Predigt zu Philipper 2, 12-13 am 2. Sonntag nach Epiphanias
12 Meine Lieben! Ihr habt doch immer auf mich gehört. Tut es nicht nur, wenn ich unter euch anwesend bin, sondern jetzt erst recht, da ich fern von euch bin. Arbeitet an euch selbst mit Furcht und Zittern, damit ihr gerettet werdet! 13 Ihr könnt es, denn Gott selbst bewirkt in euch nicht nur das Wollen, sondern auch das Vollbringen, so wie es ihm gefällt.
Wenn es um unseren Glauben geht, dann sind wir oft mit der Frage beschäftigt, wie es uns hier im Leben geht,
ob der Glaube uns mehr Glück und Lebensqualität, mehr Frieden und Freude bringt und ob er uns bei Krankheit und anderen Problemen hilft. Um diese Dinge dreht sich oft der Hauptinhalt unserer Gebete und manchmal machen wir daran auch fest, ob Gott uns wohlgesonnen und gut zu uns ist. In schweren Zeiten fragen wir dann: Gott, wo bist du und zweifeln an seiner Liebe zu uns.
Das Ziel des Glaubens liegt aber nicht in dieser Welt, nicht darin, dass es uns hier gut geht, sondern das Ziel des Glaubens ist die Ewigkeit, die ewige Erlösung.
Darum geht es Paulus in unseren Versen aus dem Philipperbrief. Alles, was wir im Leben haben können, kann uns hier das Leben erleichtern, aber in Bezug auf die Ewigkeit kann es für uns gut oder schlecht sein: Reichtum kann Segen und eine Gabe sein, er kann uns aber auch von Gott wegbringen. Ebenso ist es mit Gesundheit, unserer Kraft, gute menschliche Beziehungen, Anerkennung und anderen Dingen.
Wie es uns hier im Leben ergeht ist kein Zeichen für Segen oder Fluch.
Es gibt Reiche und Arme, Gesunde und Kranke, öffentlich Anerkannte und Unbeachtete oder schlecht Angesehene, die in die Ewigkeit kommen und die verloren gehen. Gott hat uns hier nicht das Paradies versprochen, und den Christen kein besseres Leben. Daran, wie es uns hier ergeht, sehen wir nicht, ob Gott uns liebt oder nicht, sondern Gottes Liebe sehen wir in Jesus, und die Verheißung, dass alles gut sein wird, haben wir für die Ewigkeit.
Dieses Leben ist der Weg dorthin. Wir sind unterwegs, und auf diesem Weg hier sollen wir alles dafür tun, dass wir dorthin kommen, denn, so sagt Paulus, Gott hat alles dafür getan und wird alles dafür tun.
Das ist scheinbar ein Widerspruch: Gott tut alles, und wir sollen uns mit aller Kraft bemühen.
Um diese Frage wurde unter Theologen viel gestritten, und gerade die Reformation ist dagegen angegangen, dass wir mit unserem Bemühen durch gute Werke die Erlösung gewinnen können. So wurde es vorher oft gepredigt. Dann gibt es das andere Extrem, das besagt, dass wir gar nichts tun können und brauchen, sondern Gott schon alles getan und es uns in der Taufe zugesprochen hat. Damit sind wir gerettet.
Aber sind Gottes Tun und unser Tun ein Gegensatz?
Die Bibel sieht es nicht als Gegensatz. Sie betont an vielen Stellen, dass wir allein aus Gottes Gnade gerettet werden. Gleichzeitig wird uns in vielen Abschnitten gesagt, was wir tun sollen, so zum Beispiel, wenn Jesus alle Gebote zusammenfasst im Doppel-, bzw. Dreifachgebot der Liebe in Matthäus 22, 35-40: „35 Und einer von ihnen, ein Lehrer des Gesetzes, versuchte ihn und fragte: 36 Meister, welches ist das höchste Gebot im Gesetz? 37 Jesus aber sprach zu ihm: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt[2]« 38 Dies ist das höchste und erste Gebot. 39 Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« 40 In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ Wie bei vielen anderen Geboten braucht Jesus hier auch das Wort „sollen“. Auch die Reformatoren haben Gottes Tun und unser Tun nicht als Gegensatz gesehen, sondern beides gehört für sie zusammen.
Wie ist das zu verstehen?
Ich will versuchen, es mit ein paar Vergleichen zu verdeutlichen:
Wenn ich den Auftrag bekomme, mit 1 Million Euro etwas Sinnvolles zu tun, dann muss ich sagen: Das ist eine nette Idee, aber ich kann es nicht, denn ich habe keine Million. Wenn mir aber jemand 1 Million Euro schenkt, dann wird der Auftrag sinnvoll und ich kann mich darum bemühen, denn nun habe ich die Möglichkeit dazu. Ich weiß dann, ich darf damit nicht leichtfertig umgehen.
