Predigt zu Markus 14, 3-9 am Sonntag Palmarum

Predigt zu Markus 14
Foto: Martina Heins

3 Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt. 4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? 5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. 6 Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. 7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. 8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. 9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.

Schauen wir zunächst einmal auf den Zusammenhang, in dem dieser Text steht:

Mit diesem Abschnitt beginnt die Passionsgeschichte Jesu. Vorher in den Versen 1 und 2 lesen wir, dass die Hohepriester und Schriftgelehrten beschließen, Jesus zu töten.

Und nun zur Geschichte selbst:

In der ganzen Passionsgeschichte ist dies die einzige Geschichte, in der am Prozess Unbeteiligte dabei sind und in der Jesus etwas Gutes getan wird. Sonst erlebt Jesus nur Verrat, Verurteilung, Verspottung, Folter, allein gelassen werden und am Ende die Tötung am Kreuz.

Eine weitere Besonderheit ist, dass Jesus das einzig Positive von einer Frau erfährt.

Dass es eine Frau ist, ist nicht deshalb wichtig, weil Frauen besser wären, sondern weil Frauen damals als minderwertig und rechtlos galten. Noch nicht einmal der Name wird erwähnt, aber gerade diese für die damalige Zeit minderwertige, rechtlose und namenlose Person wird als ein Beispiel des Glaubens hingestellt. Sie tut aus Liebe zu Jesus etwas sehr Wichtiges, aber darüber gleich mehr, und gibt dafür etwas sehr Kostbares her. Der Wert des Öls betrug ungefähr ein Jahresgehalt eines Tagelöhners, bzw. eines einfachen Arbeiters.

Da kommt der Protest, die Empörung über das Handeln der Frau.

Ihr Protest ist logisch, sinnvoll, wirtschaftlich vernünftig und entspricht doch eigentlich Jesu eigenem Handeln und dem Gebot der Liebe.
Ich kenne diesen Protest: Manchmal bringe ich ihn selber an, wenn ich mich über etwas empöre und denke, dass man als guter Christ doch dieses nicht tun kann und jenes tun muss; manchmal höre ich ihn von anderen und ich kann es schon nicht mehr hören, was man nicht alles tun muss als Christ: für dieses und gegen das sein; sich einsetzen für dieses Anliegen oder gegen jenes Problem. Und immer schwingt unterschwellig die Aussage mit: Nur wenn du so bist, wie es meiner Vorstellung entspricht, bist du ein guter Christ!

Doch Jesus wehrt den Protest ab:

Er wehrt nicht ab, dass wir darum ringen sollen, wie wir als Christen leben sollen. Nein, sondern er hält ihnen entgegen: Was ihr da sagt, das könnt ihr doch tun, immer und immer wieder, aber es gibt noch etwas Wichtigeres für euch als Jünger, als Christen, als Gemeinde, als Menschen, und das tut diese Frau hier.

Was diese Frau Besonderes tut, das wollen wir uns jetzt etwas genauer ansehen:     

Salbungen gab es in Israel zum Beispiel, wenn Gästen beim Eintreten ins Haus die Füße gewaschen wurden, oder wenn insbesondere Könige nach ihrem Tod einbalsamiert wurden, oder wenn ein Prophet jemand zum neuen König gesalbt hat. In unserer Geschichte geht es um die Totensalbung und die Königssalbung.

In dem, was die Frau hier tut, wird deutlich:

Jesus wird nicht in einer Feier, in der der König von den Fürsten und großen Persönlichkeiten proklamiert wird, zum König gesalbt, sondern auf seinem Weg zum Sterben, in die letzte Niedrigkeit. Und das geschieht nicht durch einen großen und anerkannten Propheten, sondern durch eine namens- und bedeutungslose Frau. Jesus wird nicht zum König gesalbt, weil Menschen ihm zujubeln, ihn anerkennen und ihn wollen, sondern durch die Liebe eines niedrigen Menschen, dessen Liebe auch in seinem Sterben noch da ist.

