Predigt zu Jesaja 50, 4-9 am Sonntag Palmarum

4 Gott, der Herr, hat meine Zunge in seinen Dienst genommen, er zeigt mir immer neu, was ich sagen soll, um die Müden zu ermutigen. Jeden Morgen lässt er mich aufwachen mit dem Verlangen, ihn zu hören. Begierig horche ich auf das, was er mir zu sagen hat. 5 Er hat mir das Ohr geöffnet und mich bereitgemacht, auf ihn zu hören. Ich habe mich nicht gesträubt und bin vor keinem Auftrag zurückgescheut. 6 Ich habe meinen Rücken hingehalten, wenn sie mich schlugen, und mein Kinn, wenn sie mir die Barthaare ausrissen. Ich habe mich von ihnen beschimpfen lassen und mein Gesicht nicht bedeckt, wenn sie mich anspuckten. Sie meinen, ich hätte damit mein Unrecht eingestanden; 7 aber der Herr, der mächtige Gott, steht auf meiner Seite. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kieselstein und halte alles aus. Ich weiß, dass ich nicht unterliegen werde. 8 Ich habe einen Helfer, der meine Unschuld beweisen wird; er ist schon unterwegs. Wer wagt es, mich anzuklagen? Er soll mit mir vor den Richter treten! Wer will etwas gegen mich vorbringen? Er soll kommen! 9 Der Herr, der mächtige Gott, tritt für mich ein. Wer will mich da verurteilen? Alle, die mich beschuldigen, müssen umkommen; sie zerfallen wie ein Kleid, das von Motten zerfressen ist.

Mit unserer Zunge ist das so eine Sache. Einige haben damit mehr Schwierigkeiten, aber doppelzüngig können wir alle sein:

Mit unserer Zunge können wir Gott loben und über ihn spotten, jammern und klagen, singen und beten oder fluchen, schlecht über andere reden, zärtlich oder verletzend sein; Mut zusprechen oder andere demütigen, vergebend sein oder Schuldgefühle wecken und vieles mehr. So heißt es in Jakobus 3, 8: „Aber die Zunge kann kein Mensch zähmen, das aufrührerische Übel, voll tödlichen Gifts.“ Lesen Sie dazu einmal den ganzen Abschnitt aus Jakobus 3, 1-12.

In unserem Abschnitt heißt es nun in Vers 4: „Gott, der Herr, hat meine Zunge in seinen Dienst genommen“

Alles Reden dient dazu, das zu sagen, was Gott den Menschen sagen will. Gibt es irgendjemand, der das von sich sagen kann? An diesem Punkt müssen wir alle lernen.
Im Jesajabuch gibt es die sogenannten „Knechtgotteslieder“.  Auch unser Abschnitt wird dazugezählt. In der theologischen Wissenschaft wird darüber diskutiert, wer damit gemeint sein könnte: der Prophet selber, das ganze Volk Israel oder eine andere unbekannte Person?
Als aber die ersten Christen Jesus sahen, wussten sie: Auf ihn trifft das alles zu! Jesus ist der Knecht Gottes, von dem Jesaja hier redet.

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Foto: Martina Heins

Jesus hat sein ganzes Reden in den Dienst Gottes gestellt.

Was er sagte, war Gottes Wort. Er hatte immer das richtige Wort zur rechten Zeit und sagte immer das, was für die Menschen richtig war, wenn er Menschen ermutigt hat, weil sie Hilfe brauchten und alleine nicht weiterkamen; wenn er Menschen ermahnt hat, weil sie selbstgerecht auf dem falschen Weg waren und andere unterdrückt haben; wenn er Menschen Gottes Zusagen zugesprochen und vom Gericht Gottes geredet hat. So heißt es in Johannes 1, 14: „Er, das Wort, wurde ein Mensch, ein wirklicher Mensch von Fleisch und Blut.“
Und als er vor den Hohenpriestern, vor Pilatus und Herodes angeklagt wurde, hat er geschwiegen. Er schwieg im Leiden. Er musste sich nicht rechtfertigen und verteidigen, denn er hatte Gott selbst als seinen Verteidiger, der Recht schaffen würde. Und so ist es am Ostermorgen geschehen. Er hat das Leben gewonnen, während alle seine Feinde, die ihn beschuldigt hatten, am wahren Leben vorbeigegangen sind.

So stand Jesus mit seinem ganzen Schweigen und Reden ganz im Dienst Gottes, weil er in allem auf Gott gehört und ihm vertraut hat.

