wiewohl dasselbe nicht Gottes Werk sei; denn Gottes eigen Werk ist, lebendig machen. Andere Werke, als Schrecken, Töten, sind nicht Gottes eigene Werke. Denn Gott macht allein lebendig, und wenn er schreckt, tut er’s darum, daß sein seliger Trost uns desto angenehmer und süßer werde; denn sichere und fleischliche Herzen, die Gottes Zorn und ihre Sünde nicht fühlen, achten keines Trosts. Auf die Weise pflegt die Heilige Schrift die zwei Stücke beieinander zu setzen, erstlich das Schrecken, danach den Trost, daß sie anzeige, daß diese zwei Stücke zu einer rechten Buße oder Bekehrung gehören, erstlich herzliche Reue, danach glaube, der das gewissen wieder aufrichte. Und ist je gewiß also, daß nicht wohl möglich ist, von der Sache klarer oder richtiger zu reden. So wissen wir fürwahr, daß Gott in seinen Christen, in der Kirche, also wirkt.

Dies sind nun die vornehmsten zwei Werke, dadurch Gott in den Seinen wirkt. Von den zwei Stücken redet die ganze Schrift: erstlich, daß er unsere Herzen erschreckt und uns die Sünde zeigt; zum andern, daß er wiederum uns tröstet, aufrichtet und lebendig macht. Darum führt auch die ganze Schrift diese zweierlei Lehre: Eine ist das Gesetz, welche uns zeigt unsern Jammer, straft die Sünde. Die andere Lehre ist das Evangelium; denn Gottes Verheißung, da er Gnade zusagt durch Christum, und die Verheißung der Gnade wird von Adam her durch die ganze Schrift immer wiederholt. Denn erstlich ist die Verheißung der Gnade oder das erste Evangelium Adam zugesagt: „Ich will Feindschaft setzen“ usw. Hernach sind Abraham und andern Patriarchen von demselben Christo Verheißungen geschehen, welche dann die Propheten hernach gepredigt; Und zuletzt ist dieselbe Verheißung der Gnade durch Christum selbst, als er nun gekommen war, gepredigt unter den Juden und endlich durch die Apostel unter die Heiden in alle Welt ausgebreitet. Denn durch den Glauben an das Evangelium oder an die Zusage von Christo sind alle Patriarchen, alle Heiligen von Anbeginn der Welt gerecht vor Gott geworden und nicht um ihrer Reue oder Leids oder einerlei Werke willen.

Und die Exempel, wie die Heiligen sind fromm geworden, zeigen auch die obgedachten zwei Stücke an, nämlich das Gesetz und Evangelium. Denn Adam, als er gefallen war, wird er erst gestraft, daß sein Gewissen erschrickt und in große Ängste kommt; dasselbe ist die rechte Reue oder contritio. Hernach sagt ihm Gott Gnade und Heil zu durch den gebenedeiten Samen, das ist, Christum, durch welchen der Tod, die Sünde und des Teufels Reich sollte zerbrochen werden; da bietet er ihm wieder an Gnade und Vergebung der Sünden. Das sind die zwei Stücke. Denn wiewohl Gott hernach Adam Strafe auflegt, so verdient er doch durch die Strafe nicht Vergebung der Sünden. Und von derselben aufgelegten Strafe wollen wir hernach sagen.

Also wird David vom Propheten Nathan hart angeredet und erschreckt, daß er spricht und bekennt: „Ich habe vor dem Herrn gesündigt.“ Das ist nun die Reue. Hernach hört er das Evangelium und die Absolution: „Der Herr hat deine Sünde weggenommen, du sollst nicht sterben.“ Als David das Wort glaubt, empfängt sein Herz wieder Trost, Licht und Leben. Und wiewohl ihm auch die Strafe wird aufgelegt, so verdient er doch durch die Strafe nicht Vergebung der Sünden. Und es sind auch wohl Exempel, da solche sonderliche Strafen nicht dazugetan werden, sondern diese zwei Stücke gehören allzeit vornehmlich zu einer rechten Buße: erstlich, daß unser Gewissen die Sünde erkenne und erschrecke; zum andern, daß wir der göttlichen Zusage glauben. Als Luk. 7 kommt das arme, sündige Weib zu Christo und weint bitterlich. Das Weinen zeigt die Reue an. Hernach hört sie das Evangelium: „Deine Sünden sind dir vergeben; dein Glaube hat dir geholfen; gehe hin in Frieden.“ Das ist nun das andere, vornehmste Stück der Buße, nämlich der Glaube, der sie wieder tröstet. Aus diesem können hier alle christlichen Leser merken, daß wir nicht unnötige Disputationes einführen, sondern klar, richtig und eigentlich die Stücke der Buße setzen, ohne welche die Sünden nicht können vergeben werden, ohne welche niemand vor Gott fromm, heilig oder neugeboren wird. Die Früchte aber und guten Werke, item Geduld, daß wir gern leiden Kreuz und Strafe, was Gott dem alten Adam auflegt, das alles folgt, wenn also erst durch den Glauben die Sünde vergeben ist und wir neugeboren sind. Und wir haben diese zwei Stücke klar gesetzt, damit der Glaube an Christum, davon die Sophisten, Kanonisten alle geschwiegen, auch einmal gelehrt werde, damit man auch desto klarer sehen möge, was der Glaube sei oder nicht sei, wenn er also gegen das große Schrecken und Angst gehalten wird.

Dieweil aber die Widersacher diesen klaren, gewissen, trefflichsten Artikel ohne alle Scheu und Scham namhaftig verdammen, da wir sagen, daß die Menschen Vergebung der Sünden erlange durch den Glauben an Christum, so wollen wir des etliche Gründe und Beweise setzen, aus welchen zu verstehen sei, daß wir Vergebung der Sünden nicht erlangen ex opere operato oder durch das getane Werk, durch Reue oder Leid usw., sondern allein durch den Glauben, da ein jeder für sich selbst glaubt, daß ihm die Sünden vergeben sind. Denn dieser Artikel ist der vornehmste und nötigste, darum wir mit den Widersachern streiten; welcher auch der nötigste ist allen Christen zu wissen. So wir aber hier oben im Artikel De iustificatione von demselben genugsam gesagt, so wollen wir desto kürzer hier dasselbe handeln.

Die Widersacher, wenn sie vom Glauben reden, sagen sie, der Glaube müsse vor der Buße hergehen, und verstehen nicht den Glauben, welcher vor Gott gerecht macht, sondern den Glauben, durch welchen in genere, das ist, insgemein, geglaubt wird, daß ein Gott sei, daß eine Hölle sei usw. Wir reden aber darüber hinaus von einem Glauben, da ich für mich gewiß glaube, daß mir die Sünden vergeben sind um Christus‘ willen. Von diesem Glauben streiten wir, der nach dem Schrecken folgen soll und muß, und das Gewissen trösten und das Herz in dem schweren Kampf und Angst wieder zufrieden machen. Und das wollen wir, will’s Gott, ewiglich verfechten und wider alle Pforten der Hölle erhalten, daß derselbe Glaube muß da sein, sollen jemand Sünden vergeben werden. Darum setzen wir dieses Stück auch zur Buße. Es kann auch die christliche Kirche nicht anders halten, denn daß Sünden vergeben werden durch solchen Glauben, wiewohl die Widersacher als die wütenden Hunde dawider bellen.

Für das erste Frage ich hier die Widersacher, ob es auch ein Stuck der Buße sei, die Absolution hören oder empfangen. Denn wo sie die Absolution absondern von der Beichte, wie sie denn subtil sein wollen zu distinguieren, so wird niemand wissen oder sagen können, was die Beichte ohne die Absolution nütze sei. So sie aber die Absolution von der Beichte nicht absondern, so müssen sie sagen, daß der Glaube an das Wort Christi sei ein Stück des Buße, so man die Absolution nicht empfangen kann denn allein durch den Glauben. Daß man aber das Wort der Absolution nicht empfangen kann denn allein durch den Glauben, ist zu beweisen aus Paulo, Röm. 4, da et sagt, daß die Verheißung Gottes niemand fassen kann denn allein durch den Glauben. Die Absolution aber ist nichts anderes denn das Evangelium, eine göttliche Zusage der Gnade und Huld Gottes usw. Darum kann man sie nicht haben noch erlangen denn allein durch den Glauben. Denn wie kann denjenigen das Wort der Absolution nütze werden, die sie nicht glauben? Die Absolution aber nicht glauben, was ist das anders, denn Gott Lügen strafen? Dieweil das Herz wankt, zweifelt, hält’s für ungewiß, was Gott da zusagt. Darum steht 1 Joh. 5 geschrieben: „Wer Gott nicht glaubt, der lügenstraft ihn, denn er glaubt nicht dem Zeugnis, das Gott von seinem Sohne zeugt.“

Zum andern, so müssen je die Widersacher gewiß bekennen, daß die Vergebung der Sünden sei ein Stück oder, daß wir auf ihre Weise reden, sei finis, das Ende, oder terminus ad quem der ganzen Buße. Denn was hülfe Buße, wenn nicht Vergebung der Sünden erlangt würde? Darum dasjenige, dadurch Vergebung der Sünden erlangt wird, soll und muß je ein vornehmstes Stück der Buße sein. Eigentlich ist es aber wahr, klar und gewiß, wenngleich alle Teufel, alle Pforten der Hölle dawider schrieen, daß das Wort von der Vergebung der Sünden niemand fassen kann denn allein durch den Glauben. Röm. 3: „Welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den glauben“ usw. Item Röm. 5: „Durch welchen wir auch einen Zutritt haben im Glauben zu dieser Gnade“ usw. Denn ein erschrocken Gewissen, das seine Sünde fühlt, merkt bald, daß Gottes Zorn mit unsern elenden Werken nicht zu versöhnen ist, sondern also kommt ein Gewissen recht zum Frieden, wenn es sich hält an den Mittler Christum und glaubt den göttlichen Zusagungen. Denn diejenigen verstehen nicht, was Vergebung der Sünden sei, oder wie man dieselbe erlangt, die da wähnen, die Herzen und Gewissen könnten gestillt werden ohne den Glauben an Christum. Petrus der Apostel führt ein den Spruch Jes. 49: „Wer an ihn glaubt, der wird nicht zuschanden werden.“ Derhalben müssen die Heuchler vor Gott zuschanden werden, die da meinen, sie wollen Vergebung der Sünden erlangen durch ihre Werke, nicht um Christus‘ willen. Und Petrus in den Geschichten der Apostel am 10. sagt: „Dem Jesu geben Zeugnis alle Propheten, daß diejenigen Vergebung der Sünden durch seinen Namen erlangen, so an ihn glauben.“ Er hätte nicht klarer reden können, denn daß er sagt: „durch seinen Namen“, und setzt dazu: „alle, die an ihn glauben“. Darum erlangen wir Vergebung der Sünden durch den Namen Christi, das ist, um Christus‘ willen, nicht um unsers Verdienstes oder Werke willen, und das geschieht also, wenn wir glauben, daß uns Sünden vergeben werden um Christus‘ willen.

Die Widersacher schreien wohl, sie seien die christliche Kirche, und sie hielten, was die catholica, gemeine Kirche hält. Petrus aber, der Apostel, hier in unserer Sache und unserm höchsten Artikel rühmt auch eine catholica, gemeine Kirche, da er sagt: „Dem Jesu geben Zeugnis alle Propheten, daß wir Vergebung der Sünden erlangen durch seinen Namen.“ Ich meine je, wenn alle heiligen Propheten einträchtig zusammenstimmen (nachdem Gott auch einen einigen Propheten für einen Weltschatz achtet), solle je auch ein Dekret, eine Stimme und einträchtiger starker Beschluß sein der gemeinen, katholischen, christlichen, heiligen Kirche und billig dafürgehalten werden. Wir werden weder Papst, Bischof noch Kirche die Gewalt einräumen, wider aller Propheten einträchtige Stimme etwas zu halten oder zu beschließen.

Dennoch hat Papst Leo X. diesen Artikel als irrig verdammen dürfen. Und die Widersacher verdammen dieses auch. Darum ist genug am Tag, was das für eine feine christliche Kirche sei, die nicht allein durch öffentliche, geschriebene Dekrete und Mandate diesen Artikel, nämlich daß wir Vergebung der Sünden ohne Werke, durch den Glauben an Christum erlangen, verdammen darf, sondern auch über dem Bekenntnis dieses Artikels unschuldig Blut verdammen und erwürgen. Sie dürfen Gebote ausgehen lassen, daß man fromme, redliche Leute, die also lehren, solle verjagen, und trachten ihnen durch allerlei Tyrannei, als die Bluthunde, nach Leib und Leben.

Aber sie werden vielleicht sagen, sie hätten auch Lehrer für sich, Scotum, Gabrielem und dergleichen, die auch großen Namen haben, dazu auch die Sprüche der Väter, welche im Dekret verstümmelt angezogen. Ja, es ist wahr, sie heißen alle Lehrer und Skribenten, aber am Gesange kann man merken, welche Vögel es sind. Dieselben Skribenten haben nichts anderes denn Philosophie gelehrt und von Christo und Gottes Werk nichts gewußt; das beweisen ihre Bücher klar.

Derhalben lassen wir uns nicht irren, sondern wissen fürwahr, daß wir das Wort des heiligen Apostels Petri, als eines großen Doktors, fröhlich mögen halten gegen alle Sententiarios über einen Haufen, und wenn ihrer viel tausend wären.

Denn Petrus sagt klar, es sei eine einträchtige Stimme aller Propheten, und dieselbe herrliche Predigt des hohen, großen Apostels hat Gott kräftig dasmal bestätigt durch Austeilung des Heiligen Geistes.

Denn also sagt der Text: „Als Petrus noch redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die dem Wort zuhörten.“

Derhalben sollen die christlichen Gewissen das wohl merken, daß dieses Gottes Wort und Gebot ist, daß uns ohne Verdienst Sünden vergeben werden durch Christum, nicht um unserer Werke willen, und solch Gotteswort und =gebot ist ein rechter, starker, gewisser, unvergänglicher Trost wider alles Schrecken der Sünde, des Todes, wider alle Anfechtung und Verzweiflung, Qual und Angst des Gewissens.

Da wissen die müßigen Sophisten wenig von, und die selige Predigt, das Evangelium, welche Vergebung der Sünden predigt durch den gebenedeiten Samen, das ist, Christum, ist von Anbeginn der Welt aller Patriarchen, aller frommen Könige, aller Propheten, aller Gläubigen größter Schatz und Trost gewesen; denn sie haben an denselben Christum geglaubt, da wir an glauben. Denn von Anfang der Welt ist kein Heiliger anders denn durch den Glauben desselben Evangelii selig geworden. Darum sagt auch Petrus, es sei eine einträchtige Stimme aller Propheten (und die Apostel predigen auch einträchtig gleich dasselbe), und zeigt an, daß die Propheten gleich als durch einen Mund geredet haben. Darüber sind die Zeugnisse der heiligen Väter. Denn Bernhardus sagt mit klaren Worten also: „Darum ist vor allen Dingen not zu wissen, daß wir Vergebung der Sünden nicht anders haben können denn durch Gottes Gnade; doch sollst du dieses dazusetzen, daß du das glaubst, daß auch dir, nicht allein andern, durch Christum Sünden vergeben werden. Das ist das Zeugnis des Heiligen Geistes inwendig in deinem Herzen, dir selbst sind deine Sünden vergeben. Denn also nennt’s der Apostel, daß der Mensch ohne Verdienst gerecht wird, durch den Glauben.“ Diese Worte St. Bernhards streichen erst diese unsere Lehre recht heraus und setzen sie recht an das Licht. Denn er sagt, daß wir nicht allein insgemein glauben sollen, daß uns Sünden vergeben werden, sondern sagt, dieses muß dazugesetzt werden, daß ich für mich glaube, daß mir Sünden vergeben seien. Und lehrt darüber noch eigentlicher und klarer, wie wir inwendig im Herzen der Gnade, der Vergebung unserer Sünden gewiß werden, nämlich wenn die Herzen getröstet werden und gestillt inwendig durch diesen Trost. Wie aber nun, ihr Widersacher? Ist St. Bernhard auch ein Ketzer? Was wollt ihr doch mehr haben? Wollt ihr noch leugnen, daß wir Vergebung der Sünden erlangen durch den Glauben.?

Für das dritte sagen die Widersacher, daß die Sünde also vergeben werde, quia attritus vel contritus elicit actum dilectionis Dei; wenn wir uns aus der Vernunft vornehmen, Gott zu lieben, durch das Werk, sagen sie, erlangen wir Vergebung der Sünden. Das ist nichts anderes, denn das Evangelium und die göttlichen Verheißungen abtun und eitel Gesetz lehren; denn sie reden von eitel Gesetz und unsern Werken; denn das Gesetz fordert Liebe. Darum lehren sie vertrauen, daß wir Vergebung der Sünden erlangen durch solche Reue und unser Lieben. Was ist das anders, denn vertrauen auf unsere Werke, nicht auf die Zusage oder Verheißung von Christo? So nun das Gesetz genug ist, Vergebung der Sünden zu erlangen, was ist Christi, was ist des Evangelii vonnöten? Wir aber weisen die Gewissen ab von dem Gesetz, von ihren Werken auf das Evangelium und die Verheißung der Gnade. Denn das Evangelium, das bietet Christum an und eitel Gnade und heißt uns auf die Zusage vertrauen, daß wir um Christus‘ willen versöhnt werden dem Vater, nicht um unserer Reue oder Liebe willen; denn es ist kein anderer Mittler oder Versöhner denn Christus. So können wir das Gesetz nicht erfüllen, wenn wir nicht erst durch Christum versöhnt sind; Und ob wir schon etwas Gutes tun, so müssen wir es doch dafürhalten, daß wir nicht um der Werke willen, sondern um Christus‘ willen Vergebung der Sünden erlangen.

Derhalben heißt das Christum geschmäht und das Evangelium abgetan, wenn jemand wollte halten, daß wir Vergebung der Sünden durch das Gesetz oder auf andere Weise denn durch den Glauben an Christum erlangen. Und dieses haben wir auch oben gehandelt De iustificatione, da wir gesagt haben, warum wir lehren, daß wir durch den Glauben gerecht werden und nicht durch die Liebe Gottes oder durch unsere Liebe gegen Gott. Derhalben, wenn die Widersacher lehren, daß wir durch Reue und Liebe Vergebung der Sünden erlangen und darauf vertrauen, ist nichts anderes, denn das Gesetz lehren, welches sie dennoch nicht verstehen, was es für eine Liebe gegen Gott fordere, sondern sehen wie die Juden allein in das verdeckte Angesicht Mosis. Denn ich will gleich setzen, daß die Werke und die Liebe da seien; dennoch können weder Werke noch Liebe Gott versöhnen, oder als viel als Christus gelten, wie der Psalm sagt: „Du wollest nicht mit deinem Knechte in das Gericht gehen“ usw. Darum sollen wir die Ehre Christi nicht unsern Werken geben.

Aus dieser Ursache streitet Paulus, daß wir nicht durch das Gesetz gerecht werden, und hält gegen das Gesetz die Zusage Gottes, die Verheißung der Gnade, welche um Christus‘ willen uns gegeben wird. Da rückt uns Paulus herum und weist uns vom Gesetz auf die göttliche Verheißung; da will er, daß wir sollen auf Gott und seine Zusage sehen und den Herrn Christum für unsern Schatz halten; denn dieselbe Zusage wird vergeblich sein, so wir durch des Gesetzes Werke gerecht vor Gott werden, so wir durch unsere Gerechtigkeit Vergebung der Sünden verdienen. Nun ist es gewiß, daß Gott darum die Zusage tut, darum Christus auch gekommen ist, daß wir das Gesetz nicht halten noch erfüllen können. Darum müssen wir erst durch die Verheißung versöhnt werden, ehe wir das Gesetz erfüllen; die Verheißung aber kann man nicht fassen denn allein durch den Glauben. Darum alle diejenigen, so rechte Reue haben, ergreifen die Verheißung der Gnade durch den Glauben und glauben gewiß, daß wir dem Vater versöhnt werden durch Christum. Das ist auch die Meinung Pauli zu den Römern am 4.: „Darum erlangen wir Gnade durch den Glauben, daß die Verheißung fest stehe.“ Und zu den Galatern am 3.: „Die Schrift hat alles unter die Sünde beschlossen, daß die Verheißung Jesu Christi durch den Glauben werde gegeben den Gläubigen“, das ist, alle Menschen sind unter der Sünde und können nicht erlöst werden, sie ergreifen denn Vergebung der Sünden durch den Glauben. Darum müssen wir erst Vergebung der Sünden durch den Glauben erlangen, ehe wir das Gesetz erfüllen. Wiewohl, wie wir oben gesagt, aus dem Glauben die Liebe gewiß folgt, denn diejenigen, so glauben, empfangen den Heiligen Geist. Darum fangen sie an, dem Gesetz hold zu werden und demselben zu gehorchen.

Wir wollten hier mehr Sprüche einführen, aber die Schrift ist deren allenthalben voll. Ich wollte es auch gern nicht zu lang machen, damit diese Sache desto klarer sei. Denn es hat gar keinen Zweifel, daß dieses Pauli Meinung sei, das wir Vergebung der Sünden erlange um Christus‘ willen durch den Glauben, daß wir auch den Mittler setzen müssen gegen Gottes Zorn, nicht unsere Werke. Es sollen sich auch fromme, christliche Gewissen daran nichts irren, ob die Widersacher die klaren Sprüche Pauli fälschlich auslegen und unrecht deuten. Denn so einfältig, so gewiß und rein, so klar kann man nichts reden oder schreiben, man kann ihm mit Worten eine andere Nase machen. Wir sind aber des gewiß und wissen’s fürwahr, daß die Meinung, die wir gesetzt, die rechte Meinung Pauli ist. So hat das auch keinen Zweifel, daß diese Lehre allein ein recht gewisser Trost ist, die Herzen und Gewissen in rechtem Kampf und in agone des Todes und Anfechtung zu stillen, zu trösten, wie es die Erfahrung gibt.

Derhalben nur weit, weit von uns mit den pharisäischen Lehren der Widersacher, da sie sagen, daß wir Vergebung der Sünden nicht durch den Glauben erlangen, sondern daß wir sie verdienen müssen mit unsern Werken und mit unserer Liebe gegen Gott; item daß wir mit unsern Werken und Liebe sollen Gottes Zorn versöhnen! Denn es ist eine recht pharisäische Lehre, eine Lehre des Gesetzes, nicht des Evangelii, da sie lehren, daß der Mensch erst durch das Gesetz gerecht werde, ehe er durch Christum Gott versöhnt werde, so doch Christus sagt: „ohne mich könnt ihr nichts tun“; item: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ Die Widersacher aber, die reden davon, als seien wir nicht Christi Reben, sondern Mosis. Denn sie wollen erst durchs Gesetz fromm und gerecht vor Gott werden und erst unsere Werke und Dilektion Gott opfern, ehe sie Reben am Weinstock Christi sind. Paulus aber, welcher freilich ein viel höherer Doktor ist denn die Widersacher, redet klar und streitet wiederum dies allein, daß niemand das Gesetz tun könne ohne Christum. Darum diejenigen, so die Sünde und Angst des Gewissens recht fühlen oder erfahren haben, die müssen sich an die Zusage der Gnade halten, daß sie durch den Glauben erst Gott versöhnt werden um Christus‘ willen, ehe sie das Gesetz erfüllen. Dieses alles ist öffentlich und klar genug bei gottesfürchtigen Gewissen. Und hieraus werden Christen wohl verstehen, warum wir oben gesagt haben, daß wir allein durch den Glauben vor Gott gerecht werden, nicht durch unsere Werke oder Dilektion usw. Denn all unser Vermögen, alles Tun und Werk sind zu schwach, Gottes Zorn wegzunehmen und zu stillen; darum müssen wir Christum, den Mittler, darstellen.

Endlich aber sollten die Widersacher bedenken: wann will doch ein arm Gewissen zu Frieden kommen und stille werden, so wir Gnade und Vergebung der Sünden darum erlangen, daß wir Gott liebhaben, oder daß wir das Gesetz erfüllen? Das Gesetz wird uns allzeit anklagen; denn kein Mensch erfüllt das Gesetz, wie Paulus sagt: „Das Gesetz richtet Zorn an.“ Es fragt Chrysostomus, so fragen auch die Sententarii, wie einer gewiß wird, daß ihm die Sünden vergeben seien. Es ist wahrlich wohl Fragens wert. Wohl dem, der da recht Antwort gibt! Auf diese allernötigste Frage ist nicht möglich zu antworten, es ist auch nicht möglich, das Gewissen in Anfechtung recht zu trösten oder zu stillen, man antworte denn auf diese Meinung. Es ist Gottes Beschluß, Gottes Befehl von Anbeginn der Welt her, daß uns durch den Glauben an den gebenedeiten Samen, das ist, durch den Glauben, um Christus‘ willen, ohne Verdienst sollen Sünden vergeben werden. So jemand aber daran wankt oder zweifelt, der lügenstraft Gott in seiner Verheißung, wie Johannes sagt. Da sagen wir nun, daß ein Christ solches für gewiß als Gottes Befehl halten soll, und hält er’s also, so ist er gewiß und fühlt Frieden und Trost. Die Widersacher, wenn sie lange predigen und lehren außer dieser Lehre, lassen sie die armen Gewissen im Zweifel stecken. Da ist nicht möglich, daß da sollte Ruhe sein, ein still oder friedlich Gewissen, wenn sie Zweifeln, ob Gott gnädig sei. Denn so sie zweifeln, ob sie einen gnädigen Gott haben, ob sie recht tun, ob sie Vergebung der Sünden haben, wie können sie denn in dem Zweifel Gott anrufen, wie können sie gewiß sein, daß Gott ihr Gebet achte und erhöre? Also ist all ihr Leben ohne Glauben, und können Gott nicht recht dienen. Das ist’s, das Paulus zu den Römern sagt: „Was nicht aus dem Glauben ist, das ist Sünde.“ Und dieweil sie in dem Zweifel allzeit und ewig stecken bleiben, so erfahren sie nimmer, was Gott, was Christus, was Glaube sei. Darüber geht’s zuletzt also, daß sie in Verzweiflung, ohne Gott, ohne alle Gotteserkenntnis sterben. Eine solch schädliche Lehre führen die Widersacher, nämlich eine solche Lehre, dadurch das ganze Evangelium wird weggetan, Christus unterdrückt, die Leute in Herzeleid und Qual der Gewissen, endlich, wenn Anfechtungen kommen, in Verzweiflung geführt. Dieses wolle nun Kaiserliche Majestät gnädiglich betrachten und wohl aufsehen; es betrifft nicht Gold oder Silber, sondern Seelen und Gewissen. Auch wollen alle Ehrbaren, Verständigen hier wohl aufmerken, was diese Sache sei oder nicht sei. Hier mögen wir leiden, daß alle ehrbaren Leute urteilen, welcher Teil für die christlichen Gewissen das Nützlichste gelehrt habe, wir oder die Widersacher. Denn wahrlich soll man es dafürhalten, daß uns mit Zank und Zwiespalt nicht wohl ist. Und wenn es nicht die größten, allerwichtigsten Ursachen hätte, nämlich unser aller Gewissen, Heil und Seele belangend, warum wir dieses müssen mit den Widersachern so heftig streiten, so wollten wir wohl schweigen. Aber nachdem sie das heilige Evangelium, alle klare Schrift der Apostel, die göttliche Wahrheit, verdammen, so können wir mit Gott und Gewissen diese selige Lehre und göttliche Wahrheit, daran wir endlich, wenn dies arme zeitliche Leben aufhört und aller Kreaturen Hilfe aus ist, den einigen, ewigen, höchsten Trost erwarten, nicht verleugnen, auch von dieser Sache in keinem Wege weichen, welche nicht unser allein ist, sondern der ganzen Christenheit, und belangt den höchsten Schatz, Jesum Christum.

Wir haben nun angezeigt, aus was Ursachen wir die zwei Stücke der Buße gesetzt haben, nämlich die Reue und den Glauben. Und das haben wir darum auch getan, denn man findet allerlei Sprüche hin und wieder in Büchern der Widersacher von der Buße, welche sie aus Augustino und den andern alten Vätern stückweise, verstümmelt einführen, welche sie denn allenthalben dahin gedeutet und gestreckt haben, die Lehre vom Glauben ganz zu unterdrücken. Als diesen Spruch haben sie gesetzt: „Die Buße ist ein Schmerz, dadurch die Sünde gestraft wird.“ Item: „Die Buße ist, daß ich beweine die vorigen Sünden und die beklagten Sünden nicht wieder tue.“ In den Sprüchen wird des Glaubens gar nicht gedacht, und auch in ihren Schulen, da sie gleich solche Sprüche nach der Länge handeln, gedenken sie des Glaubens gar nicht. Darum, damit die Lehre vom Glauben desto bekannter würde, haben wir den Glauben für ein Stück der Buße gesetzt. Denn die Sprüche, die unsere Reue und unsere guten Werke lehren und des Glaubens gar nicht gedenken, die sind gefährlich. wie die Erfahrung gibt. Darum, wenn sie die große Fahr der Seelen und Gewissen bedacht hätten, sollten die Sententiarii und Kanonisten über ihr Dekret billig weislicher geschrieben haben. Denn so die Väter von dem andern Teil der Buße auch reden, nicht allein von einem Teil, sondern von beiden, von der Reue und vom Glauben, so sollten sie beiden beieinander gesetzt haben.

Denn Tertullianus auch redet gar tröstlich vom Glauben, und sonderlich preist er den göttlichen Eid, davon der Prophet redet;: „Als wahr ich lebe, sagt der Her, will ich nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe.“ Dieweil Gott schwört, sagt er, er wolle nicht den Tod des Sünders, so erfordert er gewiß den Glauben, daß wir seinem Eid und Schwören glauben sollen, daß er uns die Sünden vergeben wolle. Gottes Zusagen sollen ohnedies bei uns aufs höchste angesehen und geachtet sein. Nun ist die Zusage mit einem Eid bestätigt. Darum so jemand hält, daß ihm die Sünden nicht vergeben werden, der lügenstraft Gott, welches die größte Gotteslästerung ist. Denn also sagt Tertullianus: Invitat praemio ad salutem, iurans etiam, etc.; das ist: „Gott lockt uns zu unserm eigenen Heil mit seinem eigenen Eide, daß man ihm glaube. O wohl denen, um derentwillen Gott schwört! O wehe uns elenden Leuten, wenn wir auch dem göttlichen Eide nicht glauben!“ Und hier müssen wir wissen, daß der Glaube gewiß dafürhalten soll, daß uns Gott aus Gnaden Sünde vergibt um Christus‘ willen, nicht um unserer Werke willen, um Beichte oder Genugtuns willen. Denn alsbald wir uns auf Werke gründen, werden wir ungewiß. Denn ein erschrocken Gewissen merkt bald, daß seine besten Werke nichts wert seien gegen Gott. Darum sagt Ambrosius ein fein Wort von der Buße: „Wir müssen Buße tun und auch glauben, daß uns Gnade widerfahre, doch also, daß wir der Gnade hoffen aus dem Glauben; denn der Glaube wartet und erlangt, wie aus einer Handschrift, Gnade.“ Item: „Der Glaube ist eben das, dadurch die Sünder bedeckt werden.“ Darum sind klare Sprüche in den Büchern der Väter nicht allein von Werken, sondern auch vom Glauben. Aber die Widersacher, so sie nicht verstehen die rechte Art der Buße, verstehen auch der Väter Sprüche nicht, klauben sie heraus etliche verstümmelt von einem Teil der Buße, nämlich von der Reue und von den Werken; Und was vom Glauben geredet ist, da laufen sie überhin.

Von der Beichte und Genugtuung.

Gottesfürchtige, ehrbare, fromme, christliche Leute können hier wohl merken, daß viel daran gelegen ist, daß man de poenitentia, von der Reue und dem Glauben, eine rechte, gewisse Lehre in der Kirche habe und erhalte. Denn der große Betrug vom Ablaß usw., item, die ungeschickte Lehre der Sophisten hat uns genug gewitzigt, was großen Unrats und Fährlichkeit daraus entsteht, wenn man hier fehlschlägt. Wie hat manch fromm Gewissen unter dem Papsttum hier so mit großer Arbeit den rechten Weg gesucht und unter solcher Finsternis nicht gefunden! Darum haben wir allezeit großen Fleiß gehabt, von diesem Stück klar, gewiß, richtig zu lehren. Von der Beichte und Genugtuung haben wir nicht besonders gezankt. Denn die Beichte behalten wir auch um der Absolution willen, welche ist Gottes Wort, dadurch uns die Gewalt der Schlüssel losspricht von Sünden. Darum wäre es wider Gott, die Absolution auch der Kirche also abtun usw. Diejenigen, so die Absolution verachten, die wissen nicht, was Vergebung der Sünden ist, oder was die Gewalt der Schlüssel ist. Von dem Erzählen aber der Sünden haben wir oben in unserm Bekenntnis gesagt, daß wir halten, es sei von Gott nicht geboten. Denn daß sie sagen, ein jeglicher Richter muß erst die Sachen und Gebrechen hören, ehe er das Urteil spreche, also müssen erst die Sünden erzählt werden usw. das tut nichts zur Sache. Denn die Absolution ist schlecht der Befehl loszusprechen, und ist nicht ein neu Gericht, Sünde zu erforschen. Denn Gott ist der Richter, der hat den Aposteln nicht das Richteramt, sondern die Gnadenexekution befohlen, diejenigen loszusprechen, so es begehren; Und sie entbinden auch und absolvieren von Sünden, die uns nicht einfallen. Darum ist die Absolution eine Stimme des Evangelii, dadurch wir Trost empfange, und ist nicht ein Urteil oder Gesetz.

Und es ist närrisch und kindisch genug bei Verständigen, den Spruch Salomonis, da er am 27. sagt: Diligenter cognosce vultum pecoris tui, das ist: „Habe acht auf deine Schafe“ usw., an dem Ort von der Beichte oder Absolution einzuführen. Denn Salomo redet da gar nicht von der Beichte, sondern gibt ein Gebot den Hausvätern, daß sie sollen mit dem Ihren zufrieden sein und sich fremdes Guts enthalten, und befiehlt mit dem Wort, ein jeder solle seines Viehes und Güter fleißig wahrnehmen; doch soll er aus Geiz Gottesfurcht, Gottes Gebot und Wort nicht vergessen. Aber die Widersacher machen aus der Schrift Schwarz und Weiß, wann und wie sie wollen, wider alle natürliche Art der klaren Worte an dem Ort: Cognosce vultum pecoris etc. Da muß cognoscere Beichtehören heißen. : „Vieh“ oder: „Schafe“ muß da Menschen heißen. Stabulum, achten wir, heißt auch eine Schule, da solche Doctores und Oratores innen sind. Aber ihnen geschieht recht, die also die Heilige Schrift, alle guten Künste verachten, daß sie so grob in der Grammatika fehlen. Wenn jemand an dem Ort je Lust hätten, einen Hausvater, davon Salomo redet, mit einem Seelenhirten zu vergleichen, so müßte vultus da nicht arcana conscientiae, sondern den äußerlichen Wandel bedeuten.

Aber ich lasse das fahren. Es wird an etlichen Orten in Psalmen gedacht des Worts confessio, als in 32. Psalm: „Ich will dem Herrn meine Übertretung bekennen wider mich.“ Dasselbe Beichten und Bekennen, das Gott geschieht, ist die Reue selbst. Denn wenn wir Gott beichten, so müssen wir im Herzen uns für Sünder erkennen, nicht allein mit dem Munde, wie die Heuchler die Worte allein nachreden. So ist diese Beichte, die Gott geschieht, eine solche Reue im Herzen, da ich Gottes Ernst und Zorn fühle, Gott recht gebe, daß er billig zürnt, daß er auch mit unserm Verdienst nicht könne versöhnt werden, und da wir doch Barmherzigkeit suchen, nachdem Gott hat Gnade in Christo zugesagt. Also ist das eine Beichte im 51. Psalm: „An dir allein hab‘ ich gesündigt, daß du recht erfunden werdest, wenn du gerichtet wirst.“ Das ist: Ich bekenne mich einen Sünder, und daß ich verdient habe ewigen Zorn, und kann mit meinen Werken noch mit meinem Verdienst deinen Zorn nicht stillen. Darum sage ich, daß du gerecht bist und billig uns strafst. Ich gebe dir recht, obwohl die Heuchler dich richten, du seiest unrecht, daß du ihr Verdienst und gute Werke nicht ansiehst. Ja, ich weiß, daß meine Werke vor einem Urteil nicht bestehen, sondern also werden wir gerecht, so du uns für gerecht schätzest durch deine Barmherzigkeit. Es möchte etwa auch einer den Spruch Jakobi anziehen: „Bekennet einander eure Sünden.“ Er redet aber da nicht von der Beichte, die dem Priester geschieht usw., sondern redet von einem Versöhnen und Bekennen, wenn ich sonst mich mit meinem Nächsten versöhne.

Es müssen auch die Widersacher gar viel ihre eigenen Lehrer verdammen, so sie wollen sagen, daß Erzählung der Sünden müsse geschehen und von Gott geboten sei. Denn wiewohl wir die Beichte auch behalten und sagen, es sei nicht unnütz, daß man die Jugend und unerfahrene Leute auch frage, damit sie desto besser mögen unterrichtet werden: doch ist das alles also zu mäßigen, damit die Gewissen nicht gefangen werden, welche nimmer können zufrieden sein, solange sie in dem Wahn sind, daß man vor Gott schuldig sei, die Sünden zu erzählen. Derhalben ist das Wort der Widersacher, da sie sagen, daß zur Seligkeit not sei eine ganz reine Beichte, da keine Sünde verschwiegen wird usw., ganz falsch. Denn solche Beichte ist unmöglich. O Her Gott, wie jämmerlich haben sie manch fromm Gewissen geplagt und gequält damit, da sie gelehrt, die Beichte müsse ganz rein sein und keine Sünde ungebeichtet bleiben! Denn wie kann ein Mensch immer gewiß werden, wann er ganz rein gebeichtet habe? Die Väter gedenken auch der Beichte, aber sie reden nicht von Erzählung der heimlichen Sünden, sondern von einer Zeremonie einer öffentlichen Buße. Denn vorzeiten hat man diejenigen, so in öffentlichen Lastern gewesen, nicht wieder angenommen in der Kirche ohne eine öffentliche Zeremonie und Strafe; derhalben so mußten sie den Priestern ihre Sünden namhaftig beichten, daß nach der Größe der Übertretung die satisfactiones konnten aufgelegt werden. Daß ganze Ding aber ist nicht gleich gewesen dem Sündererzählen, davon wir reden. Denn dieselbe Beichte und Bekenntnis geschah nicht darum, daß ohne dieselbe Beichte Vergebung der Sünden vor Gott nicht geschehen kann, sondern daß man ihnen keine äußerliche Strafe könnte auflegen, man wüßte denn die Sünde.

Und von der äußerlichen Zeremonie der öffentlichen Buße ist auch das Wort satisfactio oder Genugtuung hergekommen. Denn die Väter wollten diejenigen, so in öffentlichen Lastern erfunden, nicht wider annehmen ohne eine Strafe. Und dieses hatte viele Ursachen. Denn es diente zu einem Exempel, daß öffentlich Laster gestraft würden; wie auch die Glosse im Dekret sagt. So war er auch ungeschickt, daß man diejenigen, so in offenen Laster gefallen waren, sollte bald unversucht zu dem Sakrament zulassen. Dieselben Zeremonien alle sind nun vorlängst abgekommen, und ist nicht not, daß man sie wieder aufrichte, denn sie tun gar nichts zu der Versöhnung vor Gott. Auch ist es der Väter Meinung in keinem Wege gewesen, daß die Menschen dadurch sollten Vergebung der Sünden erlangen; wiewohl solche äußerliche Zeremonien leichtlich die Unerfahrenen dahin bringen, daß sie meinen, sie hülfen etwas zur Seligkeit. Wer nun das lehrt oder hält, der lehrt und hält ganz jüdisch und heidnisch. Denn die Heiden haben auch gehabt etliche Reinigungen, da sie haben wollen wähnen, sie würden dadurch mit Gott versöhnt. Nun aber, so dieselbe Weise der öffentlichen Buße abgekommen ist, ist geblieben der Name satisfactio, und ist noch geblieben der Schatten des alten Brauchs, daß sie in den Beichte Genugtuung auflegen und nennen es opera non debita. Wir nennen es satisfactiones canonicas. Davon lehren wir, wie von Erzählung der Sünden, nämlich, daß dieselben öffentlichen Zeremonien von Gott nicht geboten sind, auch nicht not sind und nicht helfen zur Vergebung der Sünden. Denn diese Lehre muß vor allen Dingen erhalten werden und stehenbleiben, daß wir durch den Glauben Vergebung der Sünden erlange, nicht durch unsere Werke, die vor oder nach geschehen, wenn wir bekehrt oder neugeboren sind in Christo. Und wir haben vornehmlich aus dieser Ursache von den satisfactionibus geredet, damit niemand die Genugtuung also verstünde, daß dadurch die Lehre vom Glauben würde unterdrückt, als könnten wir durch unsere Werke Vergebung der Sünden verdienen. Denn der gefährliche Irrtum von satisfactionibus ist also eingerissen und bestätigt durch etliche ungeschickte Lehren, so die Widersacher schreiben, die Genugtuung sei ein solch Werk, dadurch der göttliche Zorn und Ungnade versöhnt werde.

Jedoch bekennen die Widersacher selbst, daß die satisfactiones nicht losmachen die Schuld vor Gott, sondern sie erdichten, daß sie allein quitt= und losmachen die Pein oder Strafe. Denn so lehren sie, daß, wenn die Sünde vergeben wird, so wird die Schuld oder culpa ohne Mittel, allein durch Gott, vergeben; Und doch, dieweil er ein gerechter Gott ist, läßt er Sünde nicht ohne Strafe und verwandelt die ewige Strafe in eine zeitliche Strafe. Darüber lehren sie, daß ein Teil der zeitlichen Strafe erlassen werde durch die Gewalt der Schlüssel. Ein Teil aber soll durch die satisfactiones oder Genugtuungen bezahlt werden. Und man kann nicht verstehen, welches Teil der Strafe oder Pein erlassen werde durch die Gewalt der Schlüssel, sie wollten denn sagen, daß ein Teil der Pein des Fegefeuers erlassen werde, daraus folgen wollte, daß die satisfactiones allein dienten, zu erlösen die Pein des Fegefeuers. Und weiter sagen sie, die satisfactiones taugen vor Gott, wenn sie gleich von denjenigen geschehen, die in Todsünden gefallen sind; gleich als lasse sich Gott von denen versöhnen, die in Todsünden liegen und seine Feinde sind. Dieses alles sind eitel erträumte, erdichtete Lehren und Worte, ohne allen Grund der Schrift und wider alle Schriften der alten Väter. Auch redet Longobardus selbst nicht auf die Weise von den satisfactionibus. Die Scholastici haben wohl von Hörensagen gehabt, daß vorzeiten satisfactiones in der Kirche gewesen wären, und haben nicht bedacht, daß es eine äußerliche Zeremonie gewesen, da die publice poenitentes oder die Büßer sich gegen die Kirche erzeigen mußten mit einer Zeremonie, welche dazu war eingesetzt, erstlich zu einem Schrecken und Exempel, daran sich andere möchten stoßen, zum andern zu einer Probe, ob dieselben Sünder oder Büßer, so wieder Gnade begehrten, auch herzlich sich bekehrt hätten. In Summa, sie haben nicht gesehen, daß solche satisfactio eine äußerliche Zucht, Strafe und disciplina ist gewesen und ein solch Ding, wie eine andere weltliche Zucht, zu einer Scheu oder Furcht aufgerichtet. Darüber haben sie gelehrt, daß sie nicht allein zu einer Zucht, sondern auch Gott zu versöhnen dienten und not wären zur Seligkeit. Wie sie aber in vielen andern Stücken daß Reich Christi, welches geistlich ist, und der Welt Reich und äußerliche Zucht ineinandergekocht haben, also haben sie auch getan mit den satisfactionibus. Aber die Glossen in canonibus zeigen an etlichen vielen Orten an, daß dieselben satisfactiones allein zu einem Exempel vor der Kirche dienen sollen.

