Predigt zu Apostelgeschichte 9, 1-9 am 4. Sonntag nach Trinitatis
1 Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester 2 und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, dass er Anhänger dieses Weges, Männer und Frauen, wenn er sie fände, gefesselt nach Jerusalem führe. 3 Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; 4 und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? 5 Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. 6 Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. 7 Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemanden. 8 Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; 9 und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht.
Einige Zeit hatte ich vor meinem Computer eine Karte mit dem Spruch „Vergiss Deine Träume nicht!“ stehen.
Träume hatte ich schon viele: Als Kind war es mein Traumberuf, Landwirt zu werden, später träumte ich davon, einmal Rallye zu fahren oder eine Reise über die Panamericana von Alaska bis Feuerland zu unternehmen. Als Pastor träumte ich von lebendigen Gemeinden und zwischendurch von einer Finca in Südspanien.
Es gibt kleine Träume, über die wir sagen: Es ist schön, wenn sie in Erfüllung gehen, aber wenn nicht, ist es auch nicht so schlimm. Und es gibt große Träume, von denen wir das Gefühl haben, davon hängt unser Lebensglück ab, zum Beispiel der Arbeitsplatz, ein freundliches Miteinander, Erfolg haben in dem, was man sich vornimmt oder die Wiederherstellung von Gesundheit. In ärmeren Ländern träumen manche Menschen davon, sich einmal satt essen zu können, eine Schulbildung zu erhalten oder einen Arzt bezahlen zu können.
Träume begleiten uns unser ganzes Leben:
Kleine Kinder träumen davon, zur Schule gehen zu können, dann kommen Träume vom Schulabschluss, Beruf, von der Heirat, Kinder zu bekommen, vom Ruhestand, gesund alt zu werden und dazwischen viele andere Träume.
Wir brauchen Wünsche, Träume und Ziele, auf die wir zugehen, und die wir erreichen wollen,
denn sie setzen Kräfte frei im Leben und geben Dynamik. Ohne diese Träume sterben wir innerlich ab, die Seele wird trüb und der ganze Körper müde.
Aber so wie sie uns Lebenskraft geben, können sie auch das Leben zerstören,
zum Beispiel wenn die Träume zerplatzen wie eine Seifenblase, und wenn wir ein Ziel erreicht haben, brauchen wir das nächste. Es befriedigt nur für kurze Zeit. Wir kommen eigentlich nie zur Ruhe. Und wenn wir etwas erreicht haben, kommt die Angst, wir könnten es wieder verlieren, zum Beispiel den Arbeitsplatz, ein friedliches Miteinander, Gesundheit oder Erfolg. Träume können auch schlecht sein für uns oder für andere. Nazis und Terroristen leben ihren zerstörerischen Traum, und auch im privaten Leben können Träume sich am Ende als zerstörend für uns und andere erweisen, zum Beispiel in der Ehe oder am Arbeitsplatz.
Sind unsere Träume, von denen wir Glück erwarten, wirklich sicher und gut?
Paulus hatte für sein Leben auch einen Traum:
Er wollte gebildet sein, ein Gelehrter im jüdischen Recht, besonders gut sein und für den jüdischen Glauben eintreten. Die Christen sah er als eine Gefahr an, die beseitigt werden musste.
Deshalb war er unterwegs nach Damaskus, um dort die Christen zu verfolgen und gefangen zu nehmen, wie wir es in unserem Abschnitt gelesen haben.
Und nun auf dem Weg nach Damaskus begegnet Paulus Jesus! Diese Begegnung wird zu einem Bruch in seinem Leben, verändert sein Leben von Grund auf und gibt seinem Leben eine ganz neue Richtung.
Normalerweise hoffen wir doch, wenn wir Gott begegnen, dass Gott uns hilft,
dass unsere Träume in Erfüllung gehen, zum Beispiel für eine glückliche Ehe, Gesundheit, Erfolg am Arbeitsplatz oder in anderen Bereichen. Er ist doch der liebe Gott, so denken wir, und es heißt doch, dass Gott uns liebt, und wenn er uns doch liebt, dann muss er uns doch dabei helfen.
Es passiert bei Paulus genau das Gegenteil:
Jesus macht ihm einen Strich durch die Rechnung, und zwar grundlegend. Für Paulus ist es zunächst eine „bittere Pille“, die er schlucken muss. Die Träume werden zerstört, er scheitert. Körperlich greift Gott ein und macht ihn hilflos. Er ist blind, wird zu Boden gedrückt. Er muss sich ergeben. Er ist am Ende.
Wenn wir so etwas erleben, kommt dann nicht schnell die Frage: „Gott, wo bist du, wo ist deine Liebe?“ Aber so ist Gott. So handelt er mit uns. Gott kann unsere Träume zerstören.
