Predigt zu Matthäus 5, 43-48 am 23. Sonntag nach Trinitatis
Kennen Sie einen Menschen, wenn Sie an den denken, dass in Ihnen dann die Wut hochsteigt, weil er Ihnen das Leben so richtig schwer gemacht hat oder noch macht?
Ob Sie, wenn Sie ihm begegnen, lieber weglaufen oder einmal so richtig die Meinung sagen, ist wohl je nach Temperament unterschiedlich, und was Sie in Ihren geheimen Gedanken mit ihm tun möchten, verraten Sie lieber nicht. Solche Gefühle sind ganz menschlich. Aber Jesus zeigt uns einen anderen Weg.
Wir lesen dazu aus Matthäus 5, 43-48
(Jesus spricht:)43 »Ihr wisst, dass es heißt: ›Liebe deinen Mitmenschen; hasse deinen Feind.‹ 44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für alle, die euch verfolgen. 45 So erweist ihr euch als Kinder eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne scheinen auf böse Menschen wie auf gute, und er lässt es regnen auf alle, ob sie ihn ehren oder verachten. 46 Wie könnt ihr von Gott eine Belohnung erwarten, wenn ihr nur die liebt, die euch ebenfalls lieben? Das tun auch die Betrüger! 47 Was ist denn schon Besonderes daran, wenn ihr nur zu euresgleichen freundlich seid? Das tun auch die, die Gott nicht kennen! 48 Nein, wie die Liebe eures Vaters im Himmel, so soll auch eure Liebe sein: vollkommen und ungeteilt.«
Eine häufige Reaktion auf das, was Jesus hier fordert, besteht darin, dass Menschen sagen:
„Das geht nicht! Den kann ich nicht lieben, ich bin doch nicht Jesus. Meine Freunde, Familie, nette Kollegen, die kann ich lieben, das ja, aber nicht die.“
Aber fangen wir bei denen an, die uns nahestehen.
Das ist oft schon schwer, sie zu lieben. Die meisten seelischen Verletzungen erleiden Menschen durch die Menschen, die ihnen nahestehen. Dadurch ist schon manche Ehe zerbrochen, manche Eltern-Kind-Beziehung zerstört worden und mancher Freundeskreis in die Brüche gegangen. Kleine Babys kann man lieben. Die sind so süß, anschmiegsam und widersprechen nicht, aber was ist, wenn sie 13 oder 14 Jahre alt sind und so richtig „stachelig“. So einfach ist das mit der Liebe bei denen, die uns nahestehen, auch nicht. Manchmal ist es einfacher, die ganze Welt zu lieben als den Menschen, der vor einem steht.
Aber mit den Menschen, die uns Böses getan haben, Schaden zugefügt haben, ist es richtig schwer.
Was machen wir jetzt mit Jesu Wort? Ist das nicht realitätsfremd, was Jesus hier sagt?
Sollten wir nicht besser versuchen, den Gedanken an das Geschehene beiseite zu schieben oder ganz zu vergessen?
Jesus würde antworten: Das ist nicht realitätsfremd, sondern das ist die tägliche Realität Gottes.
Es gibt viele Menschen, die Gott vergessen, ihn ablehnen oder sich einfach nicht um ihn kümmern, ihn nicht für wichtig halten oder sogar über ihn spotten. Und es gibt viele Menschen, die Gottes Schöpfung zerstören, und die anderen Menschen, die Gott liebt, Böses tun. Das ist Gottes Realität, und er versorgt sie trotzdem, jeden Tag mit der Natur, Sonne, Essen, Trinken und vielen Gütern, und sie sind noch nicht einmal dankbar, aber Gott hört nicht auf damit, sie zu versorgen.
Gott gibt das alles nicht, weil er alle so nett und liebenswert findet, sondern weil er die Hoffnung nicht aufgibt, dass die Menschen sich von seiner Liebe überzeugen und verändern lassen, weil er für Alle das Beste will und er hofft, dass sie das verstehen und sich ändern.
Das ist eine andere Liebe, als wir sie normalerweise kennen.
Wir lieben normalerweise, weil wir jemand gut und nett finden. Und wenn jemand uns Böses tut, können wir ihn nicht nett finden und lieben ihn deshalb auch nicht. Jesus sagt dazu: „Das tun aber die Betrüger auch.“ Gott liebt, weil er für den Anderen das Beste will, egal ob er gerade gut oder böse ist.
