Predigt zu Johannes 8, 21 – 26 am Sonntag Reminiszere
Jesus! Den kennen wir! Wir wissen, wie er ist:
barmherzig, verständnisvoll, lieb und freundlich, nachsichtig, er vergibt und hilft, wenn wir ihn brauchen. So mögen wir ihn, und gerade wegen dieser Eigenschaften glauben viele an ihn.
Nun lesen wir aber heute diesen Abschnitt aus der Bibel:
21 Jesus sagte noch einmal zu ihnen: »Ich werde fortgehen. Dann werdet ihr vergeblich nach mir suchen und in eurem Unglauben zugrunde gehen. Wo ich hingehe, dorthin könnt ihr nicht kommen.« 22 Die Leute meinten: »Wenn er sagt: ›Wo ich hingehe, dorthin könnt ihr nicht kommen‹ – heißt das, dass er Selbstmord begehen will?« 23 Jesus antwortete: »Ihr seid von hier unten, aber ich komme von oben. Ihr gehört zu dieser Welt, aber ich bin nicht von dieser Welt. 24 Ich habe es euch ja gesagt, dass ihr in eurem Unglauben zugrunde gehen werdet. Ich bin der, an dem sich alles entscheidet. Wenn ihr das nicht glauben wollt, werdet ihr in eurem Unglauben zugrunde gehen.« 25 »Du? Wer bist du denn?«, fragten sie ihn. Jesus antwortete: »Was rede ich überhaupt noch zu euch? 26 Ich hätte zwar vieles über euch zu sagen und allen Grund, euch zu verurteilen; aber der, der mich gesandt hat, steht zu seinen Zusagen; und ich sage der Welt nur das, was ich bei ihm gehört habe.
Das ist nicht nett! Hart und deutlich geht Jesus mit seinen Zuhörern um,
den Theologen, Juristen, Pharisäern, anständigen und rechtschaffenen Personen seiner Zeit, und sagt ihnen: Ihr werdet in eurem Unglauben zugrunde gehen, denn ihr seid von unten, von dieser Welt und werdet in „euren Sünden sterben“, wie Luther es übersetzt. Man kann sich vorstellen, dass die Leute ärgerlich wurden über Jesus. Sie werden hier scheinbar herabgewürdigt und wie nichts behandelt. Sie fragen doch zu Recht: Wer bist du denn, dass du so reden darfst? Hätte Jesus nicht ein bisschen freundlicher und diplomatischer sein können? Wenn er so auftritt, muss er sich doch nicht wundern, wenn es Ärger und Streit gibt.
Stellen wir uns vor, Jesus würde so in einem Gottesdienst auftreten und sagen:
ihr seid alle falsch, aus euch wird nichts und kann nichts werden. Was man über euch sagen kann, ist, dass ihr sündig seid und untergehen werdet, denn ihr seid von unten, von dieser Welt, nur ich bin richtig, nur ich komme ans Ziel zu Gott. Würden wir nicht auch sagen: Was bildest du dir ein, so mit uns zu reden? Du bist überdreht. Und Jesus würde antworten: Ich bin der, an dem sich alles entscheidet, ob ihr zugrunde geht oder Gott findet und Leben aus der Ewigkeit bekommt.
Kann man mit so einem Jesus heute noch kommen, hart und direkt, entweder – oder?
Sagt man nicht heute, dass es egal ist, welche Religion man hat und wie man lebt? Es ist doch alles das Gleiche, man weiß es ja nicht so genau. Modern ist heute „Patchwork-Religion“, das heißt man baut sich selbst einen Flickenteppich aus verschiedenen Religionen zusammen, und jeder nimmt von allem ein bisschen, wie es ihm gefällt; ein bisschen Bibel, ein bisschen eigene Ideen, ein bisschen Philosophie, ein bisschen Esoterik, etwas fernöstliches Gedankengut und stellt dann daraus eine persönliche Mischung her. Hauptsache man wird glücklich. Jeder wird nach seiner Fasson selig. Das ist modern, aufgeschlossen, tolerant. Es muss nur irgendwie nett sein und gefallen.
Was ist aber, wenn das falsch ist, was heute als modern gilt, und wenn Jesus recht hat, wenn er sagt:
Ihr seid von unten, euer Denken, eure Ideen zur Lebensgestaltung, was ihr für wichtig und richtig haltet, die Ziele, die ihr verfolgt, womit ihr euer Leben anfüllt, das ist alles nur menschlich, unvollkommen, falsch und damit findet ihr nicht das richtige Leben, sondern ihr werdet scheitern. Selbst mit euren religiösen Ansichten und eurem Tun kommt ihr keinen Schritt weiter. Nur ich sage und zeige euch die Wahrheit.
