Predigt zu Hebräer 11, 8-10 am Sonntag Reminiszere
8 Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, an einen Ort zu ziehen, den er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme. 9 Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen im Land der Verheißung wie in einem fremden Land und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. 10 Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.
„Glaube“ ist im Deutschen ein vielschichtiger Begriff.
Wenn jemand sagt: „Ich glaube, dass die deutsche Fußballnationalmannschaft nicht Weltmeister wird“, und ein anderer sagt, dass er glaubt, dass sie Weltmeister werden, dann meinen beide, dass sie es aber nicht wissen. Daher kommt auch der Spruch: „Glauben heißt, nicht wissen“.
Wenn aber jemand sagt, dass er glaubt, dass es Himalaya-Menschen, Außerirdische, einen Gott oder Engel gibt, dann sagt er damit, dass er davon überzeugt ist. Das ist seine feste Meinung. So schreibt Jakobus in Kap. 2, 19: „Du glaubst, dass nur einer Gott ist? Du tust recht daran; die Teufel glauben’s auch und zittern.“
Dem biblischen Verständnis näher kommt es, wenn man sagt:
Ich glaube Herrn Meier oder Frau Schulze. Damit wird gesagt, ich vertraue ihnen und ich verlasse mich auf ihr Wort. Deshalb wird in manchen Übersetzungen das Wort „Glauben“ mit „Vertrauen“ übersetzt. Der Anfang unseres Abschnittes heißt dann: „Durch das Vertrauen wurde Abraham gehorsam.“ Das entspricht dem Griechischen „Pistis“, das hier im griechischen Urtext steht.
Darum muss es eigentlich auch im Glaubensbekenntnis heißen: „Ich glaube Gott“, ich vertraue ihm!
Ich glaube Jesus, ich vertraue ihm! Ich glaube der guten Botschaft Jesu, ich vertraue ihr und verlasse mich auf das, was er sagt!
Aber worauf vertrauen wir denn bei Jesus, bzw. Gott? Was erhoffen wir uns?
Vertrauen wir darauf, dass er uns hilft bei unseren Plänen, er unsere Probleme löst oder beseitigt, dass er immer bei uns ist und uns vor Gefahren beschützt? Vielleicht tut Gott das alles für uns, aber darum geht es zunächst nicht.
Der Hebräerbrief weist uns in eine andere Richtung.
Glauben heißt für den Schreiber des Briefes, dass wir uns im Vertrauen auf Jesu Wort in Bewegung setzen, auf ein Ziel zu, dass Gott uns gibt. Vom Verlassen der alten Heimat, sich führen lassen und aufbrechen in das versprochene Land, ist hier die Rede. Zu Abraham sagt Gott: Geh in ein Land, das ich dir zeigen will, in eine unbekannte Gegend. Genauso erhält Mose den Auftrag, mit dem Volk auszuziehen in das gelobte, versprochene Land. Und von den Jüngern heißt es, dass sie auf das Wort Jesu hin alles verließen und ihn nachfolgten in eine unbekannte Zukunft.
Was ist unsere Heimat, die wir verlassen sollen?
Es geht nicht unbedingt um die geographische Heimat, sondern um das, was uns Sicherheit, Glück, Geborgenheit, Erfüllung, Halt und Mut gibt. Wir sollen neu aufbrechen von den Dingen, die wir besitzen, von Gewohnheiten und Bindungen an Vergangenes in die neue innere Freiheit, die Christus uns gibt.
Jesus nimmt uns an die Hand und sagt: Verlass deine „Heimat“! Alles, was dir deine alte Heimat bietet, kannst du verlieren und du wirst es verlieren. Wenn du darauf baust, bist du verloren. Komm mit mir! Ich bringe dich in ein Land, eine neue Heimat, die viel großartiger und schöner ist. Vertraue mir, folge mir! Verlass dich auf mein Wort! Ich bringe dich in das Land Gottes, das du in Ewigkeit gewinnen sollst und das dir schon hier im Leben seinen Trost, seine Hoffnung, Freude, Liebe, seinen Sinn, seine Kraft und seinen Mut gibt.
Je mehr wir uns von Jesus führen lassen, auf sein Wort hin uns ins „Land des Glaubens“ in Bewegung setzen, desto mehr bekommen wir davon, kommen tiefer ins „Land Gottes“ und können daraus leben.
Wir haben einen wunderbaren Herrn, einen wunderbaren Glauben, ein wunderbares Ziel!
Nun heißt es, dass die Menschen in Europa immer weniger Gott glauben und ihm vertrauen.
Seit Jahrzehnten nimmt der Gottesdienstbesuch ab, Menschen treten aus der Kirche aus und Mitgliederuntersuchung der Kirche belegen, dass die Entfremdung zur Kirche immer größer wird. Das ist nicht nur ein Problem in Deutschland, sondern fast in ganz Europa.
Was ist die Ursache und was hilft dagegen?
Ist das, was wir haben, so schön, dass die Menschen gar nicht nach etwas Besserem suchen? Manche meinen deshalb, dass es uns zu gut geht, der Wohlstand schuld ist und die Menschen deshalb so wenig an Gott glauben. Im 19. Jahrhundert sind viele Menschen aus Deutschland ausgewandert, weil sie hier in großer Armut lebten. Not macht innovativ und treibt zum Aufbruch. Brauchen wir also mehr Not, damit mehr Menschen an Jesus zu glauben? Es heißt ja auch: „Not lehrt beten.“ Es ist aber auch bekannt, dass Not fluchen lehrt.
Ist das, was Jesus uns bedeuten kann, nicht schön, wichtig und reizvoll genug, dass wir dazu erst Not gebrauchen?
