Predigt zu Matthäus 27, 33-54 am Karfreitag
33 Und als sie an die Stätte kamen mit Namen Golgatha, das heißt: Schädelstätte, 34 gaben sie ihm Wein zu trinken mit Galle vermischt; und da er’s schmeckte, wollte er nicht trinken. 35 Als sie ihn aber gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider und warfen das Los darum. 36 Und sie saßen da und bewachten ihn. 37 Und oben über sein Haupt setzten sie eine Aufschrift mit der Ursache seines Todes: Dies ist Jesus, der Juden König. 38 Da wurden zwei Räuber mit ihm gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken. 39 Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe 40 und sprachen: Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz! 41 Desgleichen spotteten auch die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen: 42 Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Er ist der König von Israel, er steige nun herab vom Kreuz. Dann wollen wir an ihn glauben. 43 Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn. 44 Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren. 45 Von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. 46 Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? 47 Einige aber, die da standen, als sie das hörten, sprachen sie: Der ruft nach Elia. 48 Und sogleich lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm und füllte ihn mit Essig und steckte ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken. 49 Die andern aber sprachen: Halt, lasst uns sehen, ob Elia komme und ihm helfe! 50 Aber Jesus schrie abermals laut und verschied. 51 Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus. Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, 52 und die Gräber taten sich auf und viele Leiber der entschlafenen Heiligen standen auf 53 und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen. 54 Als aber der Hauptmann und die mit ihm Jesus bewachten das Erdbeben sahen und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!
Was für eine Geschichte des Leidens, die Jesus hier durchleben muss!
Wenn man das in einem Film sieht, wird das physische Leiden Jesu noch deutlicher.
Und dann noch die Fülle an Verspottungen und Lästereien:
V 35 Noch vor dem Tod wird das Erbe aufgeteilt
V 37 Sie setzen eine Überschrift über das Kreuz „INRI“, Jesus, Nazaräner, König der Juden, so als ob er sich diesen Titel angemaßt hätte und nun die Quittung dafür bekommt.
V 38 Zusammen mit Räubern wird er gekreuzigt; als sei er einer von ihnen.
V 39 Die Passanten spotten und zeigen ihr Unverständnis: „Hilf dir selbst, wenn du Gottes Sohn bist“ rufen sie, um deutlich zu machen, dass er der Sohn Gottes nicht sein kann.
V 41 Der Hohepriester, die Schriftgelehrte und Ältesten sehen sich in ihrem Handeln gerechtfertigt, weil er ja anscheinend keine besondere Macht hat, um sich selbst zu helfen.
V 44 Sogar die Räuber spotten über ihn
V49 Und kurz vor seinem Tod spotten sie über seinen Todesschrei „Lass sehen, ob Elia kommt und ihm hilft.“
Und was macht Jesus:
Er bleibt ohne Antwort; ohne Bekenntnis, wer er ist; ohne Überzeugungsversuch; ohne Anklage. Scheinbar machtlos hängt er am Kreuz und tut nichts. Für die Spötter ist sein Verhalten eine Bestätigung ihrer Meinung über ihn: Das soll der Erwählte Gottes sein, der den Menschen Heil und Frieden bringt, der Sohn Gottes? Jesus heißt: „Gott mit uns.“ Nichts von alledem ist zu sehen. Er hätte mit seiner Macht schon die Gefangennahme verhindern können, das ganze Leid und den Spott, während er gefangen war, und erst recht die Kreuzigung.
Er nimmt das alles freiwillig auf sich, um unsere Schuld zu ertragen, denn so, wie wir es hier sehen, gehen wir mit Jesus um – Sie und ich:
Was Jesus uns gibt, nehmen wir gerne: Trost, Halt, Liebe, Vergebung, ewiges Leben. Wir teilen es auf mit anderen, so wie die Soldaten sein Erbe aufteilen, aber wie viel kümmern wir uns sonst um Jesus. Wären wir bereit, mit ihm zu leiden und zu sterben?
Bewachen wir Jesus nicht auch oft, so dass er tot und ohnmächtig bleibt und die Kraft seiner Auferstehung in unserem Leben nicht zum Zug kommt, uns nicht verändern kann?
Wir sehen ihn als König, als Sohn Gottes, aber leben wir auch so? Leben wir nicht häufig so, als wären andere Dinge oder Menschen viel wichtiger und entscheidender?
Wie oft erklären wir Jesus zum Räuber, wenn wir denken, wenn ich mich ganz nach Jesu Wort richte, dann verliere ich etwas Wichtiges für mein Leben. Jesus nimmt mir Glück und Freude. Warum sonst gehen wir eigene Wege, die nicht Gottes Wege sind.