Hier laßt uns aber sehen, wie die Widersacher solche ihre Träume gründen und beweisen in der Konfutation, welche sie Kaiserlicher Majestät zuletzt aufgehängt. Sie ziehen viele Sprüche der Schrift an, daß sie den Unerfahrenen einen Schein machen, als sei ihre Lehre von satisfactionibus in der Schrift gegründet, welche doch noch zu Longobardus‘ Zeiten unbekannt war. Sie bringen diese Sprüche hervor: „Tut Buße, bring Früchte der Buße!“ Item: „Begebet eure Gliedmaßen, zu dienen der Gerechtigkeit!“ Item, Christus hat gesagt: „Tut Buße!“ Item, Christus befiehlt den Aposteln, Buße zu predigen. Item, Petrus predigt Buße in Geschichten der Apostel am 2. Danach zeigen sie an etliche Sprüche der Väter und die Kanones und beschließen, es sollen die Genugtuungen in der Kirche wider das Evangelium, wider der Väter und Konzilien Dekrete, wider den Beschluß der heiligen Kirche nicht abgetan werden, sondern diejenigen, so Absolution erlangen, sollen ihre Buße und Satisfaktion, Genugtuung, so ihnen vom Priester aufgelegt, vollbringen.

Gott wolle schänden und strafen solche verzweifelte Sophisten, die so verräterisch und böslich das heilige Evangelium auf ihre Träume deuten! Welchem frommen, ehrbaren Mann sollte nicht solch großer, öffentlicher Mißbrauch göttlichen Wortes im Herzen wehe tun? Christus spricht: „Tut Buße!“ Die Apostel predigen auch: „Tut Buße!“ Darum ist durch die Sprüche bewiesen, daß Gott Sünden nicht vergebe ohne um der erdichteten Satisfaktion willen? Wer hat die groben unverschämten Esel solche Dialektika gelehrt? Es ist aber nicht Dialektik noch Sophistik, sondern es sind Bubenstücke, mit Gottes Wort also zu spielen und so verdrießlichen Mutwillen zu treiben. Darum ziehen sie den Spruch als dunkel und verdeckt an aus dem Evangelio: „Tut Buße“ usw., daß, wenn die Unerfahrenen hören, daß dies Wort aus dem Evangelio wird wider uns angezogen, sie denken sollen, wir seien solche Leute, die gar nichts von der Buße halten. Mit solchen Bösewichtstücken gehen sie nit uns um. Wiewohl sie wissen, daß wir recht von der Buße lehren, so wollen sie doch die Leute abschrecken und gern viele Leute wider uns erbittern, daß die Unerfahrenen schreien sollen: Kreuzige, kreuzige solche schädliche Ketzer, welche von der Buße nicht halten! Und werden also öffentlich als die Lügner hier überwunden.

Aber wir trösten uns des und wissen’s fürwahr, daß bei gottesfürchtigen, ja bei ehrbaren, frommen, redlichen Leuten solche unverschämte Lügen und Fälscherei der Heiligen Schrift doch nichts schaffen. So wird auch Gott der Her, als wahr er ein lebendiger Gott ist, solche unverschämte Gotteslästerung und ungehörte Bosheit nicht lange leiden, sie werden sich gewiß am ersten und andern Gebot Gottes verbrennen. Und nachdem wir in unserer Konfession fast alle höchsten Artikel der ganzen christlichen Lehre begriffen haben, also daß über diese Sache keine größere, hochwichtigere Sache kann unter der Sonne sein, sollte man zu diesen hohen, allerwichtigsten Händeln, die ganze heilige, christliche Religion, Wohlfahrt und Einigkeit der ganzen christlichen Kirche und in aller Welt so viel unzählige Seelen und Gewissen jetzund dieser Zeit und bei unsern Nachkommen belangend, billig mit allem treuen, höchsten Fleiß Leute gesucht und auserlesen haben, die gottesfürchtiger, verständiger, erfahrener, tauglicher und redlicher wären, auch mehr treuen, guten Herzens und Sinnes zu gemeinem Nutzen, zur Einigkeit der Kirche, zur Wohlfahrt des Reichs trügen und erzeigten denn die losen, leichtfertigen Sophisten, so die Konfutation geschrieben haben. Und Ihr, Herr Kardinal Campegi, als der Verständige, dem diese Sache zu Rom vertraut, des Weisheit man rühmen will, wenn Ihr auch nichts denn des Papsts und Stuhls zu Rom Ehre wolltet achten oder ansehen, hättet hier besser sollen haushalten und diesem mit höchstem Fleiß vorkommen, daß in solcher so gar großen, trefflichen Sache durch die oder dergleichen Sophisten nicht eine solch ungeschickte confutatio wäre geschrieben, welche beide zu dieser Zeit und künftig bei den Nachkommen Euch nicht anders denn zu eitlem Spott, zur Verkleinerung eures Gerüchts und Namens, zu ewigem, unverwindlichem Schimpf und Schaden gereichen wird. Ihr Romanisten seht, daß diese die letzten Zeiten sind vor dem Jüngsten Tag, von welchen Christus warnt, daß viele Fährlichkeiten sollen vorfallen in der Kirche. Ihr nun, die ihr wollt Wächter, die Hirten und Häupter der Kirche genannt sein, sollt in dieser Zeit mit besonderem, treuem, höchstem Fleiß Aufsehen haben. Es sind viele Zeichen vor Augen schon, daß, wo ihr euch nicht ganz wohl in die Zeit und Sachen schickt und richtet, daß es mit dem ganzen römischen Stuhl und Wesen eine große, starke Veränderung gewinnen will. Und dürft euch in Sinn nicht nehmen, ja dürft nicht gedenken, daß ihr die Gemeinden und Kirchen allein mit dem Schwert und Gewalt wollt bei euch und dem römischen Stuhl erhalten. Denn gute Gewissen schreien nach der Wahrheit und rechtem Unterricht aus Gottes Wort, und denselben ist der Tod nicht so bitter, als bitter ihnen ist, wo sie etwa in einem Stücke zweifeln; darum müssen sie such, wo sie Unterricht finden. Wollt ihr die Kirche bei euch erhalten, so müßt ihr danach trachten, daß ihr recht lehren und predigen laßt; damit könnt ihr einen guten Willen und beständigen Gehorsam anrichten.

Wir wollen hier wieder zur Sache kommen. Die Sprüche aus der Schrift, so angezogen von Widersachern, reden nicht von den Genugtuungen und Satisfaktionen, davon die Widersacher streiten. Darum ist es lauter Fälscherei der Schrift, daß sie Gottes Wort auf ihre Meinung deuten. Wir sagen, wo rechte Buße, Erneuerung des Heiligen Geistes, ist im Herzen, da folgen gewiß gute Früchte, gute Werke, und ist nicht möglich, daß ein Mensch sollte sich zu Gott bekehren, rechte Buße tun, herzliche Reue haben, und sollten nicht folgen gute Werke, gute Früchte. Denn ein Herz und Gewissen, das recht seinen Jammer und Sünde gefühlt hat, recht erschreckt ist, das wird nicht viele Wollüste der Welt achten oder suchen. Und wo der Glaube ist, da ist er Gott dankbar, achtet und liebt herzlich seine Gebote. Auch ist inwendig im Herzen gewißlich keine rechte Buße, wenn wir nicht äußerlich gute Werke, christliche Geduld erzeigen. Und also meinet’s auch Johannes der Täufer, da er sagt: „Erzeiget rechte Früchte der Buße.“ Item Paulus, da er sagt zu den Römern am 6.: „Begebet eure Glieder zu Waffen der Gerechtigkeit“ usw. Und Christus, da er spricht: „Tut Buße!“ redet wahrlich von der ganzen Buße und von dem ganzen neuen Leben und seinen Früchten. Er redet nicht von den heuchlerischen Satisfaktionen, davon die Scholastici träumen und dürfen sagen, daß sie dann auch gelten vor Gott für die Strafe, wenn sie in Todsünden geschehen. Das sollte freilich ein köstlicher Gottesdienst sein!

Auch so sind sonst viele Argumente und Gründe, daß die obangezeigten Sprüche der Schrift sich nicht reimen auf die Genugtuungen, davon die Scholastici reden. Sie erdichten und sagen, die satisfactiones seien Werke, die wir nicht schuldig seien. Die Heilige Schrift aber in den Sprüchen, so eingeführt, fordert solche Werke, die wir schuldig sind. Denn dieses Wort Christ, da er sagt: „Tut Buße!“ ist ein Wort des göttlichen Gebots. Item, die Widersacher schreiben, daß diejenigen, so da beichten, ob sie schon die aufgelegten satisfactiones nicht wollen annehmen, daß sie doch darum nicht sündigen, sondern werden im Fegefeuer müssen Strafe tragen und genugtun. Nun hat’s je keinen Zweifel, daß diese Sprüche: „Tut Buße!“ usw., item Pauli: „Gebet eure Gliedmaßen, zu dienen der Gerechtigkeit“ und dergleichen Sprüche, seien Christi und der Apostel, die das Fegefeuer gar nichts, sondern allein dieses Leben angehen. Derhalben können sie nicht gestreckt werden zu den aufgelegten satisfactionibus, die ich mag annehmen oder nicht annehmen; denn Gottes Gebote sind uns nicht also frei heimgestellt usw. Zum dritten, so lehrt des Papsts Recht und Kanon, daß durch den Ablaß solche satisfactiones werden erlassen, cap. Quum ex eo, de poenitentiis. Aber der Ablaß macht niemand los von diesen Geboten: „Tut Buße, erzeiget rechte Früchte der Buße!“ usw., Darum ist es hell am Tage, daß man ganz ungeschickt die Sprüche der Schrift einführt von den satisfactionibus. Denn so die Strafen des Fegefeuers sind satisfactiones oder satispassiones, oder so die satisfactiones sind Quittierung der Pein des Fegefeuers, so müssen die obangezeigten Sprüche Christi und Pauli auch beweisen und probieren, daß die Seelen ins Fegefeuer fahren und daselbst Pein leiden. So nun das von Not folgt aus den Widersacher Opinion, so müssen die Sprüche alle neue Röcke anziehen und also ausgelegt werden: Facite fructus etc., „erzeiget rechte Früchte der Buße“, das ist: Leidet im Fegefeuer nach diesem Leben. Aber es ist verdrießlich, so von öffentlichem Irrtum der Widersacher mehr Worte zu machen. Denn man weiß fürwahr, daß die Schrift an den Orten redet von Werken, die wir schuldig sind, und von dem ganzen neuen Leben eines Christen usw., nicht von den erdichteten Werken, die wir nicht schuldig sind, davon die Widersacher reden. Und doch mit diesen Lügen verteidigen sie die Möncherei, das Kaufen und Verkaufen der Messen und unzählige unsere Traditionen, nämlich, daß es Werke seien, genugzutun für die Pön und Strafe, ob sie gleich für die Schuld gegen Gott nicht genugtun.

So nun die Sprüche, aus der Schrift angezogen, gar nicht melden, daß durch die Werke, so wir nicht schuldig sind, die ewige Pein oder Fegefeuer bezahlt werden, so sagen die Widersacher ohne allen Grund, daß durch solche satisfactiones die Peinen des Fegefeuers abgelöst werden. So haben auch die Schlüssel nicht Befehl, Pein aufzulegen oder die Pein zum Teil, halb oder ganz, zu quittieren. Man liest solche Träume und Lügen nirgend in der Schrift. Christus redet von Vergebung der Sünden, da er sagt: „Was ihr auflöset“ usw. Wenn die Sünde vergeben ist, so ist auch der Tod weggenommen und das ewige Leben gegeben. Auch so redet der Text: „Was ihr auflöset“ usw., nicht von Strafe auflegen, sondern daß auf denjenigen die Sünden bleiben, die sich nicht bekehren. Wiewohl wir nun halten, daß nach der rechten Buße gute Früchte und Werke folgen sollen, Gott zu Lob und Dank, und von denselben guten Werken und Früchten haben wir Gottes Gebote, als von Fasten, Beten, Almosen usw.: so findet man doch nirgend in der Schrift, daß Gottes Zorn oder die ewigen Peinen sollten mögen abgelöst werden durch die Pein des Fegefeuers oder durch satisfactiones oder Genugtun, das ist, durch etliche Werke, die wir ohnedies nicht schuldig wären, oder daß die Gewalt der Schlüssel Befehl haben, Pein aufzulegen oder einen Teil der Pein zu erlassen. Dasselbe sollten nun die Widersacher aus der Schrift beweisen; das werden sie wohl lassen.

Darüber so ist es gewiß, daß Christus‘ Tod eine Genugtuung ist nicht allein für die Schuld gegen Gott, sondern auch für den ewigen Tod, wie klar der Spruch Hoseas lautet: „Tod, ich will dein Tod sein.“ Was ist es denn für ein Greuel, zu sagen, daß Christi Tod genugtue für die Schuld gegen Gott, aber die Pein, so wir leiden, die erlöse uns vom ewigen Tode, also daß dies Wort des Propheten: „Tod, ich will dein Tod sein“ nicht Christo, sondern von unsern Werken, und dazu von elenden menschlichen Satzungen, die Gott nicht geboten hat, sollen verstanden werden! Und noch darüber dürfen sie sagen, daß dieselben Werke für den ewigen Tod genugtun, wenn sie gleich in Todsünden geschehen. Es muß billig einem frommen Herzen weh tun die ganz ungeschickte Rede der Widersacher. Denn wer es liest und bedenkt, dem müssen je herzlich weh tun solche öffentliche Teufelslehren, die der leidige Satan in die Welt gestreut hat, die rechte Lehre des Evangelii zu unterdrücken, damit niemand oder wenige möchten unterrichtet werden, was Gesetz oder Evangelium, was Buße oder Glaube oder was die Wohltaten Christi seien. Denn vom Gesetz sagen sie also: Gott hat unsere Schwachheit angesehen und hat dem Menschen ein Ziel und Maß gesetzt der Werke, welche er zu tun schuldig ist; das sind die Werke der zehn Gebote usw., daß er von dem übrigen, von den operibus supererogationis, das ist, von den Werken, die er nicht schuldig ist, möchte genugtun für seine Fehle und Sünden. Da erdichten sie ihnen selbst einen Traum, als vermöge oder könne ein Mensch also Gottes Gesetz erfüllen, daß er etwas mehr und übriges tue., denn das Gesetz erfordert, so doch die ganze Heilige Schrift zeugt, alle Propheten auch zeugen, daß Gottes Gesetz viel Höheres fordere, denn wir immer zu tun vermögen. Aber sie wollen wähnen, das Gesetz Gottes und Gott sei zufrieden mit äußerlichen Werken, und sehen nicht, wie das Gesetz fordert, daß wir Gott lieben sollen von ganzem Herzen usw. und aller bösen Lüste los sein. Darum ist kein Mensch auf Erden, der so viel tut, als das Gesetz erfordert. Darum ist’s bei Verständigen ganz närrisch und kindisch anzusehen, daß sie erdichten wir können noch etwas mehr tun, denn das göttliche Gesetz erfordert. Denn wiewohl wir die armen, äußerlichen Werke tun können, die nicht Gott, sondern Menschen geboten haben, welche Paulus bettelische Satzungen nennt, so ist doch das ein närrisch, vergeblich Vertrauen, daß ich vertrauen wollte, ich hätte damit Gottes Gesetz erfüllt, ja mehr getan, denn Gott erfordert. Item, rechte Gebete und rechte Almosen, rechte Fasten, die sind von Gott geboten, und im Fall, da sie von Gott geboten sind in Gottes Gesetz, sondern haben eine Form nach menschlicher Wahl, so sind sie nichts denn Menschensatzungen, von welchen Christus sagt: „Sie dienen mir vergeblich mit Menschengeboten.“ Wie denn sind etliche gewisse Fasten, nicht dazu erfunden, das Fleisch zu zähmen, sondern damit Gott zu ehren und, wie Scotus sagt, des ewigen Todes los zu werden. Item, wie denn sind etliche Gebete, etliche gewisse Almosen, welche sollen ein Gottesdienst sein, welcher ex opere operato Gott versöhne und von ewiger Verdammnis erlöse. Denn sie sagen und lehren, daß solche Werke ex opere operato, das ist, durchs getane Werk, für die Sünde genugtun, und lehren, daß solche Satisfaktion gelte, obgleich einer in Todsünden liegt. Darüber sind noch Werke, die noch weniger göttlichen Befehl oder Gebot haben, als da sind Rosenkränze, Wallfahrten, welche denn mancherlei sind. Denn etliche gehen in vollem Harnisch zu St. Jakob, etliche mit bloßen Füßen und dergleichen. Das nennt Christus vergebliche, unnütze Gottesdienste. Darum sind sie nicht nütze, Gott zu versöhnen, wie doch die Widersacher sagen, und dieselben Werke, als Wallfahrten, rühmen sie doch und achten’s für große, köstliche Werke, nennen es opera supererogationis, und, das schändlicher ist, das noch gotteslästerlicher ist, man gibt ihnen die Ehre, die Christi Tod und Blut allein gebührt, daß sie sollen das pretium, das ist, der Schatz, sein, damit wir von dem ewigen Tod erlöst sind. Pfui des leidigen Teufels, der Christus‘ heiligen und teuren Tod so schmähen und lästern darf! Also werden dieselben Wallfahrten vorgezogen den rechten Werken, so in den zehn Geboten sind ausgedrückt, und wird also auf zweierlei Weise Gottes Gesetz verdunkelt: erstlich, daß sie wähnen, sie haben dem Gesetz genuggetan, so sie die äußerlichen Werke getan haben; zum andern, daß sie die elenden Menschensatzungen höher achten denn die Werke, so Gott geboten hat.

Darüber wird auch unterdrückt die Lehre von der Buße und Gnade. Denn der ewige Tod und die Ängste der Hölle lassen sich nicht also quittieren, wie sie wähnen wollen. Man muß gar viel einen andern und größeren Schatz haben, dadurch wir vom Tode, ewigen Ängsten und Schmerzen erkauft werden, denn unsere Werke sind. Denn solche Werkheiligkeit ist ein müßig Ding, und die Werkheiligen schmecken nicht einmal, was der Tod ist, sondern wie Gottes Zorn nicht anders mag noch kann überwunden werden denn durch den Glauben an Christum, also wird auch der Tod überwunden allein durch Christum, wie Paulus sagt: „Gott sei Lob, der uns Sieg gibt durch Jesum Christum, unsern Herrn.“ Er sagt nicht: der uns Sieg gibt durch unsere Genugtuung. Die Widersacher reden sehr kalt und schläfrig von der Vergebung der Sünden gegen Gott und sehen nicht, daß Vergebung solcher Schuld und Erlösung von Gottes Zorn und ewigem Tods ein solch groß Ding ist, daß solches allein durch den einigen Mittler Christum und durch den Glauben an ihn erlangt wird. So nun der Tod und das Blut Christi die rechte Bezahlung ist für den ewigen Tod, und die Widersacher selbst bekennen, daß solche Werke der Satisfaktion Werke seien, die wir nicht schuldig sind, sondern Menschensatzungen, von welchen Christus Mat. am 15. sagt, daß es vergebliche Gottesdienste seien, so mögen wir frei auch aus ihren eigenen Worten schließen, daß solche satisfactiones nicht von Gott geboten sind, auch ewige Pein und Schuld oder Pein des Fegefeuers nicht ablösen.

Es werden die Widersacher vielleicht uns hier vorwerfen, daß die Pein und Strafe eigentlich zur Buße gehöre. Denn Augustinus sagt, „die Buße sei eine Rache, Angst und Strafe über die Sünde“. Antwort: unsere Widersacher sind grobe Esel, daß sie die Worte Augustini, der da redet von der Reue und ganzen Buße, deuten auf die Zeremonie der Satisfaktion und weiter noch daran hängen, daß solche satisfactio soll verdienen Vergebung des ewigen Todes. Wir lehren auch, daß in der Buße Strafe der Sünden sei; denn die großen Schrecken, dadurch die Sünde in uns gerichtet wird, ist eine Strafe, viel größer und höher denn Wallfahrten und dergleichen Gaukelspiel. Aber solch Schrecken geht die satisfactiones nicht an, so verdient es auch nicht Vergebung der Sünden oder des ewigen Todes, sondern wo wir nicht durch den Glauben getröstet würden, wäre solch Schrecken und Strafe eitel Sünde und Tod. Also lehrt Augustinus von der Strafe. Aber unsere Widersacher, die groben Esel, wissen gar nicht, was Buße oder Reue sei, sondern gehen mit ihrem Gaukelspiel um, mit Rosenkränzen, Wallfahrten und dergleichen.

Aber da sprechen sie: Gott, da er ein gerechter Richter ist, muß die Sünde ohne Strafe nicht lassen. Ja, wahrlich straft er die Sünde, wenn er in solchem Schrecken die Gewissen so stark mit seinem Zorn drängt und ängstet, wie David im 6. Psalm sagt: „Herr, strafe mich nicht in deinem Grimm!“ Und Jeremias am 10. Kapitel: „Strafe mich, Her, doch mit Gnaden, nicht in deinem Grimme, daß ich nicht vergehe.“ Da redet er wahrlich von großer, unsäglicher Angst, und die Widersacher selbst bekennen, die Reue könne so bitter und geschwind sein, daß die Satisfaktion nicht not sei. Darum ist die contritio oder Reue gewisser eine Pein denn die satisfactio. Darüber müssen die Heiligen den Tod, allerlei Kreuz und Trübsal tragen wie die andern; wie Petrus sagt 1 Pet. 4: „Es ist Zeit, das Gericht anzufangen an dem Hause Gottes.“ Und wiewohl dieselben Trübsale oft Pön und Strafe sind über die Sünde, so haben sie doch in den Christen eine andere Ursache, nämlich daß sie sollen die Christen treiben und üben, daß sie in Anfechtung merken ihren schwachen Glauben und lernen Gottes Hilfe und Trost suchen, wie Paulus von ihm selbst sagt 2 Kor 1: „Da wir über die Maßen beschweret waren und über Macht, also daß wir bei uns beschlossen hatten, wir müßten sterben, damit wir lerneten nicht auf uns vertrauen.“ Und Jesaias sagt: „Die Not und Angst, darin sie stecken und dich anrufen, ist ihnen eine Zucht“, das ist, die Trübsal ist die Kinderzucht, dadurch Gott übt die Heiligen. Item, die Trübsale auch schickt uns Gott zu, die Sünde in uns, so noch übrig ist, zu töten und zu dämpfen, daß wir im Geist erneuert werden; wie Paulus Röm. 8 sagt: „Der Leib ist tot um der Sünde willen“, das ist, er wird täglich mehr und mehr getötet um der Sünde willen, die noch im Fleisch übrig ist, und der Tod selbst dient dazu, daß er des sündlichen Fleisches ein Ende mache, und daß wir gar heilig und erneuert aufstehen von den Toten. Von diesen Trübsalen und Pönen werden wir nicht los durch die satisfactiones; derhalben kann man nicht sprechen, daß die satisfactiones gelten für solch Kreuz und Trübsal und zeitliche Strafen der Sünden wegnehmen. Denn dies ist gewiß, daß die Gewalt der Schlüssel niemand frei, los absolvieren kann vom Kreuz oder von andern gemeinen Trübsalen. Und so sie wollen, daß das Wort poenae, dadurch genuggetan wird, solle von gemeinen Trübsalen verstanden werden, wie lehren sie denn, man müsse im Fegefeuer genugtun?

Sie werfen uns Exempel vor von Adam und David, welcher um seines Ehebruchs willen gestraft ist. Aus den Exempeln mache sie eine Regel, daß jegliche Sünde müsse ihre gewisse zeitliche Strafe haben, ehe die Sünden vergeben werden. Ich habe vorhin gesagt, daß die Christen Trübsal leiden, dadurch sie gezüchtigt werden, so leiden sie Schrecken im Gewissen, manchen Kampf und Anfechtung. Also legt unser Herrgott auch etliches Sündern eigene Pön und Strafe auf zu einem Exempel. Und mit den Pönen hat die Gewalt der Schlüssel nichts zu tun, sondern allein Gott hat sie aufzulegen und zu lösen, wie er will.

Es folgt auch gar nicht, weil David eine eigene Strafe aufgelegt ist, daß darum über das gemeine Kreuz und Trübsal aller Christen noch eine Pein des Fegefeuers sei, da eine jegliche Sünde ihren Grad und Maß der Pein hat. Denn es ist nirgend in der Schrift zu finden, daß wir von ewiger Pein und Tod nicht sollten können erlöst werden denn durch solche Quittierung unsers Leidens und Genugtuns. Aber allenthalben zeugt die Schrift, daß wir Vergebung der Sünden ohne Verdienst erlangen durch Christum, und daß Christus allein die Sünde und den Tod überwunden hat. Darum sollen wir unser Verdienst nicht daran annähen und flicken. Und wiewohl Christen allerlei Pön, Strafe und Trübsal leiden müssen, so zeigt doch die Schrift an, daß solche uns aufgelegt werden, den alten Adam zu töten und zu demütigen, nicht damit uns von dem ewigen Tod zu lösen.

Hiob wird entschuldigt in der Schrift, daß er nicht geplagt sei um einiger bösen Taten willen. Darum sind die Trübsale und Anfechtungen nicht allezeit göttlichen Zornes Zeichen, sondern man muß die Gewissen fleißig unterrichten, daß sie die Trübsale lernen gar viel anders ansehen, nämlich als Gnadenzeichen, daß sie nicht denken, Gott habe sie von sich gestoßen, wenn sie in Trübsalen sind. Man soll die andern rechten Früchte des Kreuzes ansehen, nämlich daß Gott uns angreift und darum ein fremd Werk tut, wie Jesaias sagt, damit er sein eigen Werk in uns haben möge; wie er denn davon eine lange, tröstliche Predigt macht im 28. Kapitel. Und da die Jünger fragten von dem Blinden, Joh. 9, sagt Christus, daß weder des Blinden Eltern noch er gesündigt habe, sondern Gottes Ehre und Werke müßten offenbart werden. Und also sagt auch Jeremias der Prophet: „Diejenigen, so nicht schuld dran haben, sollen auch den Kelch trinken“ usw. Also sind die Propheten erwürgt, also ist Johannes Baptista getötet und andere Heilige. Darum sind die Trübsale nicht allzeit Strafen oder Pönen für die vorigen Sünden, sondern sind Gottes Werke zu unserm Nutz gerichtet, daß Gottes Stärke und Kraft in unserer Schwachheit desto klarer erkannt werde, wie er mitten im Tode helfen kann usw.

Also sagt Paulus: „Gottes Kraft und Stärke läßt sich in Schwachheit erfahren und sehen.“ Darum sollen wir unsere Leiber opfern in Gottes Willen, unsern Gehorsam und Geduld zu erzeigen, nicht von dem ewigen Tode oder ewiger Pein uns zu erlösen. Denn da hat Gott einen andern Schatz verordnet, nämlich den Tod seines Sohnes, unsers Herrn Christi. Und also legt St. Gregorius das Exempel Davids aus, da er sagt: „So Gott um derselben Sünde willen ihm gedräut hat, daß er also von seinem eigenen Sohn sollte gedemütigt werden, warum hat er denn solches ergehen lassen, da die Sünde schon vergeben war? Ist zu antworten, daß die Vergebung geschehen ist, daß der Mensch nicht verhindert würde, das ewige Leben zu empfangen. Die gedräute Strafe ist nichtsdestoweniger gefolgt, daß er ihn prüfte und in Demut behielte. Also hat auch Gott dem Menschen den natürlichen Tod aufgelegt und denselben auch, als die Sünde vergeben, nicht weggenommen, damit bewährt werden und geprüft diejenigen, welchen Sünde vergeben und sie geheiligt werden.“

Nun ist öffentlich, daß die Schlüssel diese gemeine Strafe, als Krieg, Teuerung und dergleichen Plagen, nicht wegnehmen; item, daß auch canonicae satisfactiones uns nicht losmachen von solchen Plagen, also daß unsere satisfactiones dafür helfen oder gelten sollten, wenn wir schon in Todsünden liegen. Auch bekennen die Widersacher selbst, daß sie die satisfactiones auflegen nicht für solche gemeine Plagen, sondern für das Fegefeuer. Darum sind ihre satisfactiones eitel erdichtete Träume. Aber hier ziehen etliche den Spruch Pauli an 1 Kor. 11: „So wir uns selbst richteten, so würden wir nicht gerichtet.“ Daraus schließen sie: so wir uns selbst Strafe auflegten, würde Gott gnädiger strafen. Antwort: Paulus redet von Besserung des ganzen Lebens, nicht von äußerlicher Strafe und Zeremonie, darum tut dieser Spruch nichts zur Satisfaktion. Denn was fragt Gott nach der Strafe ohne Besserung? Ja, es ist eine greuliche Gotteslästerung, daß man lehrt, unsere Satisfaktion lindert Gottes Strafe, wenn sie schon in Todsünden geschieht. Paulus redet von Reue und Glauben und von der ganzen Besserung, redet nicht von der äußerlichen Strafe allein. Darum kann man hieraus nicht mehr erzwingen denn: so wir uns bessern, so wende Gott seine Strafe ab. Das ist wahr und ist nützlich, tröstlich und not zu predigen, daß Gott die Strafe lindert, wenn wir uns bessern, wie er mit Ninive tat. Und also lehrt Jesaias im 1. Kapitel: „Wennschon eure Sünden blutrot sind, sollen sie dennoch ab und schneeweiß sein, wenn ihr euch bessert.“ Und diese Besserung steht nicht in der canonica satisfactione, sondern in andern Stücken der Buße, in Reue, im Glauben, in guten Werken, so folgen nach dem Glauben. Aber unsere Widersacher deuten diese tröstlichen Sprüche auf ihre Lügen und Gaukelspiel von der Satisfaktion.

Daß aber die alten Lehrer und Väter der Satisfaktion gedenken, daß die Concilia von den satisfactionibus Canones gemacht, habe ich droben gesagt, es sei eine äußerliche Zeremonie gewesen, und ist der Väter Meinung nicht gewesen, daß dieselbe Zeremonie der Buße sollte ein Auslöschen sein der Schuld gegen Gott oder der Pein. Denn so etliche Väter gleich sind, die des Fegefeuers gedenken, so legen sie es doch selbst auf: ob es auch wäre, so sei es doch nicht Erlösung von ewigem Tod und Pein, welches Christus allein tut, sondern daß es ein Reinigen und Fegen sei (wie sie reden) der unvollkommenen Seelen. Also sagt Augustinus: „Die täglichen Sünden werden verbrannt und ausgelöscht, also schwacher Glaube gegen Gott und dergleichen“ usw. Man findet auch an etlichen Orten, daß die Väter das Wort satisfactio oder Genugtuung, welches ursprünglich von der Zeremonie der öffentlichen Pönitenz herkommt, wie ich gesagt, brauchen für rechte Reue und Tötung des alten Adams. Also sagt Augustinus: „Die rechte satisfactio oder Genugtuung ist, Ursachen der Sünden abschneiden, das ist, das Fleisch töten“ usw. item, „das Fleisch zähmen und kasteien; nicht daß ewiger Tod oder Pein damit quittiert werde, sondern daß uns das Fleisch nicht zu Sünden ziehen möge“.

Also sagt Gregorius von Wiedergeben fremder Güter, daß es eine falsche Buße sei, wenn denjenigen nicht genug geschieht, deren Güter wir mit Unrecht innehaben. Denn den gereuet es nicht, daß er gestohlen hat, der noch immer stiehlt. Denn solange er fremd Gut innehat, so lange ist er ein Dieb oder Räuber. Dieselbe satisfactio gegen die, so einer schuldig ist, soll gegen dieselben geschehen, und von derselben civili satisfactione ist nicht not, hier zu disputieren.

Item, die Väter schreiben, daß es genug sei, daß einmal im ganzen Leben geschehe die publica Pönitenz oder die öffentliche Buße, davon die canone satisfactionum gemacht sind. Daraus kann man merken, daß ihre Meinung nicht gewesen, daß dieselben Canones nötig sein sollten zur Vergebung der Sünden. Denn ohne dieselben Zeremonien der öffentlichen Buße lehren sie sonst viel von der christlichen Buße, da sie der canones satisfactionum nicht gedenken.

Die Esel so die Konfutation gestellt haben, sagen, es sei nicht zu leiden, daß man die satisfactiones wider das öffentliche Evangelium wolle abtun. Wir haben aber bisanher klar genug angezeigt, daß dieselben canonicae satisfactiones, das ist, solche Werke wie sie davon reden, so wir nicht schuldig sind, in der Schrift oder Evangelio nicht gegründet sind. So zeigt das die Sache an ihr selbst an. Dann wenn die satisfactiones Werke sind, die man nicht schuldig ist, warum sagen sie, wir lehren wider das klare Evangelium? Dann so im Evangelio stünde, daß die ewigen Pein und Tod weggenommen würden durch solche Werke, so wären es Werke, die man vor Gott zu tun schuldig wäre. Aber sie reden also, daß sie den Unerfahrenen einen Schein vor der Nase machen, und ziehen Sprüche der Heiligen Schrift an, welche von rechten christlichen Werken, die wir schuldig sind, reden, so sie doch ihr Genugtun gründen auf Werke, die wir nicht schuldig sind, und welche sie opera non debita nennen. Sie lehren und geben selbst nach in ihren Schulen, daß man ohne Todsünde solche Satisfaktionen könne nachlassen. Darum ist das falsch, daß sie sagen, das klare Evangelium gebiete, man müsse die satisfactiones halten.

Weiter haben wir nun oft gesagt, daß rechtschaffene Buße ohne gute Werke und Früchte nicht sein könne, und was rechte gute Werke seien, lehren die zehn Gebote, nämlich Gott den Herrn wahrlich und von Herzen am höchsten groß achten, fürchten und lieben, ihn in Nöten fröhlich anrufen, ihm allezeit danken, sein Wort bekennen, dasselbe Wort hören, auch andere dadurch trösten, lehren, Eltern und Obrigkeit gehorsam sein, seines Amts und Berufs treulich warten, nicht bitter, nicht gehässig sein, nicht töten, sondern tröstlich, freundlich sein dem Nächsten, den Armen nach Vermögen helfen, nicht huren, nicht ehebrechen, sondern das Fleisch allenthalben im Zaum halten. Und das alles, nicht für den ewigen Tod oder ewige Pein genugzutun, welches Christo allein gebührt, sondern also zu tun, damit dem Teufel nicht Raum gegeben werde und Gott erzürnt und der Heilige Geist betrübt und geunehrt werde. Diese Früchte und guten Werke hat Gott geboten, haben auch ihre Belohnung, und um Gottes Ehre und göttlichen Gebots willen sollen sie auch geschehen. Daß aber die ewigen Peinen nicht anders erlassen werden denn allein durch Genugtun im Fegefeuer oder etliche gute Werke menschlicher Traditionen, da sagt die Heilige Schrift nirgend von. Durch den Ablaß werden etwa solche aufgelegte Buße und Satisfaktion quittiert den publice poenitentibus oder Büßern, daß die Leute nicht zu sehr beschwert werden. Haben nun Menschen Macht, die satisfactiones und aufgelegten Strafen oder Pönen zu erlassen, so ist solche satisfactio von Gott nicht geboten. Denn göttlichen Befehl und Gebot kann ein Mensch nicht abtun. Nachdem aber die alte Weise der öffentlichen Buße und Genugtuung ist vorlängst abgetan, welches die Bischöfe von einer Zeit auf die andere haben geschehen lassen, ist des Ablasses nicht vonnöten, und ist doch der Name indulgentia oder Ablaß in der Kirche geblieben. Gleichwie nun das Wort satisfactio ist anders verstanden denn für eine Kirchenordnung und Zeremonie, also hat man dies Wort Indulgenz oder Ablaß auch unrecht gedeutet und ausgelegt für solche Gnade und Ablaß, durch welchen die Seelen aus den Fegefeuer erlöset werden, so doch die ganze Gewalt der Schlüssel in der Kirche nicht weiter sich erstreckt denn allein hier auf Erden, wie der Text lautet: „Was du binden wirst auf Erden, das soll gebunden sein im Himmel; was du auflösen wirst auf Erden, das soll aufgelöst sein im Himmel.“ So ist die Gewalt der Schlüssel nicht eine solche Gewalt, sonderliche eigene Strafen oder Gottesdienst aufzurichten, sondern allein Sünden zu vergeben denjenigen, so sich bekehren, und zu bannen diejenigen, so sich nicht bekehren. Denn auflösen an dem Ort heißt Sünden vergeben, binden heißt Sünden nicht vergeben. Denn Christus redet von einem geistlichen Reich, und Gott hat befohlen, diejenigen, so sich bekehren, von Sünden zu entbinden, wie Paulus sagt: „Die Gewalt ist uns gegeben zu erbauen und nicht zu brechen.“ Darum ist auch die reservatio casuum, das ist, darin der Papst und die Bischöfe etliche Fälle vorbehalten, ein äußerlich, weltlich Ding. Denn sie behalten ihnen vor die Absolution a poena canonica, nicht von der Schuld gegen Gott. Darum lehren die Widersacher recht, da sie selbst bekennen und sagen, daß in der Todesstunde eine solche reservatio oder Vorbehaltung nicht solle hindern die rechte christliche Absolution.

Hiermit haben wir die Summa unserer Lehre von der Buße angezeigt und wissen fürwahr, daß dieselbe christlich und frommen Herzen ganz nützlich ist und hoch vonnöten. Und so gottesfürchtige, fromme, ehrbare Leute diesen allerwichtigsten Handel nach Notdurft bedenken werden und diese unsere, ja Christi und der Apostel Lehre halten gegen so viele ungeschickte, verworrene, kindische Disputationen und Bücher der Widersacher, so werden sie befinden, daß sie das allerhöchste, nötigste Stück, nämlich vom Glauben an Christum, ohne welches niemand etwas Rechtschaffenes, Christliches lehren oder lernen mag, gar haben ausgelassen, dadurch allein die Gewissen mögen rechten Trost haben. Die werden auch sehen, daß die Widersacher viel aus eigenem Hirn erdichten von Verdienst der Attrition, von der Erzählung der Sünden, von Genugtuung, welches alles in der Schrift ungegründet und weder oben noch unten anreicht, welches die Widersacher selbst nicht verstehen.

Artikel XIII. Von den Sakramenten und ihrem rechten Gebrauch

Im dreizehnten Artikel lassen ihnen die Widersacher gefallen, daß wir sagen, die Sakramente sind nicht schlechte Zeichen, dabei die Leute untereinander sich kennen, wie Losung im Krieg und Hoffarbe usw., sondern sind kräftige Zeichen und gewisse Zeugnisse göttlicher Gnade und Willens gegen uns, dadurch Gott unsere Herzen erinnert und stärkt, desto gewisser und fröhlicher zu glauben. Aber hier wollen sie haben, wir sollen auch bekennen, daß an der Zahl sieben Sakramente seien, nicht mehr noch weniger. Darauf sprechen wir, daß not sei, diese Zeremonien und Sakramente, die Gott eingesetzt hat durch sein Wort, wie viele und in was Zahl die sind, zu erhalten. Aber von dieser Zahl der sieben Sakramente befindet man, daß die Väter selbst nicht gleich gezählt haben; so sind auch diese sieben Zeremonien nicht alle gleich nötig.

So wir Sakramente nennen die äußerlichen Zeichen und Zeremonien, die da haben Gottes Befehl und haben eine angeheftete göttliche Zusage der Gnade, so kann man bald schließen, was Sakramente seien. Denn Zeremonien und andere äußerliche Dinge, von Menschen eingesetzt, sind auf die Weise nicht Sakramente. Denn Menschen ohne Befehl haben nicht Gottes Gnade zu verheißen. Darum Zeichen, so ohne Gottes Befehl sind eingesetzt, die sind nicht Zeichen der Gnade, wiewohl sie den Kindern und groben Leuten sonst mögen eine Erinnerung bringen, als ein gemalt Kreuz. So sind nun rechte Sakramente die Taufe und das Nachtmahl des Herrn, die Absolution. Denn diese haben Gottes Befehl, haben auch Verheißung der Gnade, welche denn eigentlich gehört zum Neuen Testament und ist das Neue Testament. Denn dazu sind die äußerlichen Zeichen eingesetzt, daß dadurch bewegt werden die Herzen, nämlich durchs Wort und äußerliche Zeichen zugleich, daß sie glauben, wenn wir getauft werden, wenn wir des Herrn Leib empfangen, daß Gott uns wahrlich gnädig sein will durch Christum; wie Paulus sagt: „Der Glaube ist aus dem Gehör.“ Wie aber das Wort in die Ohren geht, also ist das äußerliche Zeichen vor die Augen gestellt, um inwendig das Herz zu reizen und zu bewegen zum Glauben. Denn das Wort und äußerliche Zeichen wirken einerlei im Herzen, wie Augustinus ein fein Wort geredet hat. „Das Sakrament“, sagt er, „ist ein sichtlich Wort.“ Denn das äußerliche Zeichen ist das durchs Wort gepredigt wird; darum richtet beides einerlei aus.

Aber die confirmatio und die letzte Ölung sind Zeremonien, welche von den alter Vätern hergekommen, welche auch die Kirche nie als für nötig zur Seligkeit geachtet hat. Denn sie haben nicht Gottes Befehl noch Gebot. Darum ist’s wohl gut, dieselben zu unterscheiden von den obangezeigten, welche durch Gottes Wort eingesetzt und befohlen sind und eine angeheftete Zusage Gottes haben.

Durch das Sakrament des Ordens oder Priesterschaft verstehen die Widersacher nicht das Predigtamt und das Amt, die Sakramente zu reichen und auszuteilen, sondern verstehen es von Priestern, die zu opfern geordnet seien. Gleich als müsse im Neuen Testament ein Priestertum sein, wie das levitische Priestertum gewesen, da die Priester für das Volk opfern und den andern Vergebung der Sünden erlangen. Wir aber lehren, daß das einige Opfer Christi am Kreuze genuggetan hat für aller Welt Sünden, und daß wir nicht eines andern Opfers für die Sünden bedürfen. Denn wir haben im Neuen Testament nicht ein solch Priestertum, wie das levitische Priestertum war, wie die Epistel zu den Hebräern lehrt. Wo man aber das Sakrament des Ordens wollte nennen ein Sakrament von dem Predigtamt und Evangelio, so hätte es keine Beschwerung, die Ordination ein Sakrament zu nennen. Denn das Predigtamt hat Gott eingesetzt und geboten und hat herrliche Zusage Gottes, Röm. 1: „Das Evangelium ist eine Kraft Gottes allen denjenigen, so daran glauben“ usw., Jes. 55: „Das Wort, das aus meinem Munde gehet, soll nicht wieder leer zu mir kommen, sondern tun, was mir gefällt.“ Wenn man das Sakrament des Ordens also verstehen wollte, so möchte man auch das Auflegen der Hände ein Sakrament nennen. Denn die Kirche hat Gottes Befehl, daß sie soll Prediger und Diakonos bestellen. Dieweil nun solches sehr tröstlich ist, so wir wissen, daß Gott durch Menschen und diejenigen, so von Menschen gewählt sind, predigen und wirken will, so ist’s gut, daß man solche Wahl hoch rühme und ehre, sonderlich wider die teuflischen Anabaptisten, welche solche Wahl samt dem Predigtamt und leiblichen Wort verachten und lästern.

Aber der eheliche Stand ist nicht erst eingesetzt im Neuen Testament, sondern bald als das menschliche Geschlecht erst geschaffen ist. Und er ist auch durch Gott befohlen und geboten. Er hat auch göttliche Zusagungen, welche wohl nicht eigentlich zum Neuen Testament gehören, sondern mehr das leibliche Leben angehen. Darum so es jemand will ein Sakrament nennen, fechten wir dies nicht hoch an. Es soll aber gleichwohl abgesondert werden von den vorigen zwei, welche eigentlich Zeichen und Siegel sind des Neuen Testaments. Denn so der Ehestand allein darum sollte ein Sakrament heißen, daß Gott denselben eingesetzt und befohlen hat, so müßten die andern Ämter und Stände auch Sakramente genannt werden, die auch in Gottes Wort und Befehl gehen, als Obrigkeit oder Magistrat usw.

