Predigt zu 1. Korinther 1,3 am 2. Sonntag nach Trinitatis
„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!“
In Frieden leben, ist etwas sehr Schönes und wir sehnen uns alle danach.
Doch es gibt leider oft so viele Konflikte in der Familie, am Arbeitsplatz, unter Freunden oder in der Gesellschaft, und es gibt so viele kriegerische Konflikte zwischen Völkern. Viele sind weit weg und berühren uns nicht so stark, aber manchmal kommen sie uns auch gefährlich nahe.
Die Sehnsucht nach Frieden ist groß unter den Menschen, aber irgendwie funktioniert das trotzdem nicht.
In der weiten Welt scheint es immer mehr Konflikte und Kriege zu geben, und vor einiger Zeit meinte ein Kriegsreporter, dass das wohl immer so bleiben würde, weil der Mensch so ist, wie er ist. Im Kleinen reicht manchmal schon ein kleines falsches Wort, eine falsche Geste oder ein Fehler und schon gibt es Streit unter Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.
In der Bibel ist „Friede“ ein zentrales Thema,
weil es eines der zentralsten Themen unseres menschlichen Lebens ist. Im Alten Testament geht es oft um Krieg und Frieden, in der Weihnachtsgeschichte heißt es „Friede auf Erden“, Jesus begrüßt seine Jünger nach der Auferstehung mit dem Friedensgruß „Friede sei mit euch!“ und auch Paulus verwendet diesen Gruß in seinen Briefen.
Einigermaßen Frieden gibt es,
wenn es allen gut geht, keiner das Gefühl hat, zu kurz zu kommen, und dem anderen etwas neidet; wenn Regeln aufgestellt werden, an die sich alle halten, zum Beispiel in der Familie, in einer Firma oder im Staat, oder wenn eine Gruppe stärker ist und die eigenen Regeln mit Macht durchsetzen kann. Aber ist das Frieden? Es ist Ordnung, vielleicht ein Waffenstillstand oder aus Angst vor Strafe ein sich unterordnen, zum Beispiel, wenn wir uns im Straßenverkehr an die Regeln halten, um kein Bußgeld bezahlen zu müssen.
Das alles ist ein vorläufiger Friede. Er ist immer noch besser als Streit oder Krieg, aber es ist kein wirklicher Friede. Richtiger Friede ist mehr!
Im Hebräischen steht dafür das Wort „Schalom“, und damit ist ein allumfassender Friede gemeint, wo das Leben aufblühen kann, weil alle von der Liebe angefüllt in der Liebe zu Gott, zum Nächsten, zur Natur und zu sich selbst leben. Sie fühlen sich nicht zum Guten genötigt, sondern leben es aus einer inneren Motivation heraus. Wahrer Friede aus der Liebe heraus ist mehr als ein durch Ordnungen geregeltes Zusammenleben. Deshalb kann Martin Luther sagen: „Wenn alle in der Liebe leben würden, bräuchten wir keine Gebote und Regeln.“ Und so ist es auch zu verstehen, wenn Jesus in Matthäus 5, 20 sagt: „Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“
Aber trotz guten Willens klappt das nicht. Woran liegt das?
Liegt es an mangelndem Willen, wobei es doch so viel Sehnsucht nach Frieden unter den Menschen gibt? Die guten Menschen sagen, das liegt daran, dass es böse Menschen gibt. Sie haben Recht, aber wer gehört dazu und wo fängt das Böse an? Gibt es überhaupt wirklich gute Menschen? Der Sozialismus behauptet, dass es an den Umständen, der ungerechten Verteilung der Güter liegt. Da ist etwas dran, denn Ungerechtigkeit jeder Art verhindert Frieden, aber es ist noch in keiner Gesellschaftsform gelungen, wirkliche Gerechtigkeit herzustellen, auch nicht im Sozialismus.
