Inhaltsverzeichnis zu „Kirchliches Leben – Themen“

Die Bedeutung der Menschwerdung Gottes
für die Praxis der kirchlichen Arbeit

Gott wird in Jesus Mensch!

Das ist eine bekannte und grundlegende Aussage unseres Glaubens. Darauf baut unser ganzer Glaube auf.

Aber was bedeutet sie für die Arbeit in der Kirche?

Gott wird ganz Mensch!

Wenn wir die Bibel lesen, stellen wir fest, dass Gott nicht in einem elitären, herausgehobenen Kreis, wie zum Beispiel der politischen oder religiösen Führungsschichte oder einer Gruppe besonders religiöser Menschen, Mensch wird. Er taucht auch nicht plötzlich als erwachsener Mensch in der Welt auf. Gott wird ein ganz normaler Mensch! Er wird geboren wie jeder andere, in Windeln gewickelt und von seiner Mutter ernährt. Er wächst auf wie jeder andere mit allen Nöten und Freuden, lernt einen ganz normalen Beruf von seinem Vater und wird erwachsen wie jeder andere auch. Erst mit ca. 30 Jahren zeigt er, dass er nicht nur ganz Mensch, sondern auch ganz Gott ist.

Gott bleibt in der Menschwerdung nicht auf halben Weg zwischen Himmel und Erde stehen oder begibt sich auf eine erhöhte irdische elitäre Ebene, und sagt ihnen nicht, dass sie sich erst auf eine religiöse oder höhere Ebene begeben müssen, wenn sie ihn verstehen wollen, sondern er wird ein ganz normaler weltlicher Mensch, um alle Menschen für sich zu gewinnen, denn nur so können die Menschen ihn und seine Botschaft verstehen.

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Foto: Martina Heins

Und trotzdem ist er ganz Gott geblieben!

Der göttliche Inhalt bleibt in Jesus bestehen, mit allem, was in der Welt Gottes gilt an Frieden, Freude, Liebe, Zuversicht, Geduld und anderem mehr. Aber die Form der Kommunikation Gott mit den Menschen ist menschlich.


Gott sucht eine Form, die den Menschen angemessen ist, um ihnen als Gott zu begegnen.

Wichtig ist: Gott hat nicht gefragt: Wie hättet ihr es gerne, wie würde es euch gefallen?

Was wäre damals wohl dabei für eine Antwort herausbekommen, wenn Gott sich auf das eingelassen hätte, was die Menschen wollen? Die Ausgestoßenen hätten diese Frage für sich wahrscheinlich überhaupt nicht ernst genommen und gedacht, dass das nicht für sie ist; die Priester und Hohenpriester hätten auf den Tempel mit seinen religiösen Riten und Gebräuchen verwiesen, Schriftgelehrten auf die gesetzlichen theologischen Vorschriften und die Politiker auf das königliche Hofzerimoniel.

Es wäre nicht das dabei herausgekommen, was Gott beschlossen hat.

Das ist Gottes geistliche Leitung für sein Vorhaben, Menschen in seine Gemeinschaft zurückzuholen und in ihr zu leben.

Diese Art Gottes hat Ärger hervorgerufen. Er hat Erwartungen und Vorstellungen enttäuscht. Aber er würde nie wegen einiger Erwartungen den Inhalt und sein Ziel verleugnen.

Wir haben den gleichen Auftrag wie Jesus. Wir sollen in seinem Auftrag Menschen in die Gemeinschaft mit Gott zurückholen, damit sie in seiner Gemeinschaft leben können, hier und in Ewigkeit.

Der Inhalt unseres Auftrages ist göttlich und bleibt über alle Zeiten hinweg gleich bestehen. Und dieser Inhalt soll immer wieder Mensch werden, in den unterschiedlichen Zeiten und Situationen, in denen Menschen leben.

Es ist unsere Aufgabe, Formen zu suchen, die den Menschen angemessen sind, in denen sie die göttliche Botschaft verstehen und als christliche Gemeinschaft authentisch ihren Glauben leben können. Das ist die Verantwortung unserer geistlichen Leitung.

Umfragen können uns helfen, zu erforschen, was angemessen ist, aber sie können nie zum Maßstab für unser Handeln werden, genauso wenig wie an uns herangetragene Erwartungen. Dann nehmen wir unsere geistliche Verantwortung nicht wahr, drücken uns davor.

Denn: Angemessen heißt nicht „was gefällt“ oder erwartet wird.