Und endlich, so man alle Dinge wollte mit so herrlichem Titel Sakramente nennen, darum daß sie Gottes Wort und Befehl haben, so sollte man billig vor allen andern das Gebet ein Sakrament nennen. Denn da ist ein starker Gottesbefehl und viel herrliche göttliche Zusage. Es hätte auch wohl Ursache. Denn wenn man dem Gebet so großen Titel gäbe, würden die Leute zum Gebet gereizt. Auch könnte man die Almosen unter die Sakrament rechnen; item das Kreuz und die Trübsale der Christen, denn die haben auch Gottes Zusage. Doch wird kein verständiger Mann großen Zank darüber machen, ob sieben oder mehr Sakramente gezählt werden, doch so fern, daß Gottes Wort und Befehl nicht abgebrochen werde.

Das ist aber mehr vonnöten zu disputieren und zu wissen, was der rechte Gebrauch der Sakramente sei. Da müssen wir frei verdammen den ganzen Haufen der scholasticorum und ihren Irrtum strafen, da sie lehren, daß diejenigen, so die Sakramente schlechthin gebrauchen, wenn sie nicht obicem setzen, ex opere operato Gottes Gnade erlangen, wennschon das Herz alsdann keinen guten Gedanken hat. Das ist aber stracks ein jüdischer Irrtum, so sie halten, daß wir sollten durch ein Werk und äußerliche Zeremonie gerecht und heilig werden ohne Glauben, und wenn das Herz schon nicht dabei ist; und diese schädliche Lehre wird doch gepredigt und gelehrt weit und breit, durchaus und überall im ganzen Papstreich und in des Papsts Kirchen. Paulus schreit dawider und sagt, daß Abraham sei vor Gott gerecht geworden nicht durch die Beschneidung, sondern die Beschneidung sei ein Zeichen gewesen, den Glauben to üben und zu stärken. Darum sagen wir auch, daß zum rechten Gebrauch der Sakramente der Glaube gehöre, der da glaube der göttlichen Zusage und zugesagte Gnade empfange, welche durch Sakramente und Wort wird angeboten. Und dies ist ein gewisser, rechter Gebrauch der heiligen Sakramente, da sich ein Herz und ein Gewissen auf wagen und verlassen mag. Denn die göttliche Zusage kann niemand fassen denn allein durch den Glauben. Und die Sakramente sind äußerliche Zeichen und Siegel der Verheißung. Darum zum rechten Gebrauch derselben gehört Glaube. Als wenn ich das Sakrament des Leibes und Blutes Christi empfange, sagt Christus klar: „Das ist das Neue Testament.“ Da soll ich gewiß glauben, daß mir Gnade und Vergebung der Sünden, welche in Neuen Testament verheißen ist, widerfahre. Und solches soll ich empfangen im Glauben und damit trösten mein erschrocken, blöd Gewissen und stehen darauf gewiß, daß Gottes Wort und Zusagen nicht fehlen, sondern so gewiß uns noch gewisser seien, als ob Gott mir eine neue Stimme oder neu Wunderzeichen vom Himmel ließe geben, dadurch mir würde Gnade zugesagt. Was hülfen aber Wunderzeichen, wenn nicht Glaube da wäre? Und wir reden hier vom Glauben, da ich selbst gewiß für mich glaube, daß mir die Sünden vergeben sind; nicht allein vom fide generali, da ich glaube, daß ein Gott sei. Derselbe rechte Gebrauch der Sakramente tröstet recht und erquickt die Gewissen.

Was aber die häßliche, schändliche, ungöttliche Lehre vom opere operato, da sie gelehrt, daß, wenn ich der Sakramente gebrauche, so macht das getane Werk mich vor Gott fromm und erlangt mir Gnade, obgleich das Herz keinen guten Gedanken dazu hat, für Mißbrauch und Irrtum eingeführt, kann niemand genug nachdenken, schreiben noch sagen. Denn daher ist auch der unsägliche, unzählige, greuliche Mißbrauch der Messe gekommen. Und sie können keinen Tüttel noch Buchstaben aus den alten Vätern anzeigen, dadurch der Scholaster Opinion bewiesen werde. Ja, Augustinus sagt stracks dawider, daß der Glaube im Gebrauch des Sakraments, nicht das Sakrament vor Gott uns fromm mache.

Artikel XIV. Vom Kirchenregiment.

Im vierzehnten Artikel, da wir sagen, daß man niemand gestatte zu predigen oder die Sakramente zu reichen in der Kirche denn allein denjenigen, so recht gebührlich berufen sind, das nehmen sie an, wenn wir den Beruf also verstehen von Priestern, welche nach Inhalt der Canones ordiniert oder geweiht sind. Von der Sache haben wir uns etlichemal auf diesem Reichstage hören lassen, daß wir zum höchsten geneigt sind, alte Kirchenordnungen und der Bischöfe Regiment, das man nennt canonicam politiam, helfen zu erhalten, so die Bischöfe unsere Lehre dulden und unsere Priester annehmen wollten. Nun haben die Bischöfe bisanher die unsern verfolgt und wider ihre eigenen Rechte ermordet. So können wir auch noch nicht erlangen, daß sie von solcher Tyrannei ablassen. Derhalben ist die Schuld unsers Gegenteils, daß den Bischöfen der Gehorsam entzogen wird, und sind wir vor Gott und allen frommen Leuten entschuldigt. Denn dieweil die Bischöfe die unsern nicht dulden wollen, sie verlassen denn diese Lehre, so wir bekannt haben, und doch wir vor Gott schuldig sind, diese Lehre zu bekennen und zu erhalten, müssen wir die Bischöfe fahren lassen und Gott mehr gehorsam sein und wissen, daß die christliche Kirche da ist, da Gottes Wort recht gelehrt wird. Die Bischöfe mögen zusehen, wie sie es verantworten wollen, daß sie durch solche Tyrannei die Kirche zerreißen und wüste machen.

Artikel XV. Von den menschlichen Satzungen in der Kirche.

Im fünfzehnten Artikel lassen sie ihnen gefallen, da wir sagen, die Zeremonien und Satzungen soll man halten in der Kirche, die man mit gutem Gewissen ohne Sünde halten kann und die zu guter Ordnung und Frieden dienen. Das andere Stück verdammen sie, da wir sagen, daß die Satzungen, welche aufgerichtet sind, Gott zu versöhnen und Vergebung der Sünden zu erlangen, stracks wider das Evangelium sind. Wiewohl wir in der Konfession vom Unterschied der Speisen und von Satzungen viel gesagt haben, so müssen wir es doch kurz hier wiederholen.

Wiewohl wir gedacht, daß die Widersacher andere Ursachen suchen würden, die menschlichen Satzungen zu schützen, so hätten wir doch nicht gemeint, daß sie diesen Artikel, nämlich: durch Menschentraditionen verdient niemand Vergebung der Sünden, verdammen sollten. Dieweil aber derselbe ganze Artikel unverschämt verdammt ist, so haben wir eine leichte, schlechte Sache. Denn das ist öffentlich jüdisch, das heißt öffentlich mit des Teufels Lehren das Evangelium unterdrücken. Denn die Heilige Schrift und Paulus nennen solche Satzungen dann erst rechte Teufelslehre, wenn man sie dafür rühmt, daß sie sollen dienen, dadurch Vergebung der Sünden zu erlangen. Denn da sind sie stracks wider Christum, wider das Evangelium, wie Feuer und Wasser widereinander sind. Das Evangelium lehrt, daß wir durch den Glauben an Christum ohne Verdienst Vergebung der Sünden erlangen und Gott versöhnt werden. Die Widersacher aber setzen einen andern Mittler, nämlich Menschengesetze, durch die wollen sie Vergebung der Sünden erlangen, durch die wollen sie den Zorn Gottes versöhnen. Aber Christus sagt klar: „Sie dienen mir vergeblich durch Menschengebote.“

Droben haben wir reichlich angezeigt, daß wir durch den Glauben vor Gott gerecht werden, wenn wir glauben, daß wir einen gnädigen Gott haben, nicht durch unsere Werke, sondern durch Christum. Nun ist’s gar gewiß, daß solches das reine Evangelium sei. Denn Paulus sagt klar zu den Ephesern am 2. Kapitel: „ohne Verdienst seid ihr selig worden, und das nicht aus euch, denn Gottes Gabe ist es; nicht aus den Werken.“ Nun sagen die Widersacher, die Leute verdienen Vergebung der Sünden durch solche menschliche Satzungen und Werke. Was ist das anders, denn über Christum einen andern Mittler, einen andern Versöhner stellen und setzen? Paulus sagt zu den Galatern: „Ihr seid von Christo abgefallen, so ihr durchs Gesetz wollt gerecht werden“, das ist, so ihr haltet, daß ihr durchs Gesetz vor Gott gerecht werdet, so ist euch Christus nichts nütze. Denn was bedürfen diejenigen des Mittlers Christi, die durch die Werke des Gesetzes vertrauen, Gott zu versöhnen? Gott hat Christum dargestellt, daß er um desselben willen, nicht um unserer Gerechtigkeit willen, uns will gnädig sein. Aber sie halten, daß Gott um ihrer Werke willen und um solcher Traditionen willen uns gnädig sei. So nehmen sie nun und rauben Christo seine Ehre, und ist kein Unterschied zwischen den Zeremonien des Gesetzes Mosis und solchen Satzungen, soviel es diese Sache belangt. Paulus verwirft Mosis Zeremonien eben darum, darum er auch Menschengebote verwirft, nämlich daß es die Juden für solche Werke hielten, dadurch man Vergebung der Sünden verdiente. Denn dadurch ward Christus untergedrückt. Darum verwirft er die Werke des Gesetzes und Menschengebote zugleich und streitet dieses, daß noch um unserer Werke, sondern um Christus‘ willen, ohne Verdienst, verheißen sei Vergebung der Sünden, doch also, daß wir sie durch den Glauben fassen. Denn die Verheißung kann man nicht anders denn durch den Glauben fassen. So wir nun durch den Glauben Vergebung der Sünden erlangen, so wir durch den Glauben einen gnädigen Gott haben um Christus‘ willen, so ist es ein großer Irrtum und Gotteslästerung, daß wir durch solche Satzungen sollten Vergebung der Sünden erlangen. Wenn sie hier nun sagen wollten, daß wir nicht durch solche Werke Vergebung der Sünden erlangen, sondern wenn wir durch den Glauben jetzund Vergebung haben, so sollen wir danach durch solche Werke verdienen, daß uns Gott gnädig sei; da streitet aber Paulus wider zu den Galatern am 23. Kapitel, da er sagt: „Sollten wir aber, die da sich durch Christum gerecht zu werden, auch noch selber Sünder erfunden werden, so wäre Christus ein Sündendiener“; item: „Zu eines Menschen Testament soll niemand einen Zusatz machen.“ Darum soll man auch zu dem Testament Gottes, da er uns verheißt, er will uns gnädig sein um Christus‘ willen, nichts zutun oder dieses anflicken, als verdienten wir erst, daß uns Gott um solcher Werke willen gnädig sein müsse.

Und wenngleich noch jemand wollte solche Werke aufrichten oder erwählen, damit Gott zu versöhnen, Vergebung der Sünden zu verdienen, wie wollte der gewiß werden, daß die Werke Gott gefielen, so er keinen Gottesbefehl noch Wort davon hat? Wie wollte er die Gewissen und Herzen versichern, wie sie mit Gott stehen; item,. daß die Werke Gott gefallen, wenn kein Gotteswort noch =Befehl da ist? Es verbieten die Propheten allenthalben, eigenerwählte, sonderliche Gottesdienste anzurichten ohne Gottes Wort und Befehl, Hes. am 20.: „Wandelt nicht in Geboten eurer Väter und haltet ihre Sitten nicht und werdet nicht unrein von ihren Götzen. Ich bin der Her, euer Gott. In meinen Geboten wandelt und haltet meine Rechte und Sitten und tut dieselbigen.“: So die Menschen Macht haben, Gottesdienste anzurichten, daß wir dadurch Sünden bezahlen und fromm werden vor Gott, so müssen aller Heiden Gottesdienste, alle Abgötterei aller gottlosen Könige in Israel, Jerobeams und anderer, auch gut sein; denn es ist kein Unterschied. Steht bei Menschen die Macht, Gottesdienste aufzurichten, dadurch man möge Seligkeit verdienen, warum sollten der Heiden und Israeliten selbsterwählte Gottesdienste unrecht sein? Denn darum sind der Heiden und Israeliten Dienste verworfen, daß sie wähnen wollten, solche Dienste gefielen Gott, und wußten nichts vom höchsten Gottesdienst, der da heißt Glaube. Item, woher sind wir gewiß daß solche Gottesdienste und Werke ohne Gottes Wort vor Gott gerecht machen, so kein Mensch Gottes Willen anders erfahren oder wissen kann denn allein durch die Wort? Wie, wenn solche Gottesdienste Gott der Herr nicht allein verachtet, sondern auch für einen Greuel hält? Wie dürfen denn die Widersacher sagen, daß sie vor Gott gerecht machen? Ohne Gottes Wort kann je niemand das sagen. Paulus sagt zu den Römern: „Alles, was nicht aus dem Glauben geschieht, das ist Sünde.“ So nun dieselben Gottesdienste keinen göttlichen Befehl haben, so müssen die Herzen im Zweifel stehen, ob sie Gott gefallen.

Und was bedarf diese öffentliche Sache vieler Worte? Wenn die Widersacher diese Gottesdienste also verteidigen, als seien es Werke, dadurch man Vergebung der Sünden und Seligkeit verdient, so richten sie öffentliche antichristliche Lehre und Reich an. Denn das Reich Antichristi ist eigentlich ein solch neuer Gottesdienst, durch Menschen erdichtet, dadurch Christus verworfen wird, wie Mahomets Reich selbsterwählte Gottesdienste hat, eigenen Werke, dadurch sie vor Gott vermeinen heilig und fromm zu werden, und halten nicht, daß man allein durch den Glauben an Christum gerecht werde. Also wird das Papsttum auch ein Stück vom Reich Antichristi, so es lehrt, durch Menschengebote Vergebung der Sünden zu erlangen und Gott zu versöhnen. Denn da wird Christo seine Ehre genommen, wenn sie lehren, daß wir nicht durch Christum, ohne Verdienst gerecht werden, durch den Glauben, sondern durch solche Gottesdienste, sonderlich wenn sie lehren, daß solch selbsterwählter Gottesdienst nicht allein nütze sei, sondern auch nötig. Wie sie denn oben im achten Artikel halten, da sie das verdammen, daß wir gesagt, zu rechter Einigkeit der Kirche sei nicht not, daß allenthalben gleichförmige Menschensatzungen seien. Daniel, im 11. Kapitel, malt das Reich Antichristi also ab, daß er anzeigt, daß solche neue Gottesdienste, von Menschen erfunden, werden die Politia und das rechte Wesen des antichristlichen Reichs sein. Denn also sagt er: „Den Gott Maosim wird er ehren, und dem Gott, den seine Väter nicht erkannt haben, wird er mit Gold, Silber und Edelgestein dienen.“ Da beschreibt er solche neue Gottesdienste. Denn er sagt von einem solchen Gott, davon die Väter nichts gewußt haben. Denn die heiligen Väter, wiewohl sie auch Zeremonien und Satzungen gehabt, so haben sie doch nicht dafürgehalten, daß solche Zeremonien nütz und nötig wären zur Seligkeit, so haben sie doch damit Christum nicht unterdrückt, sondern haben gelehrt, daß uns Gott um Christus‘ willen gnädig sei, nicht um solcher Gottesdienste willen. Aber dieselben Satzungen haben sie gehalten von wegen leiblicher Übung, als die Feste, daß das Volk wüßte, wann es sollte zusammenkommen, daß in den Kirchen alles ordentlich und züchtiglich um guter Exempel willen zuginge, daß auch das gemeine, grobe Volk in einer feinen Kinderzucht gehalten würde. Denn solche Unterschiede der Zeit und solche mancherlei Gottesdienste dienen, das Volk in Zucht zu behalten und zu erinnern der Historien. Diese Ursachen haben die Väter gehabt, menschliche Ordnung zu erhalten. Und auf die Weise fechten wir’s auch nicht an, daß man gute Gewohnheit halte. Und wir können uns nicht genugsam wundern, daß die Widersacher wider alle Schrift der Apostel, wider das Alte und Neue Testament lehren dürfen, daß wir durch solche Gottesdienste sollen ewiges Heil und Vergebung der Sünden erlangen. Denn was ist das anders, denn wie Daniel sagt, „Gott ehren mit Gold, Silber und Edelgestein“, das ist, halten, daß Gott uns gnädig werde durch mancherlei Kirchenschmuck, durch Fahnen, Kerzen, wie denn unzählig sind bei solchen Menschensatzungen.

Paulus zu den Kolossern schreibt, daß solche Satzungen haben einen Schein der Weisheit. Und es hat auch einen großen Schein, als sei es fast heilig; denn Unordnung steht übel, und solche ordentliche Kinderzucht ist nützlich in der Kirche usw. Dieweil aber menschliche Vernunft nicht versteht, was Glauben ist, so fallen diejenigen, so nach der Vernunft richten, von Stund‘ an darauf und machen ein solch Werk daraus, das uns gen Himmel helfen solle und Gott versöhnen. Also sind die Irrtümer und schädliche Abgötterei eingerissen bei den Israeliten. Darum machten sie auch einen Gottesdienst über den andern, wie bei unserer Zeit ein Altar über den andern, eine Kirche über die andere gestiftet ist. Also richtet auch die menschliche Vernunft von andern leiblichen Übungen, als von Fasten usw. Denn Fasten dient dazu, den alten Adam zu zähmen; da fällt bald die Vernunft drauf und macht ein Werk daraus, das Gott versöhne; wie Thomas schreibt, „Fasten sei ein Werk, das da tauge, Schuld gegen Gott auszulöschen und ferner zu verhüten“. Das sind die klaren Worte Thomä. Also dieselben Gottesdienste, welche sehr gleißen, haben einen großen Schein und ein groß Ansehen der Heiligkeit vor den Leuten. Und dazu helfen nun die Exempel der Heiligen, da sie sprechen, St. Franziskus hat eine Kappe getragen und dergleichen. Hier sehen sie allein die äußerliche Übung an, nicht das Herz und Glauben.

Und wenn nun die Leute also durch so großen und prächtigen Schein der Heiligkeit betrogen werden, so folgt dann unzählige Gefahr und Unrat daraus, nämlich daß Christi Erkenntnis und das Evangelium vergessen wird, und daß man alles Vertrauen auf solche Werke setzt. Darüber so werden durch solche heuchlerische Werke die rechten guten Werke, die Gott in den zehn Geboten fordert, ganz unterdrückt (welches schrecklich ist zu hören). Denn die Werke müssen allein geistlich, heilig, vollkommen Leben heißen und werden dann weit vorgezogen den rechten, heiligen guten Werken, da ein jeder nach Gottes Gebot in seinem Beruf zu wandeln, die Obrigkeit fleißig, treulich zu regieren, die Hausväter, die ehelichen Leute, Weib und Kind, Gesinde in christlicher Zucht zu halten schuldig sind; item, da eine Magd, ein Knecht seinem Herrn treulich zu dienen pflichtig ist. Dieselben Werke hält man nicht für göttlich, sondern für weltlich Wesen, also daß viele Leute darüber sich ein schwer Gewissen gemacht. Denn man weiß je, daß etliche ihren Fürstenstand verlassen, etliche den Ehestand, und sind in Klöster gegangen, heilig und geistlich zu werden.

Und ist außer dem Irrtum noch der Jammer dabei, daß, wenn die Leute in dem Wahn sind, daß solche Satzungen nötig seien zur Seligkeit, die Gewissen ohne Unterlaß in Unruhe und Qual sind, daß sie ihren Orden, ihre Möncherei, ihre aufgelegten Werke nicht so gestrenge gehalten haben. Denn wer könnte die Satzungen alle erzählen? Es sind unzählig viel Bücher, in welchen nicht ein Tüttel, nicht eine Silbe von Christo, vom Glauben geschrieben oder von den rechten guten Werken, die Gott gebietet, welche jeder nach seinem Beruf zu tun schuldig ist; sondern allein von solchen Satzungen schreiben sie, als von den vierzig Tagen zu fasten, von Messehören, von vier Gezeiten beten usw.; da ist des Deutens und Dispensierens kein Ende. Wie jämmerlich martert sich, wie ringt und windet sich über den Dingen der gute, fromme Mann Gerson, da er gern den Gewissen mit dem rechten Trost helfen wollte, da er gradus und latitudines sucht praeceptorum, wiefern dieselben Gebote binden, und kann doch nicht finden einen gewissen Grad, da er darf dem Herzen Sicherheit und Frieden gewiß zusagen. Darum klagt er auch ganz heftig, wie in großer Gefahr die Gewissen und Konszienzen dadurch stehen, daß man solche Satzungen also bei einer Todsünde fordert und will gehalten haben.

Wir aber sollen uns wider solch heuchlerische, gleißende Satzungen, dadurch viele verführt und jämmerlich die Gewissen ohne Ursache geplagt werden, rüsten und stärken mit Gottes Wort und sollen erstlich das für gewiß halten, daß Vergebung der Sünden nicht durch solche Satzungen verdient wird. Wir haben den Apostel droben angezogen zu den Kolossern: „Laßt euch niemand Gewissen machen über Speise, Trank, Neumonden, Sabbater.“ Und der Apostel will das ganze Gesetz Mosis und solche Traditionen zugleich begriffen haben, damit die Widersacher hier nicht entschlüpften, wie sie pflegen, als rede Paulus allein vom Gesetz Mosis. Er zeigt aber klar genug an, daß er von menschlichen Satzungen auch rede, wiewohl die Widersacher selbst nicht wissen, was sie sagen. Denn so das Evangelium und Paulus klar melden, daß auch die Zeremonien und Werke der Gesetzes Mosis vor Gott nicht helfen, so werden’s viel weniger menschliche Satzungen tun.

Derhalben haben die Bischöfe nicht Macht noch Gewalt, eigenerwählte Gottesdienste aufzurichten, welche sollen die Leute vor Gott heilig und fromm machen. Denn es sagen auch die Apostel Act. 15: „Was versucht ihr Gott und legt eine Bürde auf die Jünger?“ usw. Da schilt es Petrus als eine große Sünde, damit man Gott verlästere und versuche. Darum ist es der Apostel Meinung, daß diese Freiheit in der Kirche bleiben soll, daß keine Zeremonien, weder das Gesetz Mosis noch andere Satzungen, sollen als nötige Gottesdienste geschätzt werden; wie etliche Zeremonien im Gesetz Mosis als nötig mußten im Alten Testament eine Zeitlang gehalten werden. Darum müssen wir auch wehren, daß die Predigt von der Gnade und von Christo, von Vergebung der Sünden aus lauter Gnade nicht unterdrückt werde, und der schädliche Irrtum nicht einreiße, als seien die Satzungen nötig, fromm vor Gott zu sein. Es habe Gerson und viel andere treue, fromme Leute, welche über die großen Gefahren der Gewissen Mitleid getragen, ejpieivkeian und Linderung gesucht, wie man doch darin den Gewissen helfen könnte, daß sie durch die Traditionen nicht in so mannigfaltige Wege gemartert würden, und haben nichts Gewisses finden können, den Gewissen aus den Banden zu helfen. Die Heilige Schrift und die Apostel aber sind kurz hindurchgegangen und haben schlecht mit einem Striche alles quittiert und klar dürr herausgesagt, daß wir in Christo frei, ledig seien von allen Traditionen, sonderlich wenn man dadurch Seligkeit und Vergebung der Sünden zu erlangen sucht. Darum lehren auch die Apostel, daß man der schädlichen pharisäischen Lehre soll widerstreben mit Lehren und mit dem Gegenexempel. Darum lehren wir, daß solche Satzungen nicht gerecht machen vor Gott, daß sie auch nicht not seien zur Seligkeit, daß auch niemand solche Satzungen machen oder annehmen soll der Meinung, daß er wolle vor Gott dadurch gerecht werden. Wer sie aber halten will, der halte sie, wie ich einen andern Stadtgebrauch möchte halten, da ich wohne, ohne alles Vertrauen, dadurch gerecht zu werden vor Gott. Als, daß ich bei den Deutschen deutsche Kleidung trage, bei den Walen welsche, halte ich als einen Landbrauch, nicht dadurch selig zu werden. Die Apostel, wie das Evangelium anzeigt, brechen frisch solche Satzungen und werden von Christo derhalben gelobt. Denn man muß es nicht allein mit Lehren, Predigen, sondern auch mit der Tat den Pharisäern anzeigen und beweisen, daß solche Gottesdienste nichts nütze sind zur Seligkeit. Und darum, ob die Unsern gleich etliche Traditionen und Zeremonien nachlassen, so sind sie doch genugsam entschuldigt. Denn die Bischöfe fordern solches als nötig zur Seligkeit; das ist ein Irrtum, der nicht zu leiden ist.

Weiter, die ältesten Satzungen aber in der Kirche, als die drei hohen Feste usw., die Sonntagsfeier und dergleichen, welche um guter Ordnung, Einigkeit und Friedens willen erfunden usw., die halten wir gerne. Auch so predigen die Unsern aufs glimpflichste vor dem Volk davon; allein, daneben sagen sie, daß sie vor Gott nicht gerecht machen. Darum reden die Widersacher ihre Gewalt und tun uns ganz vor Gott unrecht, wenn sie uns schuld geben, daß wir alle guten Zeremonien, alle Ordnungen in der Kirche abbringen und niederlegen. Denn wir mögen es mit der Wahrheit sagen, daß es christlicher, ehrlicher in unsern Kirchen mit rechten Gottesdiensten gehalten wird denn bei den Widersachern. Und wo gottesfürchtige, ehrbare, verständige, unparteiische Leute sind, die diese Sache recht genau wollen bedenken und ansehen, so halten wir die alten Canones und mentem legis mehr, reiner und fleißiger denn die Widersacher. Denn die Widersacher treten unverschämt die allerehrlichsten Canones mit Füßen, wie sie dann Christo und dem Evangelio auch tun. Die Pfaffen und Mönche in Stiften mißbrauchen der Messe aufs schrecklichste und greulichste, halten Messen täglich in großer Anzahl allein um der Abgaben willen, um der Geldes, um des schändlichen Bauchs willen. So singen sie die Psalmen in Stiften, nicht daß sie studieren oder ernstlich beten (denn das mehrere Teil versteht nicht einen Vers in den Psalmen), sondern halten ihre Metten und Vesper als einen gedingten Gottesdienst, der ihnen ihre Rente und Zinse trägt. Dieses alles können sie nicht leugnen. Es schämen sich auch selbst etliche Redliche unter ihnen desselben Jahrmarkts und sagen, clerus bedürfe einer Reformation. Bei uns aber braucht das Volk des heiligen Sakraments willig, ungedrungen, alle Sonntage, welche man erst verhört, ob sie in christlicher Lehre unterrichtet sind, im Vaterunser, im Glauben, in den zehn Geboten etwas wissen oder verstehen. Item, die Jugend und das Volk singt ordentlich lateinische und deutsche Psalmen, daß sie der Sprüche der Schrift gewöhnen und beten lernen. Bei den Widersachern ist kein Katechismus, da doch die Canones von reden. Bei uns werden die Canones gehalten, daß die Pfarrer und Kirchendiener öffentlich und daheim die Kinder und Jugend in Gottes Wort unterweisen. Und der Katechismus ist nicht ein Kinderwerk, wie Fahnen=, Kerzentragen, sondern eine sehr nützliche Unterrichtung. Bei den Widersachern wird in vielen Ländern, als in Italien und Hispanien usw., das ganze Jahr durch nicht gepredigt denn allein in der Fasten. Da sollten sie schreien und billig hoch klagen; denn das heißt auf einmal alle Gottesdienste recht umgestoßen. Denn der allergrößte, heiligste, nötigste, höchste Gottesdienst, welchen Gott im ersten und andern Gebot als das Größte hat gefordert, ist Gottes Wort predigen: denn das Predigtamt ist das höchste Amt in der Kirche. Wo nun der Gottesdienst ausgelassen wird, wie kann da Erkenntnis Gottes, die Lehre Christi oder das Evangelium sein? Darum, wenn sie gleich in der Fasten oder sonst zur andern Zeit predigen, lehren sie nichts denn von solchen Menschensatzungen, vom Anrufen der Heiligen, von Weihwasser und von solchen Narrenwerken und ist der Gebrauch, daß ihr Volk bald, wenn der Text des Evangelii gesagt ist, aus der Kirche laufe, welches sich vielleicht davon angefangen, daß sie nicht haben mögen die andern Lügen hören. Etliche wenige unter ihnen heben nun auch an, von guten Werken zu predigen. Von der Erkenntnis Christi aber, vom Glauben, vom Trost der Gewissen können sie nichts predigen, sondern dieselbe selige Lehre, das liebe, heilige Evangelium, nennen sie Lutherisch. In unserer Kirche aber werden von Predigern diese folgenden nötigen Stücke mit höchstem Fleiß gelehrt: von rechter Buße, von der Furcht Gottes, von dem Glauben, was der sei, von der Erkenntnis Christi, von der Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt; item, wie die Gewissen in Ängsten und Anfechtungen sollen Trost suchen, wie der Glaube durch allerlei Anfechtungen muß geübt werden, was ein recht Gebet sei, wie man beten soll; item, daß ein Christ gewiß sich trösten soll, daß sein Rufen und Bitten Gott werde erhören im Himmel; von dem heiligen Kreuz, vom Gehorsam gegen die Obrigkeit; item, wie ein jeder in seinem Stande christlich leben und fahren mag; vom Gehorsam der Herrengebote, aller weltlichen Ordnungen und Gesetze; item, wie zu unterscheiden seien das geistliche Reich Christi und die Regimente und Reiche in der Welt; von dem Ehestande, und wie der christlich zu führen sei; von Zucht der Kinder, von der Keuschheit, von allerlei Werken der Liebe gegen den Nächsten. Also ist unsere Kirche mit Lehre und Wandel bestellt, daraus unparteiische Leute wohl merken und abnehmen können, daß wir christliche, rechte Zeremonien nicht abtun, sondern mit Fleiß aufs treulichste erhalten.

Und die Kasteiung des Fleisches oder alten Adams lehren wir also, wie unsere Konfession meldet, daß die rechte Kasteiung dann geschieht, wenn uns Gott den Willen bricht, Kreuz und Trübsal zuschickt, daß wir lernen seinem Willen gehorsam sein, wie Paulus zu den Römern am 12. sagt: „Begebet eure eigenen Leiber zu einem heiligen Opfer.“ Und das sind rechte heilige Kasteiungen, also in Anfechtungen lernen Gott kennen, ihn fürchten, lieben usw. Über dieselben Trübsale, welche nicht in unserm Willen stehen, sind auch noch die leiblichen Übungen, da Christus von sagt: „Hütet euch, daß eure Leiber nicht beschweret werden mit Fressen und Saufen!“ und Paulus zu den Korinthern: „Ich zähme meinen Leib“ usw. Die Übungen sollen darum geschehen, nicht daß es nötige Gottesdienste seien, dadurch man vor Gott fromm werde, sondern daß wir unser Fleisch im Zaum halten, damit wir durch Völlerei und Beschwerung des Leibes nicht sicher und müßig werden, des Teufels Reizungen und des Fleisches Lüsten folgen. Dasselbe Fasten und Kasteien sollte nicht allein auf gewisse Zeit, sondern allezeit geschehen. Denn Gott will, daß wir allezeit mäßig und nüchtern leben, und wie die Erfahrung gibt, so helfen dazu nicht viel bestimmte Fastentage. Denn man hat mit Fischen und allerlei Fastenspeise mehr Unkost und Schwelgerei getrieben denn außer der Fasten; Und die Widersacher selbst haben die Fasten nie gehalten dergestalt, wie sie in canonibus angezeigt ist.

Dieser Artikel von den menschlichen Traditionen oder Satzungen hat ganz viel schwere Disputationen und Fragen hinter sich, und die Erfahrung hat’s allzustark gegeben, daß solche Satzungen rechte schwere Ketten und Stricke sind, die Gewissen jämmerlich zu quälen. Denn wenn dieser Wahn da ist, daß sie nötig seien zur Seligkeit, so plagen sie über alle Maßen ein arm Gewissen. Die denn fromme Herzen wohl erfahren, wenn sie in horis canonicis eine Complete ausgelassen usw. oder dergleichen dawider getan. Wiederum schlechthin die Freiheit lehren, hat auch seine Bedenken und seine Fragen, nachdem das gemeine Volk äußerlicher Zucht und Anleitung bedarf. Aber die Widersacher machen diese Sache selbst gewiß und schlecht. Denn sie verdammen uns darum, daß wir lehren, daß wir durch menschliche Satzungen nicht verdienen Vergebung der Sünden vor Gott. Item, sie wollen ihre Satzungen durch die ganze Kirche universaliter durchaus gehalten haben, schlechts als nötig, und setzen sie an Christus‘ Statt. Da haben wir einen starken Patron für uns, den Apostel Paulum, welcher an allen Orten das streitet, daß solche Satzungen vor Gott nicht gerecht machen und nicht nötig seien zur Seligkeit. Auch lehren die Unsern deutlich und klar, daß man der christlichen Freiheit in den Dingen also gebrauchen soll, daß man vor den Schwachen, so solches nicht unterrichtet sind, nicht Ärgernis anrichte, und daß nicht etwa diejenigen, so der Freiheit mißbrauchen, die Schwachen von der Lehre des Evangelii abschrecken. Darum lehren auch unsere Prediger, daß ohne besondere und ohne bewegende Ursachen an den Kirchenbräuchen nichts geändert soll werden, sondern um Friedens und Einigkeit willen soll man diejenigen Gewohnheiten halten, so man ohne Sünde und ohne Beschwerung der Gewissen halten kann. Und auf diesem Augsburger Reichstag haben wir uns gleich genug finden und vernehmen lassen, daß wir um Liebe willen unbeschwert sein wollten, etliche adiaphora mit den andern zu halten. Denn wir haben auch bei und wohl bedacht, daß gemeine Einigkeit und Friede, soviel derselben ohne Beschwerung der Gewissen zu erhalten wäre, billig allen andern, geringen Sachen würde vorgezogen. Aber von dem allem wollen wir hernach weiter reden, wenn wir von Klostergelübden und von der potestate ecclesiastica handeln werden.

Artikel XVI. Vom weltlichen Regiment

Den XVI. Artikel lassen ihnen die Widersacher gefallen ohne alle weiteren Fragen, da wir in der Konfession sagen und lehren, daß ein Christ mit Gott und Gewissen in der Obrigkeit sein mag, Land und Leute regieren, Urteil und Recht sprechen aus kaiserlichen und andern landläufigen Rechten, die Übertäter mit dem Schwert und sonst nach der Schärfe strafen, Kriege führen, kaufen und verkaufen, Haus, Hof und sonst Eigenes haben und behalten, aufgelegte Eide in Gerichten schwören; in Summa, da wir lehren, daß Obrigkeit und Regiment, item ihr Recht und Strafe und alles, was dazu gehört, seien gute Kreaturen Gottes und Gottes Ordnungen, deren ein Christ mit gutem Gewissen brauchen darf. Dieser Artikel gefällt ihnen wohl. Dieser ganz wichtige, nötige Artikel vom Unterschied des geistlichen Reiches Christi und weltlichen Reiches, welche sehr nötig ist zu wissen, ist durch die Unsern ganz eigentlich, richtig und klar gegeben, vielen Gewissen zu merklichem, großem Trost. Denn wir haben klar gelehrt, daß Christi Reich geistlich ist, da er regiert durch das Wort und die Predigt, wirkt durch den Heiligen Geist und mehrt in uns den Glauben, Gottesfurcht, Liebe, Geduld inwendig im Herzen und fängt hier auf Erden in uns Gottes Reich und das ewige Leben an. Solange aber dies Leben währt, läßt er uns nichtsdestoweniger brauchen der Gesetze, der Ordnungen und Stände, so in der Welt gehen, danach eines jeden Beruf ist, gleichwie er uns läßt brauchen der Arznei, item Bauens und Pflanzens, der Luft, des Wassers. Und das Evangelium bringt nicht neue Gesetze im Weltregiment, sondern gebietet und will haben, daß wir den Gesetzen sollen gehorsam sein und der Obrigkeit, darunter wir wohnen, es seien Heiden oder Christen, und daß wir in solchem Gehorsam unsere Liebe erzeigen sollen. Denn Carlstadt war in diesem Fall gar toll und töricht, daß er lehrte, man sollte nach dem Gesetz Mosis die Stadt= und Landregimente bestellen. Von diesem Stücke haben die Unsern darum desto fleißiger geschrieben, denn die Mönche hatten viel und ganz schädliche Irrtümer gelehrt in der Kirche. Denn sie haben dieses ein evangelisch Leben genannt, daß man nichts Eigenes hätte, daß man nicht Strafe und Rache übte, daß man nicht Weib und Kind hätte. Solche Lehren haben die reine evangelische Lehre ganz unterdrückt, daß man gar nicht verstanden hat, was christlich oder des geistliche Reich Christi sei, und haben weltlich und geistlich Reich ineinandergekocht, daraus viel Unrat und aufrührerische, schädliche Lehre erfolgt usw. Denn das Evangelium zerreißt nicht weltlich Regiment, Haushaltung, Kaufen, Verkaufen und andere weltliche Polizei, sondern bestätigt Obrigkeit und Regiment und befiehlt, denselben gehorsam zu sein als Gottes Ordnung, nicht allein und der Strafe willen, sondern auch um des Gewissen willen.

Julianus Apostata, Celsus und etliche andere, die haben den Christen vorgeworfen, daß ihr Evangelium die Weltregimente und Polizeien zerrisse und zerrüttete, dieweil es verbiete, man solle sich nicht rächen und dergleichen. Und die selben Fragen haben Origeni und Nazianzeno und etlichen andern viel zu tun gemacht, so man doch leichtlich darauf antworten kann, wenn wir allein wissen, daß die evangelische Lehre nicht neue Gesetze macht von Weltregimenten, sondern predigt Vergebung der Sünden, und daß das geistliche Reich und ewige Leben in den Herzen der Gläubigen anfängt. Das Evangelium aber läßt nicht allein bleiben dieselben äußerlichen Polizeien, Weltregimente und Ordnungen, sondern will auch, daß wir solchen sollen gehorsam sein, gleichwie wir in diesem zeitlichen Leben gehorsam und unterworfen sein sollen und müssen gemeinem Lauf der Natur als Gottes Ordnung (wir lassen es Winter und Sommer werden usw.); das hindert nichts am geistlichen Reich. Das Evangelium verbietet allein privatam vindictam, daß niemand der Obrigkeit in ihr Amt greife. Und das zeigt Christus darum so oft an, daß die Apostel nicht dächten, sie sollten Weltherren werden und die Königreiche und Obrigkeit denjenigen nehmen, die zu der Zeit in Herrschaften waren, wie denn die Juden vom Reich des Messias geachten, sondern daß sie wüßten, daß ihr Amt wäre, zu predigen vom geistlichen Reich, nicht einiges Weltregiment zu verändern. Der halben ist das Gebot, da Christus verbietet, sich selbst zu rächen, nicht allein ein Rat, sondern ein ernst Gebot, Mat. 5 und Röm. 12. Die Rache aber und Strafe des Argen, so von der Obrigkeit geschieht, ist damit nicht verboten, sondern vielmehr geboten. Denn es ist: „Gottes Werk“, wie Paulus Röm. 13 sagt. Dieselbe Rache geschieht, wenn man Übertäter straft, Krieg führt um gemeinen Friedens willen, des Schwerts, der Pferde und Harnische gebraucht usw. Von den Dingen haben etliche Lehrer solche schädliche Irrtümer gelehrt, daß gar nahe alle Fürsten, Herren, Ritter, Knechte ihren rechten Stand für weltlich, ungöttlich und verdammt gehalten usw. Und ist nicht wohl mit Worten auszureden, was für unsägliche Gefahr und Schaden der Seelen und Gewissen daraus geursacht. Denn man hat gelehrt, als sei das Evangelium und die christliche Lehre eitel Mönchsleben, und haben nicht gesehen, daß das Evangelium lehrt, wie man vor Gott und im Gewissen von den Sünde, Hölle, dem Teufel erlöst wird und läßt auswendig der Welt ihr Regiment in äußerlichen Dingen.

So ist das auch eine lautere Lüge und Betrug gewesen, daß sie gelehrt haben unverschämt, daß die christliche Vollkommenheit bestehe darin, daß man nichts Eigenes haben. Denn christliche Vollkommenheit besteht nicht darin, daß ich mich äußerlich fromm stelle und von dem Weltwesen mich absondere, sondern der Glaube und rechte Gottesfurcht im Herzen ist die Vollkommenheit. Denn Abraham, David, Daniel sind in königlichem Stande, in großen Fürstenräten und Ämtern gewesen, haben auch große Reichtümer gehabt und sind doch heiliger, vollkommener gewesen, denn je ein Mönch oder Kartäuser ist auf Erden gekommen. Aber die Mönche, sonderlich Barfüßer, haben den Leuten einen Schein vor den Augen gemacht; darüber hat niemand gewußt, worin die rechte Heiligkeit bestünde. Denn wie hoch evangelisch, wie für große Heiligkeit haben die Mönche allein dieses gerühmt, daß man nicht Eigenes haben sollte, daß man sollte willig arm sein! Aber dasselbe sind gar schädliche Lehren, nachdem die Schrift nichts davon meldet, sondern stracks dawider lehrt. Die zehn Gebote Gottes sagen klar: „Du sollst nicht stehlen.“ Da läßt ja Gott nach, daß ein jeder das Seine habe. In diesem Stücke hat Wiklefus gar gewütet, da er hat darauf gedrungen, kein Bischof noch Pfaff sollte Eigenes haben. So sind unzählige verworrene Disputationen von Kontrakten, da christliche Gewissen nimmermehr können gestillt werden, sie sind denn dieses nötigen Stückes unterrichtet, daß ein Christ mit gutem Gewissen sich halten mag nach Landrecht und Gebrauch. Denn dieser Unterricht errettet viele Gewissen, da wir lehren, daß die Kontrakte sofern vor Gott ohne Gefahr seien, sofern sie in gemeinen Rechten und Landgebräuchen (welche den Rechten gleich gelten) angenommen sind.

Dieser hohe, nötige Artikel, nämlich von Obrigkeit, von Weltgesetzen, ist von den Unsern ganz klar und richtig gegeben, also daß viel große, hohe, ehrbare Leute, die nach ihrem Stand mit Regimenten müssen umgehen und in großen Händeln sein, bekennen, daß ihre Gewissen merklichen Trost empfangen haben, welche zuvor durch solche Irrtümer der Mönche unsägliche Qual erlitten und in Zweifel standen, ob ihre Stände auch christlich wären, und ob das Evangelium solches nachließe. Dieses haben wir darum erzählt, daß auch die Fremden, Feind und Freund, verstehen mögen, daß durch diese Lehre die Obrigkeit, Landregiment, kaiserlich Recht und andere nicht niedergestoßen, sondern vielmehr hoch gehoben und geschützt werden, daß auch diese Lehre erst recht Unterricht gibt, wie ein herrlich, groß Amt, voll christlicher, guter Werke, das Amt der Regimente ist usw.; welches alles zuvor durch die heuchlerische Mönchslehre für sündliche, weltliche Stände, Leben und Wesen zu unsäglicher Gefahr des Gewissens gehalten ist worden. Denn die Mönche haben solche Heuchelei erdichtet, ihre Demut und Armut viel höher gerühmt und gehalten denn Fürsten- und Herren-, Vater-, Mutter-, Hausvaterstand; So doch diese Stände Gottes Wort und Befehl haben, die Möncherei aber keinen Befehl Gottes hat.

