Predigt zu Römer 9, 1-6 am 10. Sonntag nach Trinitatis

Aus Liebe alles tun!?

Für Menschen, die wir lieben, sind wir bereit, eine Menge zu tun und Opfer zu bringen, zum Beispiel für den Ehepartner, Kinder und Freunde. Für sie opfern wir Geld, Zeit, Ansehen, Gesundheit und anderes, nicht alles, aber etwas und manchmal etwas mehr. Manche sagen im Liebeswahn: „Für dich tue ich alles“. Man sollte jedoch immer noch so viel Verstand haben und die Sicherheitsklausel „fast“ einfügen.

Wären Sie bereit für jemand anders die Ewigkeit, die ewige Rettung herzugeben, freiwillig, aus Liebe? Paulus schreibt:

1 Für das, was ich jetzt sage, rufe ich Christus als Zeugen an. Es ist die Wahrheit; ich lüge nicht. Auch mein Gewissen bezeugt es, das vom Heiligen Geist bestätigt wird: 2 Ich bin tieftraurig und es quält mich unablässig, 3 wenn ich an meine Brüder und Schwestern denke, die Menschen aus meinem Volk. Wenn es möglich wäre, würde ich es auf mich nehmen, selbst an ihrer Stelle verflucht und für immer von Christus getrennt zu sein.

4 Sie sind doch Israel, das von Gott erwählte Volk. Ihnen gehört das Vorrecht, Kinder Gottes zu sein. Ihnen offenbarte er seine Herrlichkeit. Mit ihnen hat er wiederholt seinen Bund geschlossen. Ihnen hat er sein Gesetz gegeben und die Ordnungen für den Opferdienst zu seiner Verehrung. Ihnen hat er das künftige Heil versprochen. 5 Sie sind die Nachkommen der von Gott erwählten Väter, und zu ihnen zählt nach seiner menschlichen Herkunft auch Christus, der versprochene Retter. Dafür sei Gott, der Herr über alles, in Ewigkeit gepriesen! Amen.

Zunächst einmal müssen wir sehen, für wen Paulus das tut: das Volk Israel.

Man kann das Volk Israel ganz menschlich betrachten

wie alle anderen Völker mit ihren unterschiedlichen Mentalitäten wie Franzosen, Engländer, Japaner, Afrikaner, etc.. Die Juden haben immer ihre eigene, besondere Mentalität bewahrt. Deshalb wurden Juden in den letzten 2000 Jahren in vielen Ländern der Welt verfolgt, ausgestoßen, abgelehnt und getötet. Aber nirgends so stark wie in Deutschland unter den Nazis. Diese schwere Schuld lastet bis heute schwer auf unserem Volk. Sie hat unser Selbstwertgefühl zerbrochen. Seit Jahrzehnten versuchen wir, es wiederzugewinnen durch die Hoffnung, dass die Völker der Welt uns anerkennen und lieben. Aber es ist der falsche Weg. Wir müssten demütig zu Christus umkehren und durch Vergebung und Gnade uns von Gott selbst zusagen lassen, dass er uns liebt, und dass wir in seinen Augen wertvoll sind.

Die andere Art, das Volk Israel zu betrachten, ist die Geistliche.

Hier sehen wir, dass das Volk Israel eine einzigartige Stellung unter den Völkern der Welt hat, nicht wegen seiner besonderen Eigenschaften, sondern wegen der einzigartigen Geschichte Gottes mit dem Volk. Gott hat es erwählt in Abraham. Warum er das getan hat, haben die Israeliten sich auch gefragt. Die Antwort heißt: Es ist Gottes freie Entscheidung gewesen, diese kleine und in der Welt unbedeutende Volk zu erwählen. Gott hat dem Volk viele Gaben gegeben: den Bund, die Gebote, die Zusagen, sein Heil, den Schutz, die Führung. Es war Gottes freie Entscheidung. Aus dem Volk Israel kommt Jesus, der Retter der Welt. Er ist nicht als Inder, Römer oder Germane geboren, sondern als Jude. So hat es Gott gewollt. In allem, was Gott mit diesem Volk getan hat, liegen die Wurzeln unseres Glaubens. Deshalb kann es für Christen keinen Antisemitismus geben, sondern so wie wir alle Völker achten und respektieren sollen als Geschöpfe Gottes, so gilt dem Volk Israel unsere besondere Achtung und Respekt, nicht wegen seiner menschlichen Eigenschaften, sondern weil Gott dieses Volk erwählt und ihm seine Zusagen geben hat.