Viele Menschen, vor allem jüngere, verlassen heute ihre Heimat und brechen auf, nicht aus einer Not heraus, sondern weil sie ein reizvolles oder wichtiges Ziel vor Augen haben, zum Beispiel ein Studium, berufliches Weiterkommen oder die große Liebe. Dafür gehen sie ein Risiko ein. Lohnt sich dieses Risiko bei Gott, Jesus nicht?
Trotz des Wohlstandes, der Bildung, Fähigkeiten und Möglichkeiten habe ich viele Menschen erlebt, die auf der Suche sind nach einem erfüllteren Leben, Liebe und Anerkennung, innerem Frieden und Sicherheit, einem sinnvollen Leben.
Was kann Menschen Mut geben, Jesus zu vertrauen, mit ihm neu aufzubrechen?
Große Kirchenbauten und Dome voller Gold zeigen, was die Kirche alles kann und was sie erreicht hat, und es gibt brillante theologisch, wissenschaftliche Darlegungen über Gott, aber kann es Menschen zum Glauben an Jesus bringen? Das alles kann vielleicht die Größe von Menschen zeigen, aber Mut, um Jesus zu folgen, wird dadurch kaum erreicht.
Der Schreiber des Hebräerbriefes kannte das Problem auch, aber er zeigt einen anderen Weg.
Er führt den Christen Vorbilder im Glauben vor Augen, Persönlichkeiten des Alten Testaments wie hier Abraham und das ganz große Vorbild, Jesus selbst.
Meine Erfahrung ist, dass Vorbilder im Glauben mich am meisten geprägt haben, Persönlichkeiten aus der Geschichte wie zum Beispiel Missionare, Martin Luther, Friedrich von Bodelschwingh und andere, oder auch einfache erwachsene Gemeindeglieder, die treu ihren Glauben gelebt haben.
Wie ist das für Sie? Welche Vorbilder haben sie geprägt, im Glauben weitergeführt?
Schauen Sie auf Vorbilder, auf Lebensgeschichten vergangener Persönlichkeiten oder gegenwärtige Personen und fragen Sie sich, was sie Ihnen sagen und wie sie Ihnen im Glauben weiterhelfen können.
Aber welche Vorbilder haben die Menschen, die auf der Suche sind?
Vor einiger Zeit las ich den Satz: „Die Menschen lesen die Bibel nicht mehr – Wir sind die Bibel, die die Menschen lesen.“ Eine junge Frau, die zum Glauben kam, klagte darüber, dass ihr ältere Christen als Vorbilder fehlten.
Können Sie solch ein Vorbild im Glauben sein?
Vielleicht denken Sie, dass Sie das nicht können, aber Sie können es! Sie können anderen zeigen, wo Sie Ihren Trost in schweren Zeiten herbekommen, warum Sie selbstlos helfen und wie Sie sich treu zu Jesus bekennen.
Kein Mensch kann in allen Bereichen des Lebens und vollkommen ein Vorbild sein! Wir haben ja nicht einmal eine Ahnung davon, was Vollkommenheit im Glauben bedeutet. Wie wollen wir da vollkommen sein! Wer anderen ihre Unvollkommenheit vorwirft, und nur der Vollkomme darf das, der soll den ersten Stein werfen.
Vollkommen können wir keine Vorbilder sein, aber wir können zeigen, in welche Richtung wir aufbrechen.
Wenn wir durch schwere Zeiten gehen, können wir zeigen, dass wir unseren Trost und unsere Freude nicht in irdischen Dingen, der „alten Heimat“, suchen, sondern bei Christus, weil das viel besser, sicherer und dauerhafter ist. Auch wenn wir es nicht immer vollkommen zeigen können, soll doch deutlich werden, dass wir uns durch Jesu Hilfe in diese Richtung bewegen.
Wenn wir versagt haben mit der Liebe, Freundlichkeit, Ehrlichkeit oder etwas anderem, dann müssen wir uns nicht herausreden und anderen die Schuld geben, sondern können aus der Vergebung leben, wieder neu anfangen und uns an Christus orientieren. Und wenn wir auch darin einmal versagen, können wir zeigen, dass wir uns mit Jesu Hilfe in diese Richtung bewegen.
Wir können von Jesus lernen, mit Problemen anders umgehen, und anderen zeigen, dass wir uns mit Jesu Hilfe in diese Richtung bewegen. Und wenn der Glaube Nachteile bringt, dann können wir zeigen, dass wir trotzdem am Glauben festhalten, und deutlich machen, wie wir uns mit Hilfe Jesu in diese Richtung bewegen.
Wir wissen, was für ein großartiges und wunderbares Ziel wir vor Augen haben, was wir schon hier im Leben an Trost, Freude, Liebe, Hoffnung und alles, was Jesus uns geben will, haben können, und wie wir alles dann vollkommen in der Ewigkeit erfahren werden. Unser Aufbruch und unsere Bewegung gehen immer zu Jesus hin.
Dafür brauchen wir Vorbilder im Glauben, damit wir immer wieder aufbrechen, und vor allem soll Jesus unser Vorbild sein.
Die Menschen in Europa brauchen Vorbilder.
Das können und sollen Sie als Christen sein und das kann eine lebendige Gemeinde sein, indem wir uns auf Jesu Wort verlassen, auf sein Wort hin aufbrechen und in Bewegung bleiben auf das Ziel zu, was Gott uns verspricht, wie Paulus es in Philipper 3, 14 sagt: „Ich habe es noch nicht ergriffen, ich jage ihm aber nach.“