Sagen Sie einem Ledigen, er soll eine gute Ehe leben, er kann es nicht.
Ich kann auch nicht durch eine Wand hindurchgehen, wenn dort keine Tür ist. Wenn dort aber eine Tür ist kann ich hindurchgehen und muss es, wenn ich das Zimmer verlassen will.
Erst wenn ich die Voraussetzung habe, kann ich mich um etwas bemühen.
Darum steht am Anfang der ewigen Rettung, des Glaubens immer ganz allein die Gnade Gottes, Gottes Tun. Ohne ihn können wir gar nichts bewirken. So sagt Jesus es in Johannes 15, 5: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“
Es ist Gnade,
dass Gott uns die Sünden vergibt, weil Christus für uns gestorben ist. Es ist Gnade, dass Gott zu uns redet mit Verheißungen, Trostworten und Worten für eine gute Orientierung. Es ist Gnade, dass Gott bei uns sein will mit seinem Segen und Schutz und uns viele Gaben in unserem Leben schenkt. Es ist Gnade, dass Gott uns durch seinen Heiligen Geist den Glauben an ihn schenkt und uns erneuert. Es ist Gnade, dass Gott in uns das Wollen bewirkt, dass wir ihm nachfolgen, und dass er das Vollbringen bewirkt, dass wir einmal in die Ewigkeit kommen.
Alles, was Gott uns für dieses Leben und für die Ewigkeit schenkt ist Gnade, ein unverdientes Geschenk. Wir haben auf nichts einen Anspruch!
Dennoch sollen wir nun auch alles tun und nicht müde oder nachlässig werden.
Es ist Gnade, wenn Gott uns von einem verkehrten Weg auf den richtigen setzt, aber nun sollen wir auch auf dem richtigen Weg gehen. Es ist Gnade, wenn Gott uns seine Gemeinschaft schenkt, aber nun sollen wir die Gemeinschaft mit ihm auch pflegen durch Gebet und Hören auf sein Wort. Es ist Gnade, wenn Gott uns Schwestern und Brüder im Glauben schenkt, aber nun sollen wir die Gemeinschaft mit ihnen auch pflegen. Es ist Gnade, wenn Gott uns anfüllt mit der Kraft des Heiligen Geistes, aber nun sollen wir auch in dieser Kraft leben und mit der Quelle verbunden bleiben.
Es wäre ja auch schlimm, wenn wir die Gnade und die Liebe Gottes hinnehmen würden, ohne eine Reaktion zu zeigen.
Wir können doch nicht anders, als angesichts der Gnade demütig in die Knie gehen, ihn dafür loben und preisen und mit unserem ganzen Leben alles für unseren Herrn tun und ihn von ganzem Herzen wiederzulieben.
Wir können Gott nichts wieder geben mit unserer Liebe, unserem Lob, unserem Tun, denn das ist alles viel zu wenig, aber es ist doch die einzig angemessene Reaktion auf Gottes Tun.
Die Gnade Gottes ist für uns kein Ruhekissen der Bequemlichkeit, sondern sie ist ein Feuer, das uns anzündet und in Bewegung setzt, um an Christus festzuhalten und ihm nachzufolgen. Denn Christus ist der Einzige, der uns an das Ziel bringen kann in die Ewigkeit.
Aber Christus lässt uns auf dem Weg zur Ewigkeit nicht allein, sondern er begleitet uns, füllt uns an mit der Kraft seines Heiligen Geistes und gibt uns ganz konkrete Hilfsmittel an die Hand,
um uns eng mit ihm zu verbinden, damit wir so das Ziel erreichen und seine Liebe hier im Leben erfahren.
Ein Hilfsmittel ist die Bibel, wo wir den Zuspruch der Gnade Gottes hören und unser Herz damit anfüllen lassen können, und wo uns gezeigt wird, wie unser Bemühen, Tun und Schaffen aussehen soll. So zeigt uns die Bibel den Weg in die Ewigkeit.
Das andere Hilfsmittel ist das Gebet, durch das wir die tägliche, ständige Verbindung mit ihm aufrechterhalten, Lasten abgeben, Sorgen mitteilen, um Kraft für das Leben bitten und im Hören und in der Stille seine Gegenwart spüren können.
Weitere Hilfsmittel sind das Abendmahl als eine himmlische Nahrung und die Gemeinschaft der Christen, die sich gegenseitig auf dem Weg stärken können.