Predigt zu Lukas 1, 26-38 am 4. Advent

26 Als Elisabet im sechsten Monat war, sandte Gott den Engel Gabriel nach Nazaret in Galiläa 27 zu einem jungen Mädchen mit Namen Maria. Sie war noch unberührt und war verlobt mit einem Mann namens Josef, einem Nachkommen Davids. 28 Der Engel kam zu ihr und sagte: »Sei gegrüßt, Maria, der Herr ist mit dir; er hat dich zu Großem usersehen!« 29 Maria erschrak über diesen Gruß und überlegte, was er bedeuten sollte. 30 Da sagte der Engel zu ihr: »Hab keine Angst, du hast Gnade bei Gott gefunden! 31 Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären. Dem sollst du den Namen Jesus geben. 32 Er wird groß sein und wird ‚Sohn des Höchsten‘ genannt werden. Gott, der Herr, wird ihn auf den Thron seines Ahnherrn David erheben, 33 und er wird für immer über die Nachkommen Jakobs regieren. Seine Herrschaft wird nie zu Ende gehen.« 34 Maria fragte den Engel: »Wie soll das zugehen? Ich bin doch mit keinem Mann zusammen!« 35 Er antwortete: »Gottes Geist wird über dich kommen, seine Kraft wird das Wunder vollbringen. Deshalb wird auch das Kind, das du zur Welt bringst, heilig und Sohn Gottes genannt werden. 36 Auch Elisabet, deine Verwandte, bekommt einen Sohn – trotz ihres Alters. Sie ist bereits im sechsten Monat, und es hieß doch von ihr, sie könne keine Kinder bekommen. 37 Für Gott ist nichts unmöglich.« 38 Da sagte Maria: »Ich gehöre dem Herrn, ich bin bereit. Es soll an mir geschehen, was du gesagt hast.« Darauf verließ sie der Engel.

Mit Maria haben wir Evangelischen so unsere Schwierigkeiten:

Ist die nicht katholisch? Bei der ganzen Heiligenverehrung in manchen katholischen Gegenden bekommt man als guter Protestant schon mal Bauchschmerzen. Manchen katholischen Gläubigen scheint Maria manchmal wichtiger zu sein als Jesus. Aber nein, Maria ist nicht katholisch, sondern auch evangelisch, einfach christlich. Sie gehört uns auch.  Vor einigen Jahren habe ich einmal an einer Marienprozession teilgenommen. Der Priester hatte mich dazu eingeladen und in seiner Predigt hat er Maria nicht als anbetungswürdige Heilige dargestellt, sondern ganz so wie ich auch aus evangelischer Sicht darüber gepredigt hätte.
Aber dann die ganze Problematik mit der Jungfrauengeburt. Die einen sagen: Das ist nicht möglich und deshalb war es auch nicht so; die anderen behaupten: Genau so war es! Aber ohne Mann, einfach so, und dann eine richtige Schwangerschaft, wie soll das gehen?
Dann noch die Feministinnen, die Maria manchmal als Supermutter, Superfrau, Superchristin darstellen, bei der sie die Weiblichkeit im Glauben finden, weil Jesus ja ein Mann war und Gott als Vater auch.
Neben all diesen Fragen geht das Eigentliche, worum es hier bei Maria geht, verloren.

Aber wie ist das mit der Jungfrauengeburt? Gibt es so etwas?

Nach menschlichem Ermessen gibt es so etwas nicht, und es war in der alten Welt ein bekanntes Bild, um die Göttlichkeit eines Menschen zu belegen. Aber die Frage, ob es wirklich so war, ist auch gar nicht so wichtig. Wichtig ist die Frage: Traue ich Gott das zu, dass er das kann. Es muss für Gott leicht sein, eine Schwangerschaft zu organisieren, auch ohne Mann.  Wenn er das ganze Universum erschaffen hat, in 6 Tagen oder Milliarden von Jahren, dann doch das erst recht. Er könnte auch ohne eine Frau oder einen Mann einen Menschen erschaffen. Er ist ja schließlich allmächtig. Und wie wollen wir an das viel größere Wunder glauben, dass Gott aus Liebe Mensch geworden ist,  wenn wir ihm das im Verhältnis kleine Wunder mit der Jungfrauengeburt nicht zutrauen.

Die Frage, ob wie es historisch war, ist letztlich egal, aber ob wir es Gott zutrauen, das ist nicht egal. Er kann es!

Er kann nicht nur dieses Wunder vollbringen, sondern auch die anderen im Neuen Testament und noch viel größere, auch bei uns. Er kann es! Der Glaube, dass er es kann, bedeutet, dass ich glaube, dass er auch in meinem Leben Wunder vollbringen kann, so wie er es will. Und für mich ist das Wunder, dass ich glauben und zu Gott gehören darf, viel größer als eine Jungfrauengeburt vor zweitausend Jahren. Eine Heilige, die man anbeten kann, ist Maria deshalb noch lange nicht, und auch kein weiblicher Teil unseres Glaubens oder eine feministische Superfrau.
Sondern Maria ist ein Mensch, eine normale Frau, die sich als Werkzeug Gottes zur Verfügung stellt.

Darum geht es hier: Maria lässt sich von Gott gebrauchen, damit Gott in diese Welt und zu  den Menschen kommen kann.

