Predigt zu Hebräer 13, 12-14 am Sonntag Judica
Stellen Sie sich vor:
ein weißer Sandstrand, das Meer plätschert leise dahin, die Sonne strahlt von einem blauen Himmel herab und lässt die Temperatur auf über 30 Grad steigen. Eine Gruppe geht mit schwerem Rucksack, schwitzend über den Strand zum Gebirge hinauf. Die andere Gruppe sitzt gemütlich bei einem kalten Getränk im Schatten am Meer und genießt das Wetter.
Was meinen Sie, welche dieser beiden Gruppen ist ein Bild für das Leben als Christen?
Der Schreiber des Hebräerbriefes schreibt dazu in Kapitel 13, Vers 14:
14 Denn auf der Erde gibt es keine Stadt, in der wir bleiben können. Wir sind unterwegs zu der Stadt, die kommen wird.
Das Besondere am Leben von Christen ist, dass sie unterwegs sind:
heimatlos in der Welt und Immer im Aufbruch, so wie Diplomaten, die alle paar Jahre neu aufbrechen. Als Christen sind wir Diplomaten, Botschafter Gottes. Jesus sagt im Johannesevangelium: Sie sind nicht von der Welt, aber Gesandte in die Welt. Mit Jesus gibt es keinen Stillstand, keinen Ruhestand, sondern eine aufregende Reise in immer neue unbekannte Gegenden.
Der Anfang des Weges ist die Taufe.
Da sagt Gott: Ich will mit dir etwas zu tun haben. Ich will dich gebrauchen und sende dich als Botschafter meines Evangeliums in die Welt. Wer sich dazu berufen lässt, der macht sich auf den Weg, um im Auftrag Gottes und in der Nachfolge Jesu durch das Leben zu gehen. Wer getauft ist, aber dann nicht glaubt, der bleibt am Start, macht sich nicht auf den Weg, bewegt sich immer nur im Startraum oder sitzt am Strand und sagt: Wieso soll ich mich abrackern, es ist doch viel angenehmer so.
Die Fragen, die uns heute anhand des Textes beschäftigen sollen sind: Wie ist der Weg und wohin führt er?
In Vers 12 + 13 heißt es:
12 So ist auch Jesus außerhalb der Stadt gestorben, um durch sein Blut das Volk von aller Schuld zu reinigen. 13 Also lasst uns zu ihm vor das Lager hinausgehen und die Schande mit ihm teilen.
Das müssen wir uns jetzt etwas genauer anschauen.
Ein paar Verse vorher in V 8 sagt er, wer dieser Jesus ist: „Jesus Christus ist derselbe, gestern und heute und in alle Ewigkeit.“
Das erinnert an die Offenbarung Gottes am Sinai, wo Gott sagt, wie sein Name ist: „Ich bin, der ich bin oder Ich werde sein, der ich sein werde.“ Er ist in Ewigkeit immer derselbe. Am Sinai hat Gott sich den Menschen nur vorgestellt. Nun ist derselbe Gott in Jesus Mensch geworden, ist hinabgestiegen in die Welt. Im Wochenspruch für diesen Sonntag heißt es: „Des Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Lösegeld für viele.“ (Matthäus 20, 28) Gott ist gekommen, um zu dienen, ganz nach unten in dieser Welt. Aber dabei ist es nicht geblieben wie Vers 12 ausdrückt: „Er ist außerhalb der Stadt gestorben, um durch sein Blut das Volk von aller Schuld zu reinigen.“
Im Hintergrund steht die alttestamentliche Praxis, die in Vers 11 beschrieben wird:
„Die Leiber der Tiere, deren Blut der Oberste Priester ins Allerheiligste bringt, werden außerhalb des Lagers verbrannt.“ Das Lager bedeutete die alttestamentliche Heilsgemeinschaft des Gottesvolkes, das während der Wüstenwanderung in einem Zeltlager wohnte und sich später im Tempel in der heiligen Stadt Jerusalem versammelte. Am Versöhnungstag legte der Hohepriester alle Schuld der Menschen auf einen Ziegenbock, der anschließend in die Wüste gejagt wurde. So trug der Ziegenbock die Sünde aus dem Volk Gottes hinweg. Die Person, die das Tier hinausjagte, musste sich kultisch reinigen, bevor er in das Lager zurückkam, um nicht wieder Schuld mit zurück zu bringen. (siehe 3. Mose 16)
So wurde auch Christus außerhalb der alttestamentlichen Heilsgemeinschaft geopfert.
Er wird zum Sündenbock gemacht und erleidet und erträgt die Ungerechtigkeit, Schuld, Hass, Unfrieden, … der Menschen. Damit trägt er sie weg, beseitigt sie. Gott selbst wird in Jesus hinausgeworfen und er geht den Weg freiwillig.
Was bedeutet das nun, wenn es in V 13 heißt, dass wir mit Jesus vor das Lager gehen und die Schande mit ihm teilen sollen?
