Predigt zu Jesaja 40,1-11 am 3. Advent
1 »Tröstet, tröstet mein Volk!«, sagt euer Gott. 2 »Sprecht den Leuten aus Jerusalem Mut zu, sagt zu ihnen: ›Eure Gefangenschaft ist zu Ende! Eure Schuld ist abgebüßt! Ihr habt vom Herrn die volle Strafe für eure Vergehen empfangen; jetzt ist alles beglichen!‹« 3 Hört, jemand ruft: »Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste, baut eine Straße für unseren Gott! 4 Füllt die Täler auf, ebnet Berge und Hügel ein, räumt alle Hindernisse aus dem Weg! 5 Der Herr wird kommen in seiner ganzen Herrlichkeit und alle Menschen werden es sehen. Der Herr selbst hat das gesagt.« 6 Ich hörte eine Stimme sagen: »Rede zu deinem Volk!« »Was soll ich denn sagen?«, fragte ich. »Alle Menschen sind vergänglich wie das Gras. Auch wenn sie noch so gerecht und treu sind, es ergeht ihnen nicht anders als den Blumen auf der Wiese. 7 Das Gras verdorrt, die Blumen verwelken, wenn der Herr seinen glühenden Atem darüber wehen lässt. Ja, wie Gras ist das Volk!« 8 Da sagte die Stimme: »Das Gras verdorrt, die Blumen verwelken; aber das Wort unseres Gottes bleibt für immer in Kraft.«
9 Steig auf einen hohen Berg, du Freudenbotin Jerusalem! Ruf mit lauter Stimme deine Botschaft aus, du Zionsstadt! Tu es unbesorgt,
hab keine Angst! Sag den Städten Judas: »Euer Gott kommt! 10 Der Herr, der mächtige Gott, kommt als Sieger und herrscht mit starker Hand. Die Siegesbeute, sein Volk, das er befreit hat, zieht vor ihm her. 11 Er führt sein Volk wie ein guter Hirt, der die Lämmer auf seinen Arm nimmt und an seiner Brust trägt und der die Mutterschafe behutsam leitet.«
Das Volk Israel befindet sich in einer schweren, fast ausweglosen Situation.
Sie sind nicht mehr frei, sondern leben in der Gefangenschaft in Babylon, dem heutigen Irak. Dorthin wurden sie von den Babyloniern, einer damals großen Regionalmacht, verschleppt. Nun haben Gottlose die Macht über sie.
Die Lage ist für die Israeliten zum Verzweifeln: Sie können nicht zurück, um ein Volk zu sein und können Gott nicht im Tempel anbeten. Zweifel kommen auf: Ist Gott überhaupt der Herr? Hat er Macht zu helfen? Und wenn er die Macht hat, will er seinem Volk noch helfen oder hat er sein Volk verstoßen?
Kennen Sie Situationen, in denen die Lasten des Lebens groß werden und Sie sich niedergedrückt fühlen mit dem gleichen Zweifel,
zum Beispiel in einer schweren Krankheit, beladen mit großen Problemen oder in Einsamkeit und Verurteilung durch andere. Genauso kann man leiden an der Situation der Kirche. Martin Luther redet „von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“. Auch heute scheint die Kirche gefangen wie von einer verborgenen Macht niedergedrückt zu sein. Es gibt in unserem Leben Situationen, die uns gefangen halten, die verhindern, dass wir frei sind und auch frei und freudig unseren Glauben leben können.
In solchen Situationen kann auch bei uns der Zweifel aufkommen: Ist Gott überhaupt der Herr der Welt? Hat er Macht zu helfen? Will er uns helfen als Einzelne oder als Kirche, oder hat er uns allein gelassen?
In diese Situation hinein kommt die Botschaft unseres Textes: Tröstet mein Volk, die Schuld ist weg, ihr seid frei!
In Vers 5 heißt es: „Der Herr wird kommen in seiner ganzen Herrlichkeit.“ Alles, was euch niederdrücken kann, ist vergänglich. Allein Gottes Wort gilt, heute und in Ewigkeit. Bereitet euch darauf vor, denn der Herr kommt und führt sein Volk aus der Gefangenschaft! Ruft diese Siegesbotschaft aus: Freiheit und Leben siegen, Gott führt sein Volk zusammen. Gott sorgt für sein Volk. Was für eine wunderbare Botschaft!
Man könnte denken, als die Israeliten dies gehört haben, da sind alle in Jubel ausgebrochen, als Jesaja dies sagte, aber viele reagierten völlig anders:
Einige hatten sich nämlich eingerichtet in der Gefangenschaft. Sie wollten gar nicht mehr weg. Es ging ihnen gut. Andere hatten sich schon ganz losgesagt vom Glauben. Das interessierte sie nicht mehr. Wieder andere hatten längst resigniert und waren innerlich tot und einige hielten den Propheten für einen Spinner und Fanatiker. War es nicht sogar gefährlich, wenn die Menschen anfingen zu glauben, dass es etwas Besseres geben könnte als das, was sie bisher kannten? Es war die Gefahr, dass das Volk getrennt werden würde, denn einige würden aufbrechen und andere zurückbleiben. So ist es dann auch passiert.
