Predigt zu 1. Korinther 4, 1-5 am 3. Advent
Sind Sie „up to date“, auf der Höhe der Zeit? Können sie überall mithalten?
Das muss man schon, sonst wird man schnell abgeschrieben. Bei der Arbeit muss man immer alles im Griff haben, sich immer mit der neuesten Technik und Software auskennen, Höchstleistung bringen. Nur so kann man etwas werden. Im Privaten muss man Ahnung haben vom neuesten I-Phone, Tablet, Telekommunikationstechnik, von Social-Media-Apps, Autos, Hausisolierungen, Waschmaschinen, usw.. Und die Mode: Man muss mithalten in Farbe und Stil der Kleidung, die Handtasche müssen stimmen, die Frisur muss immer gut sitzen und selbst bei der weihnachtlichen Dekoration muss man wissen, was gerade dran ist, und noch besser sein als die Nachbarn. Kinder müssen natürlich früh in Musik, Sport, Kunst, usw. gefördert werden, damit sie für das Leben gerüstet sind. Ja, man muss schon mit der Zeit gehen. Sonst wird man schnell beiseitegeschoben und gilt als wertlos. Und die älteren Menschen: Sie gelten per se als Personen, die man nicht für voll nehmen kann, weil sie ja bestimmt nicht mehr mithalten können. Sie sind von gestern. In einem Computerladen behandelt mich ein junger Verkäufer, der gerade mal ein Touchscreen bedienen kann, als könnte ich nicht bis drei zählen. Dabei hatte ich schon einen PC, als er gerade auf die Welt gekommen ist. Wir müssen modern sein, cool, schön, fröhlich, sportlich, jugendlich, up to date! Wer das schafft, bekommt Anerkennung, gilt als wertvoll, den achtet man und auf den man hört, der darf weiter mitspielen. Wer nicht mithalten kann, bleibt auf der Strecke, ist nichts mehr wert.
Aber wer bestimmt darüber, ob wir noch vollwertig und zu gebrauchen sind?
Das sind die anderen: Kollegen, Freunde, anonymes „man“, eine anonyme richterliche Instanz. Und die höchstrichterliche Instanz sind die Medien. Wenn sie etwas verurteilen, dann ist es schlecht; wenn sie etwas für gut, modern, angemessen halten, dann ist es die höchste Zustimmung. Wird ein Mensch durch die Medien zerrissen, dann ist er out, wird er hochgejubelt, dann muss er ja gut sein.
Ist das das Leben des modernen Menschen: gehetzt, gejagt, beurteilt, und ständig das Gefühl: es reicht nicht?
Und wir? Wozu gehören wir:
zu den Opfern, die dem Urteil der anderen hinterher hecheln, damit wir um jeden Preis im Urteil anderer bestehen können und dafür alles tun, um dann erschöpft am Boden zu liegen, wenn es nicht mehr klappt; die ihre Kinder vorantreiben, um sie vorzubereiten auf dieses Spiel, damit es ihnen einmal besser geht und sie im Ansehen der anderen zu den Gewinnern gehören, nicht zu den Opfern;
oder gehören wir zu den Tätern, die andere richten, beurteilen, jagen, um sie sich gefügig zu machen und um zu zeigen: Ich gehöre in jedem Fall zu den Gewinnern, denn ich bin Richter über euch?
Oder sind wir freie und eigene Persönlichkeiten, die frei sind von dem Urteil anderer Menschen, weil sie jemand anderes gehören: nicht Menschen, sondern Gott?
Dazu hören wir jetzt einen Abschnitt aus dem 1. Korintherbrief, in dem Paulus schreibt:
1 Ihr seht also, wie ihr von uns denken müsst: Wir sind Menschen, die im Dienst von Christus stehen und Gottes Geheimnisse zu verwalten haben. 2 Von Verwaltern wird verlangt, dass sie zuverlässig sind. 3 Aber für mich zählt dabei nicht, wie ich von euch oder von irgendeinem menschlichen Gericht beurteilt werde. Auch ich selbst maße mir kein Urteil an. 4 Mein Gewissen ist zwar rein, aber damit bin ich noch nicht freigesprochen, denn mein Richter ist der Herr. 5 Urteilt also nicht vorzeitig, bevor Christus kommt, der das Verborgene ans Licht bringen und die geheimsten Gedanken enthüllen wird. Dann wird Gott das Lob austeilen, so wie jeder und jede es verdient.
Was denken Sie: Das, was Sie sind und haben,
Ihre Gaben, Fähigkeiten, Gesundheit, Kraft, Beziehungen, Möglichkeiten, Umstände, usw.; alles, was ihr Leben sinnvoll und lebenswert macht, das Evangelium und den Glauben an Jesus.
