Predigt zu Johannes 9, 1-9 am 8. Sonntag nach Trinitatis

1 Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war. 2 Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist? 3 Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm. 4 Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann. 5 Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt. 6 Als er das gesagt hatte, spuckte er auf die Erde, machte daraus einen Brei und strich den Brei auf die Augen des Blinden 7 und sprach zu ihm: Geh zu dem Teich Siloah – das heißt übersetzt: gesandt – und wasche dich! Da ging er hin und wusch sich und kam sehend wieder. 8 Die Nachbarn nun und die, die ihn zuvor als Bettler gesehen hatten, sprachen: Ist das nicht der Mann, der dasaß und bettelte? 9 Einige sprachen: Er ist’s; andere: Nein, aber er ist ihm ähnlich. Er selbst aber sprach: Ich bin’s.

Predigt zum Lesen Johannes 9,1-9 Matthäus 11, 28-30 Geknickter Baum Lasten Angst Kraftlos Leid
Foto: Martina Heins

Warum muss ein Mensch körperlich oder seelisch leiden?

Diese Frage ist mir immer wieder begegnet. Ich kenne sie selbst auch und Sie wahrscheinlich auch. Mit der „Warum-Frage“ suchen wir nach Gründen für das Leid in der Vergangenheit. Womit hat er das verdient? Er war doch ein guter Mensch! So fragen wir, aber es gibt darauf keine Antwort. Oder wir sagen:  Der hat seine Strafe verdient, und meinen damit, den Grund gefunden zu haben. So wollen wir das Leid erklären und versuchen, einen Zusammenhang herzustellen zwischen vergangenen Taten und gegenwärtigem Leid, oder wir erkennen keinen Zusammenhang und klagen dann Gott an, er sei ungerecht.




Für die Jünger und alle damaligen Menschen war klar: Einer muss gesündigt haben.

In unserem Abschnitt also der Blinde oder die Eltern, weil er ja von Geburt blind war. Aus dem Grund durften damals Kranke und Behinderte nicht am Gottesdienst teilnehmen.

Das ganze Buch Hiob beschäftigt sich mit dieser „Warum-Frage“. Hiob war ein wohlhabender und sehr frommer Mann und verlor an einem einzigen Tag seinen gesamten Besitz und seine Kinder. In langen Beiträgen versuchen die Freunde Hiobs, die Ursache für sein Leid in seiner Schuld zu suchen. Hiob selbst ist sich keiner Schuld bewusst und klagt Gott an, bis Hiob erkennen muss, dass das Geheimnis für uns Menschen nicht zu verstehen ist. Wir können uns nur in die Hand des allmächtigen Gottes geben. „Der Herr hat`s gegeben, der Herr hat`s genommen, der Name des Herrn sei gelobt.”, mit dieser Aussage Hiobs schließt das Buch.
Jesus macht hier deutlich: Dieses Denken, für Leid eine Ursache im eigenen Leben zu finden, ist falsch und zu einfach, aber Jesus geht noch weiter.

Entscheidend ist nicht die Frage: Warum das Leid, woher kommt es, sondern wohin gehe ich mit meinem Leid? Kann das Leid, das ich zu tragen habe und dass für mich so schwer ist auch noch einen positiven Sinn bekommen? Kann aus dem Sterben in mir neues Leben hervorgehen?

Jesus sieht die Not dieses Menschen, seine Blindheit.

Er geht nicht einfach vorüber, auch an unserer Not nicht. Er fragt nicht zurück, warum, auch bei uns nicht, sondern er nutzt das Leid, um dem Blinden, und uns auch, zu einer Begegnung mit dem lebendigen Gott zu führen, mit dem Retter, dem Helfer der Welt.
Was auch immer wir für eine Not haben: Krankheit, Einsamkeit, Schuldgefühle, Trauer, materielle Not oder etwas anderes, es ist wichtig, dass wir damit zu Christus gehen.
Es kann sein, dass er uns dann durch seine Macht von unserer Not befreit. Er kann es und tut es auch heute noch. Es kann auch sein, dass er uns in unserer Not lässt, um uns zu zeigen, dass er für uns mehr will als nur die Befreiung von der Not, unter der wir leiden. Es geht Jesus auch hier in der Geschichte nicht in erster Linie darum, den Blinden von seiner Not zu befreien, sondern er will ihn zur Begegnung mit Gott führen, damit er von seiner „inneren Blindheit“ befreit wird.

Predigt zum Lesen Johannes 9, 1-9 Hoffnung innere Blindheit Kerze Licht
Foto: Martina Heins

Jesus möchte uns von unserer „inneren Blindheit“ befreien.

