Predigt zu Johannes 9, 35-39 am 18. Sonntag nach Trinitatis
Haben Sie schon einmal an einer Nachtwanderung teilgenommen?
Ich war schon an mehreren als Teilnehmer dabei und habe auch schon einige geleitet, aber an eine erinnere ich mich besonders: Ich war damals 18 Jahre alt und habe über Silvester eine mehrtätige Jugendfreizeit mit 70 Jugendlichen geleitet. Am Silvesterabend haben wir dann die Nachtwanderung durchgeführt. Es war kalt, wir wanderten durch einen dunklen Wald und hatten uns verlaufen. Die Stimmung sank und meine Unruhe wuchs. Dann sahen wir weit weg Lichter. Zuerst konnten wir uns daran orientieren, und als wir die Lichter erreicht hatten, auch wieder gut und alles sehen.
Wenn man nichts sieht, ist es schwer, sich zu orientieren, den Weg zu finden!
Einige, vor allem Jugendliche, kennen das vielleicht auch in ihrem unaufgeräumten Zimmer: Im Dunkeln stolpern man über alles, findet nichts und kann nicht aufräumen. Im Licht sehen wir die Hindernisse, können aufräumen und auch etwas finden. Wenn man nichts sieht oder sogar richtig blind ist, ist das alles sehr schwer.
Ob wir sehen können oder nicht, gebrauchen wir auch im übertragenen Sinn.
Da sitzt zum Beispiel ein Schüler vor seiner Arbeit und denkt: „Ich habe absolut keinen Durchblick“, und meint damit: „Ich verstehe nichts!“. Ein anderer Schüler sagte einmal: „Wir sind jetzt Bibelchecker“ und wollte sagen: „Wir haben jetzt den Durchblick in Bezug auf die Bibel.“ Manchmal sagen wir: „Mir geht ein Licht auf.“ Man sieht es dann auch im Gesicht, wenn plötzlich eine „60 Watt-Birne“ angeht, das heißt jemand plötzlich den Durchblick hat, alles verstanden hat. Oder: Wir beleuchten ein Problem oder eine Situation von allen Seiten, um Durchblick zu bekommen. Wir haben ein Ziel vor Augen, sehen das Ziel und gehen darauf zu. Oder jemand ist „blind vor Wut“.
Wenn ein Mensch keinen Durchblick hat, kann das ziemlich schlimm sein:
Probleme kann man nicht bewältigen und lösen. Man macht dann alles Mögliche, auch Unsinnige, aber das Leben hat keinen Sinn und Ziel. Menschen verlaufen sich und finden keinen Ausweg aus ihrer Situation, lassen sich von Erfolg, Ansehen, Geld und Karriere blenden, oder sind enttäuscht vom Leben und „wurschteln“ sich durch oder lassen sich von Hass, Rache und Bitterkeit leiten. Ganze Gesellschaften sind so blind in den Untergang gerannt.
Unsere Geschichte handelt von einem Mann, der blind war. Jesus hatte ihn geheilt, und nun konnte er wieder alles sehen und sich orientieren. Nach einiger Zeit trifft sich Jesus wieder mit ihm. Jesus will ihn nun auch an der Seele heilen, damit er „Durchblick“ für sein Leben bekommt und im Licht Gottes leben kann.
Wir lesen aus Johannes. 9, 35b – 39:
35 Als Jesus hörte, dass sie ihn aus der Synagogengemeinde ausgeschlossen hatten, suchte er ihn auf und fragte ihn: „Willst du ganz zum Menschensohn gehören?“ 36 Der Mann antwortete: „Herr, wenn du mir sagst, wer es ist, will ich es tun.“ 37 Jesus sagte: „Er steht vor dir und spricht mit dir.“ 38 „Herr, ich will dir allein gehören!“, sagte der Mann und warf sich vor Jesus nieder. 39 Jesus sagte: „Ich bin in diese Welt gekommen, damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden. Darin vollzieht sich das Gericht.“
Jesus macht deutlich:
Blind ist der, der meint, er kann alleine das Leben meistern,
weil er sich selbst stark oder gut genug fühlt, oder weil er es für unter seiner Würde hält, zuzugeben, dass er Christus braucht.
Sehend ist der, der auf Jesus hört und sich sein Leben von ihm hell machen lässt;
der lernt, das Leben aus dem Blickwinkel Gottes zu sehen und die Probleme und Aufgaben von Gott her zu beleuchten; der sich von ihm zeigen lässt, was in seinem Leben in Ordnung oder in Unordnung ist, und sich von Jesus sagen lässt, worauf es im Leben wirklich ankommt.
Jesus sagt in Johannes 8, 12: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt wird nicht mehr im Dunkeln sein, sondern das Licht des Lebens haben.“ Mit Jesus als unser Licht finden wir den richtigen Weg, bekommt unser Leben eine klare Richtung, wird sinnvoll und erfüllt. Jesus geht sogar noch weiter und sagt: An dieser Frage, ob ich meine, Jesus zu brauchen oder nicht, findet das Gericht über ein Leben statt, die Entscheidung darüber, ob ein Leben sinnvoll und gut wird oder nicht.
Deshalb fragt Jesus den ehemals Blinden: „Willst du zu dem gehören, der von Gott kommt?“
Er antwortet: „Ja“, denn er weiß, dass er da die richtigen Antworten bekommt. Und Jesus sagt ihm: „Ich bin es. Glaube mir und vertraue mir!“ Der Blinde hatte eine tolle Erfahrung mit Jesus gemacht. Er war gesund geworden. Viele Menschen machen gute Erfahrungen mit Gott, zum Beispiel bei einer Gebetserhörung, bei Trost in Krisen oder durch die Hilfe bei einer anstehenden Entscheidung.
Aber Jesus will mehr, weil wir Menschen mehr brauchen:
Er will, dass wir nicht nur ab und zu gute Erfahrungen mit ihm machen, sondern dass wir im Herzen sehend werden und ihn als unseren Herrn und Heiland annehmen. „Heiland“ bedeutet: Es ist jemand, der heil macht!
So fragt Jesus auch uns: „Glaubst du an mich,
lässt du dein Leben von mir umgestalten, lässt du dich führen, lässt du dich von mir im Herzen sehend machen, dass ich dein Licht werde, und lässt du dir von mir sagen, worauf es im Leben ankommt?“
Die Frage ist: Wagen wir es, uns auf Jesus ganz einzulassen?
Das ist ein Wagnis, denn wir wissen vorher nicht, was dabei herauskommt. Es ist wie auch sonst im Leben, wenn wir auf etwas Neues zugehen, zum Beispiel nach einem Umzug alles neu entdecken und lernen zu müssen, wo man einkauft, wo die Ärzte sind, welche Menschen man treffen wird; oder Genauso ist es beim Beginn des Studiums oder bei einer beruflichen Veränderung. Ich kann mir vorher alles ansehen, aber dann muss ich los und es wagen.
Genauso ist es mit Jesus: Wagen Sie es ihn als Ihren wichtigsten Freund und Begleiter im Leben zu haben, von ihm alles zu lernen, dass er Ihr Licht ist, Ihnen Orientierung, Sicherheit und Halt gibt und Ihnen den Weg zu einem guten und sinnvollen Leben führt!
Ich kann nur bezeugen, dass sich dieses Wagnis lohnt, und zwar jeden Tag neu.