Durch die Liebe zu Jesus macht sie ihn, der bald sterben wird, zum König über sich und aus Liebe gibt sie Ihm Ihr Bestes, alles, was sie hat.         

Jesus weist auf die Frau hin, weil er deutlich macht, dass sie etwas Wichtigeres tut als das, was alle anderen mit ihrer schönen Moral anmahnen. Ihn aus Liebe zu seinem König und Herrn machen, darauf kommt es an. Das soll unsere Mitte sein, im Leben, in der Gemeinde, für alle Menschen.

Und das ist wichtig für unser Leben,

denn mit unseren Vorstellungen von dem, was man zu tun hat, wie man zu leben hat, kommen wir oft nicht weit. Sie geben uns eine scheinbare fromme Sicherheit, aber gleichzeitig führen sie uns in die Irre. Wir können damit Gutes tun und gleichzeitig schaden wir anderen Menschen; wir können uns damit gut fühlen, weil wir viel erfüllen oder als Versager, weil wir es nicht schaffen. Sie erweisen sich letztlich als schlechte Orientierung, die nur zu Streit führt und sie geben uns in schweren Zeiten keinen Halt, keine Geborgenheit und keine Hoffnung auf die Ewigkeit. Dagegen gibt uns die innige Beziehung zu Christus eine gute Orientierung durch den Dschungel des Lebens, gibt uns festen Halt in schweren Zeiten und eine sichere Hoffnung auf die Ewigkeit.

Genauso wichtig ist es für eine Kirchengemeinde, dass die Liebe zu Christus in der Mitte steht.

Als ich 1980 nach Chile kam, da war die lutherische Kirche in zwei Kirchen und Einzelgemeinden gespalten. Sie hatte sich 1975 gespalten an der Frage, wie man mit der politischen Situation im Land umgehen sollte. Man warf sich gegenseitig vor, keine guten Christen zu sein. Diese Frage wurde zur wichtigsten Frage, die über Einheit und Spaltung der Kirche entschied. Der Riss ging quer durch die Gemeinde. Mein Auftrag bestand unter anderem darin, etwas zur Versöhnung der Kirchen und in der Gemeinde beizutragen. Der einzige Weg lag darin, dass alle wieder entdeckten: Es gibt etwas Wichtigeres für uns Christen als diese Frage, und das ist die Liebe des einzelnen zu Jesus Christus. Nur wenn das im Mittelpunkt unseres Glaubens steht, dann kann es wieder zu Versöhnung kommen.

Genauso ist es bei uns, wenn es um aktuelle politische oder ethische Fragen geht.

Wenn diese Fragen zum Wichtigsten werden, führt es zur Spaltung. Allein die gemeinsame Liebe zu Jesus Christus kann uns einen.

Es sind nicht die guten Werke, die Leistung, die großen Worte, die rechte Lehre, das Wichtigste im Christsein, durch die jemand Nachfolger Jesu wird, sondern es ist die Liebe zu ihm, zu dem der da am Kreuz stirbt.

Im Verschwenden des Öls wird noch etwas anderes deutlich:

Predigt zu Markus 14
Foto: Martina Heins

So wie die Frau ihr Öl verschwendet, um ihre Liebe zum Ausdruck zu bringen, so verschwendet Jesus seine Leben aus Liebe zu uns. So gibt Gott sein Bestes aus Liebe zu uns. So wie das Öl ausgegossen werden muss, damit es seinen vollen Duft entfaltet, so muss Jesus sein Leben hingeben, damit sein Dienst die Welt erneuern kann.

Weil Jesus sich aus Liebe für uns verschwendet, ist die richtige Antwort auf seine Liebe, die Verschwendung unseres Lebens aus Liebe zu ihm. Erst in der Liebe zu ihm, wird er unser Herr und König.

Rein äußerlich ist bei der Person am Kreuz nichts Besonderes zu erkennen, schon gar nicht, dass er Herr und König der Welt ist.
Es ist die Liebe zu ihm im Herzen eines Menschen, die ihn zum König eines Menschen werden lässt, und das ist das Wichtigste.

Predigt zu Markus 14, 3-9
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