Predigt zu Lukas 18, 31-43 am Sonntag Invokavit

31 Er nahm aber zu sich die Zwölf und sprach zu ihnen: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn. 32 Denn er wird überantwortet werden den Heiden, und er wird verspottet und misshandelt und angespien werden, 33 und sie werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er auferstehen. 34 Sie aber verstanden nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen, und sie begriffen nicht, was damit gesagt war.

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Foto: Martina Heins

 

35 Es geschah aber, als er in die Nähe von Jericho kam, da saß ein Blinder am Wege und bettelte. 36 Als er aber die Menge hörte, die vorbeiging, forschte er, was das wäre. 37 Da verkündeten sie ihm, Jesus von Nazareth gehe vorüber. 38 Und er rief: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 39 Die aber vornean gingen, fuhren ihn an, er sollte schweigen. Er aber schrie noch viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 40 Jesus aber blieb stehen und befahl, ihn zu sich zu führen. Als er aber näher kam, fragte er ihn: 41 Was willst du, dass ich für dich tun soll? Er sprach: Herr, dass ich sehen kann. 42 Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen. 43 Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach und pries Gott. Und alles Volk, das es sah, lobte Gott.

Es sind zwei Geschichten, die hier erzählt werden:

Zunächst kündigt Jesus den Jüngern sein Leiden an und dann heilt er einen Blinden. Die zweite Geschichte war immer sehr beliebt, wenn wir sie mit Vorkonfirmanden der 4. Klasse nachspielten und dann alle laut schrien „Hab Erbarmen mit mir“!

Wie passen aber diese beiden Geschichten zusammen?

Die Klammer um diese Geschichten ist das Wort „Erbarmen“.

In vielen lutherischen Gottesdiensten wird zu Beginn „Herr, erbarme dich!“ gesungen.

Zur Zeit des römischen Reiches, der Zeit der ersten Christen haben die Menschen mit diesem Ruf dem Kaiser von Rom zugejubelt, wenn er in eine Stadt einzog. Sie machten damit deutlich: Wir erkennen dich als göttlichen Kaiser an. Nun bestrafe uns nicht, verschone uns mit deiner Macht, sei barmherzig. Er hatte die Macht, Menschen zu töten oder am Leben zu lassen, wie im Circus Maximus bei den Gladiatorenkämpfen. Wenn er mit dem Daumen nach oben zeigte, konnte der Unterlegene am Leben bleiben, zeigte sein Daumen aber nach unten war das das Todesurteil. Er konnte Gnade vor Recht ergehen lassen, wie der Lehrer, wenn er eine vier statt einer fünf gibt.

Die ersten Christen haben diesen weltlichen Jubelruf für den Kaiser übernommen und deutlich gemacht: Unser Gott ist nicht der Kaiser von Rom, sondern Jesus. Und Jesus ist noch mächtiger als der Kaiser und noch barmherziger.

Was ist genau der Unterschied zwischen der menschlichen Barmherzigkeit und der Barmherzigkeit Jesu?

Stellt euch vor, der Kaiser wäre im Circus Maximus von seinem Thron herabgestiegen und in die Arena geeilt. Er hätte sich zu dem, der getötet werden sollte, gestellt und den Menschen zugerufen: Wenn ihr den töten wollt, müsst ihr zuerst mich töten. Das tat er natürlich nicht, sondern er bleib auf seinem Thron und konnte von dort, wenn er wollte, ab und zu barmherzig sein.

Predigt zum Lesen Lukas 18 Jesus Erbarmen
Foto: Martina Heins

Jesus ist nicht im Himmel auf seinem Thron geblieben, um den Daumen nach oben oder unten zu zeigen, sondern er steigt hinab und verbindet sich mit dem Schicksal der Menschen, jedes einzelnen Menschen. Er erleidet das Schicksal der Menschen, um sie zu heilen, ihnen zu helfen, und neues Leben zu schenken.
So sehen wir in diesen Geschichten, wie der Weg der Barmherzigkeit Jesu ganz allgemein für alle Menschen aussieht, er geht ins Leiden, ans Kreuz, in den Tod und zur Auferstehung, indem er die Strafe der Menschen auf sich nimmt. Wir sehen, wie Jesus jeden Menschen ansieht, sich mit ihm verbindet, ihn heilt und neu macht.

Und nun wird in diesen Geschichten berichtet,
wie die Menschen unterschiedlich mit dem Weg Jesu,
mit seiner Barmherzigkeit umgehen.

Da sind zunächst die Jünger:

In Vers 34 heißt es: „Sie aber verstanden nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen, und sie begriffen nicht, was damit gesagt war..“ Drei Jahre hatten sie alles gehört, alles gesehen, alles miterlebt, aber anscheinend nichts wirklich begriffen. Sie wussten, dass Jesus Gottes Sohn ist, und nun dachten sie, er zieht in Jerusalem ein, setzt sich mit seinen Gegnern auseinander, gewinnt und wird der mächtige König, der ein Reich der Barmherzigkeit aufrichtet. Den Weg Jesu begriffen sie nicht.

Dann sind da die Leute, die vorne weg gehen.

