Predigt zu Markus 3, 31-35 am 13. Sonntag nach Trinitatis
Wir haben heute einen Text, mit dem viele Menschen Schwierigkeiten haben, auch viele, die von ganzem Herzen als Christen leben wollen.
Es geht um das Verhältnis von Familie und Glauben und christlicher Gemeinschaft.
Wir lesen dazu einen Abschnitt aus Markus 3, 31-35:
31 Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. 32 Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. 33 Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? 34 Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! 35 Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.
Lassen Sie mich vorweg etwas klar stellen:
Jesus redet nicht so, weil er ein gestörtes Verhältnis zu seiner Familie hatte. Die Familienangehörigen verstanden Jesus manchmal nicht, aber sonst war das Verhältnis Ordnung. Jesus lehnt Familienleben auch nicht grundsätzlich ab. Und dennoch macht Jesus Abstufungen in dem, was uns wichtig sein soll.
Was Jesus hier sagt muss Mutter und Geschwister sehr getroffen haben.
Auch an anderen Stellen redet Jesus so deutlich, was auf den ersten Eindruck für uns sehr hart klingt, aber es geht ihm darum, dass wir eine innere Freiheit von allen irdischen Dingen gewinnen, damit wir frei werden, uns ganz auf das Reich Gottes einzulassen. Nur in dieser neuen inneren Freiheit sind wir in der Lage, wirklich selbstlos zu lieben, wie Jesus uns liebt.
In Lukas 9, 59 und 60 sagt Jesus zu einem Menschen: „Folge mir nach!“ Der antwortet: „Erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.“ Aber Jesus sprach: „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber gehe hin und verkündige das Reich Gottes.“ Und in Matthäus 10, 37 heißt es: „ Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.“ Im selben Kapitel sagt Jesus auch, dass es innerhalb einer Familie um seinetwillen zu Entzweiungen kommen kann.
Jesus macht am Beispiel der Familie wieder einmal deutlich, dass wir, wenn wir in Gottes Welt leben wollen, uns an nichts in dieser Welt mehr innerlich binden sollen.
An anderen Stellen macht Jesus das genauso deutlich, wenn es um Geld und Reichtum, Anerkennung und Ehre geht. An etwas binden heißt nicht, dass ich damit nichts mehr zu tun haben soll, sondern ich soll davon nicht mehr innerlich abhängig sein und es soll mich nicht mehr bestimmen in meinem Verhalten, in meinem Halt und Geborgenheit, Sicherheit und Hoffnung, in meinen Gedanken und Gefühlen. Das alles soll allein von Gott bestimmt sein. Sonst hindert mich das, mich ganz auf Gott, auf Jesus einzulassen und mit ihm zu leben, hier und in der ewigen Welt.
Warum ist Jesus da so kompromisslos?
Vielleicht wird es anhand der folgenden Beispiele deutlicher:
Es gibt Ehen, die scheitern,
weil einer sich nicht vom Elternhaus lösen kann und will. Er oder sie hängt immer noch am Rockzipfel der Mutter, und so hindert ihn die Bindung an die alte Gemeinschaft, sich ganz auf die neue einzulassen und zu leben. So ist es auch im Verhältnis unserer weltlichen Bindungen zu Gottes Reich.
Ein Mensch lebt in einem Dorf.
Da gibt es eine Feuerwehr, einen Sportverein und andere Gruppen und Vereine. Der eine sagt: Die Feuerwehr ist das Wichtigste, der andere das und wieder ein anderer das. So können wir auch darüber diskutieren, was in unserem Leben am wichtigsten ist, Geld, Familie, Freunde, Erfolg oder etwas anderes. Wenn dieser Mensch nun umzieht in einen anderen Ort, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Er hängt weiter an seinen alten Vereinen und Gruppen im alten Ort. Dann werden ihn die alten Bindungen daran hindern, im neuen Ort wirklich heimisch zu werden und sich einzuleben. Oder er sagt sich: Jetzt will ich ganz im neuen Ort leben. Dann ist das Alte unwichtig geworden und damit auch die Frage, welche Gruppe nun am wichtigsten war.
So will Jesus deutlich machen: Ihr könnt nur wirklich in Gottes Welt leben und Gottes Willen tun, wenn das Alte für euch nicht mehr die entscheidende Bedeutung hat, sondern nur noch das Neue zählt, was von Gott kommt.