Der Bibel ist da realistischer. Sie sieht die Ursache für den Unfrieden in der Welt im Menschen selbst,
an seinen Ureigenschaften wie Neid, Gier, Eifersucht und Missgunst, an seiner Gottverlorenheit, denn ohne Gottes Fürsorge muss jeder für sich kämpfen, und daraus resultiert seine Angst, im Überlebenskamp zu kurz zu kommen, sich selbst behaupten zu müssen, untergebuttert zu werden, zu verlieren gegenüber denen, die dreister sind, mit seinen Vorstellungen von einem guten Leben nicht zum Zug zu kommen und für sich nicht genügend Raum zu haben, um sich zu entfalten.
Warum soll denn nun der christliche Friede besser und erfolgreicher sein?
Ist err besser, weil alle unter einem Herrn vereint sind und nach den gleichen Regeln leben? Was ist daran besser? Sicher sind die Regeln Jesu viel besser als alle anderen menschlichen Regeln, aber wäre das nicht nur wie eine fromme Diktatur? Die Kirche hat in der Vergangenheit und bis heute immer wieder versucht, seinen Mitgliedern einheitliche Regeln für das private und gesellschaftliche Leben zu geben, aber dadurch ist nicht mehr, sondern weniger Frieden und Gerechtigkeit entstanden.
Die Bibel macht deutlich, dass Gott tiefer ansetzt. Er verändert den Menschen von Grund auf.
In Hesekiel 11, 19 heißt es, dass Gott sagt: „Ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben und will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben.“ Und im Neuen Testament lautet die Botschaft, dass Jesus uns zurück in die Geborgenheit des himmlischen Vaters führt, der für uns sorgt, was das Ende des Überlebens- und Selbstbehauptungskampfes bedeutet. Wir haben es dann nicht mehr nötig, uns um uns selbst zu sorgen und für uns zu kämpfen.
Paulus beschreibt in Galater 5, 19-24 die alten menschlichen Eigenschaft und die neuen Eigenschaften, die wir durch die Gemeinschaft mit Christus erhalten: „19 Was die menschliche Selbstsucht hervorbringt, ist offenkundig, nämlich: Unzucht, Verdorbenheit und Ausschweifung, 20 Götzenanbetung und magische Praktiken, Feindschaft, Streit und Rivalität, Wutausbrüche, Intrigen, Uneinigkeit und Spaltungen, 21 Neid, Trunk- und Fresssucht und noch vieles dergleichen. Ich warne euch, wie ich es schon früher getan habe: Menschen, die solche Dinge tun, werden nicht erben, was Gott versprochen hat; für sie ist kein Platz in Gottes neuer Welt. 22 Der Geist Gottes dagegen lässt als Frucht eine Fülle von Gutem wachsen, nämlich: Liebe, Freude und Frieden, Geduld, Freundlichkeit und Güte, Treue, 23 Bescheidenheit und Selbstbeherrschung. Gegen all dies hat das Gesetz nichts einzuwenden. 24 Menschen, die zu Jesus Christus gehören, haben ja doch ihre selbstsüchtige Natur mit allen Leidenschaften und Begierden ans Kreuz genagelt.“
Wirklichen Frieden gibt es nur durch Umwandlung des Menschen.
Wenn in einem Menschen Frieden wird, weil er geborgen in Gottes Liebe nicht mehr für sich kämpfen muss, keine Angst mehr hat, zu kurz zu kommen, dann können sich die Eigenschaften Gottes in einem Menschen entfalten und dann können wir Menschen mitten im Unfrieden Frieden haben und Frieden stiften. Faszinierende Beispiele, wo Menschen das gelebt haben, gibt es im Großen und Kleinen.
Aber was sollen wir mit diesem Frieden anfangen? Ist das nur ein idyllischer Traum für besondere Gelegenheiten, besondere Menschen?
Die Antwort heißt „Jein!“.
Der Friede, den Christus uns bringt, ist der einzige realistische wirkliche Friede, den es aber in der Welt nie ganz realistisch geben wird, den wir aber trotzdem anstreben sollen als Leitziel.
