Predigt zu Römer 7, 14-25 am 11. Sonntag nach Trinitatis
14 Es steht außer Frage: Das Gesetz ist »geistlich«, es kommt von Gott. Wir aber sind »fleischlich«, das heißt schwache Menschen, der Macht der Sünde ausgeliefert. 15 Wir sind uns nicht im Klaren darüber, was wir anrichten. Wir tun nämlich nicht, was wir eigentlich wollen, sondern das, was wir verabscheuen. 16 Wenn wir aber das Böse, das wir tun, gar nicht tun wollen, dann beweist das, dass wir dem Gesetz zustimmen und seine Forderungen als berechtigt anerkennen. 17 Nicht wir sind es also, die das Böse tun, vielmehr tut es die Sünde, die sich in uns eingenistet hat. 18 Wir wissen genau: In uns selbst, so wie wir der Sünde ausgeliefert sind, lebt nicht die Kraft zum Guten. Wir bringen es zwar fertig, uns das Gute vorzunehmen; aber wir sind zu schwach, es auszuführen. 19 Wir tun nicht das Gute, das wir wollen, sondern gerade das Böse, das wir nicht wollen. 20 Wenn wir aber tun, was wir gar nicht wollen, dann verfügen nicht wir selbst über uns, sondern die Sünde, die sich in uns eingenistet hat. 21 Wir finden demnach unser Leben von folgender Gesetzmäßigkeit bestimmt: Ich will das Gute tun, bringe aber nur Böses zustande. 22 In meinem Innern stimme ich dem Gesetz Gottes freudig zu. 23 Aber in meinen Gliedern, in meinem ganzen Verhalten, sehe ich ein anderes Gesetz am Werk. Dieses Gesetz liegt im Streit mit dem Gesetz, das ich innerlich bejahe, und macht mich zu seinem Gefangenen. Es ist das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern regiert und mir mein Verhalten diktiert. 24 Ich unglückseliger Mensch! Wer rettet mich aus dieser tödlichen Verstrickung? 25 Gott sei gedankt durch Jesus Christus, unseren Herrn: Er hat es getan! Nun diene also ich, ein und derselbe Mensch, mit meinem bewussten Streben dem Gesetz Gottes, aber mit meinen Gliedern dem Gesetz der Sünde.
Paulus schreibt in Vers 15+19: „Ich tue nicht eigentlich das Gute, was ich will, sondern das Böse, das ich nicht will.“
Diese Erfahrung machen wir auch manchmal oder öfter. Dann kennen wir uns selbst nicht wieder. Andere wieder haben damit überhaupt kein Problem. Sie denken, sie tun immer das Gute. Und manchmal ist es vielleicht auch bei uns so.
Doch die Frage ist: Was ist das Gute? Was ist gut?
Ich will ihnen eine kleine Beispielgeschichte von einer Frau erzählen:
Sie lebt mit einem Freund zusammen und hat gleichzeitig eine sexuelle Beziehung zu einem anderen. Dann wird sie schwanger. Einige Zeit später überfährt sie mit ihrem Auto einen Mann und begeht Fahrerflucht. Ihr Freund nimmt die Schuld auf sich und geht dafür 18 Monate ins Gefängnis, damit das Kind eine Mutter hat. Sie zieht daraufhin mit dem anderen Mann zusammen und sagt, das Kind sei von ihm und lässt ihn als Vater eintragen. Ihren Freund im Gefängnis besucht sie nie. Nach 18 Monaten kommt der Freund aus dem Gefängnis und will nun mit Freundin und Kind als Familie leben und erlebt die große Überraschung. Aus Angst, dieser Freund könnte sie jetzt anzeigen, beschließt sie, zu diesem zurückzukehren, obwohl das Kind angeblich vom anderen Mann ist. Schließlich stellt sich heraus, dass das Kind doch von diesem Freund ist. Am Ende wollen beide Männer sich zwar noch um das Kind kümmern, aber mit ihr nichts mehr zu tun haben. Die Frau versteht überhaupt nicht, was sie falsch gemacht haben soll, denn so sagt sie: Ich wollte doch nur das Beste für mein Kind.
Sie hat nach Ihrer Überzeugung das Gute getan, was sie wollte. Nach ihrer Ansicht war das Gute das, was ihr und den ihr am nächsten stehenden Menschen, ihrem Kind, nützte.
Das ist eine weit verbreitete Auffassung. Wer nach dieser Auffassung lebt, der wird aber mit Paulus wenig anfangen können.
Diese Lebensweise „Gut ist, was mir oder einem mir wichtigen Menschen nützt“, würde Paulus als irdische Gesinnung“, „fleischliche Gesinnung“ oder „Leben nach dem Fleisch“ bezeichnen. Denn mit dieser Lebensweise machen wir uns zum Mittelpunkt und Maßstab und können so alles, was wir tun, rechtfertigen, eben auch Lügen, Unzuverlässigkeit, Untreue und Ungerechtigkeit. Sie steht für Paulus im Gegensatz zu dem, was Gott will, seinen Geboten, der geistlichen Gesinnung.
Gottes Wille wird uns in der Bibel gezeigt,
zum Beispiel in den 10 Geboten, in den Reden und Taten Jesu oder auch in den Briefen des Neuen Testaments. Es würde zu weit führen, jetzt alles im Einzelnen aufzuzählen. Zusammengefasst wird Gottes Wille im Doppelgebot der Liebe in Matthäus 22, 34-37. Man könnte es auch das Dreifachgebot der Liebe nennen. Denn die Liebe geht zu Gott, zu mir und zum Nächsten, und die Betonung liegt hier auf „ganz“!