Artikel XVII. Von der Wiederkunft Christi zum Gericht

Den XVII. Artikel nehmen die Widersacher an, da wir bekennen, daß Christus am Jüngsten Tage kommen werde, die Toten auferwecken, den Frommen das ewige Leben und Freude geben, die Gottlosen zu ewiger Pein mit dem Teufel verdammen.

Artikel XVIII. Vom freien Willen

Den XVIII. Artikel nehmen die Widersacher an vom freien Willen, wiewohl sie etliche Sprüche der Schrift anziehen, die sich zu der Sache nicht reimen. Auch machen sie ein groß Geschrei davon, daß, wie man den freien Willen nicht solle zu hoch heben wie die Pelagianer, so soll man ihm nicht zu viel nehmen mit den Manichäern. Ja alles wohl geredet. Was ist aber für Unterschied zwischen den Pelagianern und unsern Widersachern, so sie beide lehren, daß die Menschen ohne den Heiligen Geist können Gott lieben, Gottes Gebote halten quoad substantiam actuum, das ist, die Werke können sie tun durch natürliche Vernunft, ohne den Heiligen Geist, dadurch sie die Gnade Gottes verdienen? Wie viele, unzählige Irrtümer erfolgen aus dieser pelagianischen Lehre, die sie gleichwohl in ihren Schulen gar stark treiben und predigen! Dieselben Irrtümer widerficht Augustinus aus Paulo aufs heftigste, dessen Meinung wir oben De iustificatione gesetzt. Und wir sagen auch, daß die Vernunft etlichermaßen einen freien Willen hat. Denn in den Dingen, welche mit der Vernunft zu fassen, zu begreifen sind, haben wir einen freien Willen. Es ist etlichermaßen in uns ein Vermögen, äußerlich ehrbar zu leben, von Gott zu reden, einen äußerlichen Gottesdienst oder heilige Gebärde zu erzeigen, Obrigkeit und Eltern zu gehorchen, nicht zu stehlen, nicht zu töten. Denn dieweil nach Adams Fall gleichwohl bleibt die natürliche Vernunft, daß ich Böses und Gutes kenne in den Dingen, die mit Sinnen und Vernunft zu begreifen sind, so ist auch etlichermaßen unsers freien Willens Vermögen, ehrbar oder unehrbar zu leben. Das nennt die Heilige Schrift die Gerechtigkeit des Gesetzes oder Fleisches, welche die Vernunft etlichermaßen vermag ohne den Heiligen Geist, wiewohl die angeborne böse Lust so gewaltig ist, daß die Menschen öfter derselben folgen denn der Vernunft, und der Teufel, welcher, wie Paulus sagt, kräftiglich wirkt in den Gottlosen, reizt ohne Unterlaß die arme, schwache Natur zu allen Sünden. Und das ist die Ursache, warum auch wenig der natürlichen Vernunft nach ein ehrbar Leben führen, wie wir sehen, daß auch wenig Philosophi, welche doch danach heftig sich bemüht, ein ehrbar äußerlich Leben recht geführt haben. Das ist aber falsch und erdichtet, daß diejenigen sollten ohne Sünde sein, die solche Werke tun außerhalb der Gnade, oder daß solche gute Werke de congruo Vergebung der Sünden und Gnade verdienen sollten. Denn solche Herzen, die ohne den Heiligen Geist sind, die sind ohne Gottesfurcht, ohne Glauben, Vertrauen, glauben nicht, daß Gott sie erhöre, daß er ihre Sünden vergebe, daß er ihnen in Nöten helfe. Darum sind sie gottlos. Nun kann „ein böser Baum nicht gute Frucht tragen“, und „ohne Glauben kann niemand Gott gefallen.“

Darum, ob wir gleich nachgeben, daß in unserm Vermögen sei, solch äußerlich Werk zu tun, so sagen wir doch, daß der freie Wille und Vernunft in geistlichen Sachen nichts vermag, nämlich Gott wahrhaft glauben, gewiß sich zu verlassen, daß Gott bei uns sei, uns erhöre, unsere Sünden vergebe usw. Denn das sind die rechten, hohen edelsten guten Werke der ersten Tafel in den zehn Geboten; die vermag kein Menschenherz ohne des Heiligen Geistes Licht und Gnade zu tun, wie Paulus sagt zu den Korinthern: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes.“ Das ist, ein Mensch, der nicht erleuchtet ist durch Gottes Geist, vernimmt gar nichts aus natürlicher Vernunft von Gottes Willen oder göttlichen Sachen. Und das empfinden die Menschen, wenn sie ihr Herz fragen, wie sie gegen Gottes Willen gesinnt seien, ob sie auch gewiß dafürhalten, daß Gott ihrer wahrnehme und sie erhöre. Denn solches gewiß zu glauben und also auf einen unsichtbaren Gott sich ganz zu verlassen und, wie Petrus sagt, 1. Pet. 1, 8, den Christum, den wir nicht sehen, zu lieben und groß zu achten, das kommt auch die Heiligen schwer an; wie sollte es denn in den Gottlosen leicht sein? Dann heben wir an recht zu glauben, wenn unsere Herzen erst erschreckt werden und durch Christum wieder aufgerichtet, da wir durch den Heiligen Geist neugeboren werden, wie oben gesagt.

Darum ist’s gut, daß man dieses klar unterscheidet, nämlich, daß die Vernunft und freier Wille vermag, etlichermaßen äußerlich ehrbar zu leben; aber neugeboren werden, inwendig ander Herz, Sinn und Mut kriegen, das wirkt allein der Heilige Geist. Also bleibt weltliche, äußerliche Zucht; denn Gott will ungeschicktes, wildes, freches Wesen und Leben nicht haben, und wird doch ein rechter Unterschied gemacht unter äußerlichem Weltleben und Frömmigkeit und der Frömmigkeit, die vor Gott gilt, die nicht philosophisch äußerlich ist, sondern inwendig im Herzen. Und diesen Unterschied haben wir nicht erdichtet, sondern die Heilige Schrift setzt solches klar. So behandelt es auch Augustinus,. Und ist neulich von Guilielmo Parisiensi auch fleißig geschrieben und gehandelt. Aber diejenigen, die sich selbst erdichten und erträumen, als vermöchten die Menschen Gottes Gesetz zu halten ohne den Heiligen Geist, und als werde der Heilige Geist uns Gnade geben in Ansehung unsers Verdienstes, haben diese nötige Lehre schändlich unterdrückt.

Artikel XIX. Von der Ursache der Sünde

Den XIX. Artikel lassen ihnen die Widersacher gefallen, da wir lehren, daß, wiewohl der einige Gott die ganze Welt und ganze Natur geschaffen hat und alle Stunde alle Kreaturen erhält, so ist er doch nicht eine Ursache der Sünde, sondern der böse Wille in Teufeln und Menschen, der sich von Gott abkehrt, der ist eine Ursache der Sünde, wie Christus sagt von dem Teufel: „Wenn er Lügen redet, so redet er aus seinem Eigenen.“

Artikel XX. Von guten Werken

Im XX. Artikel setzen sie klar diese Worte, daß sie unsere Lehre verwerfen und verdammen, da wir sagen, daß die Leute durch gute Werke nicht verdienen Vergebung der Sünden. Das merke jedermann wohl: eben den Artikel verdammen und verwerfen sie mit klaren Worten. Was ist nun not, in dieser öffentlichen Sache viel Worte zu machen? Die großen Doctores und Meister der Konfutation geben da öffentlich an Tag, was für ein Geist aus ihnen redet. Denn in der christlichen Kirche ist das kein geringer Artikel, sondern der allerhöchste und Hauptartikel, daß wir Vergebung der Sünden erlangen ohne unser Verdienst, durch Christum, und daß nicht unsere Werke, sondern Christus sei die Versöhnung für unsere Sünden, wie Petrus sagt: „Dem Jesu geben Zeugnis alle Propheten, daß wir Vergebung der Sünden erlangen, alle, die an ihn glauben.“ Solch stark Zeugnis aller heiligen Propheten mag billig ein Beschluß heißen der katholischen christlichen Kirche. Denn auch ein einiger Prophet gar groß bei Gott geachtet und ein Weltschatz ist. Derselben heiligen Kirche und dem einträchtigen Munde aller Propheten sollen wir billiger glauben denn den heillosen, gottlosen Sophisten, so die Konfutation gemacht haben und Christum so unverschämt lästern. Denn wiewohl etliche Lehrer also auch davon geschrieben, daß wir hernach, wenn uns die Sünde vergeben ist, nicht durch den Glauben, sondern durch unsere eigenen Werke Gnade erlangen, so haben sie doch das nicht gehalten, daß die Vergebung der Sünden an sich selbst um unserer Werke willen uns widerfahre, und nicht um Christus‘ willen.

Darum ist es eine greuliche Gotteslästerung, die Ehre Christi also unsern Menschenwerken zu geben. Und wir vergrössten und versehen uns zu Kaiserlicher Majestät und auch andern Fürsten dieser kaiserlichen, fürstlichen Tugend, daß sie so öffentliche Unwahrheit und Ungrund, dadurch vor aller Welt Gott und das Evangelium gelästert wird, in keinem Wege würden in der Konfutation, wenn sie verwarnt wären, gelassen haben. Denn daß dieser Artikel gewißlich göttlich und wahr ist, und das dies die heilige göttliche Wahrheit sei, dafür könnten wir hier gar nahe unzählige Sprüche der Schrift vorbringen, auch aus den Vätern. Und ist gar nahe keine Silbe, kein Blatt in der Bibel, in den vornehmsten Büchern der Heiligen Schrift, da das nicht klar gemeldet wäre. Wir haben oben auch viel von diesen Stücken gesagt, und gottesfürchtige, fromme Herzen, die da wohl wissen, warum Christus gegeben ist, die da nicht für aller Welt Güter und Königreiche entbehren wollten, daß Christus nicht unser einiger Schatz, unser einiger Mittler und Versöhner wäre, die müssen sich hier entsetzen und erschrecken, daß Gottes heiliges Wort und Wahrheit so öffentlich von armen Menschen verachtet und verdammt wird. Jesaias der Prophet sagt: „Der Herr hat auf ihn gelegt unser aller Sünde.“ Die Widersacher aber lügenstrafen Jesaiam und die ganze Bibel und Schrift und sagen, er habe unsere Sünde auf uns und unsere Werke und bettelische Genugtuung gelegt. Ich will dennoch hier schweigen der kindischen Werke, Rosenkränze, Wallfahrten und dergleichen. Wir sehen gar wohl das ernstliche Mandat und das kaiserliche Edikt, wider uns und unsere Lehre ausgegangen, des sollten wir billig erschrecken, wenn wir von leichten, geringen Sachen oder von Sachen, die in Zweifel stünden, zu handeln hätten. Nachdem wir aber, Gott Lob! durch Gottes Wort in unsern Herzen und Gewissen des ganz ohne allen Zweifel vor Gott gewiß sind, daß die Widersacher verdammen die öffentliche göttliche Wahrheit und die rechte, christliche, selige, heilige Lehre, ohne welche keine christliche Kirche irgend sein kann, welche ein jeder Christ, so fern sein Leib und Leben reicht, schuldig ist, zu der Ehre Gottes zu bekennen, zu retten und zu schützen: so lassen wir uns von solcher heilsamen Lehre nicht abschrecken. Denn wer wollte sich doch nicht wünschen an seinem letzten Ende, daß er im Bekenntnis des Artikels sterben möchte, daß wir Vergebung der Sünden durch den Glauben, ohne unser Verdienst und Werk, durch das Blut Christi erlangen? Es gibt die Erfahrung, wie die Mönche selbst bekennen müssen, daß sich die Gewissen nicht lassen stillen noch zufrieden bringen denn durch den Glauben an Christum. Und die Gewissen können keinen rechten, beständigen Trost haben in den großen Ängsten in der Todesstunde und in Anfechtung wider das große Schrecken des Todes, der Sünde, wenn sie nicht an die Zusage der Gnade in Christo sich halten. Auch können sie keinen beständigen Trost haben wider den Teufel, welcher dann erst stark die Herzen drängt, ängstet und zur Verzweiflung reizt und alle unsere Werke in einem Augenblick wie den Staub hinwegbläst, wenn sie nicht an den Evangelio, an dieser Lehre, festhalten, daß wir ohne unser Verdienst, durch das teure Blut Christi Vergebung der Sünden erlangen. Denn der Glaube allein erquickt und erhält uns in dem großen Todeskampf, in den großen Ängsten, wenn keine Kreatur helfen kann, ja, wenn wir außerhalb dieser ganzen sichtbaren Kreatur von dannen in ein ander Wesen und Welt sollen abscheiden und sterben.

Darum ist es eine Sache, die wahrlich der Rede wert ist, um welcher willen ein jeder Christ von Herzen gern alles wagen und in Gefahr setzen soll. Darum alle diejenigen, so dieser unserer Konfession anhangen, dürfen sich nicht schrecken oder irren lassen, sondern mögen in aller Freudigkeit auf Gott und den Herrn Christum es getrost und fröhlich wagen und diese öffentliche Wahrheit wider alle Welt, Tyrannei, Zorn, Drohen, Schrecken, auch wider alles tyrannische tägliche Morden und Verfolgen fröhlich bekennen. Denn wer wollte sich doch solchen großen, ja ewigen Trost, daran der ganzen christlichen Kirche alles Heil gelegen ist, nehmen lassen? Wer die Bibel in die Hand nimmt und mit Ernst liest, der merkt bald, daß allenthalben in der Schrift diese Lehre gegründet ist. Dann Paulus sagt klar Röm. 3 und 4, daß die Sünden ohne Verdienst, um Christus‘ willen vergeben werden; darum sagt er: „Wir werden gerecht durch den Glauben ohne Verdienst, daß die Verheißung feststehe.“ Das ist, so die Verheißung aus unsern Werken wäre, so wäre sie nicht fest. Und wenn die Gnade oder Vergebung der Sünden gegeben würde um unserer Werke willen, wann würden wir dann gewiß, daß wir Gnade erlangt hätten? Wann wollte das Gewissen ein solch Werk finden, das genug wäre, Gottes Zorn zu versöhnen? Wir haben hier oben davon genug gesagt; da mag ein jeder Sprüche der Schrift, so diese Lehre gründen, suchen. Denn an diesem Ort hat mich bewegt, so heftig zu klagen, die greuliche, unverschämte, übermäßige, vorgefaßte Bosheit der Widersacher, da sie mit klaren Worten setzen, daß sie diesen Artikel verwerfen, daß wir Vergebung der Sünden erlange nicht durch unsere Werke, sondern ohne Verdienst, durch den Glauben an Christum.

Die Widersacher führen auch etliche Sprüche der Schrift ein, warum sie diesen Artikel verdammen. Nämlich bringen sie den Spruch Petri hervor: „Fleißiget euch, euren Beruf festzumachen durch gute Werke“, usw. Da sieht jedermann, daß unsere Widersacher ihr Geld nicht übel angelegt, da sie Dialecticam studiert haben. Denn sie mögen die Sprüche der Schrift gereimt, ungereimt, schließlich, unschließlich, wie sie wollen, und wie es ihnen gefällt, einführen. Denn also schließen sie: Petrus sagt: „Fleißiget euch, durch gute Werke euren Beruf festzumachen“; darum verdienen wir durch Werke Vergebung der Sünden. Es ist wahrlich einen feine Argumentation, als wenn einer spräche von einem Beklagten im Halsgericht, welchem das Leben gefristet wäre: Der Richter hat geboten, daß der forthin sich solcher Übeltat soll enthalten; darum so hat er verdient mit solchem Enthalten, daß ihm das Leben gefristet ist. Also argumentieren, das heißt, ex non causa causam machen. Denn Petrus redet von guten Werken und Früchten, die da folgen dem Glauben, und lehrt, warum man sie tun solle, nämlich, daß wir unsern Beruf festmachen, das ist, daß wir nicht wiederum vom Evangelio fallen, wenn wir wiederum sündigten. Will sagen: Tut gute Werke, daß ihr bei dem Evangelio, bei eurem himmlischen Beruf bleibt, daß ihr nicht wiederum abfallt, kalt werdet, verliert Geist und Gaben, die euch aus Gnaden durch Christum widerfahren sind, nicht um der folgenden Werke willen. Denn in dem Beruf bleibt man fest durch den Glauben, und der Glauben und der Heilige Geist bleibt in denjenigen nicht, die sündlich Leben führen.

Der Sprüche und Zeugnisse setzen sie mehr, die sich ebensowohl reimen. Dazu dürfen sie sagen, daß diese Meinung vor tausend Jahren zu Augustinus‘ Zeiten verdammt sei. Das ist nicht wahr, sondern eine Lüge. Denn die christlich Kirche hat allezeit gehalten, daß Vergebung der Sünden ohne Verdienst uns widerfahre, und die Pelagianer sind darum verdammt, die da sagten, die Gnade würde uns gegeben um unserer Werke willen. Wir haben oben genug angezeigt, daß wir auch lehren, daß, wo Glaube ist, da sollen auch gute Früchte und gute Werke folgen. „Den wir tun das Gesetz nicht ab, sondern richten es auf“, wie Paulus sagt. Denn wenn wir durch den Glauben den Heiligen Geist empfangen haben, so folgen gute Früchte, da nehmen wir denn zu in der Liebe, in Geduld, in Keuschheit und andern Früchten des Geistes.

Artikel XXI. Vom Anrufen der Heiligen

Den einundzwanzigsten Artikel verdammen die Widersacher ganz, daß wir vom Anrufen der Heiligen nichts lehren, und sie handeln kein Stück so gar mit weitläufigem Geschwätze und richten doch nichts aus, denn daß sie sagen, man solle die Heiligen ehren. Item, sie beweisen, die lebendigen Heiligen beten einer für den andern; daraus schließen sie, daß man die toten Heiligen solle und müsse anrufen. Sie ziehen an Cyprianum, der habe Cornelium, da er noch gelebt, gebeten, daß er wenn er gestorben wäre, für die Brüder bitten wolle. Damit beweisen sie, daß man die toten Heiligen müsse anrufen. Auch ziehen sie an Hieronymum wider Vigilantium und sagen: In dieser Sache hat vor tausend Jahren Hieronymus Vigilantium überwunden. Also gehen sie überhin, meinen, sie haben weit gewonnen, und sehen die groben Esel nicht, daß im Hieronymo wider Vigilantium keine Silbe steht vom Anrufen der Heiligen. Hieronymus redet nicht vom Anrufen der Heiligen, sondern von Heiligen ehren. Auch so haben die alten Lehrer vor Gregorius‘ Zeiten des Anrufens der Heiligen nicht gedacht. Und die Anrufung der Heiligen wie auch die applicatio des Verdienstes der Heiligen, davon die Widersacher lehren, hat gar keinen Grund in der Schrift.

In unserer Konfession leugnen wir nicht, daß man die Heiligen ehren soll. Denn dreierlei Ehre ist, damit man die Heiligen ehrt. Für das erste, daß wir Gott danksagen, daß er uns an den Heiligen Exempel seiner Gnade hat dargestellt, daß er hat Lehrer in der Kirche und andere Gaben gegeben, und die Gaben, weil sie groß sind, soll man sie noch preisen, auch die Heiligen selbst loben, die solche Gaben wohl gebraucht haben, wie Christus im Evangelio lobt die treuen Knechte. Die andere Ehre, so wir den Heiligen tun mögen, ist, daß wir an ihrem Exempel unsern Glauben stärken; als wenn ich sehe, daß Petro aus so reicher Gnade die Sünde vergeben ist, da er Christum verleugnet, wird mein Herz und Gewissen gestärkt, daß ich glaube, daß die Gnade mächtiger sei denn die Sünde. Für das dritte ehren wir die Heiligen, wenn wir ihres Glaubens, ihrer Liebe, ihrer Geduld Exempel nachfolgen, ein jeder nach seinem Beruf. Von dieser rechten Ehre der Heiligen reden die Widersacher gar nichts; allein von dem Anrufen der Heiligen, welches, wenn es auch ohne Gefahr der Gewissen wäre, doch nicht not ist, da zanken sie von.

Darüber so geben wir ihnen nach, daß die Engel für uns bitten. Denn Zach. 1 steht geschrieben, daß der Engel bittet: „Herr Zebaoth, wie lange willst du dich nicht erbarmen über Jerusalem?“ Und wiewohl wir nachgeben, daß gleichwie die lebendigen Heiligen für die ganze Kirche bitten insgemein oder in genere. Doch hat solches kein Zeugnis in der Schrift denn allein den Traum, der genommen ist aus dem andern Buch Maccabaeorum.

Weiter, ob die Heiligen gleich beten für die Kirche, so folgt doch daraus nicht, daß man die Heiligen solle anrufen; wiewohl unsere Konfession allein dies setzt: In der Schrift steht nichts von dem Anrufen der Heiligen, oder daß man Hilfe suchen sollen bei den Heiligen. So man nun weder Gebot noch Zusage noch Exempel aus der Schrift mag vorbringen, so folgt, daß kein Herz noch Gewissen darauf sich verlassen kann. Denn dieweil ein jeglich Gebet soll aus dem Glauben geschehen, woher will ich denn wissen, daß Gott sich gefallen läßt das Anrufen der Heiligen, wenn ich nicht Gottes Wort davon habe? Wodurch werde ich gewiß, daß die Heiligen mein Gebet und eines jeden insbesondere hören? Etliche machen geradezu Götter aus den Heiligen und sagen, sie können unsere Gedanken wissen und uns ins Herz sehen. Dasselbe erdichten sie, nicht daß sie ihre Kretschmerei und Jahrmarkt, welcher ihnen Geld einträgt, verteidigen. Wir sagen noch wie vorhin: In Gottes Wort, in der Schrift, steht nicht, daß die Heiligen unser Anrufen verstehen, und ob sie es verstünden, daß Gott ihm sich solch Anrufen gefallen lasse; so hat’s je keinen Grund. Dawider können die Widersacher nichts aufbringen; darum sollten die Widersacher uns zu ungewissen Dingen nicht zwingen oder dringen; denn ein Gebet ohne Glauben ist nicht ein Gebet. Denn daß sie sagen, die Kirche habe es im Gebrauch, so ist es doch gewiß, daß solches ein neuer Gebrauch in der Kirche ist, denn die alten Kollekten, ob sie wohl der Heiligen gedenken, so rufen sich doch die Heiligen nicht an.

Darüber reden die Widersacher nicht allein vom Anrufen der Heiligen, sondern sagen auch, das Gott der Heiligen Verdienst annehme für unsere Sünde, und machen also aus den Heiligen nicht allein Fürbitter, sondern Mittler und Versöhner. Das ist nun gar nicht zu leiden; denn da geben sie die Ehre, so Christo allein gebührt, den Heiligen; denn sie machen aus ihnen Mittler und Versöhner. Und wiewohl sie wollen Unterschied machen unter Mittlern, die für uns bitten, und dem Mittler, der uns erlöst und Gott versöhnt hat, so mache sie doch aus den Heiligen Mittler, dadurch die Leute versöhnt werden. Und daß sie sagen, die Heiligen sind Mittler, für uns zu bitten, das sagen sie auch ohne alle Schrift; Und wenn man schon davon aufs glimpflichste reden will, so wird doch Christus und seine Wohltat durch solche Lehre unterdrückt, und vertrauen sie da auf die Heiligen, da sie auf Christum vertrauen sollten. Denn die erdichten sich selbst einen Wahn, als sei Christus ein strenger Richter und die Heiligen gnädige, gütige Mittler; fliehen also zu den Heiligen, scheuen sich vor Christo wie vor einem Tyrannen, vertrauen mehr auf die Güte der Heiligen denn auf die Güte Christi, laufen von Christo und suchen der Heiligen Hilfe. Also machen sie im Grunde doch mediatores redemptionis aus den Heiligen.

Derhalben wollen wir beweisen, daß sie aus den Heiligen machen nicht allein Fürbitter, sondern Versöhner und mediatores redemptionis. wir reden hier noch nicht von groben Mißbräuchen, wie der gemeine Pöbel mit den Heiligen und Wallfahrten öffentlich Abgötterei treibt: wir reden, was ihre Gelehrten von diesem Stücke predigen, schreiben und in ihren Schulen lehren. Das andere, als die groben Mißbräuche, können auch unerfahrene, grobe Leute urteilen und richten.

Es gehören zwei Stücke zu einem Mittler und Versöhner. Für das erste ein gewiß, klar Gotteswort und =verheißung, daß Gott durch den Mittler erhören will alle, die ihn anrufen. Eine solche göttliche Zusage steht in der Schrift von Christo: „Was ihr werdet bitten den Vater in meinem Namen, das wird er euch geben.“ Von den Heiligen steht nirgend in der Schrift einen solche Zusage, darum kann keiner bei sich gewiß schließen, daß er auf Anrufen der Heiligen erhört werde; darum ist solch Anrufen nicht aus dem Glauben. Darüber haben wir Gottes Wort und Gebot, daß wir sollen Christum anrufen, da er sagt: „Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken.“ Ps. 45: „Vor deinem Angesicht werden anbeten alle Reichen im Volk.“ Und Ps. 45: „Vor deinem Angesicht werden anbeten alle Reichen im Volk.“ Und Ps. 72: „und werden ihn anbeten alle Könige auf Erden.“ Und bald hernach: „Sie werden täglich vor ihm knien“ usw. Und Joh. 5 sagt Christus: „Damit sie alle ehren den Sohn, wie sie ehren den Vater.“ Item 2 Thess. 2 sagt Paulus, da er betet: „unser Herr Jesus Christus und Gott, unser Vater, ermahne eure Herzen und stärke euch!“ Das sind eitel Sprüche von Christo. Aber vom Anrufen der Heiligen können die Widersacher kein Gottesgebot, kein Exempel der Schrift vorbringen. Zum andern gehört zu einem Versöhner, daß sein Verdienst für andere Leute bezahle, daß seines Verdienstes und Bezahlung ander teilhaftig werden, als hätten sie selbst bezahlt. Als, wenn ein guter Freund für den andern Schuld bezahlt, da wird der Schuldiger durch eines andern Bezahlung, also durch sein eigen Bezahlen, der Schuld los. Also wird uns Christi Verdienst geschenkt und zugerechnet, wenn wir an ihn glauben, gleich als wäre sein Verdienst unser, daß uns also seine Gerechtigkeit und sein Verdienst wird zugerechnet, und wird sein Verdienst unser eigen.

Auf beide Stücke, nämlich auf die göttliche Zusage und auf Christi Verdienst, muß ein christlich Gebet sich gründen. Ein solcher Glaube an die göttliche Zusage und auf das Verdienst Christi gehört zum Gebet. Denn wir sollen’s gewiß dafürhalten, daß wir um Christus‘ willen erhört werden, und daß wir um seinetwillen einen gnädigen Gott haben.

Da lehren nun die Widersacher, wir sollen die Heiligen anrufen, so wir dazu weder Gebot noch Verheißung noch Exempel in der Schrift haben, und machen doch damit, daß man größeres Vertrauen auf die Heiligen setzt denn auf Christum, so doch Christus sagt: „Kommt zu mir“, nicht zu den Heiligen. Zum andern sagen sie, daß Gott der Heiligen Verdienste annehme für unsere Sünde, und lehren also Vertrauen auf der Heiligen Verdienste, nicht auf das Verdienst Christi. Und solches lehren sie klar vom Ablaß, darin sie der Heiligen Verdienst austeilen als satisfactiones für unsere Sünden. Und Gabriel, der den canonem missae auslegt, der darf frei sagen: „Wir sollen nach der Ordnung, die Gott eingesetzt hat, fliehen zu den Heiligen, daß wir durch ihre Hilfe und Verdienste selig werden.“ Dies sind die klaren Worte Gabrielis. Und hin und wieder in der Widersacher Büchern findet man noch viel Ungeschickteres vom Verdienst der Heiligen. Heißt das nun die Heiligen nicht zu Versöhnern gemacht? Denn da werden sie doch gar Christo gleich, wenn wir vertrauen sollen, das wir durch ihre Verdienste selig werden.

Wo ist aber die Ordnung von Gott eingesetzt, da Gabriel von redet, daß wir sollen zu den Heiligen fliehen? Er bringe doch ein Wort, ein einig Exempel aus der Heiligen Schrift. Sie machen vielleicht die Ordnung von dem Gebrauch, der in weltlichen Fürstenhöfen ist, da die Räte des Fürsten armer Leute Sachen vortragen und als Mittler fördern. Wie aber, wenn ein Fürst oder ein König einen einigen Mittler bestellte und wollte durch keinen andern die Sachen in Gnaden hören, oder alle Bitte durch den allein erhören? Darum so Christus nun allein zu einem Hohenpriester und Mittler gesetzt ist, warum suchen wir denn andere? Was können nun hier die Widersacher dawider sagen?

Es ist eine gemeine Form der Absolution bis anher gebraucht, die lautet also: „Das Leiden unsers Herrn Jesu Christi, die Verdienste der Mutter Maria und aller Heiligen sollen sein dir zur Vergebung der Sünden.“ Da wird öffentlich die Absolution gesprochen nicht allein durch das Verdienst Christi, sondern auch durch Verdienste der andern Heiligen, daß wir durch dieselben sollen Gnade und Vergebung der Sünden erlangen. Etliche aus uns haben gesehen einen Doktor der Heiligen Schrift in agone oder in seinen letzten Zügen; dem war ein Mönch beigegeben, ihn zu trösten. Nun rief und schrie er dem sterbenden Menschen nichts anderes ein denn allein diese Gebet: „Maria, du Mutter der Güte und Gnade, behüte uns vor dem Feinde und in der Todesstunde nimm uns auf, Maria, mater gratiae“ etc.

Ob nun gleich Maria, die Mutter Gottes, für die Kirche bittet, so ist doch das zu viel, daß sie sollte den Tod überwinden, daß sie vor den großen Gewalt des Satans uns behüten sollte. Denn was wäre Christus not, wenn Maria das vermöchte? Denn wiewohl sie alles höchsten Lobes wert ist, so will sie doch nicht Christo gleich gehalten sein, sondern will vielmehr, daß wir dem Exempel ihres Glaubens und ihrer Demut folgen sollen. Nun ist dies öffentlich am Tage, daß durch solche falsche Lehre Maria an Christus‘ Statt ist gekommen; dieselbe haben sie angerufen, auf deren Güte haben sie vertraut, durch die haben sie wollen Christum versöhnen, gleich als sei er nicht ein Versöhner, sondern allein ein schrecklicher, rachgieriger Richter. Wir sagen aber, daß man nicht lehren soll auf die Heiligen vertrauen, als machte uns ihr Verdienst selig, sondern allein um Christus‘ Verdienstes willen erlangen wir Vergebung der Sünden und Seligkeit, wenn wir an ihn glauben. Von den andern Heiligen ist gesagt: „Ein jeder wird Lohn empfangen nach seiner Arbeit“ usw. Das ist, sie untereinander können einer dem andern ihr Verdienst nicht mitteilen, wie die Mönche ihrer Orden Verdienste uns unverschämt verkauft haben. Und Hilarius sagt von den törichten Jungfrauen: „Dieweil die tollen dem Bräutigam nicht können entgegengehen, dieweil ihre Lampen verlöschen sind, so bitten sie die weisen, daß sie ihnen wollen Öl leihen; aber dieselben antworten, sie können’s ihnen nicht leihen, denn es möchte beiden fehlen; es sei nicht genug für alle“ usw. Da zeigt er an, daß niemand unter uns durch fremde Werke oder Verdienste dem andern helfen kann.

So nun die Widersacher lehren, daß wir auf Anrufen der Heiligen vertrauen sollen, so sie doch des keinen Gottesbefehl haben, kein Gotteswort noch Exempel Alten oder Neuen Testaments haben, so sie auch das Verdienst der Heiligen so hoch heben als das Verdienst Christi und die Ehre, so Christo gebührt, den Heiligen geben, so können wir ihre Meinung und Gewohnheit vom Anbeten oder Anrufen der Heiligen nicht loben noch annehmen. Denn wir wissen, daß wir unser Vertrauen sollen setzen auf Christum; da haben wir Gottes Zusage, daß er soll der Mittler sein; so wissen wir, daß allein Christi Verdienst eine Versöhnung für unsere Sünde ist. Um Christus‘ willen werden wir versöhnt, wenn wir an ihn glauben, wie der Text sagt: „Alle, die an ihn glauben, die sollen nicht zuschanden werden.“ Und man soll nicht vertrauen, daß wir von wegen des Verdienstes Mariä vor Gott gerecht sind.

Auch so predigen ihre Gelehrten unverschämt, daß jeder unter den Heiligen eine sonderliche Gabe könne geben, als: St. Anna behüte vor Armut, St. Sebastianus vor der Pestilenz, St. Valten vor der fallenden Seuche; den heiligen Ritter Jörgen haben die Reiter angerufen, vor Stich und Geschoß und allerlei Fahr zu behüten. Und das alles im Grunde ist von Heiden hergekommen. Und ich will gleich setzen, daß die Widersacher nicht so gar unverschämt heidnische Lügen vom Anrufen der Heiligen lehrten, dennoch ist das Exempel gefährlich. So sie auch des keinen Gottesbefehl noch -wort haben, auch aus den alten Vätern davon nichts Gewisses können aufbringen: was ist denn not, daß man solchen Ungrund verteidigen will? Erstlich aber ist es darum ganz gefährlich; denn so man andere Mittler sucht denn Christum, so setzt man vertrauen auf dieselben, und wird also Christus und die Erkenntnis Christi ganz unterdrückt, wie wir leider die Erfahrung haben. Denn es mag sein, daß erstlich etliche in guter Meinung der Heiligen gedacht haben in ihrem Gebet. Bald hernach ist gefolgt das Anrufen der Heiligen. Bald nach dem Anrufen sind einzeln eingerissen die wunderlichen heidnischen Greuel und Mißbräuche usw., als, daß man’s dafürgehalten, daß die Bilder einen eigenen heimliche Kraft hätten, wie die Zauberer und mag dafürhalten, daß wenn man etliche Sternzeichen zu gewisser Zeit in Gold oder ander Metall gräbt oder bildet, die sollten eine sonderliche heimliche Kraft haben und Wirkung. Unser etliche haben vormals in einem Kloster ein Marienbild gesehen von Holz geschnitzt, welches also inwendig mit Schnürlein konnte gezogen werden, daß es von außen schien, als regte sich’s von ihm selbst, als winkte es mit dem Haupt den Anbetern, die es erhört, und als wendete es das Angesicht weg von den Anbetern, die nicht viel opferten, die es nicht erhört.

Und ob solcher Greuel, solche Abgötterei, Wallfahrten und Betrug mit den Bildern unzählig und unsäglich nicht wären gewesen, so sind doch noch greulicher und häßlicher gewesen die vielen Fabeln und Lügen der Legenden von Heiligen, welche man öffentlich gepredigt. Als, von St. Barbara haben sie gepredigt, daß sie an ihrem Tode Gott gebeten habe, für ihre Marter den Lohn zu geben, wer sie anriefe, daß der nicht könnte ohne Sakrament sterben. St. Christophorum, welcher auf deutsch heißt Christträger, hat einst ein weiser Mann den Kindern in solcher großen Länge malen lassen und hat wollen anzeigen, daß eine größere Stärke, denn Menschenstärke ist, in denjenigen sein müsse, die Christum sollen tragen, die das Evangelium predigen und bekennen sollen. Denn sie müssen durch das große Meer bei Nacht waten usw., das ist, allerlei große Anfechtung und Gefahr ausstehen. Da sind danach die tollen, ungelehrten, heillosen Mönche zugefahren und haben das Volk also gelehrt, den Christophorum anzurufen, als sei vorzeiten ein solch großer Riese leiblich vorhanden gewesen, der Christum durchs Meer getragen habe. So nun Gott der Allmächtige durch seine Heiligen, als sonderliche Leute, viel großes Dinges gewirkt in beiden Regimenten, in der Kirche und in weltliche Händeln (so sind viel große Exempel an der Heiligen Leben, welche Fürsten und Herren, rechten Pfarrherren und Seelsorgern, beide zum Weltregiment und Kirchenregierung, vornehmlich zur Stärkung des Glaubens gegen Gott ganz nütz wären): die haben sie lassen fahren und das Geringste von den Heiligen gepredigt, von ihrem harten Lager, von härenen Hemden usw.; welches des größeren Teils Lügen sind. Nun wäre es je nütz und fast tröstlich zu hören, wie etliche große, heilige Leute (wie in der Heiligen Schrift von Königen Israels und Judas erzählt wird) in ihrem Regiment Land und Leute regiert hätten, wie sie gelehrt und gepredigt, was mancherlei Gefahr und Anfechtung sie ausgestanden, wie auch viel gelehrte Leute den Königen, Fürsten und Herren in großen gefährlichen Läufen tätig und tröstlich seien gewesen, wie sie gelehrt und das Evangelium gepredigt haben, was mancherlei Kämpfe sie mit den Ketzern ausgestanden. So wären auch die Exempel, da den Heiligen große, sonderliche Barmherzigkeit von Gott erzeigt, sehr nütz und tröstlich. Als, wenn wir sehen, daß Petrus, so Christum verleugnet, Gnade erlangt hat, daß Cypriano seine magia vergeben ist. Item, wir lesen, daß Augustinus, da er todkrank gewesen, erst die Kraft des Glaubens erfahren hat und öffentlich Gott bekennt mit diesen Worten: „Nun habe ich erst empfunden, daß Gott der Gläubigen Seufzen und Gebet erhöre.“ Solche Exempel des Glaubens, da man lernt Gott fürchten, Gott vertrauen, daraus man recht steht, wie es gottesfürchtigen Leuten in der Kirche, auch in großen Sachen der hohen weltlichen Regimente ergangen, die hätte man fleißig und klar von den Heiligen schreiben und predigen sollen. Nun haben etliche müßige Mönche und lose Buben (welche nicht gewußt, wie große und schwere Sorge es ist, Kirchen oder sonst Leute regieren) Fabeln erdichtet, zum Teil aus der Heiden Büchern, da nicht denn Exempel sind, wie die Heiligen härene Hemde getragen, wie sie ihre sieben Zeiten gebetet, wie sie Wasser und Brot gegessen, und haben das alles gerichtet auf ihre Kretschmerei, aus den Wallfahrten Geld einzunehmen; wie denn sind die Wunderzeichen, welche sie vom Rosenkranze rühmen, und wie die Barfüßermönche von ihren hölzernen Körnern rühmen. Und ist hier nicht groß Not, Exempel anzuzeigen; ihre Lügenlegenden sind noch vorhanden, daß man’s nicht verneinen mag.

Und solchen Greuel wider Christum, solche Gotteslästerung, schändliche, unverschämt Lügen und Fabeln, solche Lügenprediger können die Bischöfe und Theologen leiden und haben sie lange Zeit gelitten zu großem Schaden der Gewissen, daß es schrecklich ist zu gedenken; denn solche Lügen haben Feld und Zinse getragen. Uns aber, die wir das Evangelium rein predigen, wollten sie gern vertilgen, so wir doch darum das Anrufen der Heiligen anfechten, damit Christus allein der Mittler bleibe und der große Mißbrauch abgetan werden. So auch lange vor dieser Zeit, ehe D. Luther geschrieben, ihre Theologen selbst, auch alle frommen, gottesfürchtigen, ehrbaren Leute über die Bischöfe und Prediger geschrien, daß sie die Mißbräuche um des Bauchs und Gelds willen zu strafen übergingen, so gedenken doch unsere Widersacher in ihrer Konfutation solcher Mißbräuche nicht mit einem Wort, daß so wir die Konfutation annähmen, müßten wir zugleich in alle ihre öffentlichen Mißbräuche gehen.

Also voll Hinterlist und gefährlichen Betrugs ist ihre ganze Konfutation, nicht allein an diesem Ort, sondern allenthalben. Sie stellen sich, als seien sie gar goldrein, als hätten sie nie kein Wasser getrübt. Denn an keinem Ort unterscheiden sie von ihren dogmatibus oder Lehren die öffentlichen Mißbräuche. Und doch, viele unter ihnen sind so ehrbar und redlich, bekennen selbst, daß viele Irrtümer sind in der scholasticorum und Kanonisten Bücher, daß auch viele Mißbräuche durch ungelehrte Predigen und durch so großen, schändlichen Unfleiß der Bischöfe eingerissen sind in der Kirche. Es ist auch D. Luther nicht allein noch der erste gewesen, der über solche unzählige Mißbräuche geschrien und geklagt hat. Es sind viel gelehrte, redliche Leute vor dieser Zeit gewesen, welche erbärmlich geklagt haben über den großen Mißbrauch der Messe, über Mißbrauch der Möncherei, item, über solchen Geiz= und Geld Markt der Wallfahrten, und sonderlich, daß der nötigste Artikel von der Buße, von Christo, ohne welchen keine christliche Kirche sein noch bleiben kann, welcher vor allen andern rein und richtig soll gelehrt werden, so jämmerlich ward unterdrückt.

Darum haben die Widersacher darin nicht treulich noch christlich gehandelt, daß sie in ihrer Konfutation die öffentlichen Mißbräuche stillschweigend übergangen haben. Und wenn es ihnen rechter Ernst wäre, der Kirche und den armen Gewissen zu helfen und nicht vielmehr Pracht und Geiz zu erhalten, so hätten sie hier einen rechten Zutritt und Ursache gehabt und sollten sonderlich an diesem Ort die Kaiserliche Majestät, unsern allergnädigsten Herrn, aufs untertänigste angesucht haben, solche große, öffentliche schändliche Mißbräuche, welche uns Christen auch bei Türken, bei Juden und allen Ungläubigen zum Spott gereichen, abzuschaffen. Denn wir in vielen Stücken klar genug vermerkt, daß Kaiserliche Majestät, unser allergnädigster Herr, ohne Zweifel mit allem treuen Fleiß die Wahrheit forschen und nachsuchen und gern die christliche Kirche recht bestellt und geordnet sehen. Aber den Widersachern ist daran nicht viel gelegen, wie sie der kaiserlichen Majestät kaiserlichem, christlichem Gemüt, willen und löblichem Bedenken genug tun, oder wie sie den Sachen helfen, sondern wie sie nur die Wahrheit und uns unterdrücken. Denn sie liegen darum nicht viel ungeschlafen, daß die christliche Lehre und das Evangelium rein gepredigt werde. Das Predigtamt lassen sie ganz wüste stehen, verteidigen öffentliche Mißbräuche, vergießen noch täglich unschuldig Blut aus ungehörter Tyrannei und Wüterei, allein ihre öffentlichen Lügen zu verteidigen. Auch so wollen sie fromme, christliche Predigen nicht dulden. Wo das endlich hinausgehen will, können verständige Leute wohl abnehmen. Denn mit eitel Gewalt und Tyrannei werden sie nicht lange die Kirche regieren. Und obgleich die Widersacher nichts anderes denn allein des Papsts Reich zu erhalten suchten, so wird doch das der Weg nicht dazu sein, sondern eine eitle Wüstung des Reichs und der Kirche. Denn wenn sie gleich alle frommen, christlichen Prediger also erwürgt hätten, und das Evangelium unterdrückt wäre, so würden danach Rottengeister und Schwärmergeister kommen, welche mit der Faust auch aufrührerisch fechten würden, welche die Gemeinde und Kirche mit falschen Lehren würden betrüben, alle Kirchenordnung verwüsten, welche wir gerne erhalten wollten.

Derhalben, allergnädigster Herr Kaiser, nachdem wir nicht zweifeln, Euer Kaiserlicher Majestät Gemüt und Herz sei, daß die göttliche Wahrheit, die Ehre Christi und das Evangelium möge erhalten werden und allezeit reichlich zunehmen, bitten wir aufs untertänigste, Euer Kaiserliche Majestät wollen dem unbilligen Vornehmen der Widersacher nicht stattgeben, sondern gnädiglich andere Wege suchen der Einigkeit, damit die christlichen Gewissen nicht also beschwert werden, damit auch die göttliche Wahrheit nicht so mit Gewalt unterdrückt oder unschuldige Leute darum durch eitel Tyrannei erwürgt, wie bis anher geschehen. Denn Eure Kaiserliche Majestät wissen sich des ohne Zweifel zu erinnern, daß solches sonderlich Eure Kaiserlicher Majestät Amt ist, die christliche Lehre, soviel menschlich oder möglich, also zu erhalten, daß sie möge auf die Nachkommen reichen, auch fromme, rechte Prediger schützen und handhaben. Denn das fordert Gott der Herr von allen Königen und Fürsten, da er ihnen seinen Titel mitteilt und nennt sie Götter, da er sagt: „Ihr seid Götter.“ Darum nennt er sie aber Götter, daß sie göttliche Sachen, das ist, das Evangelium Christi und die reine göttliche Lehre auf Erden, soviel möglich, schützen, retten und handhaben sollen, auch rechte christliche Lehrer und Prediger an Gottes Statt wider unrechte Gewalt in Schirm und Schutz haben.

