Predigt zu Johannes 8, 31-37 am Silvesterabend
Das Jahr ist vergangen und wir schauen zurück.
In Fernsehen- und Radiosendung gibt es Rückblicke mit schönen und schweren Ereignissen des vergangenen Jahres. Dabei geht es vor allem um große gesellschaftliche Ereignisse, an die sich die meisten wieder erinnern.
Aber wie war das vergangene Jahr für Sie persönlich?
Der eine bezeichnet es vielleicht als gut, für einen anderen war es gleichbleibend und wieder ein anderer wird vielleicht sagen, dass es nicht so gut oder sogar sehr schwer war.
Aber wonach beurteilen wir, ob etwas gut war oder nicht? Was entscheidet darüber?
Ich will versuchen, die Frage ein bisschen zu erläutern. Was ist es, was unserem Leben normalerweise Halt und Sicherheit gibt, so dass wir zuversichtlich in die Zukunft schauen? Ich will es mit einem Bild erklären. Stellen Sie sich vor, unser Leben leben wir auf einer Plattform, die von vier Säulen getragen wird. Die Säulen sind erstens die materielle Sicherheit. Es geht nicht um Luxus, sondern dass wir auch in Zukunft genug haben für die Grundbedürfnisse des Lebens wie Wohnung, Kleidung und Nahrung und dass wir uns sonst noch einiges leisten können, was uns wichtig ist für eine gute Lebensqualität. Die zweite Säule sind gute Beziehung zu Menschen, die uns wichtig sind und zu denen wir dazugehören wie Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft oder bestimmte Gruppen. Die dritte Säule ist die eigene Kraft, wie zum Beispiel die Gesundheit, die es uns ermöglicht, mit den Herausforderungen des Lebens fertig zu werden und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die vierte Säule sind Ordnungen und Gewohnheiten, in denen wir leben und die uns eine Orientierung in der Vielfalt des Lebens geben, wie zum Beispiel geschriebene Gesetze und Regeln und auch ungeschriebene Gewohnheiten und Sitten.
Wenn diese Säulen in der Vergangenheit besser geworden sind und stabil sind, dann beurteilen wir die Vergangenheit als gut.
Wenn aber irgendwo etwas bröckelt oder Schaden genommen hat, dann haben wir die Vergangenheit als negativ erlebt,
zum Beispiel wenn die Gesundheit Schaden genommen hat oder wir die Arbeit oder sogar einen Menschen verloren haben.
Und weil diese Säulen so wichtig sind, investieren wir viel Zeit und Kraft, um daran weiterzubauen, sie noch stabiler zu machen oder stabil zu erhalten.
Danach entscheiden wir zum Beispiel, zu welchen Menschen wir eine gute Beziehung haben wollen und von welchen wir uns distanzieren, welche Ordnungen und Gewohnheiten wir für gut halten, wie viel wir uns körperlich bewegen, wieviel oder was wir essen, um unsere Gesundheit zu erhalten. Überlegen Sie einmal, welche Nachrichten uns beschäftigen, zum Beispiel Kriege, Umwelt, Erhöhte Preise, Rentenversicherung, Gesundheits- und Pflegesystem, innere und äußere Sicherheit.
Es dreht sich alles um unsere „Lebenssäulen“.
Nun kommt jemand und sagt: „Das ist alles brüchig bei dir, dein ganzer Lebensbau.
Die Säulen, auf denen du stehst, taugen nichts. Alles, was du dir aufgebaut hast an Beziehungen, materieller Sicherheit und Ordnungen ist sehr wackelig und unbrauchbar. Und deine Kraft, mit der du alles stabil hältst, ist doch auch sehr zerbrechlich.
Durch deine Abhängigkeit von deinen zerbrechlichen Säulen machst du dich zu einem unfreien und gefangenen Menschen, denn du musst immer weiter daran bauen, aber irgendwann bricht das alles sowieso zusammen. Und darauf baust du dein Leben?
Jesus hinterfragt uns von Grund auf und macht deutlich: Alles, was für uns bisher gegolten hat und selbstverständlich von allen anerkannt war, wird in Frage gestellt. Das gilt nicht nur für uns als einzelne Personen, sondern auch für die Gesellschaft, für die Kirche als Ganzes, für jede Kirchengemeinde und jede Gruppe in einer Gemeinde.