Paulus macht deutlich, dass das Besondere des Volkes Gottes nicht in seinen natürlichen Eigenschaften, nicht in der natürlichen Abstammung liegt, sondern einzig in Gottes freier Entscheidung, Menschen seine Gnade und Zuwendung zu schenken. So erwählt er in freier Entscheidung Isaak und nicht Ismael, Jakob und nicht Esau zu Trägern seiner Verheißung. Immer wieder in der Geschichte des Volkes Israels, wie sie im Alten Testament beschrieben wird, beruft und wählt Gott Menschen aus, die ihm dienen und zum Segen für andere Menschen werden sollen.

Und das gilt auch für uns Christen, das neue Volk Gottes:

Wir sind nichts besonderes, was unsere Eigenschaften anbelangt, sondern das Besondere ist, dass Gott in seiner freien Entscheidung uns seine Gnade und Liebe schenkt.

Es ist nicht unsere Tradition, nicht unsere moralische Leistung, die uns zu Kindern Gottes und zum Volk Gottes macht, sondern es ist Gottes freie Entscheidung, mit der er beschließt: Du und Du und Du sollen zu meinem Volk gehören, um Jesu Christi willen sollt ihr sollt mein Heil erfahren. Wir haben also keinen Grund, uns über andere zu erheben oder stolz zu sein; wir haben aber viel Grund, demütig auf die Knie zu gehen und unserem Schöpfer zu danken, dass wir zu ihm gehören dürfen, und an dieser Gnade fest zu halten, Gott dafür zu fürchten und zu lieben und zu vertrauen.

Was ist aber nun mit den anderen,

die die Gnade durch Jesus nicht kennen und verloren gehen, denn alle Zusagen Gottes und die Erwählung Gottes gilt einzig und allein Jesus  Christus, seinem geliebten Sohn, und denen, die zu ihm gehören. Was ist mit den Juden und Mohammedanern oder Anhänger anderer Religionen, mit den Menschen in Asien, Afrika und anderen Kontinenten, mit Nachbarn, Freunden und Familienangehörigen, die nicht an Jesus glauben?
Wir können sie menschlich sehen, das heißt je nach Sympathie kümmern wir uns um die Einen, und den Anderen, die wir nicht so mögen, beschäftigen wir uns nicht. Paulus hätte das Volk Israel auch menschlich sehen können: sie hatten ihn verfolgt, gesteinigt, ausgestoßen; sie hassten ihn und hätten ihn am liebsten getötet. Wer so etwas erfährt, dass Menschen einem immer wieder schaden oder schaden wollen, der kann darüber verbittert und verschlossen werden. Aber Paulus sieht sie mit den Augen und mit dem Herzen Gottes, so wie Jesus. Und da ist Liebe, uneingeschränkte Liebe, eine Liebe, die sich nicht abschließt, nicht verbittert, sondern die zu einem tiefen Leiden an der Verlorenheit der Menschen führt; nicht nur zu denen, die einem nahe stehen, sondern auch zu dem Feinden.
Christus hat uns Menschen so sehr geliebt, dass er dafür sogar den Tod und die Trennung von Gott auf sich genommen hat. Und mit dieser Liebe sieht Paulus die Menschen und hier das Volk Israel. Mit Christus würde er alles dafür tun, damit diese Menschen gerettet werden.

Christus ist nicht nur für uns gestorben und für die Menschen, die uns sympathisch sind, sondern auch für alle anderen, die wir kennen und die wir nicht kennen;

für den islamistischen Terroristen; für Menschen, die gegen die Kirche arbeiten und für jeden einfachen Bürger. Auch sie müssen die Botschaft von Jesus kennen lernen und annehmen, und wir Christen sind Gottes Botschafter.

Aber noch mehr: Wir sollen ihnen nicht nur sagen, dass sie Christus brauchen und dass Gott sie liebt, sondern wir sollen sie lieben mit dieser brennenden, sehnsüchtigen und leidenden Liebe Christi, dass auch sie die Gnade Jesu Christi kennen lernen und gerettet werden. Paulus sagt: ich würde alles dafür tun. Vielleicht müssen wir ehrlich sagen, dass wir so noch nicht lieben können, Aber wenn wir die Liebe Christi sehen, dann muss das unser Ziel sein; dann lasst uns dafür beten, dass wir lernen, die Menschen mit den Augen und mit dem Herzen Gottes zu sehen, so wie Jesus uns sieht.

Predigt zu Römer 9, 1-6
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