Woher haben Sie das alles?
Haben Sie es selbst geschaffen und erreicht! Oder haben Ihnen andere das gegeben: das anonyme „man“, die Medien, oder wer? Paulus sagt hier von sich: Gott hat mir alles anvertraut. Alles, was ich bin und habe, meine Gaben, Fähigkeiten, die Botschaft des Evangeliums, dass ich sie weitersage, es ist eigentlich alles Gottes Eigentum. Ich verwalte es für ihn. Es gehört nicht den anderen, für die ich es verwalten könnte. Es gehört auch nicht mir, so dass ich damit machen könnte, was ich will, sondern ich bin Gottes Verwalter, und das muss ich zuverlässig tun. Wenn man für irgendjemand etwas verwaltet, dann ist man demgegenüber auch dafür verantwortlich, wie man mit allem umgeht.
Und deshalb ist Jesus mein Richter! Ihm allein bin ich verantwortlich, sonst niemandem.
Jesus als Richter! Passt der Gedanke heute noch?
Ist diese Vorstellung nicht finsteres Mittelalter, die wir heute überwunden haben. Heute wissen wir doch, dass Gott Liebe ist und Jesus ist pure Liebe – aber Richter! Ja, wir haben den Glauben an Jesus als Richter beiseitegeschoben, über Bord geworfen. Wir sind doch heute frei und selbstbestimmt. Manche sehen den Glauben sogar als Gefahr für das moderne selbstbestimmte Leben oder als ein Hobby für Schwache und rückständige Menschen. An Jesu Stelle haben wir stattdessen die „anderen“ zu unseren gnadenlosen Richtern gemacht hat. Und gnadenlos sind sie „die anderen“, das anonyme „man“. Wie im alten Rom heben oder senken sie den Daumen und entscheiden über „in“ und „out“.
Seien Sie ehrlich: Wer sind Ihre Richter:
die Eltern, die immer noch unbewusst in Ihr Leben hineinwirken, auch wenn sie vielleicht schon lange gestorben sind, oder Kollegen, Freunde, oder Sie selbst? Und immer sollen wir in eine bestimmte Richtung verändert werden. Aber ist die Richtung gut für uns? In unseren Köpfen sind viele Richtersprüche: Versager, wieder nicht geschafft, Idiot, zu alt, nicht schön genug, nicht intelligent genug, usw..
Da habe ich lieber Gott als meinen Richter und seine Richtersprüche, und dafür gibt es viele Gründe:
Gott ist gerecht. Er urteilt nicht nach Sympathie oder aus egoistischen Gründen. Gott ist barmherzig, nachsichtig, vergibt und ist geduldig. Gott liebt mich. Er will mich nicht zerstören, sondern helfen, zurechtrichten, wieder auf einen guten Weg bringen, der aus der Ewigkeit kommt und mich in die Ewigkeit führt. Gottes Wegweisungen sind gut, sie bringen mir ein sinnvolles und erfülltes Leben; sie engen mich nicht ein, sondern fördern meine Entfaltung, meine Persönlichkeit, und sie sind nicht nur gut für mich, sondern auch für meine Umgebung. Jesus kann ich ganz und gar vertrauen. Ihn kann ich mich anvertrauen, auch als meinen Richter, weil er die vollkommene Liebe ist und mich liebt.
Manche Menschen denken, der Glaube an Jesus Christus engt ein, schafft Einheitsmenschen.
Aber das ist Blödsinn! Genau das Gegenteil ist der Fall, weil der Glaube an Jesus uns von Angst befreit: Angst vor Gott, vor Menschen, vor der Zukunft. Angst ist ein Hauptmotor unseres Handelns, aber Angst engt ein, behindert uns. Wenn die Angst überwunden wird, kann die Persönlichkeit sich entfalten nach dem Bild Gottes. Der Glaube an Jesus, die Verbindung mit ihm nimmt mir die Angst und schenkt mir Freiheit, leitet mich an, meine Persönlichkeit zu entdecken und gibt mir die Kraft, sie zu leben – gegen alle anderen Richtersprüche.
Darum vertraue ich mein Leben lieber Jesus an als irgendwelchen anderen Richtern und Richtersprüchen, lebe ich lieber für ihn als für irgendjemand oder irgendetwas anderes.
Leider leben viele Christen in der Beziehung zwiegespalten: Sie glauben an Jesus, beten, gehen zum Gottesdienst, aber lassen sich für das eigene Leben leiten von dem, was „man“ tut.