Predigt zu Lukas 15, 20-24 am 11. Sonntag nach Trinitatis
20 So machte er sich auf den Weg zu seinem Vater. Er war noch ein gutes Stück vom Haus entfernt, da sah ihn schon sein Vater kommen, und das Mitleid ergriff ihn. Er lief ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und überhäufte ihn mit Küssen. 21 ›Vater‹, sagte der Sohn, ›ich bin vor Gott und vor dir schuldig geworden, ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn zu sein!‹ 22 Aber der Vater rief seinen Dienern zu: ›Schnell, holt die besten Kleider für ihn, steckt ihm einen Ring an den Finger und bringt ihm Schuhe! 23 Holt das Mastkalb und schlachtet es! Wir wollen ein Fest feiern und uns freuen! 24 Denn mein Sohn hier war tot, jetzt lebt er wieder. Er war verloren, jetzt ist er wiedergefunden.‹ Und sie begannen zu feiern.
„Herzlich willkommen!“
Ist es nicht schön, wenn man so begrüßt wird, und wenn das auch noch von Herzen geschieht? Wenn ich so begrüßt werde, dann spüre ich, dass mir so viel Positives entgegenkommt. Es ist denen nicht egal, ob ich da bin oder nicht, sondern sie freuen sich. Ich bin gerne gesehen und bin ihnen wichtig.
Doch Vorsicht! Lassen Sie sich nicht einlullen.
Wenn Sie zum Beispiel in einem Autohaus, einem anderen Geschäft, bei Versicherungen oder Banken so begrüßt werden, dann wollen sie nicht Sie, sondern Ihr Geld. Politische Parteien wollen Ihre Stimme und deren Macht, bei einer neuen Arbeitsstelle wollen Sie Ihre Produktivität und Vereine, Kirchen und andere Gruppen wollen Ihre Zeit, Ihr Geld, Ihre Kraft und Ihre Fähigkeiten.
Richtig schön ist es erst, wenn man bei einer solchen Begrüßung nicht darauf aus ist, was ich kann und habe, sondern wenn man mich als Person meint. So soll es in einer christlichen Gemeinde sein.
Die Menschen sollen sich dort wohlwühlen und aufblühen können und in der Gemeinde ihr zweites Zuhause haben. Der Gottesdienstraum ist das „Wohnzimmer der Gemeinde“. Deshalb soll es dort schön sein. Schon vor dem Haus, im Foyer und im Raum selbst soll alles so hergerichtet sein, dass Menschen das Gefühl haben, hier kann ich zuhause sein. Das Miteinander soll ermutigend, dynamisch, freundlich und herzlich sein. In der Gemeinde sollen Menschen auftanken, neue Kraft und neuen Mut bekommen, damit Sie dann voller Elan und Begeisterung wieder an die Herausforderungen des Alltags herangehen können.
Ist eine solche Gemeinde nicht wirklich schön?!
Doch ich warne Sie! Erwarten Sie nicht zu viel,
denn auch in einer christlichen Gemeinde sind auch nur Menschen, die mal einen schlechten Tag haben, weil sie zuhause oder bei der Arbeit Ärger oder Probleme hatten, und dann angesäuert in die Gemeinde kommen. Auch Christen haben egoistischen Züge, Macken und sind unvollkommen. Was soll dabei herauskommen?
Stellen Sie sich vor, der Chef einer großen Firma schreibt Ihnen: „Sie sind bei uns herzlich willkommen!“. Sie gehen hin, aber die Empfangsdame hat einen ganz schlechten Tag. Gehen Sie wieder weg? Nein, Sie gehen trotzdem zum Chef.
Deshalb ist die Gemeinde nicht die Endstation für das „herzlich willkommen“, sondern eine Durchgangsstation, ein Vorzimmer, ein Hinweisschild, das leider nicht immer gut ist.
Das eigentliche „herzlich willkommen“ gibt es bei unserem Chef, gibt es bei Gott, bei Jesus, und der ist wirklich immer gut.
Jesus zeigt uns das Wesen Gottes, zum Bespiel in der Geschichte vom „verlorenen Sohn“, aus der unser Abschnitt ein kleiner Teil ist.