Sie gibt sich ganz in die Hand Gottes und überlässt sich dem Willen und Handeln Gottes. In Bildern wird Maria häufig als sanfte Frau dargestellt, die sich ganz demütig dem Willen Gottes ergibt. Dieses Bild hat für viele Christen über Jahrhunderte die Frömmigkeit geprägt, aber war Maria wirklich so? Vielleicht war sie auch hart, diszipliniert, kämpferisch, intelligent und mit Durchsetzungsvermögen.

Denn das, was Gott ihr zumutet, ist nicht so ganz einfach:

Sie konnte nicht damit rechnen, später als Heilige verehrt zu werden oder in die Bibel oder in andere Geschichtsbücher einzugehen. Sie musste damit rechnen, dass Joseph, ihr Verlobter, sie verlässt und sie ganz allein dasteht; sie in der Öffentlichkeit als Flittchen bezeichnet wird und ausgestoßen wird; die Frommen sie verurteilen, weil so etwas Unanständiges nicht von Gott sein kann; oder ganz schlimm, dass man sie steinigen würde. Das stand ihr vor Augen. Was sollte sie tun: Sich auf Gott einlassen und das alles in Kauf nehmen oder sich bei Gott herausreden mit vielen Entschuldigungen, wie zum Beispiel: Es gibt andere Frauen, die sind besser dafür geeignet; ich bin so jung; das ist zu viel, um dann ein gut bürgerliches Leben weiterzuführen?

Wie hätten wir entschieden?

Sie hat trotzdem Ja gesagt, vielleicht nach vielen inneren Kämpfen, vielleicht auch sofort.

Dass sie trotz allem Ja sagt zu Gottes Anliegen, darin ist sie ein gutes Beispiel und ein Vorbild für unseren Glauben. Und durch diesen Glauben ist sie zum Werkzeug Gottes geworden, damit Gott zu den Menschen kommen kann.

Was sagen wir, wenn Gott uns anspricht und sagt:

Ich möchte dich als mein Werkzeug gebrauchen, um durch dich zu den Menschen zu kommen, dass du mit deiner Zeit, mit deinen Gaben und Fähigkeiten und mit deinem  Geld etwas für mich tust.
Was sagen wir dann? Ja Gott, du kannst etwas von dem abbekommen, was ich übrig habe. Ich habe genug und bin großzügig. Aber ich hätte dann auch gerne einen Nutzen davon: etwas Lob und Dank dafür von Menschen oder Selbstverwirklichung, oder wenn ich dadurch im Glauben wachsen kann, dass ich dann mehr Halt, Hoffnung, Liebe spüre. Ist unsere Beziehung zu Gott nicht oft davon geprägt, dass wir etwas davon haben möchten, z. B. die Erfüllung einer Bitte, Trost, Halt und Geborgenheit. Soll Gott dazu dienen, dass wir mit unserem Anliegen zum Zug kommen? Gott geht oft darauf ein und gibt uns unermesslich viel, vielleicht auch Wachsen im Glauben, mehr Halt, Hoffnung, Selbstwertgefühl, Mut, usw.

Aber, was Gott möchte, ist etwas anderes: ein bedingungsloses Ja.

Gott mache mit mir, was du willst. Egal, was es bedeutet ich stehe dir ganz zur Verfügung mit allem, was ich bin und habe, auch wenn ich dadurch Anerkennung und Zuwendung verliere; auch wenn ich dadurch weniger Geld und Zeit für andere Dinge zur Verfügung habe; auch wenn dadurch manche meiner menschlichen Beziehungen zu leiden haben.
Aber das ist das Ziel, auf das wir uns im Glauben Schritt für Schritt hinbewegen sollen: uns nicht auf weltliche Sicherheiten verlassen, sondern ganz Gott vertrauen, darin unsere Sicherheit finden und immer mehr alles Gott zur Verfügung stellen.
Und so kommt Gott zu Maria und zu uns, wird eins mit einem Menschen; nicht dadurch, dass Gott sich unseren Wünschen und Bedürfnissen anpasst; nicht durch unsere Leistungen oder moralische Vollkommenheit, sondern indem wir uns auf Gott einlassen, ohne Bedingung.

Darin ist Maria ein Vorbild für alle Christen geworden.

Sie ist keine Heilige, aber ein Vorbild im Glauben, von dem wir lernen können. Vielleicht können wir lernen, in kleinen Schritten das Wagnis mit Gott einzugehen, damit Gott in unserem Leben zum Zug kommt und durch uns zu den Menschen kommt, ohne Angst vor irgendwelchen Folgen, sondern uns immer mehr in Gottes Hand geben. Die Geburt Jesu vor 2.000 Jahren war das größte Ereignis für die Weltgeschichte, aber es nützt uns nichts, wenn wir Jesus den Zugang zu unserem Leben verschließen.  Weihnachten wird bei uns, wenn wir wie Maria sagen: „Ich gehöre dem Herrn, ich bin bereit“; wenn wir uns von Gott gebrauchen lassen, damit er heute durch uns in diese Welt kommen kann.

Eigentlich ist es eine unheimlich große Ehre, dass Gott uns gebrauchen will. Wem kann man mehr vertrauen als dem, der seinen Sohn für uns gegeben hat?

Predigt zu Lukas 1, 26-38
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