Predigt zu Markus 12, 41-44 am Sonntag 8. Sonntag nach Trinitatis

Wer hat unser Vertrauen verdient? Worauf Sie am meisten vertrauen und was Sie am wenigsten verlieren möchten, das ist Ihr Gott.

41 Dann setzte sich Jesus im Tempel in der Nähe des Schatzhauses hin und beobachtete, wie die Besucher des Tempels Geld in die Opferkästen warfen. Viele wohlhabende Leute gaben großzügig. 42 Dann kam eine arme Witwe und steckte zwei kleine Kupfermünzen hinein – zusammen so viel wie ein Groschen. 43 Da rief Jesus seine Jünger zu sich heran und sagte zu ihnen: »Ich versichere euch: Diese arme Witwe hat mehr gegeben als alle anderen. 44 Die haben alle nur etwas von ihrem Überfluss abgegeben. Sie aber hat alles hergegeben, was sie selbst dringend zum Leben gebraucht hätte.«

 Als Kind habe ich mich darüber geärgert, dass Jesus da im Tempel neben dem Kasten sitzt oder steht und zusieht, wie die Menschen ihr Geld in die Kollekte tun, getröstet habe ich mich dann damit, dass Jesus sowieso alles sieht und dass es von daher auch egal ist. Dieser Abschnitt passt eigentlich ideal, um über Kollekte, Klingelbeutel und Spenden zu reden, zum Beispiel um mit einem biblischen Text Gelder für die Kirche zu sammeln. Ein bisschen Unterstützung von Jesus beim Einsammeln von Geldern für die Kirche kann ja nicht schaden, oder?

Wenn man sich den Text und den Zusammenhang genauer ansieht, dann muss man feststellen:

Es geht nicht darum, dass Jesus uns auffordert, mehr Geld zu geben. Es geht um viel mehr.

Diese Geschichte ist die vorletzte Geschichte vor der Passion Jesu. Danach kommt nur noch die Geschichte, in der eine Frau sehr kostbares Salböl, das in etwa einem Jahresgehalt entsprach, über den Kopf Jesu gießt und ihn damit auf sein Begräbnis vorbereitet und ihn zum König salbt.

In beiden Geschichten geht es darum, dass Menschen etwas sehr Kostbares für Gott hingeben.

Die Frau mit dem Salböl gibt etwas sehr Kostbares, ein Jahresgehalt, das vielleicht auch die Mitgift für die Heirat war, vielleicht auch als Absicherung für die Zukunft diente, jedenfalls hatte es einen großen Wert. Die Witwe gibt alles, was sie hat. Witwen hatten damals eine sozial sehr schlechte Situation. Es gab keine Unterstützung für sie. Sie waren rechtlos und konnten nur sehr schwer ihren Lebensunterhalt bestreiten. Wenn sie Glück hatten, wurden sie durch ihre Familie mitgetragen, aber sonst waren sie hilflos. Diese Frau gibt praktisch ihre ganze Sicherheit auf. Es war nicht viel, aber das gibt sie für Gott. Sie gibt alles, was sie hat.

Jesus weist kurz vor seinem eigenen Leidensweg auf diese Frau hin. Und damit will er den Jüngern und uns etwas deutlich machen.

Diese Frau nimmt praktisch etwas vorweg, was er selbst dann tun wird.

Er gibt nicht nur alles, was er hat, sondern sein ganzes Leben. Es ist Jesus nicht leicht gefallen, diesen Weg zu gehen. Im Garten Gethsemane sehen wir ihn voller Angst vor diesem Weg, aber er gibt sich da hinein, weil er Gott von ganzem Herzen liebt und ihm vertraut. In dieses Vertrauen gibt er sich hinein und gibt dann sein Leben hin, weil er Gott liebt und seinen Willen tut. Die Frau gibt nicht ihr Leben hin, aber ihre irdische Sicherheit. Und das will diese Geschichte hier sagen: Sie tut es wie die Frau mit dem Salböl aus Liebe zu Gott und weil sie Gott vertraut.

In diesem Vertrauen gibt sie alles, was sie hatte.

Was mag das für eine Frau gewesen sein, ob sie fromm war, oft im Tempel war, viel gebetet hat, darüber wissen wir nichts. Ob ihr das leicht gefallen ist oder nicht, ob sie lange um dieses Vertrauen kämpfen musste, das wissen wir auch nicht. Entscheidend ist, dass sie es tut.

In der Nachfolge Jesu geht es darum, dass Menschen, so wie Jesus, Gott von ganzem Herzen lieben und vertrauen und in diesem Vertrauen ihre Abhängigkeit von irdischen Sicherheiten aufgeben.