Dazu zwei Beispiele:

In einer Gemeinde gab es viele Menschen, die gerne akademische Vorträge wollten und auch die Predigten sollten nach ihren Wünschen ein akademisches Niveau haben. Sie sprachen auch selten vom „Pastor“, sondern redeten meistens vom „Theologen“. Als jemand darauf angesprochen wurde, sagte er: “Schau doch einmal genau hin, wer das sind, die das wollen! Das sind in der Regel keine Akademiker. Aber wenn sie solche Vorträge hören, haben sie das Gefühl, Anteil an der akademischen Welt zu haben und dazu würden sie gerne dazugehören. Deshalb wollen sie solche Vorträge, auch wenn sie vieles davon nicht verstehen.“
Würden wir nun die Erwartungen dieser Menschen als Maßstab unseres Handelns in der Gemeinde nehmen, würden wir ihnen das Evangelium in einer für sie nicht angemessenen Form verkünden und sie müssten christliche Gemeinschaft in einer für sie nicht angemessenen Form leben.

Andere Menschen lieben religiöse Riten und Gebräuche, weil sie sie z. B. von Kindheit an gewohnt sind, oder weil sie denken, dass sie dann an einer besonders heiligen Feier teilnehmen und auf eine besonders gehobene Weise Anteil am Göttlichen bekommen. Oft kennen sie nicht einmal den Sinn solcher Riten und Gebräuche. In ihrem Alltag leben sie in einer ganz anderen Welt. Es gibt aber keine besonderes heiligen Riten und Gebräuche. Heilig wird etwas nicht durch die Form, sondern durch den göttlichen Inhalt, egal in welcher Form.                       
Oft steckt dahinter der verständliche Wunsch, ab und zu mit Jesus auf einen Berg der Verklärung zu gehen, wie es in Matthäus 17, 1-9 beschrieben wird. Doch dorthin hat Jesus nur drei seiner engsten Jünger mitgenommen, weil er nur ihnen zumuten wollte, was sie dort erleben würden.
Würden wir nun die Erwartungen dieser Menschen als Maßstab unseres Handelns in der Gemeinde nehmen, würden wir ihnen das Evangelium in einer für sie nicht angemessenen Form verkünden und sie müssten christliche Gemeinschaft in einer für sie nicht angemessenen Form leben.

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Foto: Martina Heins

Die Frage, die sich geistliche Gemeindeleitung immer wieder stellen muss, lautet: In welcher Form leben die Menschen, die für die Kirche einen bestimmten Ritus und bestimmte Gebräuche wünschen oder andere Erwartungen an die Gemeinde herantragen: Passt das mit ihrem alltäglichen Leben zusammen? Oder soll hier die Menschwerdung Gottes aus dem Alltag herausgehalten werden, um für eine bestimmte Zeit Anteil am Göttlichen zu bekommen, um vielleicht unbewusst Gott gleichzeitig Gott aus dem Alltag herauszuhalten?

Angemessen ist die Form, in der die Menschen normal leben, denken und fühlen, zum Beispiel in Bezug auf Musik, Gewohnheiten, Sprache und die Art, wie Gemeinschaft gelebt wird.

Die Botschaft Jesus in Inhalt, Tat und Wort soll Mensch werden, soll von den Menschen verstanden werden und sie sollen darin ihren Glauben leben können. Am besten verstehen kann der Mensch das, was in seinen normalen alltäglichen Lebensrahmen übertragen wird.

Was angemessen ist, ist sehr unterschiedlich: Deshalb müssen kirchliche Aktivitäten zielgerecht gestaltet werden.

Jesus hat sich mit den Leuten unterschiedlich unterhalten und ist unterschiedlich auf sie eingegangen. Und Paulus schreibt in 1. Korinther 9, 19-23: „19 Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, auf dass ich möglichst viele gewinne. 20 Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen unter dem Gesetz bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden – obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin –, damit ich die unter dem Gesetz gewinne. 21 Denen ohne Gesetz bin ich wie einer ohne Gesetz geworden – obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin im Gesetz vor Christus –, damit ich die ohne Gesetz gewinne. 22 Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette. 23 Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, auf dass ich an ihm teilhabe.“

Kirchliches Leben Gottesdienst Gemeinde lebenPredigt zu 1. Korinther 9, 16-23 Römer 7, 14-25 2. Korinther 5 Karfreitag Hausandacht Kreuz Glauben Herz Liebe Jesus Freiheit
Foto: Martina Heins
Der Maßstab kirchlichen Handelns sind nicht die Erwartungen der kirchlichen Insider
und auch nicht die anderer Menschen,
sondern die Frage, in welcher Form das göttliche Evangelium Jesu Christi für die jeweiligen Menschen „Mensch werden“ kann.