Artikel XXII. Von beiderlei Gestalt im Abendmahl

Es hat keinen Zweifel, daß es göttlich ist und recht und dem Befehl Christi und den Worten Pauli gemäß, beiderlei Gestalt im Abendmahl zu brauchen. Denn Christus hat beiderlei Gestalt eingesetzt, nicht allein für einen Teil der Kirche, sondern für die ganze Kirche. Denn nicht allein die Priester, sondern die ganze Kirche braucht des Sakraments aus Befehl Christi, nicht aus Menschenbefehl; Und das müssen die Widersacher bekennen. So nun Christus für die ganze Kirche das ganze Sakrament hat eingesetzt, warum nehmen sie denn der Kirche die eine Gestalt? Warum ändern sie die Ordnung Christi, sonderlich so er es sein Testament nennt? Denn so man eines Menschen Testament nicht soll brechen, viel weniger soll man das Testament Christi brechen. Und Paulus sagt: „Ich habe es von dem Herrn empfange, das ich euch gegeben habe.“ Nun hat er ihnen je beiderlei Gestalt gegeben, wie der Text klar anzeigt, 1 Kor. 11: „Das tut“, sagt er, „zu meinem Gedächtnis.“ Da redet er vom Leibe. Danach wiederholt er dieselben Worte vom Blut Christi und sagt bald hernach: „Es prüfe sich aber der Mensch selbst und esse also von dem Brote und trinke also vom Kelche“ usw. Da nennt er sie beide. Das sind die klaren Worte des Apostels Pauli, und er macht eine Vorrede kurz zuvor, daß diejenigen, so das Sakrament brauchen wollen, sollen es in einem Abendmahl zugleich brauchen. Darum ist’s gewiß, daß es nicht allein für die Priester, sondern für die ganze Kirche ist eingesetzt. Und solcher Gebrauch wird auch heutigentags gehalten in der griechischen Kirche; so ist er auch in den lateinischen oder römischen Kirchen gewesen, wie Cyprianus und Hieronymus zeugen. Denn also sagt Hieronymus über den Propheten Zephanja: „Die Priester, so das Sakrament reichen und das Blut Christi dem Volk austeilen“ usw. Dasselbe zeugt auch Synodus Toletana. Und es wäre sehr leicht, viele Sprüche und Zeugnisse hier einzuführen; wir wollen’s aber um der Kürze willen unterlassen. Denn ein jeglicher christliche Leser wird selbst bedenken können, ob sich’s gebühre, die Ordnung und Einsetzung Christi zu verbieten und zu ändern.

Wie Widersacher gedenken gar nicht in ihrer Konfutation, wie derjenigen Gewissen zu trösten oder zu entschuldigen seien, denen unter dem Papsttum eine Gestalt entzogen ist. Dieses hätte gelehrten und gottesfürchtigen Doctoribus wohl angestanden, daß sie beständige Ursache hätten angezeigt, solche Gewissen zu trösten. Nun dringen sie darauf, daß es christlich und recht sei, beiderlei Gestalt zu verbieten, und wollen nicht gestatten, beiderlei Gestalt zu gebrauchen. Für das erste erdichten sie aus ihrem Kopfe, daß im Anfang der Kirche ein Gebrauch gewesen sei, daß man den Laien allein einerlei Gestalt gereicht habe, und können doch des Gebrauchs kein gewiß Exempel anzeigen. Sie ziehen etliche Sprüche aus dem Evangelisten Lukas an von dem Brechen des Brots, da geschrieben steht, daß die Jünger den Herrn erkannt haben im Brotbrechen. Sie ziehen auch mehr Sprüche von dem Brotbrechen an. Wiewohl wir nun nicht hart dawider sind, ob etliche vom Sakrament wollten verstanden werden, so folgt doch daraus nicht, daß nur die eine Gestalt anfänglich gereicht sei. Denn es ist gemein, daß man ein Stück nennt und das Ganze meint. Sie ziehen auch an die laica communio, zu gebrauchen, welches nicht wahr ist. Denn so die Canones auflegen den Priestern, der laica communio zu gebrauchen, meinen sie, daß sie zu einer Strafe nicht selbst konsekrieren sollen, sondern von einem andern gleichwohl beiderlei Gestalt empfangen. Und die Widersacher wissen das selber wohl, aber sie machen also einen Schein den Ungelehrten und Unerfahrenen. Denn wenn dieselben hören das Wort communio laica, denken sie von Stund‘ an, es sei eine communio gewesen wie zu unserer Zeit, daß man die Laien mit einerlei Gestalt gespeist habe.

Aber laßt sehen weiter. Wie unverschämt Ding schreiben doch die Widersacher wider Christi Einsetzung und Ordnung! Gabriel unter andern Ursachen, warum den Laien nicht beide Gestalt gereicht werde, setzt auch diese: es habe müssen ein Unterschied sein, sagt er, unter Priestern und Laien. Und ich halte wohl, es sei die größte und vornehmste Ursache, warum sie heutigentags so festhalten, damit der Pfaffenstand heiliger scheine gegen den Laienstand. Das ist nun ein Menschengedanke; worauf der gehe, ist wohl abzunehmen. Und in der Konfutation ziehen sie an die Kinder Elis, 1 Sam. 2, da der Text sagt: „Wer übrig ist von deinem Hause, der wird kommen und ihn anbeten um ein Stück Brots und wird sagen: Lieber, laß mich zu einem Priesterteil, daß ich einen Bissen Brots esse“ usw. Da, sagen sie, ist die einerlei Gestalt bedeutet, und sagen nun, also sollen auch unsere Laien mit einem Priesterteil, das ist, mit einerlei Gestalt, zufrieden sein. Die Meister der Konfutation sind recht unverschämte, grobe Esel, sie spielen und gaukeln mit der Schrift, wie sie wollen, so die Historien von den Kindern Elis auf das Sakrament deuten. Denn an dem Ort wird beschrieben die ernstliche Strafe über Eli und seine Kinder. Wollen sie denn auch sagen, daß den Laien eine Gestalt werde darum gewehrt zu einer Strafe? Sie sind gar töricht und toll. Das Sakrament ist von Christo eingesetzt, erschrockene Gewissen zu trösten, ihren Glauben zu stärken, wenn sie glauben, daß Christi Fleisch für der Welt Leben gegeben ist, und daß wir durch die Speise mit Christo vereinigt werden, Gnade und Leben haben. Aber die Widersacher schließen also, daß diejenigen, so solch Sakrament in einer Gestaltempfangen, damit also gestraft werden, und sprechen, es sollen und müssen die Laien sich genügen lassen; das heißt je stolz genug dahergetrotzt. Wie, ihr Herren, dürfen wir auch Ursache fragen, warum sie sich sollen genügen lassen? Oder soll es eitel Wahrheit heißen, was ihr wollt und was ihr sagt? Seht aber Wunder zu, wie unverschämt und frech die Widersacher sind: sie dürfen ihr Wort als eitel Herrengebote setzen, sagen frei, die Laien müssen sich genügen lassen. Wie aber, wenn sie nicht müssen? Sind das nun die Gründe und Ursachen, dadurch diejenigen entschuldigt sollen sein vor Gottes Urteil, die bisanher die Leute von beiderlei Gestalt abgedrungen und unschuldig die Leute darum erwürgt haben? Sollen sie sich damit trösten, daß von den Kindern Elis geschrieben: „Sie werden betteln“? Das wird eine faule Entschuldigung sein vor Gottes Gericht.

Doch ziehen sie noch mehr Ursachen an, warum beiderlei Gestalt nicht solle gereicht werden, nämlich um Fährlichkeit willen, damit nicht etwa ein Tröpflein aus dem Kelche verschüttet werde. Dergleichen Träume bringen sie mehr vor, um welcher willen Christus‘ Ordnung billig nicht soll geändert werden. Ich will aber gleich setzen, daß frei wäre, einer oder beiderlei Gestalt gebrauchen. Wie wollten sie denn beweisen, daß sie Macht hätten, beiderlei Gestalt zu verbieten? Wiewohl auch den Menschen oder der Kirche nicht gebührt, die Freiheit selbst zu machen, oder daß sie auch Christi Ordnung wollten res indifferentes, das ist frei auch beiden Seiten, machen. Die armen Gewissen, welchen die eine Gestalt mit Gewalt entzogen ist, und solch Unrecht haben leiden müssen, die wollen wir hier nicht richten. Aber diejenigen, so beiderlei Gestalt verboten haben, und doch nicht allein verbreiten, sondern auch also öffentlich lehren, predigen, die Leute darum fangen, erwürgen usw., die laden auf sich Gottes schrecklich Gericht und Zorn, und die wissen wir gar nicht zu entschuldigen; sie mögen sehen, wie sie Gott wollen Rechenschaft geben ihres Vornehmens. Und es ist auch nicht so bald der Kirche Beschluß, was die Bischöfe und Pfaffen beschließen, sonderlich so die Schrift und der Prophet Ezechiel sagt: „Es werden Priester und Bischöfe kommen, die kein Gottesgebot noch =gesetz wissen.“

Artikel XXIII. Von der Priesterehe

Wiewohl die große, ungehörte Unzucht mit Hurerei und Ehebruch unter Pfaffen und Mönchen usw. auf hohen Stiften, andern Kirchen und Klöstern in aller Welt also rüchtig ist, daß man davon singt und sagt, noch sind die Widersacher, so die Konfutation gestellt, so ganz verblendet und unverschämt, daß sie den Papstes Gesetz, dadurch die Ehe verboten, verteidigen, und dazu mit falschem Schein, als sei es Geistlichkeit. Darüber, wiewohl sie billig sich des überaus schändlichen, unzüchtigen, freien, losen Bubenlebens auf ihren Stiften und in Klöstern in ihr Herz schämen sollten und allein des Stücks halben nicht kühnlich die Sonne ansehen, wiewohl auch ihr bös, unruhig Herz und Gewissen ihnen billig so bange macht, sich zu entsetzen und zu scheuen, vor so löblichem, ehrliebendem Kaiser ihre Augen aufzuheben, so sind sie doch henkerskühn, tun wie der Teufel selbst und alle verwegene, verruchten Leute, gehen in ihrem blinden Trotz dahin, aller Ehre und Scham vergessend. Und die reinen, keuschen Leute dürfen kaiserliche Majestät, die Kurfürsten und Fürsten vermahnen, daß sie der Priester Ehe nicht leiden sollen ad infamiam et ignominiam imperii, das ist zu deutsch, dem römischen Reich zu Schmach und Unehren. Denn dies sind ihre Worte, gleich als sei ihr schändlich Leben der Kirche sehr ehrlich und rühmlich.

Wie könnten doch die Widersacher ungeschickter, unverschämter und öffentlicher ihre eigenen Schande und Schaden wirken und reden? Dergleichen unverschämt Vorbringen vor einem römischen Kaiser wird man in keiner Historie finden. Wenn sie nicht alle Welt kennte, wenn nicht viel fromme, redliche Leute, ihre eigenen Konkanonieken, unter ihnen selbst über so schändlich, unzüchtig, unehrlich Wesen vor langer Zeit geklagt hätten, wenn ihr ehrlose, schändlich, ungöttlich, unzüchtig, heidnisch, epikurisch Leben und die Grundsuppe aller Unzucht zu Rom nicht so gar am Tage wäre, das sich weder decken noch färben noch schmücken will lassen, so möchte man denken, ihre große Reinigkeit und ihre unverrückte jungfräuliche Keuschheit wäre eine Ursache, daß sie ein Weib oder die Ehe auch nicht mögen hören nennen, daß sie die heilige Ehe, welche der Papst selbst ein Sakrament der heiligen Ehe heißt, infamiam imperii taufen. Wohlan, ihre Argumente und Gründe wollen wir hernach erzählen. Dieses wolle aber ein jeder christlicher Leser, alle ehrbaren, ehrliebenden, frommen Leute zu Herzen nehmen und wohl bedenken, wie ganz ohne Ehre und Scheu und alle Scham die Leute sein müssen, so die heilige Ehe, welche die Heilige Schrift aufs höchste preist und lobt, einen Schandflecken, eine Infamie des römischen Reichs dürfen nennen; gleich als sei es so eine große Ehre der Kirche und des Reichs ihre lästerliche, greuliche Unzucht, wie man das römische und der Pfaffen Wesen kennt. Und, allergnädigstger Herr Kaiser, bei Eurer Kaiserliche Majestät, welche in alten Schriften wird ein züchtiger Fürst und König genannt (denn freilich dieser Spruch von Eurer Kaiserlichen Majestät gesagt ist: Pudicus facie regnabit ubique), ja bei Eurer Majestät und den löblichen Reichsständen dürfen solche Leute suchen und unverschämt fordern, daß Eure Majestät (was Gott verhüte!) solche greuliche Unzucht sollen handhaben, ihre kaiserliche Macht, welche der Allmächtige bisanher Eurer kaiserlichen Majestät sieghaftig und seliglich zu gebrauchen gnädiglich verliehen hat, darauf wenden solle, schändliche Unzucht und ungehörte Laster, welche auch bei den Heiden für greulich gehalten, zu schützen und zu verteidigen. Und wie sie in ihren blutdürstigen, verblendeten Herzen gesinnt seien, daß sie gern wollten ungeachtet aller göttlichen und natürlichen Rechte, ungeachtet der Konzilien und ihrer eigenen Canones solche Priesterehe mit Gewalt auf einmal zerreißen, viel arme, unschuldige Leute aus keiner ander Ursache denn allein um des Ehestandes willen tyrannisch mit Galgen und Schwert dahinrichten, die Priester selbst, welcher doch in größeren Fällen auch die Heiden verschont haben, als die großen Übeltäter um der Ehe willen erwürgen, so viel fromme, unschuldige Weiber und Kinder ins Elend vertreiben, zu armen verlassenen Witwen und Waisen machen und ihren teuflischen Haß an unschuldigem Blute rächen: dazu dürfen sie Eure Kaiserliche Majestät vermahnen. Dieweil aber Gott der Allmächtige Eure Majestät mit sonderlicher angeborner Güte und Zucht begnadet, daß Eure Majestät aus hohem, adeligem, christlichem Gemüt so große Unzucht zu handhaben oder so ungehörte Tyrannei vorzunehmen, selbst Scheu haben und diese Handlung ohne Zweifel viel fürstlicher und christlicher bedenken denn sie losen Leute, so hoffen wir, Eure Majestät werden hierin ganz kaiserlich und gnädiglich sich erzeigen und bedenken, daß wir dieses guten Grund und Ursache haben aus der Heiligen Schrift, dagegen die Widersacher eitel Lügen und Irrtümer vorbringen.

Auch so ist es ihnen gewiß nicht Ernst, solchen Zölibat und ehelosen Stand zu verfechten; denn sie wissen wohl, wie reine Jungfern sie sind, wie wenige unter ihnen die Keuschheit halten. Allein sie bleiben bei ihrem Trostwort, das sie in ihrer Schrift finden: Si non caste, tamen caute, Und wissen, daß keusch sich rühmen oder nennen und doch nicht sein, in der Welt einen Schein der Keuschheit hat, daß auch ihr Papstreich und Pfaffenreich und Pfaffenwesen dadurch vor der Welt desto heiliger scheint. Denn Petrus der Apostel hat recht gewarnt, daß solche falsche Propheten werden die Leute betrügen mit erdichteten Worten. Die Widersacher nehmen sich der Sache der Religion, welches die Hauptsache ist, gar nicht mit Ernst an. Was sie schreiben, reden, handeln, sind eitel Worte ad hominem; da ist kein Ernst, keine Treue, kein recht Herz zu gemeinem Nutz, den armen Gewissen oder Kirchen zu helfen. Im Grund ist’s ihnen um die Herrschaft zu tun, derselben haben sie Sorge und unterstützen sie fein mit eitel gottlosen, heuchlerischen Lügen; so wird sie auch stehen wie Butter an der Sonne.

Wie können das Gesetz vom ehelosen Stand darum nicht annehmen, denn es ist wider göttlich und natürlich Recht, wider alle Heilige Schrift, wider die Konzilien und Canones selbst. Darüber ist’s lauter Heuchelei und dem Gewissen fährlich und ganz schädlich; so erfolgen auch daraus unzählige Ärgernisse, häßliche, schreckliche Sünden und Schanden, und wie man steht in den rechten Pfaffenstädten und Residenzen, wie sie es nennen, Zerrüttung aller weltliche Ehre und Zucht. Die andern Artikel unserer Konfession, wiewohl sie gewiß gegründet, sind dennoch so klar nicht, daß sie nicht mit einem Schein möchten angefochten werden. Aber dieser Artikel ist so klar, daß er auf beiden Seiten gar nahe keiner Rede bedarf; allein wer ehrbar und gottesfürchtig ist, der kann hier bald Richter sein. Und wiewohl wir die öffentliche Wahrheit hier nun für uns haben, dennoch suchen die Widersacher Fündlein, unsere Gründe etwas anzufechten.

Erstlich ist geschrieben Gen. 1, daß Mann und Weib also geschaffen von Gott sind, daß sie sollen fruchtbar sein, Kinder zeugen usw., das Weibe geneigt sein zum Mann, der Mann wieder zum Weibe. Und wir reden hier nicht von der unordentlichen Brunst, die nach Adams Fall gefolgt ist, sondern von natürlicher Neigung zwischen Mann und Weib, welche auch gewesen wäre in der Natur, wenn sie rein geblieben wäre. Und das ist Gottes Geschöpf und Ordnung, daß der Mann zum Weibe geneigt sei, das Weib zum Mann. So nun die göttliche Ordnung und die angeschaffene Art niemand ändern mag noch soll denn Gott selbst, so folgt, daß der Ehestand durch kein menschlich Statut oder Gelübde mag abgetan werden.

Wider diesen starken Grund spielen die Widersacher mit Worten; sagen: im Anfang der Schöpfung habe das Wort noch stattgehabt: „Wachset und mehret euch und erfüllet die Erde“; nun aber, so die Erde erfüllt ist, sei die Ehe nicht geboten. Seht aber, wie weise Leute sind da die Widersacher! Durch dies göttliche Wort: „Wachset und mehret euch“, welches noch immer geht und nicht aufhört, ist Mann und Weibe also geschaffen, daß sie sollen fruchtbar sein, nicht allein die Zeit des Anfangs, sondern solange diese Natur währt. Denn gleichwie durch das Wort Gen. am 1., da Gott sprach: „Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut“ usw. die Erde also geschaffen ist, daß sie nicht allein im Anfang Frucht brachte, sondern daß sie alle Jahre Gras, Kräuter und ander Gewächs brächte, solange diese Natur währt: also ist auch Mann und Weib geschaffen, fruchtbar zu sein, solange diese Natur währt. Die nun das Menschengebot und =gesetz nicht ändern kann, daß die Erde nicht sollte grün werden usw., also kann auch kein Klostergelübde, kein Menschengebot die menschlich Natur ändern, daß ein Weib nicht sollte eines Mannes begehren, ein Mann eines Weibes, ohne ein sonderlich Gotteswerk.

Zum andern, dieweil das göttliche Geschöpf und Gottes Ordnung natürlich Recht und Gesetz ist, so haben die Juriskonsulti recht gesagt, daß den Mannes und Weibes Beieinandersein und Zusammengehören ist natürlich Recht. So aber das natürliche Recht niemand verändern kann, so muß je einem jeden die Ehe frei sein. Denn wo Gott die Natur nicht verändert, da muß auch die Art bleiben, die Gott der Natur eingepflanzt hat, und sie kann mit Menschengesetz nicht verändert werden. Derhalben ist es ganz kindisch, daß die Widersacher sagen, im Anfang, da der Mensch geschaffen, sei die Ehe geboten, nun aber nicht. Denn es ist gleich, als wenn sie sprächen: Früher zu Adams und der Patriarchen Zeiten, wenn ein Mann geboren ward, hatte er Mannesart an sich, wenn ein Weib geboren ward, hatte sie Weibesart an sich, jetzund aber ist’s anders; vorzeiten brachte ein Kind aus Mutterleib natürliche Art mit sich, nun aber nicht. So bleiben wir nun billig bei dem Spruch, wie die Juriskonsulti weislich und recht gesagt haben, daß Mann und Weibe beieinander sind, ist natürlich Recht. Ist’s nun natürlich Recht, so ist es Gottes Ordnung, also in die Natur gepflanzt, und ist also auch göttlich Recht. Dieweil aber das göttliche und natürliche Recht niemand zu ändern hat denn Gott allein, so muß der Ehestand jedermann frei sein. Denn die natürliche angeborne Neigung des Weibes gegen den Mann, des Mannes gegen das Weib ist Gottes Geschöpf und Ordnung. Darum ist’s recht, und hat’s kein Engel noch Mensch zu ändern. Gott der Herr hat nicht allein Adam geschaffen, sondern auch Eva, nicht allein einen Mann, sondern auch ein Weib, und sie gesegnet, daß sie fruchtbar seien. Und wir reden, wie ich gesagt habe, nicht von der unordentlichen Brunst, die da sündlich ist, sondern von der natürlichen Neigung, die zwischen Mann und Weib auch gewesen wäre, so die Natur rein geblieben wäre. Die böse Lust nach dem Fall hat solche Neigung noch stärker gemacht, daß wir nun des Ehestandes viel mehr bedürfen, nicht allein Kinder zu zeugen, sondern auch Sünde zu verhüten. Dies ist so ein klarer Grund, daß ihn niemand wird umstoßen, sondern der Teufel und alle Welt wird ihn müssen bleiben lassen.

Für das dritte sagt Paulus: „Zu vermeiden die Hurerei, habe ein jeglicher sein eigen Eheweib.“ Das ist ein gemeiner Befehl und Gebot und geht alle diejenigen an, die nicht vermögen, ohne Ehe zu bleiben. Die Widersacher fordern, wir sollen Gottes Gebot zeigen, da er gebiete, daß die Priester sollen Weiber nehmen, gleich als seien die Priester nicht Menschen. Was die Schrift insgemein vom ganzen menschlichen Geschlecht redet, das geht wahrlich die Priester mit an. Paulus gebiete da, daß diejenigen sollen Weiber nehmen, so nicht haben die Gabe der Jungfrauschaft; denn er legt sich bald hernach selbst aus, da er sagt: „Es ist besser ehelich werden, denn brennen.“ Und Christus sagt klar: „Sie fassen nicht alle das Wort, sondern denen es gegeben ist.“ Dieweil nun nach Adams Fall in uns allen die beiden beieinander sind, die natürliche Neigung und angeborne böse Lust, welche die natürliche Neigung noch stärker macht, also daß des Ehestandes mehr vonnöten ist, denn da die Natur unverderbt war: darum redet Paulus also von der Ehe, daß damit unserer Schwachheit geholfen werde, und solch Brennen zu vermeiden, gebietet er, das diejenigen, so es bedürfen, sollen ehelich werden. Und dies Wort: „Es ist besser, ehelich zu werden, denn brennen“, kann durch kein Menschengesetz, durch kein Klostergelübde weggetan werden. Denn kein Gesetz kann die Natur anders machen, denn sie geschaffen oder geartet ist. Darum haben wir Freiheit und Macht, ehelich zu werden, alle, so das Brennen fühlen; Und alle, die nicht recht rein und keusch vermögen zu bleiben, die sind schuldig, diesem Gebot und Wort Pauli zu folgen: „Es soll ein jeglicher sein eigen Weib haben, zu vermeiden Hurerei.“ Darin hat ein jeder für sich sein Gewissen zu prüfen.

Denn daß die Widersacher sagen, man solle Gott um Keuschheit bitten und anrufen, man solle den Leib mit Fasten und Arbeit kasteien, sollten sie billig solch Kasteien anfangen. Aber wie ich hier oben gesagt, die Widersacher meinen diese Sache nicht mit Ernst; sie spielen und scherzen ihres Gefallens. Wenn Jungfrauschaft einem jeden möglich wäre, so bedürfte es keiner besonderen Gottesgabe. Nun sagt der Herr Christus Mat. 19, es sei eine besondere hohe Gottesgabe, und: „nicht jedermann fasse das Wort.“ Die andern nun, will Gott, daß sie sollen gebrauchen des Ehestandes den Gott eingesetzt. Denn Gott will nicht, daß man sein Geschöpf und Ordination verachten soll; so will er dennoch, daß dieselben auch sollen keusch sein, nämlich, daß sie des Ehestandes gebrauchen, welchen er eheliche Reinigkeit und Keuschheit zu erhalten hat eingesetzt; wie er auch will, daß wir sollen der Speise und des Tranks gebrauchen die er uns zur Leibeserhaltung geschaffen hat. Und Gerson, der zeigt an, daß viel fromme, große Leute gewesen sind, die durch Leibeskasteien haben wollen Keuschheit halten und haben dennoch nichts geschafft. Darum sagt auch St. Ambrosius recht: „Allein die Jungfrauschaft ist ein solch Ding, die man raten mag und nicht gebieten.“ Ob jemand hier nun sagen wollte, der Herr Christus lobt diejenigen redet, welche die Gabe der Jungfrauschaft haben; denn darum setzt er dazu: „Wer es fassen kann, der fasse es.“ Denn dem Herrn Christo gefällt solche unreine Keuschheit nicht, wie in Stiften und Klöstern ist. Wir lassen auch rechte Keuschheit eine feine, edle Gottesgabe sein. Wir reden aber hier davon, daß solch Gesetz und Verbot der Ehe unrecht ist, und von denen, die Gottes Gabe nicht haben. Darum soll es frei sein, und sollen nicht solche Stricke den armen Gewissen angeworfen werden.

Zum vierten, so ist auch dasselbe Papstgesetz wider die Canones und alten Konzilien. Denn die alten Canones verbieten nicht die Ehe, sie zerreißen auch nicht den Ehestand begeben, ihres geistlichen Amtes entsetzen. Das war die Zeit nach Gelegenheit mehr eine Gnade denn eine Strafe. Aber die neuen Canones, die nicht in den Conciliis, sondern durch die Päpste gemacht sind, die verbieten die Ehe und zerreißen die iam contracta matrimonia usw. So ist’s nun am Tage, daß solches wider die Schrift, auch wider Christi Gebot ist, da er sagt: „Die Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ Die Widersacher schreien sehr , daß der Zölibat oder Keuschheit der Priester geboten seit in den Conciliis. Wir fechten die Concilia des Teils nicht an, denn sie verbieten die Ehe nicht; sondern das neue Gesetz fechten wir an, welches die Päpste wider die Concilia gemacht haben. Also gar verachten die Päpste selbst die Concilia, so sie doch andern bei Gottes Zorn und ewiger Verdammnis dürfen gebieten, die Konzilien zu halten. Darum ist das Gesetz, dadurch die Priesterehe verboten, ein recht Papstgesetz der römischen Tyrannei. Denn der Prophet Daniel hat das antichristliche Reich also abgemalt, daß es solle Ehestand und Eheweiber, ja das weibliche Geschlecht verachten lehren.

Zum fünften, wiewohl sie das ungöttliche Gesetz nicht Heiligkeit halben, oder aus Unwissenheit verteidigen (denn sie wissen wohl, daß sie Keuschheit nicht halten), so geben sie doch Ursache zu unzähliger Heuchelei, dieweil sie einen Schein der Heiligkeit vorwenden. Sie sagen, daß darum die Priester sollen Keuschheit halten, denn sie müssen heilig und rein sein; gleich als sei der Ehestand eine Unreinigkeit, gleich als werde man eher heilig und gerecht vor Gott durch den Zölibat denn durch den Ehestand. Und dazu ziehen sie an die Priester im Gesetz Mosis. Denn sie sagen, wenn die Priester haben im Tempel gedient, haben sie sich ihrer Weiber müssen enthalten: darum, so im Neuen Testament die Priester allezeit beten sollen, sollen sie sich auch allezeit keusch halten. Solch ungeschickt, närrisch Gleichnis ziehen sie an als einen ganz klaren, gewissen Grund, dadurch schon erstritten sei, daß die Priester schuldig seien, ewige Keuschheit zu halten, so sie doch, wenn auch das Gleichnis hier taugte oder sich reimte, nichts mehr damit beweisen, denn daß die Priester sich ihrer Weiber allein eine Zeitlang enthalten sollten, nämlich wenn sie Kirchendienst vorhätten. Auch so ist ein ander Ding beten, ein ander Ding, in der Kirche priesterlich Amt tun. Denn viel Heilige haben wohl gebetet, wenn sie gleich nicht im Tempel gedient, und hat sie eheliche Beiwohnung daran nichts gehindert.

Wir wollen aber ordentlich nacheinander auf solche Träume antworten. Für das erste müssen je die Widersacher bekennen und können’s nicht leugnen, daß der Ehestand an Christgläubigen ein reiner, heiliger Stand sei; denn er ist je geheiligt durch das Wort Gottes. Denn von Gott ist er eingesetzt, durch Gottes Wort ist er bestätigt, wie da die Schrift reichlich zeugt. Den Christus sagt: „Was Gott hat zusammengefügt, das soll kein Mensch scheiden.“ Da sagt Christus, Eheleute und Ehestand füge Gott zusammen; so ist es ein rein, heilig, edel, löblich Gotteswerk. Und Paulus sagt von der Ehe, von Speisen und dergleichen, daß sie: „geheiligt werden durch das Wort Gottes und durch das Gebet“. Erstlich durchs göttliche Wort, dadurch das Herz gewiß wird, daß Gott dem Herrn der Ehestand gefällt. Zum andern durch das Gebet, das ist, durch Danksagung, welche im Glauben geschieht, da wir des Ehestands, Speise, Tranks mit Danksagung gebrauchen. 1 Kor. 7: „Der ungläubige Mann wird geheiligt durch das gläubige Weib“, das ist, der Ehestand ist rein, gut christlich und heilig um des Glaubens willen an Christum, des wir brauchen mögen mit Danksagung, wie wir Speise und Trank usw. brauchen. Item 1 Tim 2: „Das Weib aber wird selig durch Kindergebären, so sie bleibt im Glauben“ usw. Wenn die Widersacher von ihrer Pfaffenkeuschheit einen solchen Spruch könnten vorbringen, wie sollten sie triumphieren! Paulus sagt, das Weib werde selig durch Kindergebären. Was hätte doch der heilige Apostel wider die schändliche Heuchelei der unflätigen, erlogenen Keuschheit Trefflicheres reden können, denn daß er sagt, sie werden selig durch die eheliche Werke, durch Gebären, durch Kindersäugen und =ziehen, durch Haushalten usw.? Ja, wie meint das Paulus? Er setzt dazu mit klaren Worten: „So sie bleibt im Glauben“ usw. Denn die Werke und Arbeit im Ehestande für sich selbst ohne den Glauben werden hier allein nicht gelobt. So will er nun vor allen Dingen, daß sie Gottes Wort haben und gläubig seien, durch welchen Glauben (wie er denn allenthalben sagt) sie empfangen Vergebung der Sünden und Gott versöhnt werden. Danach gedenkt er des Werkes ihres weiblichen Amtes und Berufs. Gleichwie in allen Christen aus dem Glauben sollen gute Werke folgen, daß ein jeder nach seinem Beruf etwas tue., damit er seinem Nächsten nütz werde; Und wie dieselben guten Werke Gott gefallen, also gefallen auch Gott solche Werke, die ein gläubig Weib tut ihrem Beruf nach; Und ein solch Weib wird selig, die also ihrem Beruf nach im ehelichen Stand ihr weiblich Amt tut.

Diese Sprüche zeigen an, daß der Ehestand ein heilig und christlich Ding sei. So nun Reinigkeit auch das heißt, das vor Gott heilig und angenehm ist, so ist der Ehestand heilig und angenehm, denn er ist bestätigt durch das Wort Gottes. Und wie Paulus sagt: „Den Reinen ist alles rein“, das ist, denen, die da glauben an Christum. Derhalben wie die Jungfrauschaft in den Gottlosen unrein ist, also ist der Ehestand heilig in den Gläubigen um des göttlichen Wortes und Glaubens willen.

So aber die Widersacher das Reinigkeit heißen, da keine Unzucht ist, so heißt Reinigkeit des Herzens, da die böse Lust getötet ist. Denn Gottes Gesetz verbietet nicht die Ehe, sondern die Unzucht, Ehebruch, Hurerei. Darum, äußerlich ohne Weib sein, ist nicht die rechte Reinigkeit, sondern es kann einen größere Reinigkeit des Herzens sein in einem Ehemann (als in Abraham und Jakob) denn in vielen, die gleich nach leiblicher Reinigkeit ihre Keuschheit recht halten.

Endlich, so sie die Keuschheit derhalben Reinigkeit nennen, daß man dadurch eher sollte vor Gott gerecht werden denn durch den Ehestand, so ist es ein Irrtum. Denn ohne Verdienst, um Christus‘ willen allein, erlangen wir Vergebung der Sünden, wenn wir glauben, daß wir durch Christus‘ Blut und Sterben einen gnädigen Gott haben. Hier aber werden die Widersacher schreien, daß wir wie Jovinianus den Ehestand der Jungfrauschaft gleichachten. Aber um ihres Geschreies willen werden wir die göttliche Wahrheit und die Lehre von Christo, von Gerechtigkeit des Glaubens, die wir oben angezeigt, nicht verleugnen. Doch lassen wir dennoch der Jungfrauschaft ihren Preis und Lob und sagen auch, daß eine Gabe sei höher denn die andern. Denn gleichwie Weisheit zu regieren eine höhere Gabe ist denn andere Künste, also ist die Jungfrauschaft oder Keuschheit eine höhere Gabe denn der Ehestand. Und doch wiederum, wie der Regent nicht von wegen seiner Gabe und Klugheit vor Gott mehr gerecht ist denn ein anderer von wegen seiner Kunst, also ist die Keusche nicht mehr gerecht vor Gott von wegen seiner Gaben denn die Ehelichen von wegen ihres Standes, sondern ein jeder soll treulich dienen mit seiner Gabe und dabei wissen, daß er um Christus‘ willen, durch den Glauben Vergebung der Sünden habe und gerecht vor Gott geschätzt werde.

Der Herr Christus und Paulus auch loben die Jungfrauschaft nicht darum, daß sie vor Gott gerecht mache, sondern daß diejenigen, so ledig, ohne Weib oder ohne Mann, sind, desto freier, unverhindert mit Haushalten, Kinderziehen usw., lesen, beten, schreiben, dienen können. Darum sagt Paulus zu den Korinthern: „Aus der Ursache wird die Jungfrauschaft gelobt, daß man in dem Stand mehr Raum hat, Gottes Wort zu lernen und andere zu lehren.“ So lobt auch Christus nicht schlechthin diejenigen, so sich verschnitten, sondern setzt dazu: „um des Himmelreichs willen“, das ist, daß sie desto leichter lernen und lehren können das Evangelium. Er sagt nicht, daß Jungfrauschaft Vergebung der Sünden verdiene.

Auf das Exempel von den levitischen Priestern haben wir geantwortet, daß damit gar nicht bewiesen ist, daß die Priester sollen ohne Ehestand sein. Auch so geht uns Christen das Gesetz Mosis mit den Zeremonien der Reinigkeit oder Unreinigkeit nichts an. Im Gesetz Mosis, wenn ein Mann sein Weib berührte, ward er etliche Zeit unrein; jetzund ist ein Christenehemann nicht unrein. Denn das Neue Testament sagt: „Den Reinen ist alles rein.“ Denn durch das Evangelium sind wir gefreit von allen Zeremonien Mosis, nicht allein von den Gesetzen der Unreinigkeit. Wo aber den Zölibat jemand aus dem Grunde wollte verfechten, daß er die Gewissen wollte verpflichten zu solchen levitischen Reinigkeiten, dem müßten wir ebenso heftig widerstehen, als die Apostel den Juden widerstanden haben, Act. 15, das sie zu dem Gesetz Mosis und zu der Beschneidung die Christen verpflichten wollten.

Hier aber werden christliche, gottesfürchtige Eheleute wohl in ehelicher Pflicht Maß zu halten wissen. Denn diejenigen, so in Regimenten oder der Kirchen Ämtern sind und zu schaffen haben. Die werden auch im Ehestand wohl keusch müssen sein. Denn mit großen Sachen und Händeln beladen sein, da Landen und Leuten, Regimenten und Kirchen an gelegen ist, ist ein gut remedium, daß der alte Adam nicht geil werde. So wissen auch die Gottesfürchtigen, daß Paulus 1 Thess. 4 sagt: „Ein jeglicher unter euch wisse sein Faß zu behalten in Heiligung und Ehren, nicht in der Lustseuche.“ Dagegen aber, was kann für eine Keuschheit bei so viel tausend Mönchen und Pfaffen sein, die ohne Sorge in aller Lust leben müßig und voll, haben dazu kein Gotteswort, lernen’s nicht und achten’s nicht? Da muß alle Unzucht folgen. Solche Leute können weder levitische noch ewige Keuschheit halten.

Viele Ketzer, welche das Gesetz Mosis, oder wie es zu gebrauchen sei, nicht verstanden, reden schmählich von dem Ehestand, welche doch um solches heuchlerischen Scheines willen für heilig gehalten sind. Und Epiphanius klagt heftig, daß die Enkratiten mit dem heuchlerischen Schein, sonderlich der Keuschheit, bei den Unerfahrenen ein Ansehen gewonnen haben. Sie tranken keinen Wein, auch nicht im Abendmahl des Herrn, und enthielten sich gar beides, Fische und Fleisch zu essen, waren noch heiliger denn die Mönche, welche Fische essen! Auch enthielten sie sich des Ehestandes; das hatte erst einen großen Schein, und hielten also, daß sie durch diese Werke und erdichtete Heiligkeit Gott versöhnten, wie unsere Widersacher lehren.

Wider solche Heuchelei und Engelsheiligkeit streitet Paulus heftig zu den Kolossern. Denn dadurch wird Christus gar unterdrückt, wenn die Leute in solchen Irrtum kommen, daß sie hoffen, rein und heilig zu sein vor Gott durch solche Heuchelei. So kennen auch solche Heuchler Gottes Gabe noch Gebote nicht; denn Gott will haben, daß wir mit Danksagung seiner Gaben gebrauchen sollen. Und ich wüßte wohl Exempel vorzubringen, wie manch fromm Herz und armes Gewissen dadurch betrübt worden und in Gefahr gekommen ist, daß es nicht unterrichtet, daß der Ehestand, die Ehepflicht und was an der Ehe ist, heilig und christlich wäre. Der große Jammer ist erfolgt aus der Mönche ungeschicktem Predigen, welche ohne Maß den Zölibat, die Keuschheit lobten und den ehelichen Stand für ein unrein Leben ausschrien, daß er sehr hinderlich wäre zu der Seligkeit und voll Sünden.

Aber unsere Widersacher halten nicht so hart über dem ehelosen Stand um des Scheins willen der Heiligkeit; denn sie wissen, daß zu Rom, auch in allen ihren Stiften, ohne Heuchelei, ohne Schein eitel Unzucht ist. So ist es auch ihr Ernst nicht, keusch zu leben, sondern wissentlich machen sie die Heuchelei vor den Leuten. Derhalben sie ärger und ihre Heuchelei ist häßlicher denn der Ketzer Enkratiten; denen war’s doch mehr Ernst, aber diesen Epicureis ist’s nicht Ernst, sondern sie spotten Gott und der Welt und wenden allein diesen Schein vor, damit ihr frei Leben zu erhalten.

Zum sechsten, so wir so viele Ursachen haben, warum wir des Papsts Gesetz vom Zölibat nicht können annehmen, so sind doch darüber unzählige Fährlichkeiten der Gewissen, unsäglich viel Ärgernisse. Darum ob solch Papstgesetz gleich nicht unrecht wäre, so sollte doch billig alle ehrbaren Leute abschrecken solche Beschwerung der Gewissen, daß so unzählige Seelen dadurch verderben.

Es haben lange vor dieser Zeit viel ehrbare Leute auch unter ihnen, ihre eigenen Bischöfe, Cononici usw., geklagt über die große, schwere Last des Zölibats und befunden, daß sie selbst und andere Leute in große Gefahr ihrer Gewissen darüber gekommen; aber der Klage hat sich niemand angenommen. Darüber ist es am Tage, wie an vielen Orten, wo Pfaffenstifte sind, gemeine Zucht dadurch zerrüttet wird, was greuliche Unzucht, Sünde und Schande, was große ungehörte Laster dadurch geursacht. Es sind der Pöten Schriften und satyrae vorhanden; darin mag sich Roma spiegeln.

Also rächt Gott der Allmächtige die Verachtung seiner Gabe und seiner Gebote in denjenigen, die den Ehestand verbieten. So man nun oft etliche nötige Gesetze aus Ursache geändert hat, wenn es der gemeine Nutz erfordert, warum sollte denn dies Gesetz nicht geändert werden, da so viel treffliche Ursachen sind, so viel unzählige Beschwerung der Gewissen, darum es billig geändert werde? Wir sehen, daß dies die letzten Zeiten sind, und wie ein alter Mensch schwächer ist denn ein junger, so ist auch die ganze Welt und ganze Natur in ihrem letzten Alter und im Abnehmen. Der Sünden und Laster wird nicht weniger, sondern täglich mehr. Derhalben sollte man wider die Unzucht und Laster desto eher der Hilfe brauchen, die Gott gegeben hat, als des Ehestands. Wir sehen in dem ersten Buch Mosis, daß solche Laster der Hurerei auch hatten überhandgenommen vor der Sintflut. Item, zu Sodoma, zu Sybaris, zu Rom und andern Städten ist greuliche Unzucht eingerissen, ehe sie zerstört wurden. In diesen Exempeln ist abgemalt, wie es zu den letzten Zeiten gehen werde, kurz vor der Welt Ende. Derhalben, so es auch die Erfahrung gibt, daß jetzund in diesen letzten Zeiten Unzucht stärker denn je leider eingerissen, sollten treue Bischöfe und Obrigkeit vielmehr Gesetze und Gebote mache, die Ehe zu gebieten, denn zu verbieten, auch mit Worten, Werken und Exempeln die Leute zu dem Ehestande vermahnen; das wäre der Obrigkeiten Amt;. denn dieselben sollen Fleiß haben, daß Ehre und Zucht erhalten wird. Nun hat Gott die Welt also geblendet, daß man Ehebruch und Hurerei gar nahe ohne Strafe duldet, dagegen straft man um des Ehestands willen. Ist das nicht schrecklich zu hören? Dabei sollten die Prediger beiderlei unterrichten: diejenigen, so die Gabe der Keuschheit haben, vermahnen, daß sie dieselbe nicht verachteten, sondern zu Gottes Ehre brauchten, die andern, welchen der eheliche Stand vonnöten ist, dazu auch vermahnen.

Der Papst dispensiert sonst täglich in vielen nötigen Gesetzen, daran gemeinem Nutz viel gelegen, da er billig sollte fest sein. Allein in diesem Gesetz vom Zölibat erzeigt er sich also hart als Stein und Eisen, so man doch weiß, daß nichts denn ein Menschengesetz ist. Sie haben viel fromme, redliche, gottesfürchtige Leute, welche niemand kein Leid getan, wüterisch und tyrannisch erwürgt allein um des Ehestands willen, daß sie aus Notdurft ihrer Gewissen sind ehelich geworden. Derhalben zu besorgen, daß des Abels Blut so stark gen Himmel schreit, daß sie es nimmer werden verwinden, sondern wie Kain zittern müssen. Und dieselbe kainische Mörderei des unschuldigen Bluts zeigt an, daß diese Lehre vom Zölibat Teufelslehre sei. Denn der Herr Christus nennt den Teufel einen Mörder, welcher solch tyrannisch Gesetz mit eitel Blut und Morden auch gern wollte verteidigen.

