Predigt zu 2. Könige 25, 8-12 am 10. Sonntag nach Trinitatis
Was bringt mir dieses oder jenes, kann ich es gebrauchen?
Diese Fragen beschäftigen uns meistens, wenn wir zum Beispiel überlegen, ob wir einem Verein beitreten, irgendwelche Sachen kaufen wollen oder im Beruf oder privat Entscheidungen zu treffen haben. Wir wägen dann unseren Einsatz an Geld, Zeit oder anderen Dingen und das erwartete Ergebnis ab und danach entschieden wir.
Genauso gehen viele Menschen an den Glauben heran und fragen auch dort, was Ihnen der Glaube, beten, die Bibel lesen oder die Beschäftigung mit Gott, bzw. Jesus bringt.
Kann ich das alles gebrauchen und lohnt es sich, dafür Kraft und Zeit aufzubringen? Ist das Ergebnis zufriedenstellend, so dass zum Beispiel mein Leben glücklicher, sinnvoll und schöner wird? So fragen sie. Wenn Gott auf sie eingeht und ihnen gibt, was sie erwarten, wenn er brauchbar ist, dann ist alles gut, ansonsten taugt er nichts und man kann Gott, Jesus, Bibel, Gebet und alles andere beiseitelegen. Diese Haltung bestimmt so viele Bereiche unseres Lebens, dass wir alle sie ganz leicht automatisch auch auf den Glauben übertragen.
Die Frage der Bibel ist genau umgekehrt. Sie fragt, ob Gott mich gebrauchen kann, ob Gott mich brauchbar findet und sich mit uns Menschen einlässt oder winkt er ab und gibt uns verloren?
Deshalb beschreibt die Bibel in erster Linie nicht die Geschichte des Menschen mit Gott, sondern Gottes Geschichte mit den Menschen. Die Botschaft, die die ganze Bibel durchzieht, lautet, dass Gott etwas mit uns zu tun haben will, er uns nicht verloren gibt, denn er hat ein Ziel, dass alle Menschen seinen Willen tun und so in Frieden leben mit ihm, mit den Mitmenschen, mit der Natur und mit sich selbst. Gott gibt um dieses Ziels willen nicht auf, sondern fängt immer wieder neu an. Wir sehen das in der Bibel zum Beispiel im Alten Testament bei Noah, Abraham, dem Volk Israel und den Propheten, im Neuen Testament überall bei Jesus und auch bei den Jüngern, und wir sehen es bei uns in der Taufe und in vielen Ereignissen, in denen Gott uns nachgeht und ruft.
Aber Gott hat auch eine Frage, die die ganze Bibel durchzieht:
Finde ich Menschen, die sich auf mich einlassen und die bereit sind ihre ganze Kraft dafür einzusetzen, dass mein Wille sich in der Welt erfüllt? Oder denken die Menschen nur an sich selbst? Und alle, mit denen Gott neu anfing, um sein Ziel in der Welt voranzutreiben, mussten diese Frage beantworten, ob sie dazu bereit sind. Genau diese Frage stellt Gott uns auch, die wir in der Taufe von Gott gehört haben, dass er mit uns etwas zu tun haben will.
Darum heißen Glauben und Jesus nachfolgen
nicht, ich merke, dass mir das etwas bringt, sondern beinhalten eine Umkehr weg von der Frage, was bringt mir das, und hin zu der Aussage: Ich stelle mein Leben, meine Kraft, meine Fähigkeiten, Gott zur Verfügung, damit seine Sache in der Welt zur Geltung kommt. Im Leben eines Christen geht es nicht in erster Linie um uns, sondern um Gott.
Der Text für diese Predigt ist schwere Nahrung.
Am Beispiel des Volkes Israel zeigt er uns, was geschieht, wenn ein Mensch oder ein Volk sich nicht von Gott leiten lässt, sondern wenn Sie selber entscheiden, was gut und schlecht für sie ist. Der Text ist der Abschluss eines großen Zeitabschnittes im Alten Testament. Zu Beginn hat Gott einen Bund mit Israel geschlossen, in dem Gott dem Volk seine Fürsorge verspricht, und das Volk soll auf Gott hören und seinen Willen tun, damit es zum Werkzeug des Segens Gottes für die Welt werden kann. Die Geschichte zeigt dann, dass Gott sein Versprechen gehalten hat, aber das Volk ist immer wieder von Gott abgefallen. Am Ende steht dann die Zerstörung Jerusalems und des Tempels, die Verschleppung der Oberschicht nach Babylon und das 50jährige Exil in Babylon.
Wir lesen nun aus 2. Könige 25, 8-12:
8 Am siebenten Tage des fünften Monats, das ist das neunzehnte Jahr Nebukadnezars, des Königs von Babel, kam Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, der Knecht des Königs von Babel, nach Jerusalem 9 und verbrannte das Haus des HERRN und das Haus des Königs und alle Häuser in Jerusalem; alle großen Häuser verbrannte er mit Feuer. 10 Und die ganze Heeresmacht der Chaldäer, die bei dem Obersten der Leibwache war, riss die Mauern Jerusalems nieder. 11 Das Volk aber, das übrig war in der Stadt, und die zum König von Babel abgefallen waren und was übrig war von den Werkleuten, führte Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, weg; 12 aber von den Geringen im Lande ließ der Oberste der Leibwache Weingärtner und Ackerleute zurück.
Wir reden bei solchen Texten leicht vom Gericht Gottes und meinen damit, Gott habe das Unheil selbst organisiert.
Was hier beschrieben wird, ist aber nicht Gottes Tat, sondern die Folge aus dem Handeln des Volkes. Das Volk hielt die eigenen Gedanken und Entscheidungen für vorteilhafter als Gottes Wege und erlebt nun dies als Konsequenz seines Handelns. Es ist insofern Gottes Tat, dass Gott es zugelassen hat. Gott zeigt dem Volk damit, wohin es kommt, wenn es sich von ihm lossagt und eigene Wege geht.
Dieser Text zeigt uns allen: Wenn wir uns leiten lassen von dem Gedanken, was mir das bringt, was für mich von Vorteil ist, dann ist der Erfolg höchstens kurzfristig. Langfristig steht am Ende die Zerstörung.
Beispiele gibt es dafür auch in unserer Zeit genug, zum Beispiel in der deutschen Geschichte, wenn Menschen von der Gier nach Geld und Macht getrieben werden oder wenn Gruppen sich selbstherrlich und arrogant von ihrem Stolz blenden lassen. Die Menschen erfahren dann, wohin der Weg ohne Gott führt. Wer auf seine eigenen Gedanken und seine Klugheit vertraut wird am Ende untergehen, wer aber sein Leben Gott anvertraut, der wird am Ende leben. Deshalb sagt Jesus in Lukas 9, 23+24: „23 Da sprach er zu allen: Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. 24 Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s erhalten.“
Unser Text wurde aber noch aus einem anderen Grund aufgeschrieben. Der Schreiber hat eine Hoffnung und eine Gewissheit.
Er hat die Hoffnung, dass das Volk umkehrt zu Gott und die Gewissheit, dass Gott zu seinem Wort steht. Wenn Gott gesagt hat, ich will mit Dir etwas zu tun haben, dann gilt das für alle Zeit. Und Gott hat immer die Hoffnung, dass wir Menschen uns auch auf ihn einlassen, denn er will nicht unsere Zerstörung, sondern das Leben.