Wie ist unsere Reaktion?
Lächeln wir überlegen über so viel Unverfrorenheit, ärgern wir uns und gehen zum Gegenangriff über oder interessiert es uns nicht? Oder lassen wir uns hinterfragen und hören genau hin?
Der, der uns hinterfragt ist Jesus! Dazu wollen wir uns jetzt die Verse aus Johannes 8, 31-37 ansehen:
31 Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger 32 und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. 33 Da antworteten sie ihm: Wir sind Abrahams Nachkommen und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden? 34 Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. 35 Der Knecht aber bleibt nicht ewig im Haus; der Sohn bleibt ewig. 36 Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei. 37 Ich weiß wohl, dass ihr Abrahams Nachkommen seid; aber ihr sucht mich zu töten, denn mein Wort findet bei euch keinen Raum.
Wir wollen diesen Abschnitt noch einmal durchgehen:
Jesus redet zu Juden, also zu Menschen aus dem Volk Gottes, die angefangen haben, an ihn zu glauben, die Sympathie für ihn hatten. Zu ihnen sagt er: Ihr seid nicht frei, denn dazu müsst ihr bei mir bleiben, nicht ein bisschen glauben, sondern an mir dranbleiben, auch wenn es Nachteile bringt und ihr müsst euer ganzes Leben auf mich gründen. Sie verstehen Jesus nicht und antworten: Wir gehören doch zum Volk Gottes, leben in der Tradition mit Geboten und Gottesdiensten, wir sind doch frei.
Jesus verstärkt seine Hinterfragung noch und redet von der Sünde.
Entweder ihr baut euer Leben auf euren selbstgemachten irdischen Säulen auf, dann seid ihr ihr Sklave, ihr seid davon abhängig. Und dass ihr Euch abhängig macht von irdischen, zerbrechlichen Dingen und nicht von Gott, das ist die eigentliche Sünde.
Jesus macht deutlich: Diese Abhängigkeit bestimmt und beherrscht euch!
Wie ihr euch fühlt, macht ihr davon abhängig, euer Handeln wird bestimmt von der Sorge um diese Dinge. Ihr seid mit euren Gedanken, Sorgen und Bemühen auf all diese Dinge und Menschen fixiert, und das zieht euch von Gott weg. Es ist für euch wichtiger als Gott selbst, weil ihr davon euer Leben abhängig macht. Und es macht euch unfrei, denn es beherrscht euch, und ihr sitzt darin, wie in einem goldenen Käfig, der auf den Abgrund zurollt.
Jesus macht deutlich: Deshalb sollt ihr die andere Möglichkeit wählen,
dass ihr auf mich als eure einzige „Säule“ baut und euch bestimmen lasst von meinem Wort, eure Gefühle, eure Hoffnung, euer Handeln, eure Gedanken, euer ganzes Leben. Ihr könnt alles andere noch haben, aber ihr sollt davon nicht abhängig sein in eurer Zuversicht und eurem Halt, und
dann seid ihr frei von allem anderen! Und dann seid ihr auch frei vom „goldenen Käfig“, der in den Abgrund rollt, denn ich bringe euch ans Ziel, in Gottes Ewigkeit.
Wir versuchen meistens beides zusammen zu haben:
Diese vier Säulen und Jesus, und zwar so, dass wir an unseren Säulen bauen und hoffen und beten, dass Gott uns hilft, dass sie standfest bleiben. Aber dann würde Gott uns ja in der Abhängigkeit davon lassen und wir würden in der Irrmeinung bleiben, unser Leben hinge davon ab.
Deshalb gibt es für Jesus nur ein „entweder – oder“ und nicht beides zusammen. Jesus hinterfragt uns so, um uns zur Wahrheit zu bringen! Schotten wir uns ab oder lassen wir es zu?
Wenn wir uns darauf einlassen, dann entscheidet etwas anderes darüber, ob es ein gutes Jahr war oder nicht.
Dann geht es nicht mehr um die Frage, wie war das mit unseren vier menschlichen Säulen, sondern, ob wir unser Leben fester auf Jesus und seinem Wort gegründet haben.