Wir wissen sehr wohl, daß etliche sehr schreien, wir machten Schismata. Aber unsere Gewissen sind ganz sicher, nachdem wir mit allem treuen Fleiß Frieden und Einigkeit gesucht haben, und die Widersacher ihnen sich nicht wollen genügen lassen, wir verleugnen denn (das Gott verhüte!) die öffentliche göttliche Wahrheit, wir willigen denn mit ihnen, das häßliche Papstgesetz anzunehmen, fromme, unschuldige Eheleute voneinander zu reißen, die ehelichen Priester zu erwürgen, unschuldige Weiber und Kinder ins Elend zu vertreiben, ohne alle Ursache unschuldig Blut zu vergießen. Denn nachdem es gewiß ist, das solches Gott nicht gefällt, so sollen wir uns lassen lieb sein, daß wir keine Einigkeit noch Gemeinschaft, auch keinen Schuld an so viel unschuldigem Blut mit den Widersachern haben.

Wir haben Ursache angezeigt, warum wir es mit gutem Gewissen mit den Widersachern nicht halten können, die den Zölibat verteidigen. Denn es ist wider alle göttlichen und natürlichen Rechte, wider die Canones selbst, dazu ist’s eitel Heuchelei und Gefahr. Denn sie halten über derselben erdichteten Keuschheit nicht so hart Heiligkeit halben, oder daß sie es nicht anders verkünden; sie wissen wohl, daß jedermann der hohen Stifte Wesen, welche wir wohl zu nennen wüßten, kennt, sondern allein ihre Tyrannei und Herrschaft zu erhalten. Und es wird kein ehrbarer Mensch wider obenangezeigte starke, klare Gründe etwas können aufbringen. Das Evangelium läßt allen den Jungen den Ehestand frei, denen er vonnöten ist; so zwingt es die zum Ehestand nicht, so die Gabe der Keuschheit haben, wenn es allein rechte Keuschheit und nicht Heuchelei ist. Die Freiheit, halten wir, sei den Priestern auch zu vergönnen, und wir wollen niemand mit Gewalt zum Zölibat zwingen, wollen auch fromme Eheleute nicht voneinander treiben oder die Ehe zerreißen.

Wir haben nun etliche unserer Gründe auf diesmal kurz angezeigt; auch haben wir vermeldet, wie die Widersacher so ungeschickten Behelf und Träume dawider aufbringen. Nun wollen wir anzeigen, mit was starken Gründen sie ihr Papstgesetz verteidigen. Erstlich sagen sie, solch Gesetz sei von Gott offenbart. Da steht man, wie ganz unverschämt die heillosen Leute sind. Sie dürfen sagen, daß ihr Eheverbieten von Gott offenbart sei, so es doch öffentlich ist wider die Schrift, wider Paulum da er sagt: „Hurerei zu vermeiden, habe ein jeglicher sein eigen Eheweib.“ Item, so die Schrift und Canones stark verbreiten, daß man die Ehe, so schon vollzogen, in keinem Wege zerreißen soll, was dürfen die Buben sagen und den hohen, allerheiligsten Namen der göttlichen Majestät so frech und unverschämt mißbrauchen? Paulus der Apostel sagt recht, wer der Gott sei, der solch Gesetz erst eingeführt, nämlich der leidige Satan; denn er nennt’s: „Teufelslehre“. Und wahrlich, die Frucht lehrt uns den Baum kennen, so wir sehen, daß so viel schreckliche, greuliche Laster dadurch geursacht werden, wie an Rom zu sehen; item, daß auch über diesem Gesetz des Würgens und Blutvergießens der Teufel kein Ende macht.

Der andere Grund der Widersacher, ist, daß die Priester sollen rein sein, wie die Schrift sagt: „Ihr sollt rein sein, die ihr traget die Gefäße des Herrn.“ Das Argument haben wir hier oben widerlegt ; denn wir haben genug angezeigt, daß Keuschheit ohne Glauben keine Reinigkeit vor Gott sei, und der Ehestand ist Heiligkeit und Reinigkeit um des Glaubens willen, wie Paulus sagt: „Den Reinen ist alles rein.“ So haben wir klar genug gesagt, daß Mosis Zeremonien von Reinigkeit und Unreinigkeit dahin nicht zu ziehen seien. Denn das Evangelium will haben Reinigkeit des Herzens. Und hat keinen Zweifel, daß Abrahams, Isaaks, Jakobs, der Erzväter Herzen, welche doch viele Weiber gehabt, reiner gewesen seien denn vieler Jungfrauen, die gleich nach Reinigkeit des Leibes rechte, reine Jungfrauen gewesen. Daß aber Jesaias sagt: „Ihr sollt rein sein, die ihr das Gefäß des Herrn tragt“, das ist zu verstehen von ganzer christlicher Heiligkeit und nicht von Jungfrauschaft, und eben dieser Spruch gebietet den unreinen, ehelosen Priestern, daß sie reine, eheliche Priester werden. Denn wie zuvor gesagt ist, die Ehe ist Reinigkeit bei den Christen.

Das dritte ist erstlich ein schrecklich Argument, daß der Priester Ehe solle Ketzerei sein. Gnadet unserer armen Seele, liebe Herren; fahrt schöne! Das ist gar ein Neues, daß der heilige Ehestand, den Gott im Paradies geschaffen hat, soll Ketzerei sein worden. Mit der Weise würde die ganze Welt eitel Ketzerkinder sein. Es ist eine große, unverschämte Lüge, daß der Priesterehe solle Joviniani Ketzerei sein, oder daß solche Priesterehe zu den Zeit von der Kirche solle verdammt sein. Denn zu Jovinianus‘ Zeiten hat die Kirche von diesem Papstgesetz, dadurch den Priestern die Ehe ganz verboten ist, noch nicht gewußt. Und solches wissen unsere Widersacher wohl. Aber sie ziehen oft alte Ketzereien an und reimen unsere Lehre dazu wider ihr eigen Gewissen, allein den Ungelehrten einzubilden, als sei unsere Lehre vor alters von der Kirche verdammt, und also jedermann wider uns zu bewegen. Mit solchen Griffen gehen sie um; Und darum haben sie und die Konfutation nicht wollen zustellen. Sie haben besorgt, man möchte ihre öffentlichen Lügen verantworten, welches ihnen eine ewige Schande bei allen Nachkommen sein wird. Was aber Joviniani Lehre belangt, haben wir hier oben gesagt, was wir von Keuschheit und was wir vom Ehestand halten. Denn wir sagen nicht, daß der Ehestand gleich sei der Jungfrauschaft, wiewohl weder Jungfrauschaft noch Ehestand gerecht macht vor Gott.

Mit solchen schwachen, losen Gründen schützen und verteidigen sie des Papstes Gesetz vom Zölibat, das so zu großen Lastern und Unzucht hat Ursache gegeben. Die Fürsten und Bischöfe, so diesen Lehrern glauben, werden wohl sehen, ob solche Gründe den Stich halten, wenn es zu der Todesstunde kommt, daß man vor Gott soll Rechenschaft geben, warum sie frommer Leute Ehe zerrissen haben, warum sie diese gestöckt und gepflöckt haben, warum sie so viele Priester erwürgt und unschuldig Blut über alles Klagen, Heulen und Weinen so vieler Witwen und Waisen vergossen haben. Denn das dürfen sie sich nicht in Sinn nehmen: die Zähren und Tränen der armen Witwen, das Blut der unschuldigen ist im Himmel unvergessen, es wird zu seiner Stunde als stark als des heiligen, unschuldigen Abels Blut über sie in hohen Himmel schreien und vor Gott, dem rechten Richter, rufen. Wenn nun Gott solche Tyrannei richten wird, werden sie erfahren, daß ihre Argumente Stroh und Heu sind und Gott „ein verzehrend Feuer“, vor dem nicht bleiben kann außer göttliches Worts, 1 Pet. 1, 24.25.

Unsere Fürsten und Herren, es gehe, wie es wolle, haben sich des zu trösten, daß sie mit gutem Gewissen gehandelt haben. Denn ich will gleich setzen, daß der Priester Ehe etwas anzufechten sei, als nicht ist, doch ist das stracks wider Gottes Wort und Willen, daß die Widersacher die vollzogenen Ehen also zerreißen, arme, unschuldige Leute ins Elend jagen und erwürgen. Es haben unsere Fürsten und Herren ja nicht Lust an Neuerung und Zwiespalt, dennoch sind sie schuldig, daß sie göttlich Wort und Wahrheit in so gerechter und gewisser Sache mehr lassen gelten denn alle andern Sachen. Da verleihe Gott Gnade zu! Amen.

Artikel XXIV. Von der Messe

Erstlich müssen wir abermals dies hier zum Eingange sagen, daß wir die Messe nicht abtun. Denn alle Sonntage und Feste werden in unsern Kirchen Messen gehalten, dabei das Sakrament gereicht wird denjenigen, die es begehren, doch also, daß sie erst verhört und absolviert werden. So werden auch christliche Zeremonien gehalten mit Lesen, mit Gesängen, Gebeten und dergleichen usw.

Die Widersacher machen ein groß Geschwätz von der lateinischen Messe und reden ganz ungeschickt und kindisch davon, wie auch ein Ungelehrter, der Latein nicht verstehe, groß verdiene mit Messehören im Glauben der Kirche. Da erdichten sie ihnen selbst, daß das schlechte Werk des Messehörens ein Gottesdienst sei, welcher auch dann nütze sei, wenn ich kein Wort höre oder verstehe. Das will ich nicht hier dermaßen herausstreichen, wie es wert wäre. Wir wollen verständige Leute hier richten lassen. Wir gedenken des darum, daß wir anzeigen, daß bei uns die lateinische Messe, Lektionen und Gebete auch gehalten werden.

So aber die Zeremonien sollen darum gehalten werden, daß die Leute die Schrift und Gottes Wort lernen und dadurch zu Gottesfurcht kommen und Trost erlangen und also recht beten, denn darum sind Zeremonien eingesetzt: so behalten wir das Latein um derer willen, die Lateinisch können, und lassen daneben deutsche christliche Gesänge gehen, damit das gemeine Volk auch etwas lerne und zu Gottesfurcht und Erkenntnis unterrichtet werde. Der Brauch ist allezeit für löblich gehalten in der Kirche. Denn wiewohl an etlichen Orten mehr, an etlichen Orten weniger deutsche Gesänge gesungen werden, so hat doch in allen Kirchen je etwas das Volk deutsch gesungen; darum ist’s so neu nicht. Wo steht aber diese pharisäische Lehre geschrieben, daß Messehören ohne Verstand, ex opere operato, verdienstlich und seliglich sei? Schämt euch ins Herz, ihr Sophisten, mit solchen Träumen!

Daß wir aber nicht Privatmessen, sondern allein einen öffentliche Messe, wenn das Volk mit kommuniziert, halte, das ist nicht wider die gemeine christlich Kirche. Denn in der griechischen Kirche werden auf diesen Tag keine Privatmessen gehalten, sondern allein eine Messe, und dasselbe auf die Sonntage und hohen Feste. Das ist alles eine Anzeigung des alten Brauchs der Kirche. Denn die Lehrer, so vor der Zeit St. Gregorius‘ gewesen, gedenken an keinem Ort der Privatmessen. Wie aber die einzelnen Messen oder Privatmessen einen Anfang gehabt, lassen wir jetzund anstehen. Das ist gewiß, da die Bettelorden und Mönche also überhandgenommen, sind die Messen aus den falschen Lehren derselben also täglich mehr und mehr gestiftet und eingerissen um Geldes und Geizen willen, also daß die Theologen selbst darüber allezeit geklagt haben. Und wiewohl St. Franziskus aus rechter, guter Meinung hat dem Dinge wollen zuvorkommen und hat geordnet den Seinen, daß ein jeglich Kloster täglich mit einer gemeinen Messe sollte zufrieden sein, dasselbe nützliche Statut ist hernach durch Heuchelei oder um Geldes willen geändert. Also verändern sie die Ordnung der alten Väter, wann und wo es sie gelüstet, wenn es ihnen in die Küche trägt, und sagen uns danach, man müsse der alten Väter Ordnung heiliglich halten. Epiphanius schreibt, daß in Asia alle Wochen communio dreimal gehalten sei, und man habe nicht täglich Messe gehalten, und sagt, der Brauch sei von den Aposteln also hergekommen.

Wiewohl nun die Widersacher an diesem Ort viele Worte und Sprüche ineinandergekocht haben, da sie mit beweisen wollen, daß die Messe ein Opfer sei, so ist doch das große Geschrei mit dieser einzigen Antwort bald gestillt, und ist ihnen das Maul bald gestopft, wenn wir sagen: die Sprüche, die Argumente, Gründe und alles, was vorgebracht ist, beweisen nicht, daß die Messen ex opere operato dem Priester oder andern, für die, so sie appliziert werden, verdienen Vergebung der Sünden, Erlassung der Pein und Schuld. Diese einzige, klare Antwort stößt über einen Haufen zu Boden alles, was die Widersacher vorbringen nicht allein in der Konfutation, sondern in allen ihren Büchern und Schriften, welche sie von der Messe geschrieben haben.

Und das ist die Hauptfrage in dieser ganzen Sache, davon wollen wir einen jeden christlichen Leser verwarnt haben, daß er den Widersachern genau darauf sehe, ob sie auch bei der Hauptfrage bleiben. Denn sie pflegen aus der Hauptsache viel vergebliche, ungereimte Umschweife zu machen. Denn wenn man gleich und ungewankt bei der Hauptfrage bleibt und nichts Fremdes einmengt, da ist desto leichter zu urteilen auf beiden Seiten.

Wir haben in unserer Konfession angezeigt, daß wir halten, daß da Abendmahl oder die Messe niemand fromm mache ex opere operato, und daß die Messe, so für andere gehalten wird, ihnen nicht verdiene Vergebung der Sünden, Erlassung von Pein und Schuld. Und des Hauptstücks haben wir ganz starken, gewissen Grund, nämlich diesen: Es ist unmöglich, daß wir sollten Vergebung der Sünden erlange durch unsere Werke, ex opere operato, das ist, durch das getane Werk an ihm selbst, sine bono motu utentis, wenn schon das Herz keinen guten Gedanken hat, sondern durch den Glauben an Christum muß das Schrecken der Sünde, des Todes überwunden werden, wenn unsere Herzen aufgerichtet und getröstet werden durch die Erkenntnis Christi, wie oben gesagt, wenn wir empfinden, daß wir um Christus‘ willen einen gnädigen Gott haben, also daß uns sein Verdienst und Gerechtigkeit geschenkt wird, Röm. am 5. Kap.: „So wir denn gerecht sind worden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott“ usw. Dies ist ein solch starker, gewisser Grund, daß alle Pforten der Hölle dawider nichts werden können aufbringen; des sind wir gewiß.

Und dieses wäre eben genug von der ganzen Sache. Denn kein Vernünftiger oder Verständiger wird die pharisäische oder heidnische Heuchelei und den großen Mißbrauch vom opere operato loben mögen. Und ist doch derselbe Irrtum in aller Welt eingerissen. Daher hat man so viele, unzählige Messen in aller Welt, in allen Stiften, Klöstern, Kirchen, Klausen, in allen Winkeln gestiftet. Denn dazu werden Messen um Geld gehalten, Gottes Zorn zu versöhnen, durch das Werk Vergebung der Sünden, Erlösung von Pein und Schuld zu erlange, die Toten aus dem Fegefeuer zu erlösen, Gesundheit, Reichtum, Glück und Wohlfahrt in Hantierung zu erlangen usw. Die heuchlerische, pharisäische Opinion haben die Mönche und Sophisten in die Kirche gepflanzt.

Wiewohl nun der Irrtum vom Mißbrauch der Messe genugsam widerlegt ist dadurch, daß man nicht durch unser Werk, sondern durch den Glauben an Christum Vergebung der Sünden erlangt, doch, dieweil die Widersacher viele Sprüche der Schrift ganz ungeschickt einführen, ihren Irrtum zu verteidigen, wollen wir etwas mehr hier noch dazusetzen. Die Widersacher reden in ihrer Konfutation viel vom Opfer, so wir doch in unserer Konfession das Wort sacrificium mit Fleiß gemieden haben um ungewissen Verstandes willen, sondern haben ihren höchsten Mißbrauch mit klaren Worten ausgedrückt, den sie unter dem Namen sacrificium meinen und treiben. Daß wir nun die Sprüche, so sie unrecht und fälschlich eingeführt, verlegen mögen, müssen wir erst sagen, was das Wort sacrificium oder Opfer heißt. Sie haben zehn ganze Jahre viele Bücher geschrieben, daß die Messe ein Opfer sei, und ihrer keiner hat noch nie definiert, was Opfer sei oder nicht sei. Sie suchen allein das Vokabel oder Wort sacrificium wo sie es finden inconcordantiis der Biblien, und dehnen es hierher, es reime sich oder nicht. Also tun sie auch in der alten Väter Büchern; danach erdichten sie ihre Träume dazu, gleich als müsse sacrificum heißen, was sie wollen. Was Opfer sei oder nicht sei, und wie mancherlei Opfer.

Und damit man nicht blind in die Sache falle, müssen wir erstlich Unterschied anzeigen, was Opfer und was nicht Opfer sei, und dies ist nützlich und gut allen Christen zu wissen. Die Theologen pflegen recht zu unterscheiden sacrificium und sacramentum, Opfer und Sakrament. Nun, das genus wollen wir lassen sein ceremonia oder heilig Werk. Sacramentum ist eine ceremonia oder äußerlich Zeichen oder ein Werk, dadurch uns Gott gibt dasjenige, so die göttlich Verheißung, welche derselben Zeremonien angeheftet ist, anbietet. Als, die Taufe ist eine Zeremonie und ein Werk, nicht das wir Gott geben oder anbieten, sondern in welchem uns Gott gibt und anbietet, in welchem uns Gott tauft oder der Diener an Gottes Statt. Da bietet uns Gott an und gibt uns Vergebung der Sünden nach seiner Verheißung: „Wer da glaubet und getauft wird, der soll selig werden.“: Wiederum, sacrificium oder Opfer ist eine ceremonia oder ein Werk, das wir Gott geben, damit wir ihn ehren.

Es ist aber vornehmlich zweierlei Opfer und nicht mehr, darunter alle andern Opfer begriffen sind. Für eins ist ein Versöhnopfer, dadurch genuggetan wird für Pein und Schuld, Gottes Zorn gestillt und versöhnt und Vergebung der Sünder für ander erlangt. Zum andern ist ein Dankopfer, dadurch nicht Vergebung der Sünden oder Versöhnung erlangt wird, sondern es geschieht von den jenigen, welche schon versöhnt sind, daß sie für die erlangte Vergebung der Sünden und andere Gnaden und Gaben Dank sagen.

Dieser zweierlei Opfer muß man mit Fleiß wahrnehmen in diesem Handel und in vielen andern Disputationen gar wohl darauf sehen, daß man diese zwei nicht ineinandermenge. Und diese unterschiedliche Teilung hat wohl starke Beweisung aus der Epistel zu den Hebräern und an vielen Orten in der Schrift. Und alle Opfer in Gesetz Mosis, wie mancherlei die sind, können unter diese zweierlei Opfer als unter ihre genera beschlossen und begriffen werden. Denn etliche Opfer im Gesetz Mosis werden genannt Sühnopfer oder Opfer für die Sünden um der Bedeutung willen, nicht daß Vergebung der Sünden dadurch verdient wird vor Gott, sondern daß es äußerliche Versöhnungen waren um der Bedeutung willen: denn diejenigen, für welche sie geschahen, wurden durch solche Opfer versöhnt, daß sie nicht aus dem Volk Israel verstoßen würden. Darum waren es genannt Sühnopfer; die andern Opfer aber waren Dankopfer.

Also sind im Gesetz wohl Bedeutungen gewesen des rechten Opfers, aber es ist allein ein einziges wahrhaftiges Sühnopfer, Opfer für die Sünden, in der Welt gewesen, nämlich der Tod Christi, wie die Epistel zu den Hebräern sagt: „Es ist unmöglich gewesen, daß der Ochsen und Böcke Blut sollte Sünden wegnehmen.“ Und bald hernach steht von dem Gehorsam und Willen Christi: „In welchem Willen wir geheiliget sind durch das Opfern des Leibes Jesu Christi einmal“ usw. Und Jesaias der Prophet hat auch zuvor das Gesetz Mosis ausgelegt und zeigt an, daß der Tod Christi die Bezahlung für die Sünden ist und nicht die Opfer im Gesetz, da er von Christo sagt: „Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, so wird er Samen haben und in die Länge leben.“ Denn der Prophet hat das Wort: „Schuldopfer“ auf Christus‘ Tod gezogen, anzuzeigen, daß die Schuldopfer im Gesetz nicht das rechte Opfer wären, die Sünden zu bezahlen, sondern es müßte ein ander Opfer kommen, nämlich Christus‘ Tod, dadurch Gottes Zorn sollte versöhnt werden. Item, die Schuldopfer im Gesetz mußten aufhören, da das Evangelium geoffenbart und das rechte Opfer ausgerichtet ward. Darum sind es nicht rechte Versöhnungen vor Gott gewesen, denn sie haben fallen müssen, und hat ein anderes müssen kommen. Derhalben sind es allein Bedeutungen und Vorbilder der rechten Versöhnung gewesen. Darum bleibt dieses feststehen, daß nur ein einig Opfer gewesen ist, nämlich der Tod Christi, das für andere sollte appliziert werden, Gottes Zorn zu versöhnen.

Über dieses einige Sühnopfer, nämlich den Tod Christi, sind nun ander Opfer, die sind alle nur Dankopfer, als alles Leiden, Predigen, gute Werke der Heiligen. Dasselbe sind nicht solche Opfer, dadurch wir versöhnt werden, die man für ander tun könne, oder die da verdienen ex opere operato Vergebung der Sünden oder Versöhnung. Denn sie geschehen von denjenigen, so schon durch Christum versöhnt sind. Und solche Opfer sind unsere Opfer in Neuen Testament, wie Petrus der Apostel 1 Pet. 2 sagt: „Ihr seid ein heilig Priestertum, daß ihr opfert geistliche Opfer.“

Und im Neuen Testament gilt kein Opfer ex opere operato sine bono motu utentis, das ist, das Werk ohne einen guten Gedanken im Herzen. Denn Christus spricht Joh. am 4. : „Die rechten Anbeter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit“, das ist, mit Herzen, mit herzlicher Furcht und herzlichem Glauben. Darum ist’s eitel teuflische, pharisäische und antichristliche Lehre und Gottesdienst, daß unsere Widersacher lehren, ihre Messe verdiene Vergebung der Schuld und Pein ex opere operato. Die Juden verstanden ihre Zeremonien auch nicht recht und meinten, sie wären vor Gott fromm, wenn sie die Werke getan hätten, ex opere operato. Dawider schreien die Propheten aufs allerernstlichste, damit sie die Leute von eigenen Werken auf die Zusage Gottes wiesen und sie zum Glauben und rechten Gottesdienst brächten. Also steht Jer. am 7.: „Ich habe nicht mit euren Vätern von Opfern geredet oder Brandopfern, da ich sie aus Ägyptenland führte, sondern dies Wort habe ich ihnen geboten: Höret meine Stimme, und ich will euer Gott sein“ usw. Was werden wohl die halsstarrigen Juden zu dieser Predigt und Lehre gesagt haben, die da ganz öffentlich wider das Gesetz und Mose scheint? Denn es war je öffentlich, daß Gott den Vätern von Opfern geboten hatte, das konnte Jeremias nicht leugnen. Jeremias aber verdammt ihren Irrtum von den Opfern, von welchen kein Gottesbefehl war, nämlich daß sie meinten, daß die Opfer ex opere operato Gott versöhnten und gefielen. Darum setzt Jeremias das dazu vom Glauben, das Gott geboten hat: Hört mich, das ist, glaubt mir, daß ich eure Gott bin, daß ich euch erhalte, mich euer erbarme, euch alle Stunden helfe, und bedarf eurer Opfer nicht; glaubt, daß ich euer Gott bin, der euch gerecht macht und heilig, nicht um eures Verdienstes willen, sondern um meiner Zusage willen; darum sollt ihr von mir allen Trost und Hilfe erwarten.

Auch so verwirft die heidnische Opinion vom opere operato der 50. Psalm, da er sagt: „Meinest du, daß ich Ochsenfleisch essen wolle oder Bocksblut trinken? Rufe mich an in der Zeit der Not“ usw. Da wird das opus operatum verworfen und sagt: „Rufe mich an!“ Da zeigt er den höchsten Gottesdienst an, wenn wir ihn von Herzen anrufen.

Item im 40. Psalm: „Du hast keine Lust am Opfer und Speisopfer; aber die Ohren hast du mir aufgetan“, das ist, du hast mir ein Wort gegeben, das ich hören soll, und forderst, daß ich deinem Wort glauben soll und deinen Zusagen, daß du mir helfen willst. Item Ps. 51: „Du hast nicht Lust zum Opfer, ich gäbe dir es sonst“ usw. : „Die Opfer Gottes sind ein zerbrochener Geist“ usw. Item im 4. Psalm: „Opfert Opfer der Gerechtigkeit und hoffet auf den Herrn.“ Da befiehlt er, daß wir sollen auf den Herrn hoffen, und nennt das ein recht Opfer. Da zeigt er an, daß die andern nicht rechte Opfer seien usw. Item Ps. 116: „Dir will ich Dankopfer opfern und es Herrn Namen anrufen“ usw.

Und die ganze Schrift ist voll solcher Sprüche, die da anzeigen, daß kein Opfer, kein Werk ex opere operato Gott versöhnt. Darum lehrt sie, daß im Neuen Testament die Opfer des Gesetzes Mosis abgetan seien, und seien eitel reine Opfer, ohne Makel, nämlich der Glaube gegen Gott, Danksagung, Gottes Lob, Predigt des Evangelii, Kreuz und Leiden der Heiligen und dergleichen.

Und von diesen Opfern redet Maleachi, da er sagt: „Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang ist mein Name groß unter den Heiden, und an allen Orten soll meinem Namen geopfert werden ein rein Opfer.“ Denselben Spruch deuten die Widersacher fälschlich und närrisch, von der Messe zu verstehen, und ziehen die alten Väter an. Es ist aber da bald geantwortet: Wenngleich Maleachi von der Messe redet, als er nicht tut, so folgt doch daraus nicht, daß die Messe ex opere operato uns vor Gott fromm mache, oder daß man Messe könne halten für andere, denselben Vergebung der Sünden zu erlangen. Der keines sagt der Prophet, sondern die Sophisten und Mönche erdichten’s unverschämt aus ihrem eigenen Hirn. Die Worte aber des Propheten bringen selbst den rechten Verstand mit. Denn erst sagt der Prophet, es solle der Name des Herrn groß werden; das geschieht durch die Predigt des Evangelii. Denn durch dieselbe wird der Name Christi bekannt, und wird bekannt die Gnade, in Christo verheißen. Durch die Predigt aber des Evangelii kommen die Leute zum Glauben; die rufen dann Gott recht an, die danken Gott, die leiden um Gottes willen Verfolgung, die tun gute Werke. Darum nennt’s der Prophet das reinen Opfer, nicht die Zeremonie der Messe allein ex opere operato, sondern alle geistlichen Opfer, durch welche Gottes Name groß wird. Nämlich ein rein, heilig Opfer ist die Predigt des Evangelii, der Glaube, Anrufen, Gebet, das Evangelium und Christum vor der Welt bekennen usw. Und wir fechten nicht groß an, ob es jemand je auch auf die Zeremonie der Messe deuten wollte, wenn er nur nicht sagt, daß die schlechte ceremonia ex opere operato Gott versöhne. Denn wie wir die Predigt heißen ein Lobopfer, so mag die ceremonia des Abendmahls an ihm selbst ein Lobopfer sein, aber nicht ein solch Opfer, das ex opere operato vor Gott gerecht mache, oder das man für andere tun könne, ihnen Vergebung der Sünden zu erlangen. Aber bald hernach wollen wir auch sagen, wie die ceremonia ein Opfer sei. Dieweil aber Maleachi redet von allen Gottesdiensten und Opfern des Neuen Testaments, so redet er nicht allein von der Messe oder Abendmahl. Item, dieweil er klar widerredet demselben pharisäischen Irrtum vom opere operato, so tut der Spruch nichts wider uns, sondern vielmehr für uns, denn er fordert inwendig das Herz, Gott Dankopfer zu tun, durch welches der Name der Herrn recht groß werde.

Es wird auch aus dem Maleachi noch ein Spruch angezogen: „und er wird läutern die Söhne Levi wie Gold und wie Silber, und sie werden Gott opfern Opfer der Gerechtigkeit.“ Da sagt er von Opfern der Gerechtigkeit; darum ist der Text wider das opus operatum. Die Opfer aber der Söhne Levi, das ist, derjenigen, die da predigen im Neuen Testament, ist die Predigt des Evangelii und die guten Früchte der Predigt, wie Paulus Röm. 15 sagt: „Ich soll sein ein Diener Christi unter den Heiden, zu opfern das Evangelium Gottes, auf daß die Heiden ein Opfer werden, Gott angenehm durch den Glauben.“ Denn das Ochsen= und Schafschlachten im Gesetz hat bedeutet den Tod Christi und das Predigtamt des Evangelii, dadurch der alte Adam täglich getötet werde, und das neue und ewige Leben sich anfängt.

Aber die Widersacher deuten allenthalben das Wort Opfer oder sacrificium allein auf die Zeremonien der Messe. Von dem Predigtamt des Evangelii, vom Glauben, vom Danken und Anrufen göttlichen Namens reden sie gar nichts, so doch die Zeremonia darum ist eingesetzt, so doch das Neue Testament eitel geistliche Opfer hat inwendig des Herzens und nicht solche Opfer wie das levitische Priestertum.

Auch so ziehen die Widersacher an das iuge sacrificium, das ist das tägliche Opfer, und sagen, wie im Gesetz Mosis sei gewesen ein täglich Opfer, also sei die Messe iuge sacrificium des Neuen Testaments. Wenn die Sache mit Allegorien außurichten wäre, so würde jedermann Allegorien finden, ihm dienlich. Aber alle Verständigen wissen, daß man in solchen hochwichtigen Sachen vor Gott gewiß und klar Gottes Wort haben muß und nicht dunkle und fremde Sprüche herzuziehen mit Gewalt. Solche ungewisse Deutungen halten den Stich nicht vor Gottes Gericht. Wiewohl wir wollten den Widersachern zu Gefallen noch die Messe wohl iuge sacrificium oder täglich Opfer nennen lassen, wenn sie die ganze Messe, das ist die Zeremonien mit der Danksagung, mit dem Glauben im Herzen, mit dem herzlichen Anrufen göttlicher Gnade, iuge sacrificium des Neuen Testaments heißen. Denn die Zeremonia der Messe oder des Abendmahls ist um des alles willen aufgerichtet; denn sie ist um des Predigens willen eingesetzt, wie Paulus sagt: „Sooft ihr das Brot esset und den Kelch trinket, sollt ihr den Tod des Herrn verkündigen.“ Das folgt aber gar nicht aus der Figur des täglichen Opfers, daß die Messe sei ein solch Opfer, das ex opere operato Gott versöhne, oder das man für andere halten oder tun könne, ihnen Vergebung der Sünden zu erlangen.

Und wenn man iuge sacrificium oder das tägliche Opfer recht ansieht, so malet’s ab und bedeutet nicht allein die Zeremonien, sondern auch die Predigt des Evangelii. Denn im 4. Buch Mosis am 28. werden gesetzt drei Stücke, die zu demselben täglichen Opfer gehörten. Erstlich ward geopfert ein Lamm zu einem Brandopfer, und ward Wein darauf gegossen. Danach ward auch geopfert ein Kuchen, mit Semmelmehl und Öl gemenget. Das ganze Gesetz Mosis ist ein Schatten und Figure Christi und des Neuen Testaments, darum so wird Christus darin abgemalet. Das Lamm bedeutet den Tod Christi. Wein darauf gießen bedeutet, daß in aller Welt alle Gläubigen von den Lammes Blut besprengt werden durch das Evangelium, das ist, daß sie geheiligt werden; wie Petrus sagt 1 Pet. 12: „durch Heiligung des Geistes im Gehorsam und Besprengung des Blutes Jesu Christi“. Der Kuchen bedeutet das Anrufen und die Danksagung in aller Gläubigen Herzen. Wie nun in Alten Testament der Schatten ist und die Bedeutung Christi oder des Evangelii, also ist im Neuen Testament dasselbe Evangelium und die Wahrheit, welche durch die Figur bedeutet ist, zu suchen, und ist nicht erst in neure typus oder Figur zu suchen, das sie möchten oder wollten sacrificium nennen.

Darum, wiewohl die Messe oder Zeremonia im Abendmahl ein Gedächtnis ist des Todes Christi, so ist doch nicht die Zeremonia allein das iuge sacrificium oder tägliche Opfer, sondern das Gedächtnis des Todes Christi zusamt der Zeremonia ist das tägliche Opfer, das ist, die Predigt vom Glauben und Christo, welcher Glaube wahrlich glaubt, daß Gott durch den Tod Christi versöhnt sei. Zu demselben iuge sacrificio gehört auch die Frucht der Predigt, daß wir mit dem Blut Christi besprengt, das ist, geheiligt werden, daß der alte Adam getötet werde und der Geist zunehme; das ist das Gießen. Danach sollen wir auch danken und Gott loben und den Glauben mit Leiden und guten Werken bekennen; das ist durch Mehl und Öl bedeutet.

Also wenn der grobe pharisäische Irrtum von dem opere operato weggetan ist, findet sich, daß durch das iuge sacrificium bedeutet ist das geistliche Opfer und tägliche Opfer der Herzen; denn Paulus sagt: Im Alten Testament ist „der Schatten der künftigen Güter“, „der Leib aber“ und die Wahrheit „ist in Christo“, Kol. 2, 17. Das ist nun das Erkenntnis Christi und der Heilige Geist im Herzen, welcher eitel Danksagung und täglich geistliche Opfer im Herzen wirkt. Aus dem erscheint nun genug, daß das Gleichnis vom iuge sacrificio oder täglichen Opfer nichts wider uns ist, sondern vielmehr für uns. Denn wir haben klar angezeigt, daß alles, was zum täglichen Opfer im Gesetz Mosis gehört hat, muß ein wahr, herzlich Opfer, nicht opus operatum bedeuten. Der Widersacher Traum ist falsch, da sie wähnen wollen, es werde allein das schlechte, äußerliche Werk und Zeremonien bedeutet, so doch der Glaube im Herzen, das Predigen, Bekennen, Danksagen und herzliches Anrufen die rechten täglichen Opfer sind und das Beste an der Messe, sie nennen’s gleich Opfer oder anders.

Nun können alle gottesfürchtigen, frommen, ehrbaren, christlichen Leute leichtlich merken, daß der Widersacher Beschuldigung unrecht ist, da sie sagen, wir tun das iuge sacrificium ab. Die Erfahrung aber gibt’s, daß sie die rechten Antiochi sind, die als die wütenden Tyrannen mit eitel Kühnheit und Gewalt sich erzeigen in der Kirche, die unter einem Schein der Geistlichkeit zu sich ziehen alle Gewalt der Welt und fragen doch nichts nach dem Predigtamt, nach Christo oder dem Evangelio. Darüber hinaus unterstehen sie sich, neue Gottesdienste ihres Gefallens in der Kirche anzurichten und mit eitel Gewalt zu verfechten. Denn die Widersacher behalte allein die Zeremonie der Messe, den rechten Gebrauch aber der Messe lassen sie fahren und brauchen die Messe allein zum Geiz und schändlichen Jahrmarkt und erdichten danach, es sei ein Werk, das andern zugute komme, das andern Vergebung der Sünden, der Pein und Schuld verdiene. In ihren Predigten aber lehren sie nicht das Evangelium, sie trösten auch nicht die Gewissen, sie predigen auch nicht, daß die Sünden ohne Verdienst vergeben werden um Christus‘ willen, sondern predigen vom Anrufen der Heiligen, von satisfactionibus, von Genugtuungen, von Menschensatzungen und sagen, daß dadurch die Leute vor Gott fromm werden. Und wiewohl derselben öffentlichen, gotteslästerlichen Mißbräuche viel sind, so wollen sie doch dieselben, dieweil sie Geld tragen, mit Gewalt erhalten. Und die gelehrtesten Prediger unter ihnen predigen verworrene philosophisch Quästionen und Fragen, welche weder sie selbst noch das Volk verstehen. Endlich, ob etliche unter ihnen sind nicht gar ungelehrt, so lehren sie doch eitel Gesetz und lehren von Christo oder vom Glauben gar nichts.

Die Widersacher ziehen den Daniel an, der da sagt: „Es werden Greuel und Verwüstung in der Kirche stehen“, und deuten dieses auf unsere Kirche, derhalben daß die Altäre nicht bedeckt sind, nicht Lichter drinnen brennen und dergleichen. Wiewohl es nicht wahr ist, daß wir solche äußerliche Ornamente alle wegtun, dennoch, so es schon also wäre, redet Daniel nicht von solchen Dingen, die gar äußerlich sind und zur christlichen Kirche nicht gehören, sondern meint viel eine andere, greulichere Verwüstung, welche im Papsttum stark geht, nämlich von Verwüstung des nötigsten, größten Gottesdienstes, des Predigtamts und Unterdrückung des Evangelii. Denn bei den Widersachern predigt man das mehrere Teil von Menschensatzungen, dadurch die Gewissen von Christo auf eigene Werke und Vertrauen geführt werden; so ist’s gewiß, daß unterm Papsttum die Predigt von der Buße oder de poenitentia, wie die Widersacher davon gelehrt, niemand verstanden hat, und das ist doch das nötigste Stück der ganzen christlichen Lehre.

Die Widersacher haben die armen Gewissen gequält und geplagt mit Sündenerzählen; vom Glauben an Christum, wodurch man erlangt Vergebung der Sünden, von dem rechten Kampf und Anfechtung, welche sind Übungen des Glaubens, haben sie gar nichts Rechtes gelehrt, dadurch die Gewissen hätten mögen Trost haben. Alle ihre Bücher, alle ihre Predigten sind in dem Stücke als nütze gewesen als nichts und haben dazu unsäglichen Schaden getan. Überdies ist bei den Widersachern der schreckliche, greuliche Mißbrauch der Messe, desgleichen kaum je auf Erden gewesen, und sonst unzählig viel unchristliche, närrische Gottesdienste. Das ist die rechte Verwüstung, davon Daniel sagt.

Dagegen in unsern Kirchen warten die Priester recht ihres Amts, lehren und predigen das Evangelium, predigen Christum, daß wir nicht um unserer Werke willen, sondern um Christus‘ willen Vergebung der Sünden und einen gnädigen Gott haben. Diese Lehre gibt den Herzen einen rechten, gewissen, beständigen Trost. Auch so lehren sie die zehn Gebote und von rechtschaffenen guten Werken, welche Gott geboten hat, darüber auch von rechtem christlichen Gebrauch der heiligen Sakramente.

Und wenn ja das Abendmahl oder die Messe sollte das tägliche Opfer genannt werden, so möchte billiger die Messe bei uns also heißen. Denn bei ihnen halten ihre Pfaffen das mehrere Teil alle um ihre Präbenden und um Geldes willen Messe. In unsern Kirchen wird der heiligen Sakramente also nicht mißbraucht. Denn da wird niemand mit Geld dazu getrieben, sondern man läßt die Gewissen sich prüfen, Trost da zu suchen; dazu werden die Leute unterrichtet von rechtem christlichen Gebrauch des Sakraments, daß es nämlich dazu eingesetzt ist, daß es sei ein Siegel und gewiß Zeichen der Vergebung der Sünden, dadurch die Herzen erinnert und der Glaube gestärkt wird, daß sie gewiß glauben, daß ihnen die Sünden vergeben sind. So wir nun die Predigt des Evangelii und den rechten Gebrauch des Sakraments bei uns behalten, so haben wir ohne Zweifel das tägliche Opfer.

Und wenn man gleich von äußerlichem Wohlstehen sagen sollte, so sind unsere Kirchen besser geziert denn des Gegenteils. Denn der rechte äußerliche Kirchenschmuck ist auch rechte Predigt, rechter Gebrauch der Sakrament, und daß das Volk mit Ernst dazu gewöhnt sei und mit Fleiß und Zucht zusammenkomme, lerne und bete. Dieweil man nun durch Gottes Gnade in unsern Kirchen christlich und heilsam Ding lehrt von Trost in allem Anfechten, bleiben die Leute gern bei guter Predigt. Denn es ist kein Ding, das die Leute mehr bei der Kirche behält denn die gute Predigt. Aber unsere Widersacher predigen ihre Leute aus der Kirche; denn sie lehren nichts von den nötigen Stücken christlicher Lehre, sagen Heiligenlegenden und andere Fabeln. Überdas, wo unsere Widersacher ihre Kerzen, Altartücher, Bilder und dergleichen Zier für nötige Stücke achten und damit Gottesdienste anrichten, sind sie des Antichrists Gesinde, davon Daniel sagt, daß sie ihren Gott ehren mit Silber, Gold und dergleichen Schmuck.

Auch so ziehen sie an aus der Epistel Hebr. 5: „Ein jeglicher Hoherpriester, der aus den Menschen genommen wird, der wird gesetzt für die Menschen gegen Gott, auf daß er opfere Gaben und opfere Opfer für die Sünde.“ Da schließen sie: Da im Neuen Testament Bischöfe sind und Priester, so folgt, daß auch ein Opfer müsse sein für die Sünden. Dieses nun möchte am meisten die Ungelehrten und Unerfahrenen bewegen, sonderlich wenn sie ansehen das herrliche Gepränge im Tempel und Kirchen, item die Kleidung Aarons; da im Alten Testament auch viel Schmuck von Gold, Silber und Purpur gewesen, denken sie, es müsse im Neuen Testament gleich also ein Gottesdienst, solche Zeremonien und Opfer sein, da man für anderer Leute Sünden opfere wie im Alten Testament. Denn der ganze Mißbrauch der Messen und päpstlichen Gottesdienste ist nirgend hergekommen, denn daß sie haben wollen den Mosis Zeremonien nachfolgen und haben es nicht verstanden, daß das Neue Testament mit andern Sachen umgeht, und daß solche äußerliche Zeremonien, ob man sie zur Kinderzucht braucht, sollen ihr Maß haben.

Und wiewohl unsere Sache sonderlich wohl gegründet ist in der Epistel zu den Hebräern, so ziehen doch die Widersacher aus derselben Epistel etliche Sprüche verstümmelt an, als eben an dem obangezeigten Ort, da der Text sagt: „Ein jeglicher Hoherpriester usw. wird gesetzt zu opfern“ usw. Der Text führt das bald auf Christum. Die Worte, so vorhergehen, reden vom levitischen Priestertum und sagen, das levitische Priestertum sei eine Deutung des Priestertums Christi. Denn die levitischen Opfer für die Sünden, die verdienten nicht Vergebung der Sünden vor Gott, sondern waren allein ein Bild Christi, welcher war das rechte, einige, wahre Opfer für die Sünden, wie ich oben gesagt habe. Und gar nahe die ganze Epistel zu den Hebräern handelt das mehrere Teil davon, daß das levitische Priestertum und die Opfer im Gesetz dazu nicht eingesetzt sind, daß man Vergebung der Sünden oder Versöhnung vor Gott damit verdienen solle, sondern allein zu bedeuten das künftige rechte Opfer, Christum. Denn die Patriarchen und Heiligen im Alten Testament sind auch gerecht geworden und Gott versöhnt durch den Glauben an die Verheißung von dem künftigen Christo, durch welchen Heil und Gnade verheißen ward, gleichwie wir im Neuen Testament durch den Glauben an Christum, der da offenbart ist, Gnade erlangen. Denn alle Gläubigen von Anbeginn haben geglaubt, daß ein Opfer und Bezahlung für die Sünde geschehen würde, nämlich Christus, welcher künftig und verheißen war, wie Jesaja am 53. sagt: „Wenn er seine Seele wird geben ein Schuldopfer für die Sünde“ usw.