Wie sollen wir das verstehen?
Wenn wir als Menschen etwas beurteilen, ob es gut oder schlecht ist, vergleichen wir es mit anderen Dingen, die wir aus unserer Welt kennen,
mit Menschen, Gruppen, Berufen, Kleidung, Computer, Smartphone, Aussehen und anderen Dingen. Je nachdem, was uns wichtig ist, ob Erfolg, Schönheit, Spaß, Geld, Bildung, Benehmen, dann vergleichen wir alles daran und beurteilen es entsprechend. So können wir auch die Religionen untereinander vergleichen nach moralischen Gesichtspunkten, wie sie uns im alltäglichen Leben nützlich sein können, was uns einfach gefällt und einleuchtender erscheint oder was für die Gesellschaft vorteilhaft erscheint. Und dann kommt dabei heraus, dass hier das eine und da das andere besser erscheint, und der eine dieses oder jenes besser findet, je nachdem, was wichtig ist.
Wir vergleichen untereinander alles auf der horizontalen, weltlichen Ebene. Und auf dieser Ebene kann man sagen: Jeder soll auf seine Art glücklich werden. Es ist doch egal.
Jesus vergleicht unser Denken, unsere Ziele, die Lebensgestaltung und die religiöse Haltung mit dem, was in Gottes Welt gilt, was es da gibt, mit Gott selbst, also vertikal.
Und da kommt heraus, dass nichts von dem, was von der Welt, von unten, ist, da mithalten kann. Und wir haben von uns aus keine Chance an Gottes Welt heranzukommen. Wir sind getrennt von der göttlichen Welt und allem, was es bei Gott gibt. Jesus macht allen klar, dass er der Einzige ist, der mit Gott eins ist, der genau das sagt und tut, was Gott will, und der auch als einziger dahin zurückkehren kann, weil nur er den Weg zu Gott kennt. Deutlicher kann man es nicht sagen: Es gibt keine Chance für euch alle, sondern nur Jesus ist der Weg zu Gott.
Jesus ist hier hart, aber gerade in seiner Härte und Deutlichkeit zeigt er sich barmherzig.
Es geht ihm nicht darum, uns zu verurteilen oder schlecht zu machen, sondern er will deutlich machen, dass wir auf dem „Holzweg“ sind und in die falsche Richtung gehen, wenn wir meinen, dass wir mit unseren Meinungen und Vorstellungen und dem, was die Welt bietet an materiellen Dingen, religiösen und philosophischen Vorstellungen und unserer eigenen Kraft das wahre Leben finden können, sondern dass wir damit zugrunde gehen werden.
Jesus schmiert uns keinen Honig um den Bart.
Es geht ihm nicht darum, dass wir ihn nett finden, sondern wir sollen erkennen, in welcher ausweglosen Situation wir uns befinden, wenn wir ohne Gott sind und dass wir bei ihm an der richtigen Stelle sind, um das wahre Leben zu suchen.
Jesus öffnet uns eine Lücke, durch die wir zu Gott kommen können und ein Leben finden, das von der Ewigkeit geprägt wird und in Ewigkeit bleibt.
In Vers 24 sagt er: „Ich bin der, an dem sich alles entscheidet. Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, dann bleibt ihr, wo ihr seid und werdet in eurem Unglauben zugrunde gehen.“ Aber wenn ihr glaubt, dass ich eins mit Gott bin, dann werdet ihr gerettet.
Der Theologe Karl Barth bezeichnet Christus ist das Nadelöhr Gottes. Mitten in der Vielfalt der Welt, den vielen Angeboten, ist Christus der einzige Weg, die kleine Öffnung zu Gott und damit zum wahren Leben, zum wahren Halt, zur wahren Hoffnung und zum wahren Sinn, zum ewigen Leben. Jesus sagt in Johannes 14, 6 von sich: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“
Wenn das wahr ist, dann müssen wir da auch durch.
Da nützt uns unser selbst gebauter Glaube nichts, auch wenn es modern oder klug aussieht. Da hilft uns auch alles andere nicht, was uns im Leben wichtig erscheint.
Da müssen wir hin zu Christus, ihm glauben, ihm vertrauen, auf ihn hören und tun, was er sagt!