Der „verlorene Sohn“ hat das Erbe seines Vaters verprasst und richtig Mist gemacht. Als er nicht mehr weiterweiß, kommt er zurück und will wenigstens als Arbeiter arbeiten. Doch der Vater empfängt ihn mit offenen Armen, wartet auf ihn und feiert ein Fest. Als Zeichen, dass der Sohn wieder voll als Kind und Erbe und zeichnungsberechtigt ist, gibt er ihm den Siegelring. Nun kann der Sohn unbelastet wieder von vorne anfangen und mit dem Vater leben. So ist das bei Gott! Jesus zeigt das in vielen andere Geschichten im Neuen Testament.
So sagt Jesus jedem von uns: Du bist „herzlich willkommen“ bei deinem himmlischen Vater, in deinem Zuhause.
Wenn du Sorgen hast oder schuldig geworden bist, Mist gemacht hast, nicht mehr weiterweißt oder vor wichtigen Entscheidungen stehst und Rat brauchst, dann kannst du hier ehrlich sein, deine Freude zeigen, deine Last ablegen, ernst oder albern sein, denn du bist willkommen. Hier kannst du befreit werden und neu anfangen, wieder der werden, der du sein kannst, rauskommen aus den Schubladen, in die du dich oder andere dich gesteckt haben und neu aufblühen, Mut und Kraft bekommen.
Es ist für mich die schönste Vorstellung, wenn ich am Ende meines Lebens zu Gott komme und sehe, wie er auf mich wartet, und sagt: Hans-Martin, schön, dass du da bist! Dein Weg war nicht immer einfach, aber jetzt bist du Zuhause. Hier wird es dir immer gut gehen.
Was erwartet Gott von uns, was erhofft er sich?
Er erwartet nicht, dass wir perfekt sind, moralisch einwandfrei und verkrampft und freudlos durchs Leben gehen, um bloß nichts falsch zu machen, sondern dass wir Jesus vertrauen, dass er es gut mit uns meint und wir von ihm lernen, gut zu leben und glücklich und sinnvoll zu werden, Ihn lieben, gerne mit ihm zusammen sind und alles, was er uns schenkt, genießen, dankbar annehmen und uns darüber freuen.
Und dann werden wir das ausstrahlen, was wir bei ihm erleben an
Liebe, Freundlichkeit, Freude, Zuversicht, Mut und allem anderen; dann erleben wir in unserem Leben ein bisschen Himmel und können ein bisschen Himmel in diese Welt und zu anderen Menschen bringen. Dafür sind wir als Christen und insbesondere als christliche Gemeinschaft da.
Der Himmel auf Erden soll ein bisschen spürbar sein, sichtbar und erfahrbar werden. Menschen sollen den Weg finden zu Jesus, um bei Gott selbst den Himmel in ihrem Leben zu erfahren und zu erfahren, was es heißt, bei ihm herzlich willkommen zu sein, denn die Quelle und Fülle des Lebens können wir bei Gott finden.
Niemand soll bei Christen oder in einer christlichen Gemeinschaft das Leben suchen, denn das findet er dort nicht. Dazu sind wir selbst zu unvollkommen. Wir sollen nur ein gutes Hinweisschild auf Jesus sein.
Vielleicht sind wir als Hinweisschild manchmal etwas undeutlich, verschmutzt oder nicht besonders schön. Dann wollen wir unser bestes geben, damit es schöner wird und deutlicher den Weg zu Jesus zeigt, damit sichtbar wird, was wir mit Jesus bei Gott erleben. Das soll sichtbar werden. Und das gilt besonders für alle, die für andere Menschen Verantwortung tragen, wie zum Beispiel Lehrer und Vorgesetzte, aber ganz besonders auch für Eltern und Paten.
Wir haben es dann mit Menschen zu tun, die Gott uns anvertraut, damit wir uns stellvertretend für Gott um sie kümmern, ihnen helfen, ihre Gaben und Fähigkeiten zu entfalten und ihnen Werte mitgeben, damit sie selbstständig zu einem erfüllten und sinnvollen Leben finden.
Dabei dürfen wir uns aber auch nicht überschätzen, denn wir können das nicht aus uns heraus. Dafür sind wir selbst viel zu fehlerhaft. Wir können nicht die Lebenserfüllung für andere Menschen sein, auch nicht für unsere Kinder und auch nicht immer den richtigen Weg zeigen. Bestenfalls können wir und das sollen wir möglichst gute Hinweisschilder auf Jesus, bzw. Gott sein, anderen Menschen ein bisschen Himmel in ihr Leben bringen, und dafür sollen wir unser Bestes geben.