So nun im Alten Testament durch die Opfer niemand hat erlangt Vergebung der Sünden (denn allein sie haben bedeutet das einige Opfer Christi), so folgt, daß allein ein einiges Opfer ist, nämlich Christus, welcher für aller Welt Sünde bezahlt und genuggetan hat. Derhalben ist im Neuen Testament fürder auch kein ander Opfer zu machen, dadurch die Sünden bezahlt werden, denn allein der einige Tod Christi, so am Kreuz einmal geopfert ist.

Darum, wenn sie so sagen, es müsse im Neuen Testament ein Priester sein, der da opfert, so ist das allein von Christo nachzugeben und zu verstehen. Und darauf dringt und damit stimmt stark die ganze Epistel zu den Hebräern. Und das hieße auch gar andere Mittler darstellen und eindringen neben Christo, wenn wir eine andere Satisfaktion für die Sünden zuließen und Versöhnung denn den Tod Christi. Und dieweil das Priestertum des Neuen Testaments ein Amt ist, dadurch der Heilige Geist wirkt, kann kein Opfer sein, das ex opere operato andern helfe. Denn wo nicht eigener Glaube und Leben durch den Heiligen Geist gewirkt wird, kann mich eines andern opus operatum nicht fromm und selig machen. Darum kann die Messe nicht für andere gelten: das ist ja klar und gewiß.

Wir haben nun Ursache angezeigt, warum die Messe niemand vor Gott gerecht mache ex opere operato, warum auch Messen für andere nicht können gehalten werden; denn beides ist stracks wider den Glauben und die Lehre von Christo. Denn es ist unmöglich, daß Sünden sollten vergeben werden, oder daß die Schrecken des Todes, der Hölle sollten durch eines andern Werk überwunden werden denn allein durch den Glauben an Christum, wie der Spruch lautet Röm. 5: „So wir gerecht sind worden, so haben wir Frieden mit Gott“ usw.

Dazu haben wir angezeigt, das die Sprüche der Schrift, welche man wider uns anzieht, auch nichts beweisen für die heidnische und antichristliche Lehre der Widersacher vom opere operato. Und das können nun alle gottesfürchtigen, ehrbaren Leute in aller Welt, in allen Nationen merken und urteilen. Darum ist zu verwerfen der Irrtum Thomä, der da schreibt, das der Leib des Herrn einmal am Kreuz geopfert sei für die Erbsünde und werde täglich für die täglichen Sünden geopfert auf dem Altar, daß also die Kirche habe ein Opfer, täglich Gott zu versöhnen. Auch sind die andern Irrtümer zu verwerfen, das die Messe zugute komme ex opere operato dem, der sie halt. Item, wenn man Messe hält für andere, die nicht obicem setzen, wenn sie gleich gottlos sind, das dieselben Vergebung der Sünden und Erlösung von Pein und Schuld erlangen. Das alles sind eitel Irrtümer und falsch und von eitel ungelehrten, heillosen Mönchen erdichtet, die doch vom Evangelio, von Christo und dem Glauben gar nichts wissen.

Aus diesem Irrtum von solchen Mißbräuchen der Messen sind unzählige andere erwachsen, nämlich daß sie disputieren, ob eine Messe, wenn sie für viele gehalten wird, auch so kräftig sei, als wenn eine jede Person eine eigene Messe für sich halten läßt. Aus dieser Disputation sind die Messen gewachsen und je höher verkauft worden. Weiter, so halten sie noch Messe für die Toten, zu erlösen die Seelen aus dem Fegefeuer (welches ein schändlicher Jahrmarkt ist), so doch das Sakrament weder den Lebendigen noch den Toten nütze ist ohne den Glauben. Und die Widersacher können aus der Schrift nicht einen Buchstaben, nicht eine Silbe vorbringen zur Bestätigung der Träume und Fabeln, welche sie doch ohne alle Scheu und Scham mit großem Geschrei in großem Ansehen predigen, so sie doch darüber weder der Kirche noch der Väter Zeugnis haben. Darum sind es heillose, verblendete Leute, welche die öffentliche Wahrheit Gottes wissentlich Verachten und mit Füßen treten.

Was die alten Lehrer oder Väter vom Opfer schreiben.

Nachdem wir die Sprüche, so die Widersacher aus der Schrift angezogen, recht ausgelegt und verantwortet haben, so müssen wir auch auf der alten Väter Sprüche, welche sie anziehen, antworten. Wir wissen wohl, daß die Väter die Messe ein Opfer nennen; aber der Väter Meinung ist nicht, daß man durch Messehalten ex opere operato Vergebung der Sünden erlange, oder daß man Messe halten solle für Lebendige und Tote, ihnen Vergebung der Sünden, Ablaß von Pein und Schuld zu erlangen. Denn sie werden nimmermehr beweisen, daß von solchem Greuel wider alle Schrift die Väter etwas gelehrt, sondern der Väter Bücher reden von Danksagung und Dankopfer, darum nennen sie die Messe eucharistiam. Wir haben aber hier oben angezeigt, daß die Dankopfer uns nicht Vergebung der Sünden erlangen, sondern geschehen von denjenigen, die schon versöhnt sind durch den Glauben an Christum. Gleichwie Kreuz und Trübsale nicht Versöhnung gegen Gott verdienen, sondern sind Dankopfer, wenn diejenigen, so versöhnt sind, solche Trübsale tragen und leiden.

Und diese kurzen Worte sind Antwort genug wider die Sprüche der Väter, schützen uns auch genug wider unsere Widersacher. Denn es ist gewiß, daß die Träume vom opere operato nirgend in der Väter Büchern oder Schriften gefunden werden. Aber damit diese ganze Sache und Handel von der Messe desto klarer zu verstehen sei, so wollen wir auch vom rechten Gebrauch des Sakraments reden, und also, wie es in der Heiligen Schrift und in allen Schriften der Väter auch zu finden.

Vom rechten Gebrauch des Sakraments und von dem Opfer.

Etliche vorwitzige Gelehrte erdichten ihnen selbst, das Abendmahl des Herrn sei um zweierlei Ursache willen eingesetzt. Erstlich, daß es sei eine Losung und Zeichen eines Ordens, wie die Mönchskappen ihrer Orden Unterschiede und Zeichen sind. Danach gedenken sie, Christus habe sonderlich Wohlgefallen, dieselbe Losung durch ein Essen oder Abendmahl zu geben oder anzurichten, daß er anzeigte die Freundschaft brüderlicher Verwandtnis, so unter den Christen sein soll: denn miteinander essen und trinken ist ein Zeichen der Freundschaft. Aber das ist ein menschlicher Gedanke und zeigt nicht den rechten Gebrauch des Sakraments an. Da wird allein von Liebe und Freundschaft geredet, welches weltliche Leute auch verstehen. Da ist aber vom Glauben nichts geredet oder von der Verheißung Gottes, welches das Größte ist; welcher Glaube ein viel höher, größer Ding ist, denn man gedenkt.

Die Sakramente aber sind Zeichen des göttlichen Willens gegen uns und sind nicht allein Losungen oder Zeichen, dabei sich die Leute kennen; und diejenigen sagen recht die da sagen, die Sakramente sind signa gratiae. das ist, die Sakramente sind Zeichen der Gnade. Und dieweil im Sakrament zwei Dinge sind, das äußerliche Zeichen und das Wort, so ist im Neuen Testament das Wort die Verheißung der Gnade, welche dem Zeichen angeheftet ist. Und dieselbe Verheißung im Neuen Testament ist eine Verheißung der Vergebung der Sünden, wie der Text sagt: „Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das ist der Kelch des Neuen Testaments in meinem Blut, welches vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“ Das Wort bietet uns an Vergebung der Sünden. Das äußerliche Zeichen ist wie ein Siegel und Bekräftigung der Worte und Verheißung, wie es Paulus auch nennt. Darum, wie die Verheißung vergeblich ist, wenn sie nicht durch den Glauben gefaßt wird, also ist auch die Zeremonia oder äußerliche Zeichen nicht nütze, es sei denn der Glaube da, welcher wahrhaftig dafürhält, daß uns Vergebung der Sünden widerfährt. Und derselbe Glaube tröstet die erschrockenen Gewissen. Und wie Gott die Verheißung gibt, solchen Glauben zu erwecken, also ist auch das äußerliche Zeichen daneben gegeben und vor die Augen gestellt, daß es die Herzen zu Glauben bewege und dem Glauben stärke. Denn durch die zwei, durchs Wort und äußerliche Zeichen, wirkt der Heilige Geist.

Und dies ist der rechte Gebrauch des heiligen Sakraments, wenn durch den Glauben an die göttliche Verheißung die erschrockenen Gewissen werden wieder aufgerichtet. Und das ist der rechte Gottesdienst im Neuen Testament; denn im Neuen Testament geht der höchste Gottesdienst inwendig im Herzen zu, daß wir nach dem alten Adam getötet werden und durch den Heiligen Geist neu geboren werden. Und dazu hat auch Christus das Sakrament eingesetzt, da er sagt: „Solches tut zu meinem Gedächtnis!“ Denn solches zu Christi Gedächtnis tun, ist nicht ein solch Ding, das allein mit Gebärden und Werken zugeht, allein zu einer Erinnerung und zu einem Exempel, wie man in Historien Alexandri und dergleichen gedenkt usw., sondern heißt da Christum recht erkennen, Christi Wohltat suchen und begehren. Der Glaube nun, der da erkennt die überschwengliche Gnade Gottes, der macht lebendig. Und das ist der vornehmste Gebrauch des Sakraments, daran wohl zu merken, welche recht geschickt seien zu dem Sakrament, nämlich die erschrockenen Gewissen, welche ihre Sünden fühlen, vor Gottes Zorn und Urteil erschrecken und sich nach Trost sehnen. Darum sagt der Psalm: „Er hat ein Gedächtnis gemacht seiner Wunder, der gnädige und barmherzige Herr; er hat Speise gegeben denen, so ihn fürchten.“ Und der Glaube, der da erkennt solche Barmherzigkeit, der macht lebendig, und das ist der rechte Gebrauch des Sakraments.

Da ist denn auch und findet sich das Dankopfer oder Danksagung. Denn wenn das Herz und Gewissen empfindet, aus was großer Not, Angst und Schrecken es erlöst ist, so dankt es aus Herzensgrunde für so großen, unsäglichen Schatz und braucht auch der Zeremonien oder äußerlichen Zeichen zu Gottes Lobe und erzeigt sich, daß es solche Gottesgnade mit Dankbarkeit annehme, groß und hoch achte. Also wird die Messe ein Dankopfer oder Opfer des Lobes.

Und also reden die Väter davon von zweierlei Effekt oder Nutzen des Sakraments: erstlich, daß dadurch die Gewissen getröstet werden; zum anderen, daß Gott Lob und Dank gesagt werde. Das erste gehört eigentlich zum rechten Gebrauch des Sakraments, das andere zu dem Opfer. Vom Trost sagt Ambrosius: „Geht zu ihm, das ist, zu Christo, und empfangt Gnade usw.; denn er ist die Vergebung der Sünden. Fragt ihr aber, wer er sei? Hört ihn selbst reden: ‚Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubet, den wird nicht dürsten.‘ “ Da zeigt er an, daß mit dem Sakrament angeboten wird Vergebung der Sünden. Er sagt auch, man soll solches mit dem Glauben fassen. Man findet der Sprüche unzählige in der Väter Büchern, welche die Widersacher alle auf das opus operatum und auf das Messehalten, so für andere geschieht, deuten, so doch die Väter vom Glauben an die Verheißung Gottes und von dem Trost, den die Gewissen empfangen, reden, und de applicatione gar nichts sagen.

Darüber findet man Sprüche in den Vätern von Danksagung, wie denn Cyprianus fast lieblich redet vom christlichen Kommunizieren. „Ein christlich Herz“, sagt er, „teilt seinen Dank auf einen Teil für den geschenkten Schatz, aufs andere Teil für die vergebenen Sünden und dankt für so reiche Gnade.“ Das ist, ein christlich Herz, das steht an, was ihm geschenkt ist in Christo und was ihm auch für große Schuld aus Gnaden erlassen ist; hält gegeneinander unsern Jammer und die große Barmherzigkeit Gottes und dankt Gott usw. Und daher ist es Eucharistia genannt in der Kirche. Darum ist die Messe nicht eine solche Danksagung, die man ex opere operato für andere tun oder halten solle, ihnen Vergebung der Sünden zu erlangen. Denn solches wäre stracks wider den Glauben, gleich als ob die Messe oder die äußerliche Zeremonie ohne den Glauben jemand fromm und selig machte.

Von dem Wort Messe

Hier ist zu sehen, welch grobe Esel unsere Widersacher sind. Sie sagen, das Wort missa komme von dem Wort misbeach, das ein Altar heißt; daraus soll folgen, daß die Messe ein Opfer sei; denn auf dem Altar opfert man. Item das Wort liturgia, wie die Griechen die Messe nennen, soll auch ein Opfer heißen. Darauf wollen wir kurz antworten. Alle Welt sieht, daß aus diesen Gründen dieser heidnische und antichristliche Irrtum nicht folgen müsse, daß die Messe helfe ex opere operato sine bono motu utentis. Darum sind sie Esel, daß sie in solcher großwichtigen Sache so ungereimt Ding vorbringen. Auch so wissen die Esel keine Grammatika. Denn missa und Iiturgia heißen nicht Opfer. Missa heißt hebräisch eine zusammengetragene Steuer. 5 Mos. 16, 10. Denn also ist etwa die Weise gewesen, daß die Christen Speise und Trank zugut den Armen in die Versammlung gebracht haben. Und solche Weise ist von den Juden hergekommen, die auf ihre Feste mußten solche Steuer bringen; die nannten sie missa. So heißt liturgia griechisch eigentlich ein Amt, darin man der Gemeinde dient; das schickt sich Wohl auf unsere Lehre, daß der Priester da als ein gemeiner Diener denjenigen, so kommunizieren wollen, dient und das heilige Sakrament reicht.

Etliche meinen, missa komme nicht aus dem Hebräischen, sondern sei als viel als remissio, Vergebung der Sünden. Denn so man kommuniziert hat, hat man gesprochen: Ite, missa est; „Zieht hin, ihr habt Vergebung der Sünden.“ Und daß dem also sei, ziehen sie an, daß man bei den Griechen gesprochen hat: Lais Aphesis (laoi`“ afesi“); das ist auch so viel: Ihnen ist verziehen. Wo dem also, wäre dieses ein feiner Verstand; denn es soll allezeit bei dieser Zeremonie Vergebung der Sünden gepredigt und verkündigt werden. Doch ist diesem Handel wenig geholfen, das Wort missa heiße, was es wolle.

Von den Messen für die Toten.

Daß aber die Widersacher noch dies wollen verteidigen, daß die Messe den Toten helfe, davon sie einen eigenen Jahrmarkt und sonderlich unsägliche Kretschmerei gemacht, des haben sie kein Zeugnis noch Befehl Gottes in der Schrift. Nun ist es je ein unsäglicher, großer Greuel und nicht eine kleine Sünde, daß sie dürfen ohne Gottes Wort, ohne alle Schrift, einen Gottesdienst in der Kirche anrichten und dürfen das Abendmahl des Herrn, welches Christus hat eingesetzt, das Wort zu predigen, dabei seines Todes zu gedenken, zu stärken den Glauben derjenigen, so die Zeremonie brauchen, unverschämt ziehen auf die Toten. Denn das heißt recht Gottes Namen mißbrauchen wider das andere Gebot.

Denn erstlich ist das die höchste Schmach und Lästerung des Evangelii und Christi, daß das schlechte Werk der Messe ex opere operato ein Opfer sei, das Gott versöhne und für die Sünden genugtue. Es ist eine recht schreckliche, häßliche Predigt und Lehre und ein großer, unsäglicher Greuel, daß das bloße getane Werk eines Priesters als viel gelten solle als der Tod Christi. So ist je gewiß, daß die Sünde und der Tod nicht können überwunden werden denn allein durch den Glauben an Christum, wie Paulus sagt Röm. 5. Darum so können die Messen den Toten in keinem Weg ex opere operato helfen.

Wir wollen hier nicht erzählen, wie schwache Gründe die Widersacher vom Fegefeuer haben; item, woher die Lehre von der Genugtuung und Satisfaktion erst aufgekommen; wie wir denn haben oben angezeigt, daß es eitel Träume und erdichteter Menschentand ist. Allein das wollen wir ihnen sagen, das gewiß ist, das Abendmahl gehöre eigentlich zur Vergebung der Schuld. Denn was Trost hätten wir, so uns da sollte Vergebung angeboten werden, und sollte doch nicht Vergebung der Schuld sein? So nun die Zeremonia Vergebung der Schuld anbietet, folgt, daß unmöglich ist, daß eine satisfactio sei ex opere operato oder den Toten helfe. Denn gehört sie zur Vergebung der Schuld, so muß sie allein dazu dienen, die Gewissen zu trösten, das sie glauben, ihnen sei die Schuld wahrhaftig vergeben.

Und wahrlich, es wäre nicht Wunder, daß alle frommen, christlichen Leute vor Angst und Leid Blut weinten, wenn sie recht bedächten, wie unsäglicher greulicher und schrecklicher Mißbrauch der Messe unter dem Papsttum ist, nämlich daß die Messe das mehrere Teil nirgend zu anders gebraucht wird, denn für die Toten und die Pein des Fegefeuers abzulösen. Sie schreien, wir tun iuge sacrificium oder das tägliche Opfer ab. Das heißt recht iuge sacrificium, das tägliche Opfer abgetan aus der Kirche, das ist eine rechte Tyrannei und Wüterei des gottlosen Antiochi, also das ganze Evangelium, die ganze Lehre vom Glauben, von Christo unterdrücken und auf solche Träume von satisfactionibus, solche Lügen vom opere operato an die statt dessen predigen. Das heißt recht das Evangelium unter die Füße treten, den Gebrauch der Sakramente schändlich verkehren. Das sind die rechten Lästerer, da Paulus von sagt, daß sie: „schuldig seien am Leib und Blut des Herrn“, welche die Lehre von Christo, vom Glauben unterdrücken und mißbrauchen der Messe und des Abendmahls zu einem schändlichen, unverschämten öffentlichen Geiz, zu einem Jahrmarkt und Schenkwirtschaft, und das alles unter einem Heuchlerischen Schein der Satisfaktion. Und eben um dieser großen, unsäglichen Gotteslästerung willen werden die Bischöfe schwere Strafe von Gott gewarten müssen. Es wird einmal Gott das andere Gebot wahrlich wahr machen und einen großen, grimmigen Zorn über sie ausgießen. Darum haben wir uns und alle wohl vorzusehen, daß wir uns der Widersacher Mißbrauchs nicht teilhaftig machen.

Wir wollen aber wieder auf die Sache kommen. So die Messe nun nicht eine Genugtuung ist weder für eine Pein noch Schuld ex opere operato, so folgt, daß die Messe, so man für die Toten hält, unnütz und nichts sei. Und es bedarf nicht langer Disputation. Denn da ist gewiß, das solches Messehalten für die Toten in der Schrift gar keinen Grund hat. Nun ist es ein Greuel in der Kirche, Gottesdienst anrichten ohne alles Gotteswort, ohne alle Schrift. Und wenn es not wird sein, so wollen wir von diesem Stücke ganz reichlich mehr und nach aller Notdurft weiter reden. Denn was sollen wir uns jetzund hier viel mit den Widersachern zanken, so sie gar nicht verstehen, was Opfer, was Sakrament, was Vergebung der Sünden, was Glaube sei?

Und der griechische Kanon appliziert auch nicht die Messe als eine Genugtuung für die Toten; denn er appliziert sie zugleich für alle Patriarchen, Propheten, Apostel. Daraus erscheint, daß die Griechen auch als eine Danksagung opfern, nicht aber als eine Satisfaktion für die Pein des Fegefeuers. Denn es wird freilich nicht ihre Meinung sein, die Propheten und Apostel aus dem Fegefeuer zu erlösen, sondern allein Dank zu opfern neben und mit ihnen für die hohen ewigen Güter, so ihnen und uns gegeben sind.

Die Widersacher ziehen an, daß etwa für Ketzerei verdammt sein soll, daß einer, genannt Ërius, soll gehalten haben, die Messe sei nicht ein Opfer für die Toten. Hier behelfen sie sich aber mit ihren gewöhnlichen Griffen, daß sie erdichten, unsere Lehre sei von alters her verworfen. Aber die Esel schämen sich keiner Lüge. So wissen sie nicht, wer Ërius gewesen oder was er gelehrt hat. Epiphanius schreibt, daß Ërius gehalten habe, das das Gebet für die Toten sei unnütz. Nun reden wir nicht vom Gebet, sondern vom Nachtmahl Christi, ob das ex opere operato ein Opfer sei, den Toten zu helfen. Dieser unser Handel betrifft Ërium nichts. Was auch sonst alle den Vätern für die Messe angezogen wird, belangt alles diesen Handel nicht. Denn die guten, frommen Väter haben diesen greulichen, lästerlichen, antichristlichen Irrtum nicht gelehrt, das die Messe ex opere operato den Lebendigen und Toten Vergebung der Pein und Schuld verdiene. Denn dieser Irrtum vom opere operato ist eine öffentliche Ketzerei wider alle Schrift, wider alle Propheten und Apostel, und alle Christen sollen lernen, daß solche papistische Messen eitel schreckliche Abgötterei seien. Es bleibt aber in der Welt solche Abgötterei, solange der Antichrist regiert und bleibt. Denn wie in Israel ein falscher Gottesdienst ward angerichtet mit Baal, auch unrechte Gottesdienste waren unter dem Schein des Gottesdienstes, den Gott geordnet hat, also hat der Antichrist in der Kirche auch einen falschen Gottesdienst aus dem Nachtmahl Christi gemacht. Und doch, wie Gott unter Israel und Juda dennoch seine Kirche, das ist, etliche Heilige, behalten hat, also hat Gott seine Kirche, das ist, etliche Heilige, unter dem Papsttum dennoch erhalten, daß die christliche Kirche nicht ganz untergegangen ist. Wiewohl nun der Antichrist mit seinem falschen Gottesdienst zum Teil bleiben wird, bis daß Christus der Her öffentlich kommen und richten wird, so sollen doch alle Christen verwarnt sein, sich zu hüten vor solcher Abgötterei, und sollten lernen, wie man Gott recht dienen und Vergebung der Sünden durch den Glauben an Christum erlangen soll, daß sie Gott recht ehren und beständigen Trost wider die Sünde haben können. Denn darum hat Gott gnädiglich sein Evangelium scheinen lassen, daß wir verwarnt und selig würden.

Dieses haben wir von der Messe kurz gesagt, daß alle gottesfürchtigen, frommen, ehrbaren Leute in allen Nationen verstehen mögen, daß wir mit allem treuen Fleiß die rechte Ehre und den rechte Gebrauch der Messe erhalten haben, und daß wir des große, hochwichtige Ursachen haben, warum wir es mit den Widersachern nicht halten. Und wir wollen alle frommen, ehrbaren Leute verwarnt haben, daß sie des großen Greuels und Mißbrauchs der Messe sich mit den Widersachern nicht teilhaftig machen, damit sie sich nicht mit fremden Sünden beschweren. Es ist ein großer Handel und eine ganz wichtige Sache. Denn dieser Mißbrauch ist nicht geringer, denn zu Elias‘ Zeiten die Sache war mit dem falschen Gottesdienst Baal. Wir haben auf diesmal mit gelinden Worten und ohne Schmähworte diese Sache vorgetragen; werden aber die Widersacher nicht aufhören zu lästern, so sollen sie innewerden, daß wir ihnen auch härter zusprechen wollen.

Artikel XXVII. Von den Klostergelübden

In der Stadt Eisenach im Land zu Thüringen ist etwan gewesen vor dreißig Jahren ein Barfüßermönch, Johannes Hilten genannt, welcher von seinen Brüdern ist in einen Kerker geworfen, darum daß er etliche öffentliche Mißbräuche im Klosterleben hatte angefochten. Wir haben auch seiner Schriften zum Teil gesehen, aus welchen wohl zu merken ist, daß er christlich und der Heiligen Schrift gemäß gepredigt; und die ihn gekannt haben, sagen heutigentags, daß es ein frommer, stiller, alter Mann gewesen ist, ganz redlichen, ehrbaren Wesens und Wandels; derselbe hat viel von diesen Zeiten prophezeit und zuvor, das bereits geschehen ist, etliches auch, das geschehen soll, welches wir doch hier nicht erzählen wollen, damit niemand gedenke, daß wir aus Neid oder jemand zu Gefallen solches vorbrächten. Endlich, als er altershalber, und auch daß ihm das Gefängnis seine Gesundheit verderbet, in eine Krankheit gefallen, hat er zu sich lassen bitten den Guardian, ihm seine Schwachheit angezeigt, und als der Guardian aus pharisäischer Bitterkeit und Neid ihn mit harten Worten angefahren, darum daß solche Predigt nicht wollte in der Küche nütz sein, hat er seines Leibes Schwachheit zu klagen unterlassen, tief erseufzt und mit ernsten Gebärden gesagt, er wolle solch Unrecht um Christus‘ willen gern tragen und leiden, wiewohl er nichts geschrieben noch gelehrt hätte, das der Mönche Stand nachteilig, sondern hätte allein grobe Mißbräuche angegriffen. Zuletzt hat er gesagt: „Es wird ein anderer Mann kommen, wenn man schreibt 1516, der euch Mönche tilgen wird, und der wird vor euch Wohl bleiben, dem werdet ihr nicht widerstehen können.“ Dasselbe Wort, wie die Möncherei würde ins Fallen geraten, und dieselbe Jahreszahl hat man hernach gefunden in andern seinen Büchern und sonderlich in den Commentariis über den Daniel. Was aber von dieses Mannes Rede zu halten sei, lassen wir einem jeden sein Urteil. Doch sind sonst Zeichen, daß der Mönche Wesen nicht lange bestehen könne. Es ist am Tage, daß das Klosterwesen nichts denn eine unverschämte Heuchelei und Betrug ist, voll Geizes und Hoffarts, und je ungelehrtere Esel die Mönche sind, je halsstarriger, grimmiger und bitterer, je giftigere Ottern sie sind, die Wahrheit und Gottes Wort zu verfolgen. So sind ihre Predigten und Schriften lauter kindisch, ungereimt, närrisch Ding, und ist an ihr Wesen dahin gerichtet, daß sie den Bauch und ihren Geiz füllen. Anfänglich sind die Klöster nicht solche Kerker oder ewige Gefängnisse gewesen, sondern Schulen, darin man die Jugend und andere in der Heiligen Schrift hat auferzogen. Nun ist solch edel Gold zu Kot geworden und der Wein Wasser geworden. Fast in den rechten, größten Stiften und Klöstern sind eitel faule, unnütze, müßige Mönche, die unter dem Schein der Heiligkeit von gemeinen Almosen in aller Pracht und Wollust leben. Christus sagt aber, daß das taube Salz nichts nütze sei, denn daß man’s hinwegwerfe und mit Füßen trete. Darum, so die Mönche ein solch ungöttlich Wesen führen, so singen sie ihnen sich mit der Tat ihr eigen requiem, und wird bald mit ihnen aus sein. Darüber ist noch ein Zeichen, daß die Mönche werden untergehen, daß sie Ursacher, Stifter und Anreger sind, daß viel gelehrte, redliche Leute unschuldig erwürgt und dahingerichtet werden. Das Abelsblut schreit über sie, und Gott wird es rächen. Wir sagen nicht von allen; es mögen etliche in Klöstern sein, die das heilige Evangelium von Christo wissen und keine Heiligkeit auf ihre Traditiones setzen, die sich auch des Blutes nicht schuldig gemacht haben, welches die Heuchler unter ihnen vergießen.

Wir reden aber hier von der Lehre, welche die Meister der Konfutation loben und verteidigen. Wir disputieren nicht, ob man Gelübde Gott halten soll; denn wir halten auch, daß man rechte Gelübde zu halten schuldig sei; sondern davon reden wir, ob man durch die Gelübde und solche Möncherei erlange Vergebung der Sünden vor Gott; ob sie Genugtuungen seien für die Sünde; ob sie der Taufe gleich seien; ob sie die Vollkommenheit seien, dadurch die praecepta und consilia, das ist, nicht allein die Gebote, sondern auch die Räte, gehalten werden; ob sie sind evangelische Vollkommenheit; ob die Mönche haben merita supererogationis, das ist, so viel übrigen Verdienstes und heiliger Werke, daß sie deren auch nicht alle bedürfen; ob ihre Verdienste, wenn sie die den andern mitteilen, dieselben selig machen; ob die Klostergelübde christlich seien, der Meinung also getan; item, ob die Klostergelübde, welche erzwungen sind von Unwilligen und denjenigen, welche noch jugendhalber nicht verstanden, was sie tun, welche die Eltern oder Freunde in die Klöster gestoßen des Bauchs halben, allein ihr väterlich Erbe zu sparen, christlich und göttlich seien; ob die Klostergelübde christlich seien, die gewißlich zu Sünden Ursache geben, nämlich daß die Ordenspersonen den häßlichen Mißbrauch der Messe, das Anrufen und Anbeten der Heiligen loben und annehmen müssen, und des unschuldigen Blutes, das bisanher vergossen ist, sich müssen teilhaftig machen; item, da die Gelübde schwachheithalber doch nicht gehalten werden, ob dieselben rechte Gelübde und christlich seien. Von diesen Fragen ist unser Streit und Disputation. Und so wir in unserer Konfession von vielen untüchtigen Gelübden auch gesagt haben, welche die Canones der Päpste selbst verwerfen, dennoch wollen die Widersacher alles, was wir vorgebracht, verworfen haben. Denn also sagen sie mit klaren Worten, daß alles, so wir vorgebracht haben, soll verworfen werden.

Es will aber hier not fein anzuzeigen, wie sie doch unsere Gründe anfechten, und was sie vorbringen, ihre Sache zu erhalten. Darum wollen wir kurz widerlegen, was die Widersacher vorbringen. Und so nun dieser Handel fleißig und reichlich gehandelt ist in dem Buch Doctoris Martini Von den Klostergelübden, so wollen wir dasselbe Buch hier als für erneuert und wiederholt achten.

Für das erste ist das gewiß, daß solche Gelübde nicht göttlich noch christlich sind, wenn ich also mein Klostergelübde tue., daß ich gedenke, dadurch zu erlangen Vergebung der Sünden gegen Gott oder für die Sünden genugzutun. Denn das ist ein Irrtum, der da öffentlich wider das Evangelium ist, und ist eine Lästerung Christi. Denn das Evangelium lehrt, daß wir ohne Verdienst Vergebung der Sünden erlangen durch Christum, wie wir hier oben reichlich gesagt haben. Darum haben wir St. Pauli Spruch recht eingeführt zu den Galatern am 5.: „So ihr durchs Gesetz wollt gerecht werden, so seid ihr von Christo und der Gnade abgefallen.“ Denn die da suchen Vergebung der Sünden nicht durch den Glauben an Christum, sondern durch die Klostergelübde und Möncherei, die rauben Christo seine Ehre und kreuzigen ihn aufs neue. Hört aber, Lieber, hört, wie die Meister der Konfutation hier gerne Behelf suchen wollten, sagen: Paulus sei allein vom Gesetz Mosis zu verstehen, die Mönche aber tun und halten alles um Christus‘ willen und fleißigen sich, aufs allernächste dem Evangelio gemäß zu leben, damit sie das ewige Leben verdienen; und setzen ein schrecklich Wort dazu: „Darum ist es“, sagen sie, „unchristlich und ketzerisch, was wider das Mönchsleben wird vorgebracht.“ O Her Jesu Christe, wie lange willst du leiden und dulden solche öffentliche Schmach deines heiligen Evangelii, da unsere Feinde dein Wort und Wahrheit lästern ?

Wir haben in unserer Konfession gesagt, daß man Vergebung der Sünden ohne Verdienst durch den Glauben an Christum erlangen müsse. Ist das nicht das lautere, reine Evangelium, wie es die Apostel gepredigt, ist das nicht die Stimme des Evangelii des ewigen Vaters, welche du, Herr, der du sitzest im Schoß des Vaters, der Welt offenbart hast, so sollen wir billig gestraft werden. Aber, dein herber, bitterer Tod am Kreuz, dein Heiliger Geist, welchen du reichlich ausgeteilt hast, deine ganze heilige, christliche Kirche gibt stark, gewaltig und gewiß Gezeugnis, welches so hell und offenbar ist als die Sonne, daß dies die Summa, der Kern des Evangelii ist, daß wir Vergebung der Sünden erlangen nicht um unsers Verdienstes Willen, sondern durch den Glauben an Christum.

Wenn Paulus darf sagen, daß wir durch das heilige, göttliche Gesetz Mosis und seine Werke nicht verdienen Vergebung der Sünden, so will er, daß wir viel weniger das tun durch menschliche Satzungen, und das zeigt er zu den Kolossern klar genug an. Denn so die Werke des Gesetzes Mosis, welches durch Gott war offenbart, nicht verdienen Vergebung der Sünden, wieviel weniger werden’s tun die närrischen Werke, Möncherei, Rosenkränze und dergleichen, die auch zu weltlichem Leben nicht not noch nütze sind, viel weniger geben sie der Seele ewiges Leben.

Die Widersacher erdichten ihnen selbst einen Traum, daß Christus das Gesetz Mosis habe abgetan und sei gekommen also nach Mose und ein neu, gut Gesetz gebracht, dadurch man Vergebung der Sünden erlangen müsse. Durch den schwärmerischen, närrischen Gedanken drücken sie Christum unter und seine Wohltat. Danach erdichten sie weiter, daß unter denen, welche die neuen Gesetze Christi halten, die Mönche Christo und den Aposteln am nächsten ähnlich leben und wandeln durch ihren Gehorsam, Armut und Keuschheit, so doch die ganze Möncherei eitel unverschämte, schändliche Heuchelei ist. Sie sagen von Armut, so sie doch vor großem Überfluß nie haben erfahren können, wie einem rechten Armen zu Herzen ist. Sie rühmen ihren Gehorsam, so kein Volk auf Erden freier ist denn die Mönche, welche aus Bischofs= und Fürstengehorsam sich meisterlich geschlossen haben. Von ihrer heiligen, großen, gefährlichen Keuschheit mag ich nicht sagen; ich will es Gerson sagen lassen, der auch von denjenigen, so ernstlich sich geflissen, keusch zu leben, wahrlich nicht viel Reinigkeit und Heiligkeit sagt; wiewohl das mehrere Teil ist Heuchelei und unter tausend nicht einer, der mit Ernst gedenkt, rein und keusch zu leben, daß wir inwendig der Herzen Gedanken schweigen.

Soll nun das die große Heiligkeit sein? Heißt das Christo und dem Evangelio gemäß gelebt? Christus ist nicht also nach Mose gekommen, neue Gesetze zu bringen, daß er um unserer Werke willen die Sünden vergebe, sondern sein Verdienst, seine eigenen Werke setzt er gegen Gottes Zorn für uns, daß wir ohne Verdienst Gnade erlangen. Wer aber ohne die Versöhnung Christi seine eigenen Werke gegen Gottes Zorn setzt und um seines eigenen Verdienstes willen Vergebung der Sünden erlangen will, er bringe die Werke des Gesetzes Mosis, der zehn Gebote, der Regeln Benedicti, Augustini oder andere Regeln, so wirst er hinweg die Verheißung Christi, fällt ab von Christo und seiner Gnade.

Hier wollen aber Kaiserliche Majestät, alle Fürsten und Stände des Reichs merken, wie überaus unverschämt die Widersacher sind, daß sie trotziglich dürfen sagen, es sei alles gottlos, was wir wider die Möncherei haben vorgebracht, so wir doch ganz gewisse und klare Sprüche Pauli angezogen haben, und je nichts klarer, gewisser in der ganzen Bibel ist, denn daß wir Vergebung der Sünden erlangen allein durch den Glauben an Christum. Und diese gewisse, göttliche Wahrheit dürfen die Meister der Konfutation, die verzweifelten Bösewichter und heillosen Buben, gottlose Lehre heißen. Wir haben aber keinen Zweifel, wo Kaiserliche Majestät und die Fürsten des verwarnt werden, sie werden eine solche öffentliche Gotteslästerung lassen aus der Konfutation tilgen und ausreißen.

Dieweil wir aber hier oben reichlich angezeigt, daß es ein Irrtum sei, daß wir Vergebung der Sünden um unsers Verdienstes willen erlangen sollten, so wollen wir hier desto kürzer reden. Denn ein jeder verständiger Leser kann leichtlich abnehmen, daß wir durch die elenden Mönchswerke nicht können vom Tode und des Teufels Gewalt erlöst werden und Vergebung der Sünden verdienen. Darum ist auch das gotteslästerliche, häßliche Wort, welches Thomas schreibt, in keinem Wege zu leiden, daß ins Kloster gehen solle eine neue Taufe sein oder der Taufe gleich sein. Denn es ist eine teuflische Wüterei und Irrtum, daß man eine heillose menschliche Satzung und Gebot, welches weder Gottes Gebot noch Zusage hat, der heiligen Taufe vergleichen sollte, dabei eine Zusage oder Verheißung Gottes ist.

Zum andern, so sind diese Stücke, willige Armut, Gehorsam, Keuschheit, wenn sie anders nicht unrein ist, eitel Adiaphora und leibliche Übung, darin weder Sünde noch Gerechtigkeit zu suchen ist. Darum haben die Heiligen derselben viel anders gebraucht, als St. Bernhard, Franciskus und andere, denn jetzund die Mönche. Denn dieselben haben solches Dinges gebraucht zur Übung des Leibes, daß sie desto leichter warten könnten Lehrens, Predigens und anderer dergleichen, nicht daß solche Werke Gottesdienste sollten sein, vor Gott gerecht zu machen oder das ewige Leben zu verdienen, sondern die Werke malet Paulus recht ab, da er sagt: „Leibliche Übung ist wenig nütze.“ Und es ist möglich, daß in etlichen Klöstern noch etliche fromme Leute sind, welche lesen und studieren, die solcher Regeln und Satzungen brauchen ohne Heuchelei und mit diesem Bericht, daß sie ihre Möncherei nicht für Heiligkeit halten. Das aber halten, das dieselben Werke ein Gottesdienst seien, dadurch wir vor Gott fromm werden und das ewige Leben verdienen, das ist stracks wider das Evangelium und wider Christum. Denn das Evangelium lehrt, daß wir durch den Glauben an Christum gerecht werden und das ewige Leben erlangen. So ist es auch stracks wider das Wort Christi: „Sie dienen mir vergeblich mit Menschengeboten.“ So ist es wider diesen Spruch Pauli: „Alles, was nicht aus dem Glauben ist, das ist Sünde.“ Wie können sie aber sagen, daß es Gottesdienste sind, die Gott gefallen und angenehm seien vor ihm, so sie kein Gotteswort noch Befehl haben?

Hier ist aber erst zu merken, wie gar unverschämte Heuchler und Buben sie sind. Sie dürfen sagen, daß ihre Klostergelübde und Orden nicht allein Gottesdienste seien, die gerecht und fromm vor Gott machen, sondern setzen noch dies dazu, daß es Stände seien der Vollkommenheit, das ist, heiligere und höhere Stände denn andere, als Ehestand, Regentenstand; und sind also in solcher ihrer mönchischen Heuchelei und pharisäischem Wesen unzählige andere greuliche, ketzerische Irrtümer begriffen. Denn sie rühmen sich für die allerheiligsten Leute, welche nicht allein die Gebote oder praecepta, sondern auch die consilia, das ist, die hohen Räte, was die Schrift von hohen Gaben nicht ein Gebot, sondern einen Rat gibt, halten. Danach so sie ihnen selbst erdichten, sie seien so reich von Verdienst und Heiligkeit, daß ihnen noch überbleibt, so sind dennoch die frommen Heiligen so milde, daß sie ihre merita supererogationis, ihre übrigen Verdienste, andern anbieten und um einen gleichen Pfennig, um Geld, lassen zustehen. Dieses alles ist eitel grobe, greuliche, erlogene, erstunkene Heiligkeit und eitel pharisäische Heuchelei und Gleisnerei. Denn da das erste Gebot Gottes: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele“ usw., höher ist, denn ein Mensch auf Erden begreifen kann, nachdem es die höchste Theologia ist, daraus alle Propheten, alle Apostel ihre beste, höchste Lehre als aus dem Brunnen geschöpft haben, ja, so es ein solch hohes Gebot ist, danach allein aller Gottesdienst, alle Gottesehre, alle Opfer, alle Danksagung im Himmel und auf Erden reguliert und gerichtet müssen werden, also daß alle Gottesdienste, wie hoch, köstlich und heilig sie scheinen, wenn sie außer dem Gebot sind, eitel Schalen und Hülsen ohne Kern, ja eitel Unflat und Greuel vor Gott sind, welches hohe Gebot so gar kein Heiliger vollkommen erfüllt hat, daß noch wohl Noah und Abraham, David, Petrus und Paulus sich da für unvollkommen, für Sünder bekennen und hier unter bleiben müssen: so ist es ungehörter pharisäischer, ja recht teuflischer Stolz, das ein läufiger Barfüßermönch oder dergleichen heilloser Heuchler soll sagen, ja predigen und lehren, er habe das heilige, hohe Gebot also vollkömmlich gehalten und erfüllt und nach Erfordern und dem Willen Gottes so viel gute Werke getan, daß ihm noch Verdienste überbleiben. Ja, liebe Heuchler, wenn sich die heiligen zehn Gebote und das hohe erste Gottesgebot also erfüllen ließen, wie sich die Brote und Parteken lassen in Sack stecken! Es sind unverschämte Heuchler, damit die Welt in diesen letzten Zeiten geplagt ist. Der Prophet David sagt: „Alle Menschen sind Lügner“, das ist, kein Mensch auf Erden, auch nicht die Heiligen achten oder fürchten Gott so hoch und groß, als sie sollten, kein Mensch auf Erden glaubt und vertraut Gott so ganz vollkömmlich, als er soll usw. Darum sind es Lügen und heuchlerische, erdichtete Träume, daß die Mönche rühmen, sie leben nach der Vollkommenheit des Evangelii und der Gebote Gottes, oder tun mehr, denn sie schuldig sind, das ihnen gute Werke und etliche Zentner übriger, überflüssiger Heiligkeit im Vorrat bleiben.

Auch so ist das falsch und erlogen, daß das Mönchsleben sollte sein eine Erfüllung der Konsilien oder Räte im Evangelio. Denn das Evangelium hat nirgend geraten solchen Unterschied der Kleider, der Speisen, oder durch solchen Bettelstab der Leute Güter auszusaugen; denn es sind eitel Menschensatzungen, von welchen Paulus sagt: „Die Speise macht uns nicht heiliger vor Gott“ usw. Darum sind es auch nicht Gottesdienste, die vor Gott fromm machen, sind auch nicht eine evangelische Vollkommenheit, sondern wenn man sie mit den prächtigen Titeln lehrt, predigt und ausschreit, so sind’s, wie sie Paulus nennt, rechte Teufelslehren.

