Predigt zu Johannes 11, 47-53 am Sonntag Judica
Wir kennen das aus alten Religionen, dass Menschen Tiere oder Ernteerträge opferten.
Mit den Opfern wollten sie erreichen, dass ihre Gottheit oder die verstorbenen Vorfahren gnädig in ihr Leben eingreifen und Dinge zum Besseren wenden.
Wie ist das bei Ihnen? Opfern Sie auch?
Fast jeder würde diese Frage verneinen und behaupten, dass man so etwas heute nicht mehr tut. Aber stimmt das?
Vor einigen Jahren sagte ein leitender Ingenieur eines Konzerns: „In unserer Wirtschaft herrscht eine Opferreligion.“
Man versucht durch relativ kleine Opfer das große Ganze am Leben zu erhalten. So werden Arbeitsplätze „geopfert“, um den Betrieb am Laufen zu halten, oder wenn etwas schiefläuft, wird ein Verantwortlicher „geopfert“. Wenn man genau hinsieht, merkt man, dass er Recht hat.
Aber es gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für viele andere Bereiche und für unser eigenes Leben.
Im Mannschaftssport werden zum Beispiel Spieler oder Trainer als Sündenbock abgestempelt und „geopfert“. Das ist die Sprache alter Opferreligionen. Das gibt es in Vereinen oder Verbänden auch, und manchmal auch in Freundeskreisen. Wenn es Probleme gibt, dann sucht man einen Sündenbock, der dann für alles herhalten muss. In unserem eigenen Leben reden wir nicht von Opfer, aber wenn wir mehrere Termine haben, dann opfern wir einen, der nicht so wichtig erscheint. Geopfert wird heute in der Regel das, was zum Wohl des Ganzen am wenigsten Schaden anrichtet, also das geringere Übel ist. Auch in der Politik wird fast immer nach dieser Richtschnur entschieden und gehandelt. In der Schachsprache redet man vom „Bauernopfer“. Man opfert etwas Kleines für eine größere Sache oder ein größeres Ziel. Wir streiten dann vielleicht darüber, was das geringere Übel ist und was geopfert werden sollte, aber alle entscheiden und handeln nach dieser Devise. Es wäre ja auch schlimm, wenn es anders wäre, wenn man zum Beispiel bei Geiselnahmen die Geiselnehmer schützen und die Geisel opfern würde, oder wenn man die wichtigen Termine opfern und stattdessen unwichtige wahrnehmen würde.
Nach dem geringeren Übel zu fragen, das ist in Ordnung, ist vernünftig und ist auch allgemein anerkannt. Ist das aber auch vom Glauben her richtig?
Dazu lesen wir einen Abschnitt aus Johannes 11, 47-53:
47 Da versammelten die Hohenpriester und die Pharisäer einen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen. 48 Lassen wir ihn gewähren, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Tempel und Volk. 49 Einer aber von ihnen, Kaiphas, der in diesem Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Ihr wisst nichts; 50 ihr bedenkt auch nicht: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe. 51 Das sagte er aber nicht von sich aus, sondern weil er in diesem Jahr Hoherpriester war, weissagte er. Denn Jesus sollte sterben für das Volk 52 und nicht für das Volk allein, sondern auch, um die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen. 53 Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten.
Was haben der Hohepriester und der Hohe Rat Schlimmes getan, was wir nicht auch getan hätten.
Auf einer Konfirmandenfreizeit haben wir einen Film über Jesus gesehen, in dem das noch einmal deutlich wurde. Der Hohe Rat hatte Angst vor den Römern. Die Lage war explosiv. Es gab viele Freiheitsbewegungen gegen Rom, und sie wussten, wenn es Unruhe geben würde, würde die römische Macht zurückschlagen, wahrscheinlich die Stadt und den Tempel zerstören und die Religionsausübung verbieten. Dann hätten sie gar nichts mehr. Sie sind um das Wohl ihrer Religion und ihres Volkes bemüht. Auch wenn sie Jesus keine Schuld nachweisen können, so ist doch die Bewegung um Jesus herum eine Gefahr für die Ruhe und damit für das Volk und die Religion, und das noch am Passahfest, an dem so viele Menschen in der Stadt waren. Jesus zu opfern ist das geringere Übel. Normalerweise würde man sagen: Sie haben vernünftig und weise und zum Wohl des Volkes entschieden.
Und trotzdem war die Entscheidung falsch. Es entsteht das größte Fehlurteil in der Geschichte.