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt…Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Die Liebe ist nicht mit Sympathie, jemand gerne mögen, zu verwechseln, sondern Liebe bedeutet, für den anderen im Sinne Gottes das Beste wollen und tun. Wir sehen, was Gott will, im Leben Jesu in seiner Beziehung zu Gott, seinem grenzenlosen Vertrauen in den himmlischen Vater, wie er mit anderen umgeht, wie er sich selbst hingibt an Gott und für die Menschen. Er, Jesus, ist das Ebenbild Gottes, so wie Gott sich den Menschen vorgestellt hat. Wenn wir auf ihn schauen, können wir erkennen, was wir tun und lassen sollen.
Was Paulus hier sagt, können wir nur verstehen, wenn wir das, was Gott will, und was er uns in Jesus zeigt, als das Gute anerkennen,
unser Gewissen davon prägen lassen und Gott als Mittelpunkt und Maßstab unseres Lebens haben. Daran scheitern heute viele Menschen, wenn es um den Glauben geht.
Wenn wir für gut halten, was uns nützt, dann werden wir hoffen, dass Gott uns dabei hilft, dass wir das bekommen und alles sich so im Leben regelt.
Aber Gott tut nicht immer das, was wir wollen, weil er vielleicht etwas anderes für gut hält. Die Folge ist dann, dass wir enttäuscht von Gott sind und uns womöglich von ihm abwenden.
Gott will etwas anderes:
Er will nicht, dass sich das in unserem Leben erfüllt, was wir für gut halten, sondern was er für gut hält. Er will uns in sein Ebenbild verwandeln, dass wir für ihn leben, in seiner Liebe leben und so zum Segen für andere Menschen werden. Dabei will Gott uns helfen, und wenn wir ihn darum bitten, dann hilft er uns.
Gehen wir jetzt davon aus, dass wir in vollem Umfang das als das Gute ansehen, was Gott will und dass wir das auch von ganzem Herzen tun wollen.
Dann wird dieser Text klarer. In Vers 16 + 22 schreibt Paulus, dass er das Gesetz Gottes anerkennt, also das, was in den Augen Gottes gut ist. In Vers 15 + 19 sagt er aber, dass er es trotzdem nicht tut. Wir tun es nicht, obwohl wir es wollen, so zu sein, wie Gott s sich vorstellt und wie er es in Jesus gezeigt hat.
Es besteht ein ständiger Kampf zwischen dem, was Gott für gut hält und dem, was wir dann doch wieder aus einem anderen Antrieb heraus tun. (Vers 23a)
Warum besteht dieser ständige innere Kampf?
Paulus antwortet in Vers 17 + 23b: Das liegt an der Macht der Sünde.
Sünde ist für Paulus nicht die einzelne falsche Tat. So wird es heute vielfach falsch gesehen. Sünde ist eine Macht, die mich zur falschen Tat treibt und ein Sünder ist der, der sich davon treiben lässt. Es ist die Macht, die uns dazu zwingt, zuerst an uns zu denken, für uns zu kämpfen aus der Angst heraus, dass wir sonst untergehen, weil sonst keiner für uns kämpft. Die Bibel sagt: Das ist die Situation in der Trennung von Gott. Dort müssen wir für uns kämpfen, weil wir das Vertrauen verloren haben, dass Gott für uns sorgt.
In dieser Situation der Trennung von Gott, dem Misstrauen gegenüber Gott, dem Kampf für uns selbst, sind wir gefangen. Wir leben unter der Macht der Sünde. Diese Macht führt uns nicht zu Gott, sondern von Gott weg. Sie führt uns auch nicht in die Ewigkeit zu Gott, sondern in den Tod, in die Trennung von Gott, in die Hölle, zum Teufel. Wir können uns aus eigener Kraft nicht daraus befreien.
So klagt Paulus in Vers 24: Ich bin hoffnungslos verloren. Wer kann mich daraus erretten?
Aber in Vers 25 findet er die Antwort: „Gott sei gedankt durch Jesus Christus, unseren Herrn: Er hat es getan!“
Durch Christus wird der Wechsel von einem Leben unter der Macht der Sünde, der Gottesferne zu einem Leben in der Gemeinschaft mit Gott und in der Kraft Gottes möglich.
Gott hat es getan, durch Christus, für Paulus, für mich, für Sie, für uns.
Das ist die Liebe, Gnade, Barmherzigkeit Gottes. Das ist Vergebung Gottes! Bei der Vergebung geht es nicht darum, dass über ein paar schlechten Taten gesagt wird: Macht nichts, und jetzt mach so weiter, streng dich ein bisschen an. Sondern Gott schenkt uns einen wirklichen Neuanfang, der nicht mehr von der Macht der Gottesferne, der Sünde bestimmt wird, vom Kampf, sondern von der Kraft Gottes unter seiner Herrschaft. Es ist ein Wechsel der Herrschaft in unserem Leben, zu Gott hin.
Unsere Aufgabe besteht darin, uns ständig wieder unter Gottes Herrschaft zu stellen, damit wir durch seine Kraft verwandelt werden können, hin zum Ebenbild Gottes.
So ist Christus für uns der Schlüssel in unserem Leben.
Er ist für uns, die gute Orientierung; der Richter, von dem wir unser Leben zurechtbringen lassen; der Retter aus der Gefangenschaft zu einem Leben mit Gott; die Kraftquelle für ein erneuertes Leben.