Heißt das nun, dass wir aus Liebe jeden Bösewicht einfach gewähren lassen sollen?
Jesus macht in Matthäus 5, 38-42 deutlich, dass wir, wenn es uns selbst betrifft, wir nicht zurückschlagen sollen, sondern zur Not alles erleiden, so wie er es am Kreuz getan hat. Wenn aber jemand anderen Böses tut, dann sollen wir ihn zurückhalten, damit er nicht noch mehr Schaden anrichtet. Das gilt für die privaten Bereich genauso wie für das kirchliche und das gesellschaftliche Leben.
Trotzdem ist Jesu Anspruch sehr schwer und sehr hoch.
Er will, dass wir in unserem Handeln immer das Beste für den Anderen im Blick haben, egal wie der andere ist, eben nicht nur bei den Menschen, die uns nahestehen, auch wenn wir daran schon oft genug scheitern, sondern auch bei den Menschen, die „böse“ sind. Mit unseren Taten, Worten und Gedanken sollen wir auch für sie immer das Beste wollen. Das ist schon ein sehr hoher Anspruch!
Was können wir tun, wie damit umgehen?
Wenn wir versuchen, verkrampft zu lieben, geht das nicht und wirkt auch merkwürdig. Den Anspruch Jesu herunterschrauben und zu meinen, dass das nicht für uns gilt, verändert nichts am Anspruch Jesu.
Zwei Dinge können wir tun, um in diese Liebe Jesu hineinzuwachsen:
Zunächst einmal müssen wir die eigene Unvollkommenheit erkennen,
ganz nüchtern, ohne zerknirscht herumzulaufen, aber auch ohne sich ständig etwas vorzumachen und zu meinen, dass man doch ganz ordentlich sei, während die anderen ja so schlecht seien.
Und dann ist es grundlegend wichtig, dass wir uns von Gott lieben lassen
und die Hilfe, die er uns in Jesus anbietet auch annehmen, sie „aufsaugen“, uns dem aussetzen und uns davon beeinflussen lassen.
Und dann passiert Folgendes:
Wer sich von Gott geliebt weiß, der fängt plötzlich an, sich selbst zu lieben.
Das ist wichtig, denn wer sich selbst nicht lieben kann, kann auch andere nicht lieben, oder anderes gesagt: Nur wer sich selbst lieben kann, kann auch andere lieben. Wie ist das bei Ihnen? Lieben Sie sich selbst so, dass Sie für sich immer das Beste wollen und auch glauben, dass aus Ihnen noch ein viel besserer Mensch werden kann? Sind Sie offen für das, was Gott Ihnen schenken will, was er mit Ihnen vorhat, wohin er sie bringen will?
In der Gegenwart Jesu bekommen wir die Kraft,
uns selbst, die anderen und sogar die Feinde zu lieben. Wer sich von der Liebe Jesu prägen lässt, der teilt nicht auf in Menschen, die er lieben kann oder nicht, und er teilt auch nicht auf in der Liebe zu anderen und zu sich selbst. Die Liebe Jesu ist ungeteilt und umfassend.
Wir sind dann nicht gleich vollkommen, aber wir können ein Stück hineinwachsen in die vollkommene Liebe. Gott will uns helfen, dass wir da hineinwachsen, denn sein Ziel mit uns ist, dass wir so lieben, wie er liebt.
Es ist sehr heilsam für uns, in diese Liebe Jesu hinein zu wachsen, denn es befreit uns von der Last
der Verletzungen, die uns zermürben, von der Wut, von der Unzufriedenheit und Lieblosigkeit, auch zu uns selbst. Diese Liebe führt in die Weite, öffnet das Herz für die Welt und gibt uns einen neuen Horizont, aber vor allem öffnet es uns das Herz für die Liebe Gottes und den Horizont der Ewigkeit.
Eltern kann man nur raten: Führen Sie Ihr Kind in den weiten Horizont der Liebe Gottes, dass es die Quelle dieser Liebe kennenlernt und daraus leben lernt. Dazu es ist aber wichtig, dass Sie es selbst wieder neu lernen, daraus zu leben.