Sie sind Jesus schon ein paar Schritte voraus, wissen genau darüber Bescheid, was Jesus als nächstes tun wird und was für Jesus jetzt wichtig und unwichtig ist. Sie meinen, dass sie nichts dazu lernen brauchen. Und dabei verhindern sie, dass ein Mensch die Barmherzigkeit Jesu erfährt, geheilt wird und neues Leben bekommt.

Und dann sind da noch die Menschen, die man leicht übersieht.

Als der Blinde fragt, was da los ist, da sagen sie nicht: Da sind viele Menschen, da ist eine tolle Gemeinschaft, sondern sie weisen den Blinden auf das Wesentliche hin: Jesus kommt! Sie weisen ihn auf Jesus hin.

Und dann ist da noch der Blinde selbst:

Er ist hilflos, er kennt sich nicht aus mit dem Leben um ihn herum, auch nicht mit der Religion und der Frömmigkeit. Er gehört nirgends dazu und kann nichts bieten, nur betteln. Er weiß nur eines: Ich brauche Hilfe!  Und er weiß, die finde ich nicht bei Menschen. Ich selbst kann mir auch nicht helfen. Er gibt auch niemanden die Schuld, sondern als er den Namen „Jesus“ hört, weiß er: Da bekomme ich Hilfe! Und er ruft und ruft, so laut er kann gegen alle Widerstände und Benimmregeln.

Zu welcher Personengruppe gehören Sie?

Sind Sie wie ein Jünger, der schon lange dabei ist und trotzdem nicht versteht, worum es Jesus eigentlich geht? Oder gehören Sie zu denen, die genau Bescheid wissen, wie das in der Kirche und mit Jesus läuft, der nichts dazu lernen will und dadurch verhindert, dass Sie selbst und andere Menschen die Barmherzigkeit Jesu erfahren? Oder gehören Sie zu denen, die anderen den Weg zu Jesus zeigen; die selber völlig in den Hintergrund treten und dabei leicht übersehen werden; die auch nicht von sich selbst oder von der Gemeinschaft in der Kirche reden, sondern von Jesus? Oder sind Sie wie der Blinde, der einfach nur von ganzem Herzen Hilfe bei Jesus sucht; der zum Beispiel am Anfang des Gottesdienstes das „Herr erbarme dich“ nicht nur singt, sondern mit dem Herzen nach der Barmherzigkeit Jesu schreit und sich danach sehnt, von ihr ergriffen zu werden, dass sie Ihr ganzes Herz erfüllt, dass Jesus Sie heilt und neu macht?

So erfährt der Blinde Gottes Heil, sein Leben wird neu und verändert sich:

Nun kann er das Leben neu entdecken und neu begreifen. Aber er tut es nicht von sich, nach seinen eigenen Vorstellungen, sondern mit den Augen Jesu. In der Nachfolge Jesu lernt er von Jesus. Er bleibt nicht da, wo er ist; er schließt sich nicht seiner Familie wieder an oder sucht sich einen Freundeskreis, sondern er folgt Jesus. Er geht auch nicht voran als einer, der plötzlich alles weiß und besser ist als andere, sondern er folgt Jesus und will alles nur von Jesus lernen.

Damit ist der Weg Jesu, den Menschen das Erbarmen Gottes nahe zu bringen, bei diesem einem Menschen ans Ziel gekommen.

Und wenn wir Jesus ansehen, dann erkennen wir: Im Gehorsam gegen Gott hat er nur dieses eine Ziel vor Augen.

Auf diesem Weg lässt er sich auch nicht aufhalten, nicht von denen, die schon lange alles gehört und gesehen haben, ihn aber noch immer nicht verstehen; auch nicht von denen, die ihm vorauseilen und Menschen von ihm fernhalten, und auch nicht von uns, wenn wir das tun oder ihn nicht verstehen.
So geht sein Weg weiter bis zum Leiden, zum Kreuz und zur Auferstehung, um dem Teufel und dem Tod deutlich zu machen: Wenn du die Menschen, die zu mir gehören, vernichten willst, dann stehe ich vor ihnen und nehme das auf mich. Und für die Menschen, die zu mir gehören, gilt dann auch mein Sieg in der Auferstehung.

Und was möchte Jesus von Ihnen?

Predigt zum Lesen Lukas 18 Erbarmen Predigt zu Markus 12 - Kreuz mit Herzen -Liebe
Foto: Martina Heins

Er möchte, dass Sie ihr Herz für sein Erbarmen öffnen. Wie groß ist Ihr Verlangen nach Jesus? Schreit Ihr Herz nach ihm, weil Sie wissen, dass Sie nur bei ihm neues und heiles Leben bekommen; dass Sie ihm folgen auf seinem Weg; nicht stehen bleiben und auch nicht vorweg gehen, sondern von ihm lernen, leben lernen und Sie ihm helfen, dass andere Menschen seine Barmherzigkeit erfahren. Was tun Sie dafür? Sind Sie bereit, in der Nachfolge Jesus dafür auch Leid und Opfer auf sich zu nehmen? Wenn Ihr Herz mit Jesu Erbarmen angefüllt ist, dann werden Sie ihm gerne von Jesus lernen und ihm auf diesem Weg folgen.

Predigt zu Lukas 18, 31-43
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