Die Not unter der Sie und ich leiden ist manchmal schwer zu ertragen, aber sie hat nur Bedeutung für dieses Leben. Und wir können dankbar sein für jede Hilfe, jede Erleichterung, die Gott uns gibt, aber sie hat auch nur Bedeutung für dieses Leben, wenn sie nicht zur Heilung der inneren Blindheit führt.
Es geht Jesus aber vor allem um die Heilung der inneren Blindheit, denn sie hat Bedeutung für die Ewigkeit.

Was ist innere Blindheit – und wie wird sie geheilt? Damit wollen wir uns jetzt beschäftigen.

Die Antwort auf beide Fragen finden wir nur in der Gegenwart Gottes!

Die innere Blindheit umfasst drei Bereiche:

  1. Wir erkennen uns selbst nicht,

denn irgendwie finden wir uns doch noch ganz in Ordnung, mit einigen Fehlern und Schwächen zwar, aber die haben andere ja auch. Und wir versuchen ja auch noch ein bisschen christlich zu sein, also nicht vollkommen, aber so schlecht auch nicht. Wir sehen uns so, weil wir uns beurteilen im Vergleich unter Menschen. Aber wenn wir uns ehrlich vor Gott stellen oder sogar mit den Augen Gottes sehen, dann erkennen wir, wie tief wir drin sitzen in unserer Verlorenheit, dass wir unverbesserliche Sünder sind und dass wir absolut kein Anrecht auf Gemeinschaft mit Gott haben und in Ewigkeit verloren gehen werden.

  1. Wir erkennen unsere Umwelt nicht

Wir sehen Menschen, die Macht haben, Posten und Ämter haben, und meinen, sie wären bedeutend und wichtig. Wir sehen andere Menschen ohne Posten und Einfluss und meinen, sie wären unwichtig und unbedeutend. Wir sehen Menschen, die uns freundlich und nett anlächeln, uns loben und bestätigen, und meinen, es seien gute Menschen. Wir sehen eine schöne Oberfläche von Dingen oder Menschen oder Handlungen und halten sie für erstrebenswert. Wir sehen eine schlechte Oberfläche und wenden uns ab oder gehen uninteressiert vorbei.
Mit unseren Augen sehen wir nicht den eigentlichen Wert von Menschen, Dingen und Handlungen und lassen uns so immer wieder in die Irre führen, uns blenden und täuschen.

  1. Wir erkennen nicht die Notwendigkeit der Gnade Gottes.

Wir vertrauen auf uns selbst, vertrauen auf Menschen, auf Dinge und setzen unsere Kraft und Zeit dafür ein, sie zu gewinnen, und wir erkennen nicht, dass alles, alles davon abhängt, ob Gott uns barmherzig und gnädig ist, ob er sich uns zuwendet.

Wie kann unsere Blindheit geheilt werden?

Durch Glauben, Umkehr und Barmherzigkeit Gottes!

Indem wir glauben und vertrauen, dass Jesus unsere Situation besser beurteilen kann als wir selbst und dass sein Urteil über uns und sein Weg mit uns wahr und gut ist.
Indem wir umkehren und uns immer wieder dem Licht Gottes zuwenden, zu Jesus, der das Licht der Welt ist.
Indem wir auf die Barmherzigkeit Gottes hoffen, dass er uns heilt und uns neu macht, mit seiner Kraft uns aus der Ewigkeit erneuert, indem er uns unsere Sünden vergibt und uns anfüllt mit seinem Heiligen Geist, immer wieder neu.

Damit wir dann in dem Licht Gottes leben können,

wo Gott uns zurechtbringen kann, wo wir lernen uns selbst, die Welt und Gott mit Gottes Augen zu sehen, wo wir den Trost und die Geborgenheit der Ewigkeit erfahren und wo wir lernen, in der Nachfolge Jesu seine Taten zu tun.

Predigt zum Lesen Johannes 9,1-9 Wurzel Verwurzelt Wein Weinstock Weinrebe Frucht
Foto: Martina Heins

Mein Leid, meine Not, von der ich gerne befreit werden möchte, kann mir in der Gegenwart Christi zur „Geburt eines neuen Lebens“ verhelfen, eines Lebens aus der Ewigkeit.

Paulus sagt in Römer 8, 28: „Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.”
Jedes Leid kann mich durch Christi Hilfe dazu führen, dass meine Lebenswurzeln, die mir Halt und Kraft geben, immer tiefer in der Gnade und Barmherzigkeit Gottes verwurzelt sind.

Predigt zu Johannes 9, 1-9

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