Jesus will uns nichts wegnehmen, sondern er will uns mehr geben. Er will uns das Leben in Gottes Welt ermöglichen,
dass wir Gottes Liebe erfahren und seine Geborgenheit; die Freude und den Frieden erfahren, die es nur bei Gott gibt; die Führung und Vergebung bei Gott erleben und in der Hoffnung auf die Ewigkeit leben.
Paulus schreibt in 2. Korinther 5, 17: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe Neues ist geworden.“
In Matthäus 6, 25-32 gibt es den wunderschönen Abschnitt, in dem Jesus und deutlich macht, dass wir nicht sorgen sollen, denn Gott kümmert sich auch um die Tiere und Pflanzen und wie viel mehr wird er sich um uns kümmern. Aber dieser Text ist eingerahmt von zwei wichtigen Versen. Davor heißt es: Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Geld, der Familie, dem Erfolg; ihr könnt euch nicht von zwei Herren bestimmen lassen, an zwei Stellen euren Halt und eure Freude suchen. Und im Anschluss sagt Jesus: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“
Es gibt immer wieder das Missverständnis,
dass Menschen fragen: Will Jesus denn, dass wir den Kontakt zur Familie und Freunden abbrechen, mit Geld nicht mehr umgehen, keinen Erfolg suchen, und, und, und? Nein, darum geht es Jesus nicht! Er sagt sogar: Ihr sollt in Liebe mit all dem umgehen. Aber er macht ganz deutlich: Wenn ihr euren Halt, euer Glück, euren Frieden, eure Freude in diesen Dingen sucht und euer Verhalten davon bestimmen lasst, dann seid ihr so daran gebunden, dass ihr nicht in der Lage seid, all das zu erfahren, was Gott euch schenken will und in seiner Liebe zu leben und seinen Willen zu tun.
So ist es auch im Verhältnis von Familie und Gemeinschaft der Glaubenden.
Jesus sagt: Meine wichtigste Gemeinschaft ist nicht die Familie, sondern die Gemeinschaft, die ganz oben an steht, ist die Gemeinschaft mit denen, die Gottes Willen tun und in Gottes Welt leben. Die Jünger fragen Jesus in Matthäus 19,29: „Wir haben alles verlassen um deinetwillen; was bekommen wir dafür.“ Und Jesus antwortet: „Wer Häuser oder Bruder oder Schwester oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlässt um meines Namens willen, der wird´s hundertfach empfangen und das ewige Leben ererben.“
Es gibt eine neue Gemeinschaft unter denen, die Gottes Willen tun und in Gottes Welt leben.
Diese Gemeinschaft wird bestimmt von der Liebe Jesu Christi und vom Willen Gottes. Da werden wir eins mit Jesus, mit seinem Wollen und seinen Wünschen. Diese Gemeinschaft hat ihr Fundament im Himmel. Wir gehören zusammen, weil wir einen gemeinsamen himmlischen Vater haben. Diese Gemeinschaft bleibt in Ewigkeit.
Sie ist nicht gleichzusetzen mit der organisierten Kirche oder Kirchengemeinde. Matin Luther hat das deutlich gemacht mit seiner Unterscheidung von der sichtbaren und unsichtbaren Kirche. Die sichtbare ist die Organisation mit Mitgliedern und Gebäuden, Regeln und Ordnungen; die unsichtbare Kirche besteht durch alle Kirchengrenzen hindurch da, wo Menschen im Heiligen Geist verbunden sind und zu Jesus gehören.
Natürlich gibt es in dieser Gemeinschaft auch Spannungen. Wir sind noch in der Welt,
aber sie orientiert sich immer wieder am Willen Gottes, an seiner Liebe, Vergebung und Neuanfang, und wenn man auf Menschen aus Gottes Welt trifft, dann spürt man trotz aller Verschiedenheit eine Seelenverwandtschaft, die Verbindung im Glauben an Jesus.
Das meint Jesus hier und das kennen wir vielleicht auch. Ich habe sowohl im Ausland als auch in Deutschland in den unterschiedlichen Konfessionen geistliche Geschwister gefunden und eine geistliche Seelenverwandtschaft erlebt.
Und Jesus will uns zeigen, dass auch wir hier immer mehr in dieser neuen Gemeinschaft Gottes, die nicht an Konfessionen oder Kirchengemeinden gebunden ist, wachsen können und sollen,
dass die Liebe Gottes in unserem Miteinander spürbar ist; dass wir zusammen kommen und gemeinsam Gottes Wort hören, Gott loben und ehren und dass wir gemeinsam seinen Willen tun und uns dabei in Liebe helfen.