In den 70er und 80er Jahren kam in der Friedensdiskussion die Frage auf, ob man mit den Aussagen der Bergpredigt die Welt regieren kann? Und auch hier lautet die Antwort „Jein!“.
Diesen Frieden kann es nur dort wirklich geben, wo beide Seiten sich von diesem Frieden Gottes beeinflussen und prägen und ihr Handeln bestimmen lassen. Insofern lautet die Antwort „Nein!, da viele Menschen das gar nicht wollen und die, die es wollen, nicht vollkommen leben. Das Böse bleibt weiter in der Welt und muss durch Regeln, Strafen und Gewalt gestoppt werden, damit es sich nicht weiter ausbreitet. Martin Luther hat versucht, das in der Lehre von den zwei Reichen, dem Reich Gottes und dem weltlichen Reich darzulegen. Im Reich Gottes herrscht wirklich Friede, den wir als Christen leben sollen. Im Reich der Welt gibt es nur einen vorläufigen und unvollkommenen Frieden, den wir als Bürger umsetzen und uns dafür einsetzen sollen. Karl Barth geht noch einen Schritt weiter und fordert von den Christen, dass sie das, was den wirklichen Frieden Gottes ausmacht an Liebe, Barmherzigkeit, Geduld und allem anderen in der Gemeinde leben sollen, und von dort soll es ausstrahlen in die Gesellschaft. Christen sollen als einzelne Menschen für sich auch im Alltag als Familienangehörige, Politiker, Arbeiter, Chefs von Firmen und in allen Bereichen diesen Frieden leben und versuchen, diesen größeren Frieden umsetzen. Wenn sie aber Verantwortung für andere Menschen tragen, dann müssen sie unter Umständen auch mit Gewalt dafür sorgen, dass sich das Böse nicht weiter ausbreitet und das Gute bewahrt bleibt.
Wenn wir als Christen erkennen, was Gottes Friede bedeutet und Frieden wollen, dann sollen wir bei uns anfangen und uns von diesem Frieden verändern lassen hin zum Ideal.
Das Problem ist, dass wir uns immer wieder von anderen „Geistern“ prägen und leiten lassen, zum Beispiel von der Gier nach Macht und Ehre, Neid und anderen menschlichen Eigenschaften. Diese „Geister“ haben manchmal mehr Raum in uns und unter uns als der Geist Gottes. Deshalb so wichtig, dass wir nicht klagen über den Unfrieden in der Welt, sondern zu Christus gehen, um uns von ihm mit seinem Frieden anfüllen zu lassen. Und wir sollen den vorläufigen Frieden in der Gesellschaft, in der Gemeinde, Familie und anderen Bereichen fördern, indem wir das Böse, Chaos und Gewalt abwehren, damit das Gute Raum zur Entfaltung hat, aber uns nie damit zufriedengeben, sondern dem Ideal folgen.
Mit den Früchten des Geistes, den neuen Eigenschaften der Kinder Gottes in die Welt, können wir hineinwirken, da wo wir leben, auch und gerade im Unfrieden der Welt, in unserer Umgebung. Das ist nicht einfach, und das war es auch für Jesus nicht, weil es den menschlichen Instinkten zur Gegenwehr widerspricht, und trotzdem sollen wir es immer wieder als Jünger Jesu versuchen.
Am Ende eines Gottesdienstes erhalten Gottesdienstbesucher den Friedensgruß: „Gehet hin im Frieden des Herrn und bringt diesen Frieden in die Welt.“
Im Frieden Christi gehen bedeutet, dass wir mit dem gehen, was Jesus Christus uns schenkt an Geborgenheit, Fürsorge, Zuversicht, Hoffnung, Mut und dass wir keine Angst haben brauchen. In diesem Frieden können wir die Früchte des Heiligen Geistes erfahren und weitergeben.