Mit ihrer vernünftigen und menschlichen weisen Haltung haben sie Gott geopfert. Es war für sie das geringere Übel auf Gott zu verzichten.
Wenn ich das bedenke, was hier geschehen ist, dann macht es mich demütig und tröstet mich:
Es macht mich demütig,
weil ich merke, wie begrenzt wir Menschen sind mit unserer Vernunft, unserer Weisheit und unseren Maßstäben. Meinen wir nicht oft, wir können alles beurteilen und erfassen, die Geheimnisse des Universums, die Geheimnisse des Lebens von der Genforschung bis zu Nahtoderfahrungen, und wir wüssten genau, was moralisch richtig und falsch und was das Beste für uns und andere ist.
In 1. Korinther 13, 9 macht Paulus deutlich, dass unser Erkennen Stückwerk ist. Wie oft mag es bei uns passieren: Wir entscheiden und handeln vernünftig, von allen anerkannt, und dann sagt Gott irgendwann, dass es falsch war, dass wir ihn hinausgeworfen und geopfert haben, weil wir unseren Erfolg, unsere Sicherheit, unsere Familie und Freunde oder etwas anderes für wichtiger hielten und es als das geringere Übel angesehen haben, Gott zu opfern. Ist es Ihnen bewusst, dass unser Erkennen Stückwerk ist und wie begrenzt es auch bei den klügsten Menschen ist?
Aber ich empfinde es auch als Trost,
denn es zeigt, dass Gott auch durch die größten Fehlentscheidungen der Menschen zu seinem Ziel kommt. Selbst die Sünde der Menschen kann ihn nicht von seinem Weg abbringen. Ein viel zitierter Satz heißt: „Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade.“ Und wenn das hier gilt, wo die Menschen seinen Sohn, Jesus Christus, zum Tode verurteilen, dann gilt das auch für mein eigenes Leben, für meine Fehlentscheidungen, für meine Sünde.
Wenn ich Gott mein Leben in seine Hand gebe, dann kommt er auch mit meinem Leben zu seinem Ziel, trotz meiner Sünde, trotz meiner Fehler. Es bedeutet keine Leichtfertigkeit, aber Trost für alle, die sagen: Ich möchte ja Gottes Willen tun, aber oft weiß ich nicht genau, was sein Wille für mein Leben ist.
Gott kommt zum Ziel, und wir müssen keine Angst haben, dass wir ihn durch unsere Sünde davon abhalten.
Aber hier geht es ja noch um viel mehr und dazu lesen wir jetzt einen Abschnitt aus 1. Korinther 1, 18-21+30.
„18 Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist es Gottes Kraft. 19 Denn es steht geschrieben: »Ich will zunichtemachen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.« 20 Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? 21 Denn weil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die da glauben.
Die menschliche Weisheit hat das Heil Gottes für die Welt nicht erkannt – sie ist gescheitert, sie hat es hinausgeworfen. Aber genau das hat Gott gemacht zu unserer Errettung, zum Heil und Leben.
30 Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der für uns zur Weisheit wurde durch Gott und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung.“
Die Frage ist: Worauf sollen und wollen wir vertrauen?
Wenn wir auf unsere Vernunft vertrauen, dann sagt sie uns: Es kann nicht sein,
dass Jesus auferstanden ist; dass Jesu Tod am Kreuz uns zu Gott bringt, dass es für die Glaubenden eine Auferstehung zum ewigen Leben gibt und wir schon hier Gott erfahren können. Von der Vernunft her haben die Recht, die wie Kaiphas sagen: Das kann nicht sein! Von der Vernunft her ist der Glaube an den gekreuzigten und auferstanden Christus Unsinn.
Aber wenn wir dem Wort Gottes vertrauen, der Verkündigung der Jünger,
wie wir sie in der Bibel finden, dann ist genau das, was nach menschlicher Vernunft dummes Zeug oder allenfalls eine angenehme religiöse „Droge“ für die ist, die es brauchen, dann ist genau das die unerschöpfliche Kraftquelle für das tägliche Leben, die Erfahrung der Vergebung und des neuen Lebens in der Liebe Gottes, die Gewissheit des Sieges Gottes über den Tod und die Hoffnung auf Rettung zum ewigen Leben.
Nichts gegen unsere menschliche Vernunft! Sie gehört zum Größten, was wir Menschen haben, aber wenn es um Gott geht und um unsere ewige Rettung, dann stößt sie an ihre Grenzen und hat nichts darüber zu sagen. Es ist gut, wenn wir das erkennen und auf Gottes Wort vertrauen.
Predigt zu Johannes 11, 47-53
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