Wir nehmen seine Wunder und seine Hilfe gerne entgegen, aber wenn er seine Macht nicht so zeigt, wie wir es wollen, dann klagen wir ihn an: Warum tut Gott nichts? Wie kann Gott Liebe sein, wenn er das zulässt?
Wir tun das wie die Verbrecher, die mit Jesus gekreuzigt wurden. Wir tun es als die eigentlich Schuldigen und wälzen unsere Schuld auf Gott ab.
Das Leid Jesu am Kreuz ist nicht nur das Leid von damals, sondern ist das Leid, das wir ihm immer wieder zufügen durch unsere Worte, Taten und Gedanken. Im Gekreuzigten sehen wir unsere Taten.
Jesus wehrt das nicht ab, sondern er will es ertragen, erleiden, damit wir ansehen, was wir getan haben, wie wir sind, damit wir im gekreuzigten Jesus unsere Verlorenheit erkennen; damit wir in Jesus die grenzenlose Liebe Gottes zu uns erkennen.
Und wenn wir beides im Gekreuzigten Jesus erkennen und annehmen: unsere Verlorenheit und seine Liebe, dann erfahren wir Vergebung, neues Leben, Gnade.
Dann wird das Kreuz für uns …
zur Demut: Wie können wir bei dieser Schuld noch stolz sein, uns über andere erheben und uns zum Richter über andere oder sogar über Gott machen?
zum Trost: Wir wissen, er kennt alle Tiefen der Einsamkeit, der Verzweiflung und des Leids. Und er ist bei uns, stärkt uns, nimmt uns an die Hand und trägt uns durch, selbst durch unsere Schuld lässt er sich nicht von uns trennen.
zur Hoffnung: Er bringt uns durch alles Leid und selbst durch den Tod in die Ewigkeit. Wir können uns voller Vertrauen in seine Hand geben.
Viele Christen denken: Für Jesus war das ja nicht so schwer wie für uns, denn er war ja Gottes Sohn. Er hatte mehr Kraft und konnte das gelassener ertragen.
Es ist richtig, dass er Gottes Sohn war. Aber in dieser Geschichte wird deutlich, dass er diesen Weg nicht in seiner göttlichen Kraft gegangen ist, sondern nur mit seiner menschlichen Kraft: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“, sagt jesus Christus am Kreuz. Er war nicht nur von Menschen verlassen, sondern ist auch ohne Gott, ohne seine göttliche Kraft gewesen. Ganz als Mensch wie du und ich ist er diesen Weg im Gehorsam gegen Gott gegangen.
Jesus musste das alles ganz als Mensch durchstehen, um uns zu zeigen, wie Gott sich den Menschen vorstellt, der nicht von Sünde, Tod und Teufel beherrscht wird: in der völligen Hingabe an Gott mit dem ganzen Leben; im völligen Gehorsam gegen Gott und in der völligen Liebe zu Gott.
Jesus ist diesen Weg freiwillig gegangen in völliger Hingabe an Gott, in völligem Gehorsam, in völliger Liebe um unseretwillen, weil wir schuldig sind; für uns, damit wir Vergebung und neues Leben empfangen können.
Denn das hier in Jesus die Rettung für uns Menschen geschieht, das bestätigt Gott ganz und gar in der Auferstehung Jesu am Ostertag, aber er bestätigt es schon hier durch viele mächtige Zeichen.
In V 51 heißt es, dass der Vorhang im Tempel, der den Zugang zum Allerheiligsten verdeckte, zerriss. Gott zeigt, dass wir durch Jesu Leiden, Sterben und Auferstehen einen freien Zugang zu ihm haben. Und in V 51 und V 52 lesen wir von einem Erdbeben, das die Gräber öffnete, so dass die Heiligen, die Gott in ihrem Leben treu gedient hatten, von den Toten auferstanden und vielen Menschen erschienen sind.
Diese Zeichen machen schon am Kreuz deutlich, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Ein Heide, der römische Hauptmann, erkennt es zuerst und bekennt: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen.“
Wenn wir heute das alles sehen und auf das Kreuz Jesu schauen, können wir dann anders,
als dankbar und demütig vor dem Kreuz Jesu nieder zu knien,
als nun voller Zuversicht und Hoffnung auf das wunderbare Ziel der Ewigkeit zugehen und das Leid dieser Welt zu ertragen,
als voller Sehnsucht eines zu wünschen: unser Leben Jesus zu geben in völliger Hingabe mit allem, was wir sind und haben, in völligem Gehorsam und in völliger Liebe in allen Bereichen unseres Lebens?
So wie Paulus es im Brief an die Philipper 3, 10 schreibt: „Ich möchte nichts anderes mehr kennen als Christus, damit ich die Kraft seiner Auferstehung erfahre. Ich teile mit ihm sein Leiden und seinen Tod, in der Hoffnung, dass ich wie er zur Auferstehung der Toten gelange.“