Für die Empfänger des Hebräerbriefes war die Botschaft klar: Ihr sollt euer Heil nicht mehr im Glauben des Alten Testamentes suchen, sondern sucht euer Heil in der Gemeinschaft mit dem ausgestoßenen Opfer, Christus, und folgt ihm. Geht freiwillig, lasst euch auch ausstoßen, haltet euch treu zu Christus.
Aber was heißt das für uns?
Wir leben in keiner alttestamentlichen Gemeinschaft, die wir verlassen könnten. Was sind denn unsere Heilsgemeinschaften, von denen wir ein einigermaßen heiles Leben erwarten oder auch haben: die Familie, der Arbeitsplatz oder Freundeskreis, das Hobby oder der ganz persönliche Rückzug in die eigene heile Welt?
Wir sollen alle diese Dinge nicht physisch verlassen, aber darin nicht mehr unser heiles Leben suchen, sondern bei Christus sein und mit ihm in allen Bereichen die Schuld der Menschen ertragen und Gottes guten Willen tun,
das heißt Ungerechtigkeit ertragen und gerecht sein; Herzenskälte ertragen und seine Liebe üben; Unehrlichkeit erdulden und ehrlich sein; Spott hinnehmen und treu unseren Glauben leben; Unfrieden erleiden und Frieden leben; unter Schuld leiden und vergeben; Freudlosigkeit erleben und Freude verbreiten. Und wenn eure alten Gemeinschaften euch deshalb ablehnen oder ausstoßen, dann nehmt es um Christi willen auf euch, denn Christus ist euer Leben.
Besonders gut ausgedrückt empfinde ich das in dem Lied von Jochen Klepper: „Nun gehören unsre Herzen ganz dem Mann von Golgatha.
1) Nun gehören unsre Herzen ganz dem Mann von Golgatha,
der in bittern Todesschmerzen das Geheimnis Gottes sah,
das Geheimnis des Gerichtes über aller Menschen Schuld,
das Geheimnis neuen Lichtes aus des Vaters ewger Huld.
2) Nun in heilgem Stilleschweigen stehen wir auf Golgatha.
Tief und tiefer wir uns neigen vor dem Wunder, das geschah,
als der Freie ward zum Knechte und der Größte ganz gering,
als für Sünder der Gerechte in des Todes Rachen ging.
3) Doch ob tausend Todesnächte liegen über Golgatha,
ob der Hölle Lügenmächte triumphieren fern und nah,
dennoch dringt als Überwinder Christus durch des Sterbens Tor;
und die sonst des Todes Kinder, führt zum Leben er empor.
4) Schweigen müssn nun die Feinde vor dem Sieg von Golgatha,
die begnadigte Gemeinde sagt zu Christi Wegen: Ja!
Ja, wir danken deinen Schmerzen; ja, wir preisen deine Treu,
ja wir dienen dir von Herzen. Ja, du machst einst alles neu!
Das ist nicht einfach. Es war ja schon für Jesus schwer. Und viele Menschen haben das in der Nachfolge Jesu gelebt und erlitten.
Wir sollen die Last der Welt nicht abschütteln, nicht bekämpfen, sondern mit Christus ertragen. Nachfolge Jesu ist nicht immer einfach und auch nicht leicht. Wir versuchen es, und es geht auch, wenn die Umgebung einigermaßen freundlich ist, aber wenn zu viel Negatives entgegen kommt, dann reicht die Kraft oft nicht. Dann lassen wir uns schnell von dem Negativen beeinflussen.
Woher bekommen wir die Kraft, es immer wieder zu tun, auch wenn nichts zurückkommt?
Die Kraft haben wir nicht in uns. Wir sind Menschen. Diese Kraft finden wir am Kreuz, im ganzen Leben Jesu, aber besonders im Kreuz. Das ist die Kraft Gottes, die auch im tiefsten Punkt, in der Ablehnung, im Ausgestoßen sein noch liebt, verzeiht, Frieden lebt und Hoffnung hat und gibt; die freiwillig dient; die Jesus durchgetragen hat und ans Ziel zur Auferstehung gebracht hat und die auch uns ans Ziel bringt, zur Auferstehung, in die Ewigkeit Gottes. Das ist unser Ziel! Diese Gewissheit war für viele Christen durch die Jahrhunderte eine Kraftquelle. In den Christenverfolgungen hat das die Christen ermutigt, auch heute noch. Auch wir dürfen uns darauf freuen. Vor dem Sterben müssen wir keine Angst haben.
Für uns Christen ist dies Eine das Wichtigste: die Gemeinschaft mit Christus suchen.
Als Kraftquelle haben wir Jesus, der in Johannes 15 sagt: „Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben. … Ohne mich könnt ihr nichts tun“. Er ist die Kraftquelle in der Nachfolge, im Wandern durch das Leben, in der Gewissheit, dass das Ziel unsere Heimat ist bei unserem himmlischen Vater.