In dem Abschnitt davor warnt Jesus vor den frommen Menschen, die fromm tun, denen es aber doch nur um ihr irdisches Leben geht, um Ehre, Anerkennung, Reichtum und die sich dabei an den irdischen Sicherheiten festhalten. Jesus zeigt am Beispiel der Witwe, dass es ihm nicht um großartige Frömmigkeit geht, nicht um ein frommes Leben, das wir nach außen zeigen können, sondern um die schlichte Liebe und das schlichte Vertrauen in ihn. Jesus fordert uns nicht auf: Gebt mehr, opfert mehr, tut dies und tut das, seid frömmer und kirchlicher, sondern schenkt mir eure Liebe und euer Vertrauen, damit ihr eure irdischen Sicherheiten abgeben könnt und nicht mehr auf sie angewiesen seid! So hat er es selbst gemacht, so tat es die Witwe und auch die andere Frau, im Gegensatz zu den großartigen Frommen, denen es doch nur um die irdischen Sicherheiten geht.

Woran hängen wir? Was macht uns Angst, dass wir es verlieren könnten? Was gibt uns die Sicherheit, das Gefühl, dass wir positiv und zuversichtlich in die Zukunft schauen können?

Ist es die materielle Sicherheit, die eigene Kraft, die Anerkennung und Ehre, die wir gewonnen haben, und die uns das Gefühl gibt, wir gehören dazu? Ist es die Position, die wir vielleicht schon lange inne haben, die uns Ehre und Macht gibt, in der Firma, einem Verein oder in der Kirche? Oder ist es die Beziehung zu Jesus Christus, ihn zu lieben und zu vertrauen. Wir sagen als Christen leicht: Das ist der Glaube. Aber prüfen wir uns ehrlich. Es war selbst für Jesus nicht leicht, sich ganz in das Vertrauen Gottes zu geben.

Es ist eine Hilfe, wenn wir einmal aufschreiben, was uns alles wichtig ist im Leben, und dabei ehrlich mit uns selbst umgehen.

Nehmen Sie ein Blatt Papier und teilen Sie es in zwei Spalten auf. In die linke Spalte schreiben Sie, was Ihnen wichtig ist im Leben, und in die rechte Spalte, was hat es für mich getan, was gibt mir das, was habe ich davon? Das können sie immer wieder ergänzen. Und dann fragen Sie sich im ersten Schritt, was bei den einzelnen Dingen, die Ihnen wichtig sind, mit ihnen passieren würde, wenn sie es verlieren würden. Seien Sie ehrlich zu sich selbst. Daran können Sie schon erkennen, wie sehr Sie von einzelnen Dingen abhängig sind.

Und dann fragen Sie sich im zweiten Schritt:

Wenn ich nur eins von diesen Dingen behalten könnte, was würde ich dann behalten? Wem oder was vertraue ich am meisten, dass mein Leben dadurch einen sicheren Halt bekommt, erfüllt und sinnvoll wird? Worauf Sie am meisten vertrauen und was Sie am wenigsten verlieren möchten, das ist Ihr Gott.
Vertrauen ist nicht einfach. Je älter man wird, desto schwieriger wird es. Dagegen stehen zu viele menschliche Erfahrungen, wo wir enttäuscht und verletzt wurden. Vielleicht kennen Sie es, dass Sie Menschen vertraut haben und dann enttäuscht wurden. Dadurch wächst ganz allgemein unser Misstrauen. Und dieses Misstrauen übertragen wir dann leicht auf Jesus.

Aber ohne Vertrauen kommen wir nicht aus. Wir vertrauen immer:

Der Börsenspekulant vertraut; die Wirtschaft ist eine Frage des Vertrauens; wir vertrauen, dass uns materielle Sicherheit  eine positive Zukunft bringt; wir vertrauen in Menschen, dass sie uns auch helfen, wenn wir Hilfe brauchen; wir vertrauen in Beziehungen, dass sie tragfähig sind und uns glücklich machen. Das alles ist gut und sinnvoll für unser Leben. Ohne dieses Vertrauen wären wir ganz arm. Doch alle diese Dinge, und seien sie noch so schön, können uns zwei Dinge nicht geben: die Garantie, dass das Vertrauen nicht enttäuscht wird und ein Leben in Ewigkeit.
Deshalb werden wir, wenn wir die Fragen, was hat es für mich getan, was gibt mir das und was habe ich davon, genau und ehrlich beantworten, dann kommen wir eigentlich zwangsläufig auf Christus, der allein unser Vertrauen in vollem Umfang rechtfertigt. Erst wenn wir in dieses Vertrauen hineinwachsen, kommen wir immer mehr zu der Gewissheit: Was Gott für uns getan hat und uns gibt ist so groß, so bedeutend, dass ich dafür auf alles andere verzichten könnte und mich zumindest von den Abhängigkeiten davon befreien kann. Je größer das Vertrauen, desto mehr können wir auch abgeben und auf die Abhängigkeiten verzichten. Jesus hat sein Leben hingegeben, weil sein Vertrauen und seine Liebe zu Gott alles andere überragte. Die Witwe hat alles gegeben, weil sie eins hatte, was so groß war, dass sie dafür alles andere weggeben konnte: das Vertrauen und die Liebe zu Gott.

Darum geht es: um das schlichte kindliche Vertrauen und die schlichte kindliche Liebe zu Gott.

Predigt zu Markus 12, 41-44

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