Doch einige glaubten dieser Botschaft. Sie bekamen neue Hoffnung, neues Vertrauen in Gott, in seine Macht und Treue.
Wie gehen wir mit dieser Botschaft für unser Leben heute um?
Sind bei uns auch alle unterschiedlichen Meinungen wie bei den Israeliten vertreten? Manchmal finden wir sogar in uns selbst die verschiedenen Haltungen. Ich schäme mich manchmal wegen meines Kleinglaubens, wenn ich in solchen Situationen die Hoffnung verliere oder den Glauben an Gottes Treue. Ich bete dann wie der Vater in einer biblischen Geschichte, dessen Kind Jesus heilen sollte: „Herr, ich glaube: Hilf meinem Unglauben!“
Das ist die Frage, wenn wir uns in einer solchen Situation befinden, wo wir gefangen sind, niedergedrückt sind: Arrangieren wir uns und finden uns damit ab? Bauen wir auf einflussreiche und mächtige Menschen, oder halten wir, wenn wir an unsere eigene Situation oder an die Kirche denken, trotz aller widrigen Umstände fest am Glauben, dass Gott der Herr ist, dass er die Macht hat und dass er zu uns steht und seine Verheißung wahr machen wird?
Gott macht seinem Volk Mut zum Durchhalten und gibt ihm Kraft!
Das macht Gott durch seinen Propheten deutlich im selben Kapitel, in den Versen 27 – 31:
27 Ihr Leute von Israel, ihr Nachkommen Jakobs, warum klagt ihr: »Der Herr kümmert sich nicht um uns; unser Gott lässt es zu, dass uns Unrecht geschieht«? 28 Habt ihr denn nicht gehört? Habt ihr nicht begriffen? Der Herr ist Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit, seine Macht reicht über die ganze Erde; er hat sie geschaffen! Er wird nicht müde, seine Kraft lässt nicht nach; seine Weisheit ist tief und unerschöpflich. 29 Er gibt den Müden Kraft und die Schwachen macht er stark. 30 Selbst junge Leute werden kraftlos, die Stärksten erlahmen. 31 Aber alle, die auf den Herrn vertrauen, bekommen immer wieder neue Kraft, es wachsen ihnen Flügel wie dem Adler. Sie gehen und werden nicht müde, sie laufen und brechen nicht zusammen.
Wir haben einen noch größeren Grund, um Mut, Hoffnung und neue Kraft zu bekommen: Jesus Christus selbst.
Gott lässt sein Volk nicht allein. Er lässt Menschen, die zu ihm gehören, nicht allein. Er steht zu seinem Wort, auch heute:
In unseren Texten wird ganz deutlich, dass Gott sagt: „Tröstet meine Menschen, die Schuld ist weg, ihr seid frei!“ und „Der Herr wird kommen in seiner ganzen Herrlichkeit“. Alles, was euch niederdrücken kann, ist vergänglich. Allein Gottes Wort gilt, heute und in Ewigkeit. Bereitet euch darauf vor! Der Herr kommt und führt sein Volk aus der Gefangenschaft! Ruft diese Siegesbotschaft aus: Gott führt sein Volk zusammen. Gott sorgt für sein Volk.
Was für eine Botschaft!
Das Volk Israel hat es erlebt, dass die Befreiung anders kam, als sie es erwartet hatten, aber am Ende wurde sie noch viel größer.
Zunächst wurden sie nach Israel zurückgeführt, konnten den Tempel wiederaufbauen und ihren Glauben frei leben, so wie sie es sich gewünscht hatten, die erhoffte politische Selbständigkeit und Freiheit erlebten sie jedoch nicht wieder. Dafür gab Gott ihnen aber am Ende mit dem Kommen Jesu Christi mehr, als sie sich jemals vorstellen konnten. In Jesus Christus erhielten sie die Verheißung für die Ewigkeit mit der Freiheit von aller Schuld, von aller Anklage, von Krankheit, Problemen und Einsamkeit.
So steht Gott auch bei uns zu seinem Wort und wird uns herausführen aus allem, was uns unterdrückt und bedrückt.
Vielleicht sieht das, was Gott uns gibt ganz anders aus, als wir es erwartet haben, aber er lässt uns nicht allein. Ich habe schon oft erlebt, dass Gott anders gehandelt hat, als ich es erwartet hatte. Es hat mich beschämt wegen meines Kleinglaubens und tief erfreut wegen Gottes Treue und Liebe.
Wenn Sie in einer solchen Situation sind,
dann resignieren und verzweifeln Sie nicht, arrangieren Sie sich nicht mit der Situation und richten Sie sich nicht darin ein, sondern glauben und hoffen Sie auf Gottes Hilfe!
Und wenn Sie zweifeln, dann sehen Sie auf Christus, auf seinen Weg, der uns durch Leiden, Verlassenheit und Tod hin zur Auferstehung und zum Leben führen will.