Deshalb scheuen viele Menschen sich vor Gott und halten ihn auf Distanz
mit anscheinend klugen Argumenten, wie zum Beispiel: „Man soll nicht so fanatisch werden.“, „Keiner weiß genau etwas über Gott.“, „Wenn ich älter bin, kümmere ich mich darum.“, „Wo war Gott in meinem Leid und im Leid der Welt?“ Denn jeder spürt instinktiv: Wenn ich mich richtig auf Gott einlasse, dann zerstört Gott meinen Glauben daran, dass mein Leben und die Welt besser wird, wenn meine Träume und Ziele in Erfüllung gehen und es kann auch passieren, dass er meine Träume und Pläne wirklich zerstört. Dann geht es nicht mehr um unsere Träume, Pläne Wünsche, sondern um Jesus Christus. Wären Sie bereit, um Gottes Willen auf Ihre Wünsche und Träume zu verzichten?
Wir möchten immer gerne beides zusammen haben: unsere Träume und Pläne und Christus, aber das geht nicht.
Deshalb muss Paulus erst einmal das Alte loslassen, aufgeben und sich ganz auf Christus einlassen.
Zunächst ist das sehr bitter für ihn, aber viel später schreibt er in Philipper 3, 7+8: „7 Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. 8 Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, auf dass ich Christus gewinne.“
Das ist das Faszinierende, wenn wir uns ganz auf Christus einlassen: Da erstrahlt vor unseren Augen das Wunderbare, was Christus uns schenkt:
Zunächst ist es die Liebe, die es sonst nirgends gibt.
Der lebendige Gott meint uns; so sehr, dass er dafür ans Kreuz gegangen ist. Er verurteilt uns nicht, sondern zeigt uns seine ganze Liebe. Bei ihm können wir ganz zu Hause sein. Wir können uns in seine Hand geben und brauchen keine Angst mehr zu haben.
Dann haben wir die wunderbare Aussicht auf die Ewigkeit.
Er öffnet die Tür zu Ewigkeit, wo die ganze Herrlichkeit Gottes auf uns wartet, das eigentliche Leben ohne Leid, Trauer, Angst und Tod. Das ist ein wirklich guter Traum, für den es sich lohnt, dafür zu leben und der nicht zerbricht.
Und wir bekommen ein sinnvolles Leben,
in dem das Glück nicht abhängig ist von unseren eigenen Träumen und Plänen, sondern unser Leben wird sinnvoll und angefüllt, weil wir für Jesus etwas tun dürfen, indem wir seine Liebe weiter geben, sein Reich bauen und dafür Kraft, Zeit und Gaben einsetzen. Das ist wirklich sinnvoll für Jugendliche, Erwachsene, Junge und Alte.
Das können wir erleben, wenn wir uns ganz auf Christus einlassen, aber wir erleben es oft nicht, weil wir immer beides wollen:
das Glück durch unsere Träume und ein bisschen Christus. Unser Glaube ist dann träge und kraftlos, weil wir Christus dann nur wie durch einen trüben Schleier erleben. Und dieser Schleier ist das Festhalten an unseren Träumen und Plänen: Wir setzen unsere Kraft und Zeit und Gaben für unsere Träume ein und können dann nicht erleben, wie sinnvoll und befriedigend es ist, alles für Christus einzusetzen. Wir erhoffen unser Lebensglück davon und erleben nicht, was Christus uns alles geben kann an Liebe, Geborgenheit, Zufriedenheit und vielem mehr. Wir fühlen uns dann enttäuscht, verletzt, verzweifelt und ängstlich, weil unsere Träume zerplatzen und erleben nicht, dass Christus uns einen unzerbrechlichen Traum gibt.
Erst wenn wir es Christus überlassen, ob er unsere Träume durchkreuzt oder nicht, wird das Herz voll von Christus.
Manchmal schenkt er es uns, dass unsere Träume in Erfüllung gehen: kleine und große, aber manchmal zerstört er sie, nicht um uns zu schaden, sondern um uns einen wirklichen guten Lebenstraum zu geben, nämlich in allem eins zu werden mit Christus, um uns in seinen Dienst zu einem wirklich sinnvollen Leben zu bringen.
Die Frage, die jeder für sich beantworten muss, ist:
Halten wir an unseren Träumen und Zielen fest mit allen Hoffnungen, Enttäuschungen und Ängsten, dann werden wir nicht erfahren, was Gott uns in Christus alles gibt, oder gehen wir zu Christus, ganz gelassen und voller Vertrauen, dass er mit unserem Leben machen soll, was er will, dass er uns auf eine neue Lebensbahn setzt, auf ein Ziel zu, das wirklich gut ist und für das es sich lohnt, zu leben?