Darum hat er auch vor Krankenheilungen oder Totenauferweckungen gebetet, sich in die Stille zurückgezogen oder in Gethsemane im Gebet um Gottes Weg gerungen.
Das Schlimmste für einen Menschen ist, Gottes Stimme nicht zu hören. Darüber lesen wir schon im Alten Testament, wenn das Volk Israel klagte, weil sie Gottes Stimme nicht mehr hörten. Nur einmal erlebte Jesus diese Situation, als er am Kreuz das Gericht Gottes über die Menschen erleiden musste und betete: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. Denn Gottes Schweigen bedeutet für uns Menschen immer sein Gericht. Vielleicht ist es auch ein Gericht Gottes, dass in unserer Zeit so viele Menschen seine Stimme nicht mehr hören.

Jesus hörte auf Gottes Stimme und er hörte sie.

Fragen Sie sich einmal ganz für sich: Worauf höre ich, wenn es um mein Reden und Schweigen geht und auch um meine Gedanken, denn die Gedanken sind ein Vorbote des Redens?

Worauf höre ich, wenn jemand mich verletzt hat? Höre ich dann auf meine „alte“ Stimme, die mir sagt: „Dem bin ich jetzt böse“, „mit mir nicht“, „schon wieder“, oder höre ich auf Gott, der mir sagt: „Auch der, der dich verletzt hat, ist mein geliebtes Kind. Verzeihe ihm und belaste dich selbst nicht mit deinem Groll“.
Worauf höre ich, wenn jemand meine Hilfe braucht? Höre ich auf die Stimme in mir, die sagt: Ich kann nicht mehr“, ich muss an mich und meine Familie denken“, oder höre ich auf Gott, der mir sagt: „Habe ich dir nicht alles gegeben? Kannst du ihm nicht etwas davon abgeben“?
Worauf höre ich: auf das, was MAN denkt im Freundeskreis; auf mich, wie ich erzogen und geprägt bin; auf meinen Selbsterhaltungstrieb, oder auf Gottes Stimme? Werde ich erst einmal still, auch in meinen Gedanken und horche, was Gott mir sagt? Oder habe ich manchmal auch Angst, Gottes Stimme zu hören, weil sie gegen die anderen Stimmen in mir stehen könnte?

Je mehr wir uns geborgen fühlen bei Gott, je mehr wir glauben, dass sein Wort gut für uns ist, desto mehr sind wir bereit, auf Gottes Stimme zu hören,

nicht nur in den großen Entscheidungen des Lebens, sondern gerade in den kleinen ganz alltäglichen Situationen, zum Beispiel im Laufe eines Gesprächs oder einer Auseinandersetzung, damit unser Reden zum Werkzeug Gottes wird.
In
der Entscheidung, worauf wir hören, liegt auch die Entscheidung, was und wie wir reden oder ob wir schweigen. Nur wenn wir immer mehr auf Gottes Stimme hören, kann unser Reden zum Werkzeug Gottes werden. Ich denke, dass wir hier alle noch viel lernen können und niemand einen Grund hat, innerlich mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Wie können wir nun unser Reden mehr in den Dienst Gottes stellen? Die folgenden Gedanken können Ihnen dabei helfen:

  1. Schweigen statt Reden:

Manchmal ist es besser, nicht zu reden, sondern zu schweigen, zum Beispiel wenn es um unser Recht geht, unsere Selbstverteidigung oder Selbstdarstellung. Als Jesus angeklagt wurde, hat er trotz des bevorstehenden Leides geschwiegen.

Wenn wir unsere Seele ausschütten wollen, ohne zu fragen ob der andere es jetzt ertragen kann, ist es oft besser, zu schweigen. Wir sollen lernen, auf Gott zu hören, ob wir schweigen sollen.

