Predigt zu 1. Johannes 1, 1-4 am Silvesterabend
Kein Fest wird öffentlich in aller Welt so groß gefeiert wie Silvester. Verstehen Sie das?
Denn Silvester erinnert uns an die Vergänglichkeit des Lebens
wie vielleicht noch Totensonntag oder jeder Geburtstag, wenn wir daran erinnert werden, dass wir wieder ein Jahr älter geworden sind, bzw. wieder ein Jahr unseres Lebens vergangen ist. Was war, ist vorbei, und zwar unwiderruflich: schöne Erlebnisse, Leid, Entscheidungen, Begegnungen, was wir getan und gedacht haben, es ist vorbei, gewesen.
Wir haben ein merkwürdig schizophrenes Verhältnis zu allem Vergänglichen!
Auf der einen Seite leiden wir darunter, dass alles vergeht und auf der anderen Seite starren wir gebannt auf alles Vergängliche, was kommen soll, jede Neuigkeit, Wirtschaftsmeldung, politische Entwicklung, Zeugnisnoten, Menschen und auch auf ein neues Jahr. Wir leben immer in der Hoffnung, dass das Neue unsere Lebensbedingungen positiv verändert, und immer mit der Angst, es könnte unsere Lebensbedingungen negativ verändern.
So lassen wir unser Leben voller Kampf und Sorge von Dingen bestimmen, die vergehen,
egal ob Freude oder Trauer, Erfolg oder Misserfolg, Anerkennung, menschliche Beziehungen, Gesundheit oder Entscheidungen. Es bestimmt unsere Gefühlslage und kann uns richtig nach „oben“ bringen, fröhlich, optimistisch stimmen und dann dankbar machen, oder es kann uns auch nach „unten“ ziehen und verbittert werden lassen, unzufrieden und manchmal klagend. Es bestimmt aber auch unser Denken und Tun, ob wir von Liebe, Offenheit, Gelassenheit und Verständnis bestimmt werden oder ob wir verschlossen, verbittert und kämpferisch denken und handeln.
Das Vergängliche ist so die Grundlage und bestimmende Macht unseres Lebens. So war es im alten Jahr und genauso wird es im neuen Jahr sein.
Welche Bedeutung hat da die Botschaft von Jesus Christus für uns, für unser Leben?
Wir erhoffen uns, dass Gott positiv Einfluss nimmt
auf den Werdegang unseres Lebens, Krankheit in Gesundheit verwandelt, bei Problemen hilft, Schutz vor Gefahren gewährt, Erfolg im Beruf und gute Beziehungen schenkt und alles Vergängliche positiv beeinflusst. Das passiert auch. Aber wenn das alles ist, dann bleiben wir immer noch hängen in der Abhängigkeit von allem Vergänglichen.
Das Evangelium ist viel mehr:
Jesus ist nicht gekommen, um das Vergängliche ein bisschen zu beeinflussen, sondern er will uns von der Abhängigkeit von allem Vergänglichen befreien, damit nicht mehr das, was gestern war oder morgen kommt, unser Leben bestimmt, sondern Gottes Ewigkeit.
Dazu lesen wir jetzt aus 1. Johannes 1, 1-4:
1 Was von allem Anfang an da war, was wir gehört haben, was wir mit eigenen Augen gesehen haben, was wir angeschaut haben und betastet haben mit unseren Händen, nämlich das Wort, das Leben bringt – davon reden wir. 2 Denn das Leben ist offenbar geworden, und wir haben es gesehen; wir sind Zeugen dafür und verkünden euch das unvergängliche Leben, das beim Vater war und sich uns offenbart hat. 3 Was wir so gesehen und gehört haben, das verkünden wir euch, damit ihr in Gemeinschaft mit uns verbunden seid. Und die Gemeinschaft, die uns miteinander verbindet, ist zugleich Gemeinschaft mit dem Vater und mit Jesus Christus, seinem Sohn. 4 Das erfüllt uns mit großer Freude. Und wir schreiben euch diesen Brief, damit unsere Freude vollkommen wird.
In Vers 1 heißt es: „Was von Anfang an da war“, also was ewig ist, „davon reden wir.“
Johannes redet hier von „wir“ und schließt damit alle ein, die Jesu Botschaft auch weitersagen. Johannes macht deutlich, dass es bei der Botschaft Jesu, wovon er redet, nicht um etwas Vergängliches geht, sondern um die unveränderliche Ewigkeit Gottes. Aber über Gottes Ewigkeit wird nicht spekuliert und philosophiert, wie die Griechen es taten oder wie es in vielen Religionen und Philosophien oder auch in der Esoterik geschieht, sondern Gottes Ewigkeit ist in unsere Welt gekommen, sodass wir es hören sehen, anschauen und anfassen konnten. Es ist ganz real, wahrnehmbar und für alle verständlich in dieser Welt erschienen.