Die Jungfrauschaft lobt Paulus, und als einen guten Rat predigt er’s denen, welche dieselbe Gabe haben, wie ich hier oben gesagt habe. Derhalben ist es ein schändlicher, höllischer Irrtum, lehren und halten, das evangelische Vollkommenheit in menschlichen Satzungen stehe. Denn auf die Weise möchten sich auch die Mahometisten und Türken rühmen (denn sie haben auch Einsiedel und Mönche, wie glaubliche Historien vorhanden), daß sie evangelische Vollkommenheit hielten. So ist auch die evangelische Vollkommenheit nicht in den Dingen, welche Adiaphora sind, sondern dieweil dieses das Reich Gottes ist, daß inwendig der Heilige Geist unsere Herzen erleuchte, reinige, stärke, und daß er ein neu Licht und Leben in den Herzen wirke, so ist die rechte evangelische, christliche Vollkommenheit, daß wir täglich im Glauben, in Gottesfurcht, in treulichem Fleiß des Berufs und Amts, das uns befohlen, zunehmen, wie auch Paulus die Vollkommenheit beschreibt, daß er sagt 2 Kor. 3: „Wir werden verkläret in dasselbige Bild von einer Klarheit zu der andern, als vom Geist des Herrn.“ Er sagt nicht: Wir gehen von einem Orden in den andern, wir ziehen jetzund diese, dann jene Kappe an, jetzund diesen Gürtel, dann jenen Strick usw. Es ist erbärmlich, daß in der christlichen Kirche solche pharisäische, ja türkische und mahometische Lehre überhandgenommen hat, daß sie lehren, die evangelische Vollkommenheit und das Reich Christi, durch welches sich hier die ewigen Güter und das ewige Leben anheben, sollen stehen in Kappen, in Kleidern, in Speisen und dergleichen Kinderwerk.

Hier höre man aber weiter die trefflichen Lehrer, wie sie in ihre Konfutation so eine öffentliche Gotteslästerung und häßlich Wort gesetzt haben. Sie dürfen unverschämt sagen, „es sei in der Heiligen Schrift geschrieben, daß das Mönchsleben und die heiligen Orden das ewige Leben verdienen, und Christus habe dasselbe sonderlich den Mönchen überschwenglich zugesagt, welche also verlassen Haus, Hof, Brüder, Schwestern“. Das sind die klaren Worte der Widersacher. Ist aber das nicht eine ganz unverschämte, häßliche Lüge, es sei in der Heiligen Schrift geschrieben, daß man durch das Mönchsleben könnte das ewige Leben verdienen? Wie seid ihr doch so kühn: Wo redet doch die Schrift von Möncherei? Also handeln diese große, treffliche Sache die Widersacher; also führen sie die Schrift ein. Die ganze Welt weiß, die Historien sind vor Augen, daß die Orden und Möncherei ein ganz neu Ding ist; dennoch dürfen sie rühmen, die Heilige Schrift rede von ihrer Möncherei.

Darüber so lästern sie und schmähen Christum, daß sie sagen, man könne durch Klosterleben das ewige Leben verdienen. Gott tut seinem eigenen Gesetz nicht die Ehre, daß man durch die Werke des Gesetzes sollte das ewige Leben verdienen, wie er klar sagt Hes. am 20.: „Ich habe ihnen gegeben Gesetze, dadurch sie das Leben nicht haben können.“ Denn für das erste ist das gewiß, daß durch Möncherei niemand kann das ewige Leben verdienen, sondern um Christus‘ Verdienstes willen, durch lauter Barmherzigkeit, wird das ewige Leben gegeben denjenigen, so durch den Glauben Vergebung der Sünden erlangen und halten denselben gegen Gottes Urteil, nicht ihr armes Verdienst. Wie auch St. Bernhard ein fein Wort geredet hat: „daß wir Vergebung der Sünden nicht haben können denn allein durch Gottes Gnade und Güte“; item, „daß wir gar nichts von guten Werken haben können, wenn er es nicht gibt“; item, „daß wir das ewige Leben nicht verdienen können mit Werken, sondern es werde uns auch aus Gnaden gegeben“. Und dergleichen redet St. Bernhard viel auf dieselbe Meinung, wie wir oben erzählt. Und am Ende setzt noch St. Bernhard dazu: „Darum wolle niemand darin sich selbst betrüge noch verführen; denn wird er’s selbst recht bedenken, so wird er gewiß finden, daß er mit zehntausend dem nicht kann entgegenkommen (nämlich Gott), der mit zwanzigtausend auf ihn zudringt.“ So wir denn auch nicht durch die Werke des göttlichen Gesetzes Vergebung der Sünden oder das ewige Leben verdienen, sondern müssen die Barmherzigkeit suchen, welche in Christo verheißen ist, so verdienen wir es viel weniger durch Klosterleben, Möncherei, das eitel Menschensatzungen sind, und soll die Ehre viel weniger den bettelischen Satzungen gegeben werden.

Diejenigen, die da lehren, daß wir durch Möncherei können Vergebung der Sünden verdienen, und setzen also das Vertrauen, welches Christo allein gebührt, auf die elenden Satzungen, die treten schlecht das heilige Evangelium und die Verheißung von Christo mit Füßen; und für den Heiland Christum ehren sie ihre schäbichten Kappen, ihre mönchischen tollen Werke. Und so es ihnen noch selbst fehlt an Gnade, so tun sie als die gottlosen, heillosen Leute, daß sie noch ihre merita supererogationis erdichten und andern Leuten das übrige Teil am Himmel verkaufen.

Wir reden hier desto kürzer von dieser Sache; denn aus dem, so droben geredet von der Buße, de justificatione, von Menschensatzungen usw., genug zu merken, daß die Klostergelübde nicht Schatz sind, dadurch wir erlöst und erlangen ewiges Leben usw. Und so Christus dieselben Satzungen nennt vergebliche Gottesdienste, so sind sie in keinem Wege eine evangelische Vollkommenheit

Doch haben etliche vernünftige Mönche eine Scheu gehabt, ihre Möncherei so hoch zu rühmen, daß sie sollte christliche Vollkommenheit heißen. Die haben diesen hohen Ruhm gemäßigt, haben gesagt, es sei nicht christliche Vollkommenheit, sondern es sei ein Stand, der dazu dienen soll, christliche Vollkommenheit zu suchen. Solcher Mäßigung gedenkt auch Gerson und verwirft die unchristliche Rede, daß Möncherei christliche Vollkommenheit sei. Wo nun Möncherei nur ein Stand ist, Vollkommenheit zu suchen, so ist’s nicht mehr ein Stand der Vollkommenheit denn der Bauern und Ackerleute, der Schneider und Bäcker Leben usw. Denn das alles sind auch Stände, christliche Vollkommenheit zu suchen. Denn alle Menschen, sie seien, in was Stande sie wollen, ein jeder nach seinem Beruf, so sollen sie nach der Vollkommenheit, solange dies Leben währt, streben und allzeit zunehmen in Gottesfurcht, im Glauben, in Liebe gegen den Nächsten und dergleichen geistlichen Gaben.

Man liest in vitis patrum von St. Antonio und etlichen andern großen heiligen Einsiedeln, welche durch Erfahrung dahin sind endlich gekommen, daß sie gemerkt, daß sie ihre Werke vor Gott nicht mehr fromm machen denn anderer Stände Werke. Denn St. Antonius hat auf eine Zeit Gott gebeten, das er ihm doch zeigen wolle, wie weit er gekommen wäre ins Leben der Vollkommenheit. Da ward ihm angezeigt ein Schuster zu Alexandria und ward ihm gesagt, dem Handwerksmanne wäre er in Heiligkeit gleich. Bald den andern Tag machte sich Antonius auf, zog gen Alexandria, sprach denselben Schuster an und fragte mit Fleiß, was er für einen heiligen Wandel, Leben und Wesen führte. Da antwortete ihm der Schuster: Ich tue. nichts Besonderes; denn morgens spreche ich mein Gebet für die ganze Stadt und arbeite danach mein Handwerk, warte meines Hauses usw. Da verstand Antonius bald, was Gott durch die Offenbarung gemeint hätte. Denn man wird nicht durch dies oder jenes Leben vor Gott gerecht, sondern allein durch den Glauben an Christum.

Die Widersacher aber, wiewohl sie sich jetzund auch schämen, die Möncherei Vollkommenheit zu nennen, so halten sie es doch im Grund dafür. Denn sie verkaufen ihre Werke und Verdienste und geben vor, sie halten nicht allein die Gebote, sondern die consilia und Räte, und wähnen, sie behalten Verdienst noch übrig. Heißt das nun nicht mit der Tat Vollkommenheit und Heiligkeit rühmen, wenn sie gleich mit Worten ein wenig die Sache mäßigen? Auch ist klar gesetzt in der Konfutation, daß die Mönche näher und genauer nach dem Evangelio leben denn andere Weltliche. Wo nun ihre Meinung ist, daß man dadurch dem Evangelio näher lebt, wenn man nichts Eigenes hat, außerhalb der Ehe lebt, eine sonderliche Kleidung oder Kappe trägt, also fastet, also betet: so ist ja ihre Meinung, daß ihre Möncherei christliche Vollkommenheit sei, dieweil sie dem Evangelio näher sein soll denn gemein Leben.

Item, in der Konfutation steht geschrieben, daß die Mönche das ewige Leben reichlicher erlangen denn andere, und ziehen an die Schrift: „Wer Haus und Hof verläßt“ usw. Da rühmen sie auch eine Vollkommenheit, welche soll an der Möncherei sein. Aber der Spruch redet nichts von der Möncherei. Denn Christus will da nicht, daß Vater, Mutter, Weib, Kind, Haus und Hof verlassen ein solch Werk sei, damit man Vergebung der Sünden und das ewige Leben verdiene, sondern auf die Weise Vater und Mutter verlassen, gefällt Gott gar nichts und ist in die Hölle vermaledeit. Denn wenn jemand darum Eltern, Haus, Hof verläßt, daß er dadurch will Vergebung der Sünden und das ewige Leben verdienen, da lästert er Christum.

Es ist aber zweierlei Verlassen. Eins geschieht aus Beruf und Gottes Gebot. Das Verlassen, welches ohne Beruf und Gottes Gebot geschieht, das läßt sich der Her Christus gar nicht gefallen. Denn die Werke, wo wir selbst erwählen, nennt der Her Christus unnütze, vergebliche Gottesdienste. Man steht aber daraus noch klarer, daß Christus nicht meint ein solches Fliehen von Weib und Kind; er sagt: „Wer da verläßt Weib, Kind, Haus, Hof“ usw. Nun wissen wir, daß Gott geboten hat, Weib, Kind nicht zu verlassen. Es ist aber ein ander Verlassen, wenn wir aus Gottes Gebot verlassen Eltern, Weib, Kind usw., und wenn wir es selbst vornehmen. Denn wenn Tyrannen mich wollten zwingen, das Evangelium zu verleugnen, oder verjagen, da haben wir Gottes Befehl, daß wir sollen eher Unrecht leiden, als daß wir nicht allein von Weib und Kindern, Haus und Hof vertrieben werden, sondern auch, daß man uns unser Leib und Leben nimmt. Von dem Verlassen redet Christus, darum setzt er auch dazu: „um des Evangeliums Willen“, und zeigt genug an, daß er von denen rede, die um des Evangeliums willen leiden, nicht Weib und Kind aus eigenem Vornehmen verlassen. Denn wir sind auch schuldig, unser eigen Leben zu lassen um des Evangeliums willen. Da wäre es nun närrisch und ganz Widersinns verstanden, wenn ich mich selbst töten wollte ohne Gottes Befehl. Also ist es auch närrisch, das für Heiligkeit und Gottesdienst halten, daß ich aus eigenem Vornehmen verließe Weib und Kind ohne Gottes Befehl.

Derhalben wird der Spruch Christi übel auf die Möncherei gedeutet. Es möchte sich aber das auf die Mönche reimen, daß sie Hundertfältiges in diesem Leben empfangen. Denn viele werden Mönche um des Bauchs willen, und daß sie Müßiggang und feiste Küchen haben, da sie als Bettler dennoch in reiche Klöster kommen. Wie aber die ganze Möncherei voll Heuchelei ist und Betrugs, also ziehen sie auch die Schrift fälschlich an, tun also zweierlei schreckliche Sünde: für eins, daß sie die Welt mit Abgötterei betrügen; zum andern, daß sie Gottes Namen und Wort fälschlich anziehen, ihre Abgötterei zu schmücken.

Auch so wird ein Spruch angezogen: „So du willst vollkommen sein, so gehe, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen und folge mir nach.“ Der Spruch hat vielen zu schaffen gemacht, daß sie haben wollen wähnen, das sei die höchste Heiligkeit und Vollkommenheit, nicht Eigenes haben, nicht Haus, Hof, Güter haben. Es mögen aber die Cynici, als Diogenes, der kein Haus haben wollte, sondern lag in einem Faß, solche heidnische Heiligkeit rühmen; christliche Heiligkeit steht viel auf höheren Sachen denn auf solcher Heuchelei. Denn Güter haben, Haus und Hof, sind weltlicher Regimente Ordnungen, welche durch Gott bestätigt sind, als im siebenten Gebot: „Du sollst nicht stehlen“ usw. Darum Güter, Haus und Hof verlassen, ist in der Schrift nicht geboten noch geraten. Denn evangelische, christliche Armut steht nicht darin, daß ich die Güter verlasse, sondern daß ich nicht darauf vertraue, gleichwie David gleichwohl arm war bei einer großen Gewalt und Königreich.

Darum dieweil solch Verlassen der Güter nichts ist denn eine menschliche Satzung, so ist es ein unnützer Gottesdienst. Und des Papsts Extravagant rühmt und lobt auch viel zu hoch solche mönchische, heuchlerische Armut, da sie sagt, nicht Eigenes haben um Gottes willen sei ein verdienstlich, heilig Ding und ein Weg der Vollkommenheit. Wenn unerfahrene Leute solch Rühmen hören, fallen sie darauf, es sei unchristlich, in Gütern sitzen; daraus folgen denn viele Irrtümer und Aufruhre. Durch solch Rühmen ist Müntzer betrogen worden, und werden dadurch viele Anabaptisten verführt. Sie sprechen aber: Hat’s doch Christus selbst Vollkommenheit genannt. Da sage ich nein zu; denn sie tun dem Text Gewalt, daß sie ihn nicht ganz anziehen. Vollkommenheit steht in diesem Stück, da Christus spricht: „Folge mir nach!“ Und darin steht eines jeden Christen Vollkommenheit, daß er Christo folge, ein jeder nach seinem Beruf; und sind doch die Berufe ungleich; einer wird berufen zu einem Regenten, der andere zu einem Hausvater, der dritte zu einem Prediger. Darum, obschon jener Jüngling berufen ist, daß er verkaufen sollte, betrifft sein Beruf nicht andere, wie Davids Beruf, daß er König werden sollte, nicht alle betrifft; Abrahams Beruf, daß er seinen Sohn opfern sollte, betrifft nicht andere. Also sind die Berufe ungleich; aber der Gehorsam soll gleich sein, und darin steht Vollkommenheit, so ich in meinem Beruf gehorsam bin, nicht so ich mich eines fremden Berufs annehme, da ich nicht Befehl oder Gottes Gebot von habe.

Für das dritte, eins von den Substantialklostergelübden ist die Keuschheit. Nun haben wir oben von der Priesterehe gesagt, daß man durch kein Gesetz oder Klostergelübde natürlich oder göttlich Recht ändern kann; und so nicht alle Leute die Gabe der Keuschheit haben, so halten sie auch dieselben, das Gott geklagt sei. So können auch keine Klostergelübde noch Gesetze dem Heiligen Geist sein Gebot ändern, da Paulus sagt: „Hurerei zu vermeiden, habe ein jeglicher sein eigen Eheweib.“ Darum sind die Klostergelübde nicht christlich in denen, welche nicht haben die Gabe der Keuschheit, sondern fallen und machen’s ärger aus Schwachheit. Von dem Artikel haben wir hier oben gesagt, und ist wahrlich Wunder, so die Widersacher vor Augen sehen so viele, unzählige Fährlichkeiten der Gewissen und Ärgernisse, daß sie nichtsdestoweniger als die törichten, rasenden Leute dringen auf solche Menschensatzungen wider das öffentliche Gottesgebot und sehen nicht, daß der Her Christus so ernstlich straft die Pharisäer, welche Satzungen wider Gottes Gebot lehrten.

Zum vierten, so sollte doch jedermann vom Klosterleben abschrecken der greuliche, schreckliche Mißbrauch der Messen, welche gehalten werden für Lebendige und für die Toten; item, das Anrufen der Heiligen, das alles auf Geiz, auf eitel Teufelsgreuel gerichtet ist. Denn am Anrufen der Heiligen ist zweierlei Greuel: der eine, daß der Heiligen Dienst auf Geiz gerichtet ist; der andere, das die Heiligen werden gesetzt an Christus‘ Statt, und daß sie werden abgöttisch angebetet und für Mittler gegen Gott gehalten, wie allein die Predigermönche (geschweige denn unzählige tolle Träume der andern Mönche) mit der Brüderschaft des Rosenkranzes eine rechte unverschämte Abgötterei haben angerichtet, welches worüber jetzund Feinde und Freunde selbst spotten. Item, das Evangelium, welches da predigt Vergebung der Sünden um Christus‘ willen, von rechter Buße, von rechten guten Werken, die Gottes Befehl haben, hören sie nicht, sie lehren’s auch nicht, sondern lehren aus ihren Predigten Fabeln von Heiligen und eigenerdichtete Werke, dadurch Christus wird unterdrückt. Das alles haben die Bischöfe leiden können.

Wir wollen hier geschweigen der unzähligen kindischen Zeremonien und närrischen Gottesdienste mit Lektionen, mit Gesängen und dergleichen, welche zum Teil möchten zu dulden sein, wenn sie ein Maß hätte und zu guter Übung gebraucht würden, wie man der Lektionen in der Schule und der Predigt dazu gebraucht, daß die Zuhörer davon sich bessern. Aber nun erdichten sie ihnen selbst, daß solche mancherlei Zeremonien sollen Gottesdienste sein, Vergebung der Sünden dadurch zu verdienen ihnen selbst und andern; darum machen sie auch ohne Unterlaß neue Zeremonien. Denn wenn sie solche Kirchendienste und Zeremonien dahin richteten, daß die Jugend und der gemeine Mann möchte geübt werden in Gottes Wort, so wären kurze und fleißige Lektionen viel nütze denn ihr Geplärre im Chor, das weder Maß noch Ende hat. Also ist das ganze Klosterleben gar voll Abgötterei und voll heuchlerischer Irrtümer wider das erste und andere Gebot, wider Christum. Darüber ist noch die Fährlichkeit dabei, daß diejenigen, die also in Stiften oder Klöstern sind, müssen wissentlich helfen die Wahrheit verfolgen. Derhalben sind viel große Ursachen, darum fromme, redliche Leute das Klosterleben fliehen oder auch verlassen mögen.

Darüber, so sprechen die Canones selbst diejenigen los, die überredet sind mit guten Worten, ehe sie zu ihrem rechten Alter gekommen sind, oder welche die Freunde wider ihren Willen in ein Kloster verstoßen haben. Aus dem allem erscheint, daß viele Ursachen sind, welche da anzeigen, daß die Klostergelübde, welche bisher geschehen sind, nicht rechte christliche, bündige Gelübde sind. Darum mag man das Klosterleben mit gutem Gewissen verlassen, da es voll Heuchelei und allerlei Greuel ist.

Hier werfen uns die Widersacher vor die Nazaräer im Gesetz Mosis. Aber die taten ihre Gelübde nicht der Meinung, dadurch Vergebung der Sünden zu erlangen, wie wir oben von den Mönchsgelübden geklagt haben. Der Nazaräer Orden war eine leibliche Übung mit Fasten, mit gewisser Speise, dadurch sie ihren Glauben bekannten, nicht daß sie dadurch Vergebung der Sünden erlangten oder dadurch vom ewigen Tod erlöst würden; denn das suchten sie anderswo, nämlich in der Verheißung von dem gebenedeiten Samen. Item, wie die Beschneidung im Gesetz Mosis oder das Opferschlachten jetzund nicht soll für einen Gottesdienst aufgerichtet werden, also soll man das Fasten oder Zeremonie der Nazaräer nicht aufrichten oder anziehen als einen Gottesdienst, sondern soll gehalten werden für ein Mittelding und leibliche Übung. Derhalben können noch sollen sie ihren Mönchsstand, welcher ohne Gottes Wort erdichtet ist als ein Gottesdienst, dadurch Gott versöhnt werde, nicht vergleichen mit der Nazaräer Stand, welchen Gott befohlen hatte, und war nicht dazu erdacht, daß die Nazaräer dadurch sollten erlangen einen gnädigen Gott, sondern daß es eine äußerliche Zucht und Übung wäre des Leibes wie andere Zeremonien im Gesetz Mosis. Item, gleich dasselbe ist auch von andern mancherlei Gelübden, die im Gesetz Mosis gesetzt werden zu antworten.

Auch so ziehen die Widersacher an das Exempel der Rechabiten, welche keine Güter hatten, auch keinen Wein tranken, wie Jeremia sagt am 35. Kapitel. Ja wahrlich, es reimt sich Wohl der Rechabiten Exempel zu unsern Mönchen, so ihre Klöster prächtiger denn der Könige Paläste gebaut sind, so sie in allem Überfluß leben. Auch so sind die Rechabiten bei ihrer Armut doch Eheleute gewesen unsere Mönche, so sie alle Pracht, allen haben, geben in ihrer Heuchelei Keuschheit vor.

Nun, die verständigen und Gelehrten wissen wohl, daß man alle Exempel nach der Regel, das ist, nach der klaren Schrift, und nicht wider die Regel oder Schrift soll auslegen oder einführen. Darum, so die Rechabiten in der Schrift gelobt werden, so ist es gewiß, daß sie ihre Weise und Zeremonie nicht darum gehalten haben, dadurch Vergebung der Sünden oder ewiges Leben zu verdienen, oder daß ihre Werke an ihnen selbst sie vor Gott versöhnen könnten, sondern sie haben als fromme, gottesfürchtige Kinder geglaubt an den gesegneten, gebenedeiten Samen, an den zukünftigen Christum, und dieweil sie haben Gebot und Befehl gehabt ihrer Eltern, wird in der Schrift gelobt ihr Gehorsam, von welchem das vierte Gebot redet: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“

Item, so hat der Rechabiten Weise noch eine Ursache. Sie waren unter den Heiden gewesen, da hat sie ihr Vater unterscheiden wollen von den Heiden mit etlichen Zeichen, daß sie nicht wieder fielen in gottlos Wesen und Abgötterei. Darum hat sie ihr Vater dadurch wollen erinnern der Gottesfurcht, des Glaubens, der Auferstehung der Toten; und das ist eine gute Ursache. Aber die Möncherei hat viel andere Ursachen. Sie erdichten, daß die Möncherei sei ein Gottesdienst, da durch man verdiene Vergebung der Sünden und Gott versöhnt werde. Darum ist es gar keine Vergleichung mit der Rechabiten Exempel; daß ich geschweige andern unzähligen Unrats und Ärgernisses, welche darüber noch am Klosterleben sind.

Auch so bringen sie vor aus der ersten Epistel zum Timotheo am 5. von den Witwen, welche den Kirchen dienten und von dem gemeinen Kirchengut ernährt wurden, da Paulus sagt: „Denn wenn sie geil worden sind wider Christum, so wollen sie freien; und haben ihr Urteil, das sie den ersten Glauben verbrochen haben.“ Ich will gleich setzen, daß, da der Apostel von den Gelübden rede (wie doch nicht ist), so tut doch der Spruch gar nichts dazu, daß die Klostergelübde sollten christlich sein. Denn die Klostergelübde geschehen darum, daß sie sollen ein Gottesdienst sein, dadurch man Vergebung der Sünden verdiene. Paulus aber verwirft alle Gesetze, alle Werke, alle Gottesdienste, welche also gehalten und angenommen werden, dadurch Vergebung der Sünden und das ewige Leben zu verdienen, welches wir allein durch Christum erlangen. Darum ist es gewiß, ob die Witwen etliche Gelübde getan hätten, daß sie doch ungleich den jetzigen Klostergelübden gewesen sind.

Darüber, wenn die Widersacher je den Spruch Pauli wollen auf die Klostergelübde ziehen und dehnen, so müßten sie das auch annehmen, daß Paulus verbietet, „es solle keine Witwe eingenommen werden, die jünger wäre denn sechzig Jahre“. Also werden denn alle Klostergelübde, welche vor der Zeit des Alters geschehen sind von jüngeren Leuten, unbündig und nichts sein. Aber die Kirche hat von den Klostergelübden die Zeit nichts gewußt. So verwirft nun Paulus die Witwen nicht darum, daß sie ehelich werden (denn er heißt die jungen ehelich werden), sondern daß sie aus dem gemeinen Kirchenkasten sich nähren ließen, desselben zu ihrer Lust und Mutwillen mißbrauchten und also den ersten Glauben brächen. Das heißt er den ersten Glauben fahren lassen nicht der Klostergelübde, sondern ihrer Taufe, ihrer christlichen Pflicht, ihres Christentums. Und also redet er auch vom Glauben im selben Kapitel: „So jemand seine Hausgenossen nicht versorget, der hat seinen Glauben verleugnet.“ Denn er redet anders vom Glauben denn die Sophisten. Darum sagt er, daß diejenigen den Glauben verleugnen, die ihre Hausgenossen nicht versorgen. Also sagt er auch von den vorwitzigen Weibern, daß sie den Glauben fahren lassen.

Wir haben etliche Ursachen angezeigt und widerlegt , was die Widersacher vorgebracht. Dieses haben wir nicht allein um der Widersacher willen erzählt, sondern vielmehr um etlicher christlicher Herzen und Gewissen willen, daß sie mögen klar vor Augen haben, warum die Klostergelübde und die mancherlei Möncherei nicht recht oder christlich sind, welche auch alle miteinander das einige Wort Christi möchte zu Boden stoßen, da er sagt: „Sie dienen mir vergeblich mit Menschengeboten;“ Denn aus dem Wort allein hat man kurz, daß die ganze Möncherei, Kappen, Strick, Gürtel und alle eigenerdichtete Heiligkeit vor Gott unnütz, vergebliche Gottesdienste seien, und alle christlichen, frommen Herzen sollen das ganz für gewiß halten, daß dies gewiß ein pharisäischer, verdammter, häßlicher Irrtum, daß wir sollten durch solche Möncherei Vergebung der Sünden oder das ewige Leben verdienen und nicht vielmehr erlangen durch den Glauben an Christum. Darum fromme Leute, so im Klosterleben selig geworden und erhalten sind, die haben endlich müssen dahin kommen, daß sie an allem ihrem Klosterleben verzagt, alle ihre Werke wie Kot verachtet, alle ihre heuchlerischen Gottesdienste verdammt und sich und die Zusage der Gnade in Christo fest gehalten haben, wie man des denn von St. Bernhard ein Exempel hat, daß er gesagt: Perdite Vixi, „Ich habe sündlich gelebt“. Denn Gott will keine andern Gottesdienste haben, denn welche er selbst hat aufgerichtet durch sein Wort.

Artikel XXVIII. Von der Potestate Ecclesiastica

Die Widersacher machen hier ein groß Geschrei von den Freiheiten und Privilegien der Geistlichen (wie sie es nennen) und setzen danach einen solchen Beschluß: „Es ist“, sagen sie, „alles nichts und untüchtig, was in diesem Artikel wider die Freiheit und Privilegien der Kirchen und Priester wird vorgebracht.“ Hier handeln die Meister der Konfutation aber als Buben, uns zu verunglimpfen. Denn in unserer Konfession ist nichts geredet wider der Kirchen oder Priester Freiheiten, damit sie von weltlicher Obrigkeit, Kaisern, Königen und Fürsten begnadet sind. Denn wir lehren ja, man soll weltliche Ordnungen und Rechte halten.

Aber wollte Gott, daß die Widersacher doch auch einmal hörten die unsägliche, erbärmliche, große Klage aller Kirchen, das große Schreien und Seufzen so viel frommer Herzen und Gewissen! Der Kirchen Freiheit, und was Geld und Gut belangt, vergessen die Widersacher nicht, aber wie die nötigsten, nützlichsten Ämter in der Kirche bestellt sind, da sorgen sie nichts. Sie fragen gar nichts danach, wie man lehre oder predige; sie fragen nicht danach, wie christlicher Gebrauch der Sakramente erhalten werde; sie ordinieren grobe Esel. Damit ist die christliche Lehre untergegangen, daß die Kirchen nicht mit tüchtigen Predigern bestellt sind. Sie machen Traditiones und unerträgliche Bürden, die Seelen zu verderben, und ob solchen ihren Traditionen halten sie viel fester denn ob Gottes Geboten. Viel arme Seelen stecken jetzund im Zweifel, wissen nicht, was sie halten sollen. Da gebührt den Prälaten, zu hören, was recht, was unrecht wäre, und die Mißbräuche zu ändern, den armen Leuten aus dem Zweifel zu helfen und die Last von den beschwerten Gewissen zu nehmen. Was sie aber tun, ist am Tage. Sie machen Edikte wider die öffentliche Wahrheit, zeigen unerhörte Tyrannei wider fromme Leute zur Erhaltung etlicher ihrer Traditionen, die öffentlich wider Gott sind. So sie nun ihre Privilegia rühmen, sollten sie billig auch ihr Amt bedenken und vieler frommen Christen Seufzen und Klagen hören, die ohne Zweifel Gott hört, und er wird einmal Rechenschaft von den Prälaten fordern.

Auch antwortet die Konfutation nicht auf unsere Gründe, sondern stellt sich recht päpstlich: sagt von großer Gewalt der Bischöfe und beweist sie nicht, spricht also, daß die Bischöfe Gewalt haben zu herrschen, zu richten, zu strafen, zu zwingen, Gesetze zu machen, dienlich zum ewigen Leben. Also rühmt die Konfutatio der Bischöfe Gewalt und beweist sie doch nicht. Von diesem Artikel ist nun der Streit: ob die Bischöfe Macht haben, Gesetze zu machen außer dem Evangelio und zu gebieten, dieselben zu halten als Gottesdienste, dadurch ewiges Leben zu verdienen.

Darauf tun wir diesen Bericht: Man muß in der Kirche diese Lehre behalten, daß wir ohne Verdienst, um Christus‘ willen, durch den Glauben Vergebung der Sünden erlangen; so muß man auch die Lehre behalten, daß alle Menschensatzungen nicht nütze sind, Gott zu versöhnen. Darum in Speise, Trank, Kleidern und dergleichen ist weder Sünde noch Gerechtigkeit zu setzen. Denn Paulus spricht: „Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken.“ Darum haben die Bischöfe nicht Macht, Satzungen zu machen außer dem Evangelio, also daß man dadurch Vergebung der Sünden erlangen wollte, oder daß es sollten Gottesdienste sein, um welcher willen uns Gott gerecht schätze, und zu welchen sie die Gewissen verpflichten bei einer Todsünde. Das alles lehrt der einige Spruch in Geschichten der Apostel am 15. Kapitel, da Petrus sagt, „das die Herzen werden durch den Glauben gereinigt“. Und danach verbieten sie, ein Joch oder Bürde auf die Jünger zu legen, und sagen, wie gefährlich das sei. Auch geben sie zu verstehen, das die schrecklich sündigen und wider Gott handeln und Gott versuchen, die also die Kirche beschweren. Denn sie sagen: „Was versucht ihr Gott?“ Dies harte, ernste Wort der Apostel, welches sie billig als ein Donnerschlag schrecken sollte, lassen ihnen die Widersacher gar nicht zu Herzen gehen, sondern wollen noch mit aller Tyrannei und Gewalt ihre erdichteten Gottesdienste verteidigen.

Denn den XV. Artikel, darin wir gesetzt haben, daß wir durch Menschensatzungen nicht verdienen Vergebung der Sünden, verdammen sie und sagen hier: Die Menschensatzungen sind nütz und dienstlich, das ewige Leben zu verdienen. Dagegen ist ja öffentlich, daß sie das Herz inwendig nicht trösten; so bringen sie auch kein neu Licht oder Leben in das Herz; wie denn Paulus zu den Kolossern sagt, daß darum die Satzungen nichts helfen, ewige Gerechtigkeit oder ewiges Leben zu erlangen, denn die Satzungen lehren vom Unterschied der Speisen, Kleider und der Dinge, welche sich unter’n Händen verzehren. Das ewige Leben aber, welches inwendig durch Glauben in diesem Leben anfängt, wirkt der Heilige Geist im Herzen durch das Evangelium. Darum werden die Widersacher nimmermehr beweisen, daß man durch Menschensatzungen das ewige Leben verdiene.

So nun das Evangelium klar verbietet, daß mit solchen Satzungen die Kirchen und Gewissen nicht sollen beschwert werden, also daß man dadurch Vergebung der Sünden erlangen müsse, oder müsse sie halten als nötige Gottesdienste, ohne welche christliche Heiligkeit nicht sein könne, oder daß man sie bei einer Todsünde zu halten soll schuldig sein, so werden die Widersacher nimmermehr beweisen, daß die Bischöfe solche Gottesdienste anzurichten Macht haben.

Was aber die Bischöfe für ein Amt oder Gewalt haben in der Kirche, haben wir in der Konfession gesagt. Die Bischöfe, so jetzund den Bischofsnamen tragen in der Kirche, tun gar nicht ihr bischöflich Amt nach dem Evangelio. Aber laß sie gleich Bischöfe sein der canonica politia nach, welche wir in ihrem Wert lassen. Wir reden aber von rechten, christlichen Bischöfen, und es gefällt mir die alte Division oder Teilung nicht übel, da sie gesagt haben, bischöfliche Gewalt stehe in diesen zweien, potestate ordinis und potestate iurisdictionis, das ist, in Reichung der Sakramente und geistlichem Gerichtszwang. So hat ein jeder christlicher Bischof potestatem ordinis. das ist, das Evangelium zu predigen, Sakramente zu reichen; auch hat er Gewalt eines geistlichen Gerichtszwangs in der Kirche, das ist, Macht und Gewalt, aus der christlichen Gemeinde zu schließen diejenigen, so in öffentlichen Lastern gefunden werden, und dieselben, wenn sie sich bekehren, wieder anzunehmen und ihnen die Absolution mitzuteilen. Sie haben aber nicht eine tyrannische Gewalt, das ist, ohne gewisses Gesetz zu urteilen. So haben sie auch keine königliche Gewalt, das ist, über die gegebenen Gesetze hinaus zu schaffen, sondern haben ein gewiß Gottesgebot und gemessenen Befehl, unter welchem sie sind, nach welchem sie ihre geistliche Gewalt und Gerichtszwang. brauchen sollen. Ob sie schon solche Jurisdiktion über der öffentliche Laster haben, so folgt doch nicht, daß sie darum Macht haben, neue Gottesdienste anzurichten. Denn iurisdictio und neue Gottesdienste machen, sind weit voneinander. Item, es streckt sich auch die iurisdictio nicht auf Sünden wider ihre neuen Gesetze, sondern allein auf solche Sünden, die wider Gottes Gebot sind. Denn das Evangelium richtet ihnen nicht ein Regiment an außer dem Evangelio, das ist ja klar und gewiß.

Wiewohl wir nun in der Konfession dazugesetzt haben, wiefern die Bischöfe mögen Satzungen machen, nämlich daß sie die nicht als nötige Gottesdienste aufrichten und lehren, sondern daß es still und ordentlich in der Kirche zugehe. Aber damit sollen die Gewissen nicht gefangen sein, als seien es nötige Gottesdienste. Denn Paulus schreibt an die Galater im 5. Kapitel: „So stehet nun in der Freiheit, wie euch Christus hat freigemacht, und laßt euch nicht wieder unter das Joch der Knechtschaft bringen!“ So muß man nun freilassen, solche äußerliche Satzungen zu brauchen oder nicht zu brauchen, daß sie nicht für solche Gottesdienste geachtet oder gehalten werden, welche nötig sollten sein zur Seligkeit. Doch ist man schuldig, Ärgernis zu meiden. Also haben die Apostel viel Dings um guter Zucht willen in der Kirche geordnet, das mit der Zeit geändert ist, und haben nicht Satzungen also gemacht, daß sie sollten nötig sein oder ewig bleiben. Denn sie haben wider ihre eigene Schrift und Lehre nicht, gehandelt, darin sie das gar heftig streiten , daß man die Kirche nicht solle mit Satzungen also beschweren oder verpflichten, als wären sie nötig zur Seligkeit.

Das ist ein einfältiger, klarer Unterricht von Menschensatzungen, nämlich daß wir wissen, daß es nicht nötige Gottesdienste sind, und daß man sie dennoch nach Gelegenheit, Ärgernis zu meiden, halten soll. Und also haben viel gelehrte, große Leute in der Kirche gehalten und gelehrt, und ist gewiß, daß die Widersacher dawider nichts können aufbringen. So ist es auch gewiß, daß dieses Wort des Herrn Christi Luk. 10: „Wer euch höret, der höret mich“, nicht von Menschensatzungen redet, sondern ist stracks dawider. Denn die Apostel empfangen da nicht ein mandatum cum Iibera, das ist, einen ganz freien, ungemessenen Befehl und Gewalt, sondern haben einen gemessenen Befehl, nämlich, nicht ihr eigen Wort, sondern Gottes Wort und das Evangelium zu predigen. Und der Her Christus will in den Worten: „Wer euch höret, der höret mich“ alle Welt stärken, wie auch vonnöten war, daß wir sollten ganz gewiß sein, daß das leibliche Wort Gottes Kraft wäre, und daß niemand vom Himmel ein ander Wort dürfte suchen oder gewarten. Darum kann dies Wort: „Wer euch höret, der höret mich“ von Satzungen nicht verstanden werden. Denn Christus will da, daß sie also lehren sollen, daß man durch ihren Mund Christum selbst höre. So müssen sie ja nicht ihr eigen Wort predigen, sondern sein Wort, seine Stimme und Evangelium, soll man Christum hören. Dies tröstliche Wort, welches aufs allerstärkste unsere Lehre bestätigt und viel nötige Lehre und Trost für die christlichen Gewissen in sich hat, das deuten die groben Esel auf ihre närrischen Satzungen, auf ihre Speisen, Trank, Kleider und dergleichen Kinderwerk.

Auch ziehen sie diesen Spruch an zu den Hebräern am 13.: „Gehorchet denen, die euch vorgehen“ usw. Dieser Spruch fordert, daß man soll gehorsam sein dem Evangelio; denn er gibt den Bischöfen nicht eine eigene Herrschaft oder Herrengewalt außer dem Evangelio; so sollen auch die Bischöfe nicht wider das Evangelium Satzungen machen, noch ihre Satzungen wider das Evangelium auslegen. Denn wenn sie das tun, so verbietet uns das Evangelium, ihnen gehorsam zu sein, wie Paulus zu den Galatern sagt: „So euch jemand würde ein ander Evangelium predigen, der sei verflucht!“

Gleich dasselbe antworten wir auch auf den Spruch Mat. am 23.: „Auf Mosis Stuhl sitzen die Schriftgelehrten usw.; alles nun, was sie euch sagen, das ihr hatten sollt, das haltet und tut’s.“ Das ist gewiß, daß damit nicht geboten wird universaliter, insgemein, daß wir alles sollen halten, was sie gebieten, auch wider Gottes Gebot und Wort. Denn an einem andern Ort sagt die Schrift: „Man muß Gott mehr gehorchen denn den Menschen.“ Darum, wenn sie unchristlich und wider die Schrift lehren, soll man sie nicht hören. So richtet dieser Spruch auch nicht ein Regiment an außer dem Evangelio; darum können sie ihre Gewalt, die sie außer dem Evangelio aufgerichtet haben, nicht durchs Evangelium beweisen. Denn das Evangelium redet nicht de traditionibus, sondern von Gottes Wort zu lehren.

Daß aber die Widersacher zu Ende der Konfutation uns verunglimpfen und beschweren, daß diese Lehre zu Ungehorsam und andern mehr Ärgernissen Ursache gebe, solches wird dieser unserer Lehre unbillig aufgelegt. Denn es ist öffentlich, daß die Obrigkeit aufs höchste durch diese Lehre gepreiset ist. So weiß man, daß an den Orten, da diese Lehre gepredigt wird, durch Gottes Gnade bisanher die Obrigkeit in allen Ehren von Untertanen gehalten ist.

Daß aber Uneinigkeit und Spaltung in der Kirche ist, weiß man, wie sich diese Händel erstlich zugetragen haben, und wer Ursache zur Trennung gegeben, nämlich die Indulgenzkrämer, die unleidliche Lügen unverschämt predigten und nachmals den Luther verdammten, daß er dieselben Lügen nicht billigte, dazu erregten für und für mehr Händel, daß Luther andere, mehr Irrtümer anzufechten verursacht ward. Dieweil aber unser Gegenteil die Wahrheit nicht hat dulden wollen und sich untersteht, öffentliche Irrtümer noch mit Gewalt zu handhaben, ist leichtlich zu richten, wer an der Trennung schuldig ist. Es sollte ja billig alle Welt, alle Weisheit, alle Gewalt Christo und seinem heiligen Wort weichen; aber der Teufel ist Gottes Feind, darum erregt er alle seine Macht wider Christum, Gottes Wort zu dämpfen und zu unterdrücken. Also ist der Teufel mit seinen Gliedern, so sich wider Gottes Wort legt, Ursache der Spaltung und Uneinigkeit; denn wir zum höchsten Frieden gesucht haben, des wir noch zum höchsten begehren, so fern, daß wir nicht gedrungen werden, Christum zu lästern und zu verleugnen. Denn Gott weiß, der aller Herzen Richter ist, daß wir an dieser schrecklichen Uneinigkeit nicht Lust oder Freude haben. So hat der Gegenteil bisanher keinen Frieden machen wollen, darin nicht gesucht sei, daß wir die heilsame Lehre von Vergebung der Sünden durch Christum ohne unser Verdienst sollten fallen lassen, dadurch doch Christus zum höchsten gelästert würde.

Und wiewohl nicht ohne ist, daß, wie die Welt pflegt, in dieser Spaltung dennoch Ärgernisse durch frevele und ungeschickte Leute etwa vorgefallen, denn der Teufel richtet solche Ärgernisse an zu Schmach dem Evangelio: so sind sie doch alle nicht zu achten gegen den hohen Trost, den diese Lehre mit sich gebracht hat, die lehrt, daß wir um Christus‘ willen ohne unser Verdienst Vergebung der Sünden und einen gnädigen Gott haben; item, daß sie unterrichtet, daß Gottesdienst nicht sei, verlassen weltliche Stände und Obrigkeit, sondern daß solche Stände und Obrigkeit Gott gefallen und rechte heilige Werke und Gottesdienste seien.

So wir auch des Gegenteils Ärgernisse erzählen sollten, dazu wir wahrlich nicht Lust haben, würde es gar ein schrecklich Register werden: wie die Messe zu einem schändlichen, lästerlichen Jahrmarkt durch den Gegenteil gemacht; wie ein unzüchtig Leben durch ihren Zölibat angerichtet ist; wie die Päpste nun länger denn vierhundert Jahre mit den Kaisern gekriegt haben und des Evangelii vergessen und allein danach getrachtet, daß sie selbst Kaiser wären und ganz Italien unter sich brächten; wie sie mit den Kirchengütern gespielt haben; wie durch ihren Unfleiß viel falsche Lehre und falsche Gottesdienste durch die Mönche aufgerichtet sind. Ist doch ihr Heiligendienst eine öffentliche heidnische Abgötterei. Alle ihre Skribenten sagen nicht ein Wort von diesem Glauben an Christum, dadurch man Vergebung der Sünden erlangt. Die höchste Heiligkeit setzen sie in Menschensatzungen; davon schreiben und predigen sie vornehmlich. So ist das billig auch unter ihre Ärgernisse zu zählen, daß sie sich öffentlich erzeigen, was Geist sie haben, daß sie so viel unschuldige, fromme Leute jetzund um christlicher Lehre willen ermorden. Doch wollen wir hiervon jetzund nicht reden; denn diese Sachen soll man nach Gottes Wort richten und die Ärgernisse beider Seiten dieweil nicht ansehen.

Wir hoffen, es sollen alle Gottesfürchtigen in dieser unserer Schrift genugsam sehen, daß unsere Lehre christlich und allen Frommen tröstlich und heilsam sei. Darum bitten wir Gott, daß er Gnade verleihe, daß sein heiliges Evangelium bei allen erkannt und geehrt werde, zu seinem Lobe und zu Friede, Einigkeit und Seligkeit unser aller; und erbieten uns hiemit, wo es not ist, von allen Artikeln weiter Bericht zu tun.

Quelle: https://www.glaubensstimme.de/doku.php?id=bekenntnisse:apologie_der_konfessionen