  1. Wenn wir über andere reden:
Predigt zum Lesen Jesaja 50, 4-9 Sieb Reden Nachrede Sokrates
Foto: Martina Heins

Vom griechischen Philosophen Sokrates wird folgende Geschichte vom dreifachen Sieb überliefert: „Eines Tages kam ein Bekannter zum griechischen Philosophen Sokrates gelaufen. „Höre, Sokrates, ich muss dir berichten, wie dein Freund….“ „Halt ein“ unterbrach ihn der Philosoph. „Hast du das, was du mir sagen willst, durch drei Siebe gesiebt?“ „Drei Siebe? Welche?“ fragte der andere verwundert. „Ja! Drei Siebe! Das erste ist das Sieb der Wahrheit. Hast du das, was du mir berichten willst, geprüft ob es auch wahr ist?“ „Nein, ich hörte es erzählen, und…“ „Nun, so hast du sicher mit dem zweiten Sieb, dem Sieb der Güte, geprüft? Ist das, was du mir erzählen willst – wenn es schon nicht wahr ist – wenigstens gut?“ Der andere zögerte. „Nein, das ist es eigentlich nicht. Im Gegenteil…..“ „Nun“, unterbrach ihn Sokrates. „so wollen wir noch das dritte Sieb nehmen und uns fragen ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich so zu erregen scheint.“ „Notwendig gerade nicht….“ „Also“, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir eben sagen wolltest, weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste weder dich noch mich damit.“

Und Martin Luther schreibt in seiner Erklärung zum 8. Gebot (Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“) folgendes: „Was ist das? Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unsern Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren.“
Die Frage ist: Steht mein Reden über andere im Dienst Gottes oder im eigenen Dienst, um meine Position zu stärken und den anderen zu schwächen?

  1. Wenn wir mit anderen reden

In Gesprächen können wir uns fragen: Will ich dem anderen helfen, dass er Gottes Weg für sein Leben findet, oder will ich mich verteidigen, rechtfertigen, mich profilieren, den anderen schwächen, verunsichern, verletzen, um mich und meine Position zu stärken? Als Christen haben wir es nicht nötig, uns selbst ins „rechte“ Licht zu setzen, weil wir doch von Gott abgesichert sind und er uns einen unverletzlichen Wert als seine geliebten Kinder gegeben hat. Durch Jesus hat er uns die Fülle des Lebens gegeben und er will, dass wir von dieser Fülle etwas abgeben und bei anderen Leben schaffen.

  1. Unsere Stimme im Namen Gottes gegen Unrecht erheben.

Wie oft haben Christen geschwiegen, wenn Unrecht geschehen ist, und wie oft schweigen wir immer noch. Es ist sehr leicht, aus einem bequemen Sessel heraus, das Unrecht in der weiten Welt anzuprangern. Es kostet uns nichts und wir haben dadurch auch keine Nachteile zu befürchten. Aber tun wir es auch, wenn zum Beispiel dem Nachbarn oder dem Arbeitskollegen Unrecht geschieht? Dann schweigen wir oft, aus Angst vor persönlichen Nachteilen.

Ist das nicht meistens unsere Frage, wenn es um Reden oder Schweigen geht, ob uns das persönliche Vorteile oder Nachteile bringt?

Der Prophet sagt über den Knecht Gottes in Vers 6+7: „6 Ich habe meinen Rücken hingehalten, wenn sie mich schlugen, und mein Kinn, wenn sie mir die Barthaare ausrissen. Ich habe mich von ihnen beschimpfen lassen und mein Gesicht nicht bedeckt, wenn sie mich anspuckten. Sie meinen, ich hätte damit mein Unrecht eingestanden; 7 aber der Herr, der mächtige Gott, steht auf meiner Seite. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kieselstein und halte alles aus. Ich weiß, dass ich nicht unterliegen werde.“

 So hat Jesus nie nach seinen persönlichen Vor- oder Nachteilen gefragt, sondern er hörte auf Gottes Stimme und tat, was er von Gott hörte.

Deshalb ist Jesus den Weg des Leidens bis zum Kreuz gegangen, um Gottes Willen zu tun. Gottes Wille war es, dass er den Menschen die Tür zum wahren Leben, das aus der Ewigkeit Gottes kommt und in Ewigkeit bleibt, bringt. In der Nachfolge Jesu ist das auch unser Auftrag, und dabei sollen wir allein auf Gottes Stimme hören und sie tun, egal ob es uns persönliche Vor- oder Nachteile bringt. Dafür will Gott auch unsere Zunge in seinen Dienst nehmen. Zugegeben: Das ist nicht immer leicht, aber es ist ein lohnender Weg.

Wie Jesus brauchen wir auch nicht auf unsere persönlichen Vor- und Nachteile zu schauen, denn wie Jesus können wir uns ganz geborgen wissen in Gottes liebender Hand, denn durch Jesus ist Gott selbst unser Helfer und Richter, der uns Recht verschafft, uns nicht verurteilt, sondern durch alle weltlichen Anklagen und Angriffe hindurch in sein ewiges Reich bringt.
Predigt zu Jesaja 50, 4-9
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