In Vers 2 sagt er: „Das Leben ist offenbar geworden“, sichtbar für alle. Fällt Ihnen da etwas auf?
Er sagt nicht, dass eine Veränderung des Lebens, eine neue Form des Lebens oder ein anderes Leben offenbar geworden ist, sondern „das Leben“ selbst! Johannes will damit sagen, dass alles andere, was wir Leben nennen, kein Leben ist, weil es der Vergänglichkeit, dem Tod unterliegt. Dieses, „das Leben“, das Jesus gebracht hat, ist unvergänglich, denn es kommt von Gott. „Darüber reden wir“, sagt Johannes. Wir verkündigen es, damit auch ihr es bekommt und festhaltet.
Das ist Gottes Barmherzigkeit, dass er uns in Jesus das Leben schenkt, das nicht vergeht. Er gibt uns in Jesus eine neue ewige Grundlage und eine gute bestimmende Macht für unser Leben.
Ob wir glücklich, zufrieden sind, muss nicht mehr von vergänglichen Dingen abhängen, sondern von Christus. Ob wir lieben können, zuversichtlich, optimistisch und gelassen sind, muss nicht mehr von vergänglichen Dingen abhängen, sondern von Christus.
Was bedeutet das für uns?
Schauen wir uns einmal die Geschichte von Petrus, der über dem Wasser geht und dann doch sinkt, aus Matthäus 14, 22-33 an:
Das Meer ist „das Meer des Lebens“ mit allem, was dazu gehört. Die Wellen sind das „Auf und Ab des Lebens“, wovon normalerweise unsere Stimmungen und Taten abhängig sind. Als Petrus auf die Wellen schaut, geht er unter. Er verliert seine Gelassenheit, seine Freiheit und seinen Mut. So ergeht es uns, wenn wir gebannt auf alles Vergängliche starren und uns davon bestimmen lassen. Wir verlieren unsere Freiheit im Umgang mit den Dingen, unsere Kraft zur Liebe, unsere Gelassenheit, unseren Mut. Wann konnte Petrus über die Wellen gehen? Als er auf Christus schaute!
Manche Menschen sagen: Das brauche ich nicht! Sie sind stolz auf das, was sie selbst erreicht haben: ihre Erfolge, dass alles glatt läuft, und gehen damit voller Zuversicht in die Zukunft. Aber worauf bauen sie? Sie bauen auf etwas, was vergänglich ist, dem Tod unterliegt!
Andere sagen: Das ist ja schön mit dem Glauben, aber ich habe schon so viel Schlimmes erlebt. Glauben Sie mir, ich könnte einstimmen in das Klagelied. Die Frage ist: Wem glaube ich, dass er mehr Macht hat: dem Vergänglichen oder Christus?
Das Problem ist: Wir machen unser Leben abhängig vom Vergänglichen und damit nicht vom Leben, sondern vom Tod, von etwas, was vergeht und stirbt.
Schauen wir Jesus an:
Sein Leben war fest ausgerichtet auf Gott, seinen himmlischen Vater. Darin findet er seinen Frieden, seine Freude, sein Glück, seine Hoffnung, seine Kraft zur Liebe, seinen Mut, egal, ob er nun umjubelt wird, verlacht wird, mit Peitschen durch die Stadt geschleppt wird oder ob er zu Unrecht am Kreuz stirbt.
Und das gilt auch für uns: Je mehr wir an Christus, die Ewigkeit angebunden sind, eine desto geringere Rolle spielt das Vergängliche in Bezug auf Trauer, Freude, Hoffnung, unsere Stimmungen und unser Handeln.
Ich will zum Schluss das Gesagte vergleichen mit einem Bild vom Meer und einem Rummelplatz:
Ich empfinde es immer als sehr beruhigend und erholsam alleine am Meer zu stehen und über das Meer zu schauen. Wenn ich mir nun vorstelle, dass sich auf meiner Rückseite ein großer Rummelplatz mit lauter Musik, lärmenden und kreischenden Menschen befindet und dort Autos hin und her fahren und ab und zu auch ein Polizeiauto mit Martinshorn, dann stehe ich immer in der Gefahr, mich umzudrehen und mich davon beeinflussen zu lassen. Um die Ruhe wieder zu gewinnen, muss ich beschließen, mich vom Rummelplatz wegzudrehen und mich dem Meer zuzuwenden. So muss ich mich immer wieder vom „Rummelplatz des Vergänglichen“ wegdrehen und mich ganz bewusst Christus zuwenden.